17. Energie
Kernenergie
Nach der Tschernobylkatastrophe fand der weitere Ausbau der Kernenergie in der Bevölkerung wenig Akzeptanz. Heute — einige Jahre danach — macht das euphemistische Motto der Neubewertung der Kernenergie mit inhärent sicheren Reaktoren wieder Karriere.
Die Nuklearindustrie setzt dabei geschickt auf die Angst vor der drohenden Klimakatastrophe und auf die Vergeßlichkeit der Bevölkerung.
Kernkraftwerke, argumentiert sie, produzierten kein Kohlendioxyd und seien daher das Mittel gegen den bevorstehenden Klimaschock. Alternative Energieformen werden entweder mit keinem Wort berücksichtigt oder bewußt ins Lächerliche gezogen. Gerne zitiert wird das, von der Bundesregierung geförderte Windkraftanlagenpilotprojekt Grovian, das besser als “Grobian” tituliert werden sollte.
Der deutsche Atompapst, Professor Wolf Häfele, schlägt sogar allen Ernstes vor, vier Billionen Dollar zu investieren, um 2.000 zusätzliche Atomreaktorblöcke zu errichten.
Gerne wird die Bevölkerung irregeführt. Die deutsche Risikostudie 1989 kommt zu dem Schluß, daß nur einmal in etwa 30.000 Jahren mit einem nicht mehr beherrschbaren Störfall zu rechnen sei.
Das hört sich für den Laien beruhigend an. Wird diese Aussage jedoch näher unter die Lupe genommen, sieht das Bild viel erschreckender aus. Gemeint sind mit den Jahren nämlich Reaktorbetriebsjahre und das macht - runtergerechnet - einen Unfall innerhalb von 60 Jahren. Wird die in der Studie eingestandene Fehlerbandbreite mit dem Faktor zehn einkalkuliert, landen wir schon bei einem Unfall alle sechs bis 600 Jahre. Das Risiko kriegerischer oder terroristischer Aktivitäten sowie menschlichen Versagens bleibt dabei unberücksichtigt.
Ab einer gewissen Komplexität kann jedes technische System versagen, wenn es auch noch so gut durchdacht und mit noch so vielen Sicherheitseinrichtungen versehen ist. InformatikerInnen bestätigen, daß große Programme, die sogar im Top-Down-Verfahren entwickelt und mit Verifikationsalgorithmen überprüft und getestet worden sind, trotzdem ganz unerwartet abstürzen können. Das Programm wächst den InformatikerInnen sozusagen über den Kopf. InformatikerInnen haben für diese nicht mehr überschaubare Komplexität sogar eine eigene Bezeichnung namens sophistication breakdown in ihrem Fachvokabular. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß große technische oder logische Systeme ab einem gewissen Komplexitätsgrad von Wissenschaftler- und IngenieurInnen nicht mehr vollständig beherrscht werden können. Es muß immer mit einem Systemfehler gerechnet werden.
Die Folgen durch Programmabstürze sind meist nicht so fatal und darum kann auch mit fehlerhaften Programmen gelebt werden. Mit den unvermeidbaren Systemfehlern bei Atomkraftwerken wird die Menschheit jedoch nicht überleben!
In Tschernobyl hatten die Menschen in einer Umkreiszone von zehn Kilometer praktisch keine Überlebenschance. In der Umkreiszone mit dem Radius 30 Kilometer wurde die gesamte Bevölkerung (~ 100.000 Menschen) evakuiert. Später im Juni stellte sich diese Dreißig-Kilometer-Umkreiszone als zu eng heraus und die sowjetischen Behörden erweiterten die Zone auf 50 Kilometer. Insbesondere im südwestlichen Teil Weißrußlands mußten nochmals 26.000 Menschen evakuiert werden. Auch diese Fünfzig-Kilometer-Umkreiszone könnte sich als zu klein erweisen, da es keinen Schwellenwert gibt, unterhalb der die Radioaktivität nicht mehr kanzerogen wirkt.
Ein Super-Gau im Kernkraftwerk Biblis würde zehn Millionen Menschen in der Rheinebene bedrohen. Wird die Fünfzig-Kilometer-Umkreiszone von Tschernobyl auf Biblis projiziert, würden alle Bürger einen qualvollen Tod erleiden, die in Frankfurt, Darmstadt, Mannheim, Ludwigshafen, Frankenthal, Groß-Gerau, Offenbach, Wiesbaden, Mainz, Heidelberg, Worms, Speyer, Kaiserslautern und den umliegenden Dörfern wohnen. Die Tschernobylkatastrophe verlief noch glimpflich, denn die Gegend um Tschernobyl ist relativ dünn besiedelt. Außerdem konnte das sowjetische Zentralkomitee auf eine starke Evakuierungsmannschaft zurückgreifen.
Trotz dieser günstigen Bedingungen, starben laut dem russischen Atomphysiker Wladimir Tschernosenko weit über eine Million Menschen infolge des Super-Gaus in Tschernobyl. (Früher veröffentlichte geringere Ziffern sind durch absichtliche Informationsfälschungen des Staates verursacht.) Im dichtbesiedelten Deutschland hätte ein Kernkraftwerksunfall noch katastrophalere Folgen. Kernkraftwerke sind daher insbesondere in Deutschland nicht zu verantworten.
Aber wir müssen gar nicht so weit gehen und einen Atomunfall postulieren. Auch im Normalbetrieb beeinträchtigt ein Kernreaktor die Gesundheit der Bevölkerung. Die Nuklearlobby beschwichtigt die Bevölkerung, indem sie behauptet, die Radioaktivität im Umkreis eines Kernkraftwerks sei nur einen vernachlässigbaren Bruchteil höher als die natürliche Radioaktivität.
Dies ist eine Irreführung der Bevölkerung. Es werden absichtlich Bananen mit Kanaldeckeln verglichen, denn die künstliche Radioaktivität ist für den Menschen um ein Vielfaches gefährlicher als die natürliche.
Die Strahlenbelastung des Menschen durch natürliche Radioaktivität besteht zu 30 mrem/a aus direkter kosmischer Strahlung, zu 90 mrem/a aus direkter terrestrischer Strahlung und nur zu 20 mrem/a aus Kalium-40. Die Belastung durch andere natürliche Nuklide ist vernachlässigbar (Durchschnittswert für Meereshöhe und Granitgestein).
Die künstliche Radioaktivität ist dagegen zum großen Teil an bestimmte Nuklide gebunden. Diese akkumulieren sich im menschlichen Körper.
Zwei Nuklide, die in jedem Atomkraftwerk entstehen, sind besonders gefährlich: Das Cäsium 137 und das Strontium 90. Sie werden von Pflanzen anstelle von Kalium und Kalzium in bestimmte Enzyme eingebaut. Direkt oder über den Umweg Tier gelangen sie mit der Nahrung in den menschlichen Körper.
Das Strontium 90 wird zu 99 Prozent als Strontiumapatit in die Knochensubstanz eingebaut.
Das Cäsium 137 wird unter anderem in verschiedene Enzyme integriert, die normalerweise Kalium als Katalysatoren beherbergen.
Sie werden direkt in DNA-Nähe geschleust. Hier zerfallen sie und ionisieren das umliegende Zellplasma. Es entstehen sogenannte Freie Radikale, die einerseits die DNA schädigen und nach Jahren zu Tumoren, Leukämie und sonstigen Krebsformen führen. Auf alle Fälle beschleunigen sie durch Cross-Linking den Alterungsprozeß. Die Freien Radikalen brechen die Doppelbindungen der ungesättigten Lipoide auf und vernetzen sie. Das Gewebe wird steif und unelastisch. Der Mensch mit der gewissen inneren Ausstrahlung bekommt Falten und wird häßlich. Die Gefahr der Arteriosklerose erhöht sich.
Doch die schlimmste und nachhaltigste Wirkung zeitigt die Radioaktivität bei den Keimzellen. Mütter bekommen mit höherer Wahrscheinlichkeit mutierte mißgebildete Babys. Auch wenn keine auffälligen Mißbildungen bei den Kindern auftreten, heißt dies noch lange nicht, daß die Strahlung wirkungslos war. Gemäß den Mendelschen Gesetzen werden die schrecklichsten Mutationen erst Generationen nach der Verstrahlung auftreten.
Auch das Bleiisotop 210 ist sehr gefährlich. Es wird perkutan absorbiert und ohne Schwierigkeiten durch die Haut in den Körper aufgenommen. Dort benötigt es Jahre, bis es wieder ausgeschwemmt wird. Die künstliche Radioaktivität ist nicht mit der natürlichen Radioaktivität vergleichbar. Sie ist um ein Vielfaches gefährlicher.
Ein weiteres Problem stellt die Endlagerung des radioaktiven Plutoniums dar, das als Abfall entsteht. Plutonium ist einer der giftigsten Stoffe, die derzeit existieren. Eingeatmete Plutoniumoxydaerosole können sich im Lungenbereich anreichern. Infolge der schwachen Hydrophilie und seiner nicht vorhandenen Acidolysidität können die Aerosole weder von den verschiedenen Leukozyten noch von Körperflüssigkeiten abgebaut oder entsorgt werden. Die Plutoniumoxydpartikelchen bleiben daher jahrelang im Lungenbereich und senden unter anderem Alphastrahlen aus. Diese Alphastrahlung impliziert die hohe radiotoxische Wirkung der Plutoniumoxydaerosole, die sich insbesondere durch eine erhöhte Lungenkrebsgefahr und eine allgemeine mutagen-kanzerogene Wirkung äußert. Schon die Dosis von einem millionstel Gramm kann beim Menschen Lungenkrebs und Leukämie auslösen.
Das Plutoniumisotop 239 hat eine Halbwertszeit von ~24.400 Jahren! Es soll Ihnen hier eine Vorstellung von diesem gigantischen Zeitraum vermittelt werden.
Wären die ägyptischen Pharaonen so bescheuert wie unsere PolitikerInnen gewesen und hätten anstatt Pyramiden Atomkraftwerke gebaut, wären noch heute fast 90 Prozent der Radioaktivität des altägyptischen Plutoniums vorhanden.
Die strahlenden Immun-Rems sind eben resistenter als der strahlende Sonnengott Amun-Re.
Im Jahre 20.000 nach Christus wären immerhin noch 50 Prozent der plutonischen Radioaktivität vorhanden. Erst Anno 240.000, also in rund 8.000 Generationen, wäre die Radioaktivität auf etwa eintausendstel des ursprünglichen Wertes geschrumpft und hätte damit eine einigermaßen erträgliche Dosis angenommen.
Angenommen, die Fässer mit dem ägyptischen, nuklearen Sondermüll würden in diesen 240.000 Jahren nicht bersten, was ganze Landstriche verwüsten würde, dürften 8.000 Generationen lang keine Kinder in der Nähe der Plutoniumfässer spielen. Mindestens 240.000 Jahre müßten die Fässer regelmäßig von Spezialisten auf Bersten überwacht werden.
Aber 240.000 Jahre können ja unseren PolitikerInnen egal sein. Hauptsache sie überstehen die nächste Legislaturperiode von vier Jährchen und können sich dann fernab von Onkel “AToms” Hütte eine Villa kaufen.
Hier wird ein weiteres Dilemma unseres Politsystems klar: Die PolitikerInnen sind angehalten, nur einige Legislaturperioden vorauszudenken. Lediglich für die nächsten paar Jährchen müssen sie die Wählerstimmen erobern. Was danach geschieht, ist ihnen Schnurz und Schnuppe.
Ja, mehr noch: PolitikerInnen profitieren sogar von Problemen nach ihrer Ära! Überlassen sie den NachfolgerInnen von der Opposition Schuldenberge und haufenweise Sondermüll, müssen sich die verschmähten FeindInnen mit diesen Altlasten herumschlagen. Bei einer solchen “Nach mir die Stinkwut!”-Strategie werden politisch-unmotivierte NormalbürgerInnen folglich die NachfolgerInnen für unfähige Schlappschwänze halten. Schließlich kommt der Politneuling mit den aufgebürdeten Schwierigkeiten nicht zu Rande. Der gemeine Pöbel, der die Weltpolitik mit lallenden Stammtischparolen kritisiert, wird dann die verschwenderischen, verantwortungslosen VorgängerInnen zu kompetenten HeldInnen erheben.
Es wurde schon ernsthaft vorgeschlagen, den nuklearen Sondermüll auf den Mond oder den Mars zu schießen, wo er vorläufig niemanden störe. Dies ist jedoch nicht nur aus Kostengründen illusorisch. Seit der Shuttle-Katastrophe dürfte uns allen klar sein, daß die modernen Raumfähren von der Sicherheit her unter einer Hindenburg oder Titanik anzusiedeln sind. Der Werbeslogan könnte sich auf ungeahnte Weise bewahrheiten, Mars mache mobil und bringe verbrauchte Energien sofort zurück.
Offen bleiben auch andere Fragen, welche die Kernenergie wie Elektronen in den Raum wirft:
Was wird beispielsweise aus dem Kernreaktor, wenn er ausgedient hat? Er darf ja nicht als gefährliche Bauruine stehenbleiben.
Wie soll verhindert werden, daß das Plutonium für gar schändliche Zwecke verwertet wird? Schon zehn Kilogramm Plutonium genügen zum Bau einer Plutoniumbombe.
Wie können terroristische Anschläge auf kerntechnische Anlagen abgewehrt werden?
All diese Fragen bleiben unbeantwortet! Lassen Sie sich unter diesen Umständen nicht von arroganten Fachmenschen einreden, Sie sollen sich gefälligst nicht in ihr Metier einmischen. Denn Sie brauchen wahrlich kein Chefkoch in der Hexenküche des Atomfeuers zu sein, um zu schmecken, daß die nukleare Suppe kräftig versalzen ist.
Energie aus fossilen Brennstoffen
oder Kohle für Kohle!Über diese Energieform brauchen wir gar nicht viele Worte zu verlieren: Kohle, Erdgas und Benzin sind als Energielieferanten nicht unbegrenzt vorhanden. Sie verbrennen unter anderem zu Kohlendioxyd, das den Treibhauseffekt begünstigt. Auch der Energie aus fossilen Brennstoffen gehört daher nicht die Zukunft.
Solarenergie
oder Money for Sunny!
Schon die alten Griechen nutzten die Urgewalt der Sonnenenergie, indem sie mit hunderten kleiner Spiegel die Strahlen ihres Gottes Helios auf die feindlichen Kriegsgaleeren lenkten. Die Schiffe gingen in Flammen auf, bevor sie auch nur in Reichweite zum Einsatz ihrer archaischen Waffen gelangten. Diese wahrhaft flammende Idee soll von Archimedes stammen.
Auch die alten Chinesen bündelten die Sonnenstrahlen. Sie erreichten auf diese Weise Temperaturen von rund 1.800 Grad Celsius und schmolzen damit Metalle und brannten Keramik.
Die alten Ägypter wußten ebenfalls um die Gewalt der Sonne. Ihr Sonnengott Re wurde zugleich als Gott des Lebens verehrt. Er stand über allen anderen ägyptischen Göttern. Wenn bedacht wird, daß die Sonne der Urmotor allen Lebens auf unserem Planeten Erde ist, hatten die Ägypter da gar nicht so Unrecht.
Die antiken Völker wußten mehr über die Sonnenkraft als unsere strahlenden coolen Sunny-Boys der Energiepolitik. Der heiße <SonnenSchein> der Wonnemonate läßt sie <Schein-bar> kalt bei eisgekühltem Perrier und obligatorischem Airconditioning in den Parlamenten. Dabei ist die auf die Erde täglich herabscheinende Sonnenenergie mehr als zehntausendmal(!) so stark, wie der gesamte Weltenergieverbrauch. Das Argument der Regierung, Sonnenenergie vermöge den Energieverbrauch der Erde nicht zu stillen, ist schon aus diesem Grund absurd.
Auch der oft gehörte Einwand, Solarkollektoren wandelten nur einen Bruchteil der Energie in nutzbare Elektrizität um, stellt keinen Hinderungsgrund für die Sonnenenergienutzung dar. Es stimmt zwar, daß die gängigen Sonnenkollektoren nur etwa 20 Prozent der einscheinenden Energie in Elektrizität umwandeln. Die Energieausbeute bei Kernkraftwerken und Kohlekraftwerken liegt aber in der gleichen Größenordnung, so daß auch dieser Einwand ungerechtfertigt ist.
Das einzige Argument, welches gegen die Sonnenenergie verwendet werden könnte, ist, daß die aus Sonnenenergie erzeugte Kilowattstunde etwas teurer ist, als die aus fossilen Brennstoffen oder Kernenergie generierte. Dies gilt aber nur in kapitalistischen Systemen, in denen die Ökologie nicht in die Ökonomie eingebettet ist.
Auch die jahreszeitlichen Schwankungen der Sonneneinstrahlung stellen kein Problem dar. In einer Panokratie lassen sich energieaufwendige Arbeiten leicht in den Sommer verschieben.
Der Pro-Kopf-Energieverbrauch in einer Panokratie liegt durch die parzellierte Nutzung der Gemeingüter wesentlich tiefer als der, der herkömmlichen Privathaushalte. Die Sonneneinstrahlung kann auch im Winter den Energiebedarf decken
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