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1. Teil

Was Sie schon immer über New Age wissen wollten

 

 

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Dieser 1. Teil soll Ihnen einen ersten Einblick, Überblick und Durchblick vermitteln, ehe wir tiefer in die Materie eindringen. Allerdings: den Durchblick schon nach dem 1. Teil zu haben — das wäre wohl etwas zuviel versprochen. Denn die New-Age-Bewegung ist eine äußerst vielschichtige, unübersichtliche, schwer zu erfassende Strömung im Geist unserer Zeit.

Die New Ager sehen sich selbst gerne als ein Netzwerk bzw. als eine Verbindung von Netzwerken. Netzwerke sind kleine Gruppen, die in vielfältiger Weise Tniteinander verflochten sind und so ein Ganzes bilden; wobei gleichberechtigt — auf einer Ebene — miteinander kommuniziert wird. Damit will man sich abgrenzen gegen Organisationen, die hierarchisch — von oben nach unten — strukturiert sind und von einer Befehlszentrale gesteuert werden, z.B. Verwaltungsbehörden.

Manche Gegner des New Age, wie Constance Cumbey (ein von ihr geschriebenes Buch heißt bezeichnender­weise Die sanfte Verführung), meinen allerdings, diese Bewegung besäße sogar eine besonders straffe Organisation, die zielstrebig auf eine Manipulation der Öffentlichkeit hinarbeite, dies aber verschleiere.

Aber das ist wenig ernst zu nehmen, dafür gibt es viel zu viele Unterschiede bis hin zu Gegensätzen in den Theorien und Praktiken der »Neu-Bewußtler«. Und. Organisieren ist auch nicht gerade ihre Stärke (von einzelnen Gruppierungen abgesehen). Insgesamt besitzt New Age etwas so Diffuses, daß man es schwer packen, kann. Gerade glauben Sie, den Wassermann erwischt zu haben, da zeigt er sich schon wieder in anderer, ja widersprüchlicher »Gestalt« — und ist entwischt.


So läßt sich eher umgekehrt fragen: Gibt es denn überhaupt eine New-Age-Bewegung, die wirklich eine Einheit ist und sich auch als solche empfindet?, wie die Verfechterin der »sanften Verschwörung«, Marilyn Ferguson, behauptet. Andere sehen hier nur einen losen Haufen, in dem die meisten recht beziehungslos spirituell nebeneinander herwursteln. Und die hochgerühmte Toleranz erkläre sich einfach dadurch, daß einen der andere herzlich wenig interessiere. Oder man spricht von einer Scheingemeinschaft: Da gebe es viele Unterschiede, ja Widersprüche, auch eifersüchtiges und geltungssüchtiges Monopolisieren der eigenen Ideen. Dies alles werde aber mit einem — ganzheitlichen — »Wir« ungeniert übertüncht.

Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte: Es gibt New Ager, die isoliert ihr eigenes Erleuchtungs­süppchen kochen. Es gibt andere, die vor allem ihre Lieblingsgedanken überall durchsetzen wollen. Aber es gibt auch solche, die sich wirklich als Teil einer Ganzheit empfinden und sich für sie engagieren fwas wiederum dif Vielfalt innerhalb der Bewegung bestätigte Übrigens ist es für New Age ganz praktisch, daß seine Grenzen nicht genau festgelegt sind. So läßt sich auf die Kritik an extremen Phänomenen wie schwarzen Messen, Sekten und Schülersgiritismus lejcht kontern, daß man mit so etwas nichts zu schaffen habe.

Die Bewegung »Neues Zeitalter« hat sich ganz schon breitgemacht,.von einst kleinen esoterischen Zirkeln ist sie zur Massenbewegung aufgestiegen. Tüchtig mitgeholfen haben dabei die Medien: Kein Fernsehsender, keine Illustrierte, aber auch kaum ein gehobenes Blatt ließ sich dieses »Reizthema« entgehen, was der eine reizend findet, während es den anderen reizt .... Tanz, Trance und Transformation, Reiki, Rebirthing und Reinkarnationstherapie — das bringt Leser und Einschaltquoten.

Und dennoch: Wenn sich die New Ager auch gerne als Mittelpunkt der Gesellschaft, ja der Welt sehen — man kann sicher nicht sagen, daß diese neue Spiritualität (schon?) die vorherrschende Weltanschauung in unserer (immer noch?) pluralistischen Gesellschaft wäre. Auch wenn sie viel Interesse und Sympathie findet, bedeutet das noch keine Identifizierung. Es ist z. B. ein Riesenunterschied, als passiver Leser wohlig-gruselnd einen Bericht über einen Schamanismus-Kurs bei einem Medizinmann zu konsumieren oder selbst daran teilzunehmen. Und sicherlich wäre es auch eine Illusion, das Riesenheer der Horoskopleser (die dem echten New Ager ohnehin ein Greuel sind) schon als heimliche Anhänger des Neuen Zeitalters einzuordnen.

Aber was wird die Zukunft für New Age bringen? Sein Haupkonkurrent in Sachen Zeitgeist ist bestimmt High-Tech: Computer und neue Medien, oft verbunden mit einer Yuppie-orientierten Leistungs- und Luxusmentalität. Auch hier wird ein neues Zeitalter, ein Computer- oder Informationszeitalter, proklamiert. Doch obwohl New Age und New Tech zunächst einander diametral entgegengesetzt scheinen, werden wir noch überraschende Gemeinsamkeiten feststellen.

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Name — »Gestatten, ich heiße Wassermann« 

 

Nomen est omen, hier stimmt es wirklich. Denn der Name Wassermannzeitalter (Age of Aquarius) verrät ja schon, was angesagt ist — jedenfalls dem Astrologiekundigen. Noch mehr gilt das für New Age = Neues Zeitalter: Hier ist der Name seine eigene Definition. Der Begriffe sind aber viele: Wendezeit oder — gewendet — Zeitenwende, Solarzeitalter bzw. Sonnenzeitalter. Man spricht auch von Neuem Bewußtsein, Neuem Denken oder Neuer Spiritualität. Andere verwenden den alten Ausdruck Esoterik — Esoterisches Zeitalter. Ich werde diese und ähnliche Termini einander abwechselnd benutzen.

Als Namensschöpferin für die beiden Hauptbegriffe New Age und Wassermannzeitalter zeichnet die Engländerin, Alice Bailey (1880-1949) verantwortlich. Sie war zunächst Mitglied der Theosophischen Gesellschaft und begründete später eine eigene esoterische Gemeinschaft. Aber vielleicht kann man dieser »Alice im Wunderland« doch nicht die letzte Urheberschaft zugestehen. Denn ihre Bücher, in denen sie diese Namen einführte, waren angeblich gechannelt, wie man das heute nennt, d.h., sie selbst war nur der Kanal, der Verbindungsweg für eine jenseitige Wesenheit einen »Geistführer«; und zwar empfing sie ihre Bücher von dem sogenannten Tibeter Djwhal Khul.

Der Begriff Wassermannzeitalter entstammt der Astrologie. Ihr zufolge durchläuft die gedankliche Verlängerung der Erdachse in über 25.000 Jahren einmal den gesamten Tierkreis (und zwar rückwärts). Dieser Umlauf beruht auf der Verschiebung der Erdachse bei der Erdrotation (»Präzession« genannt): Durch Anziehungskräfte der Sonne und des Mondes verschiebt sich die Erdachse gegenüber dem Fixsternhimmel jährlich um etwa 50 Bogensekunden, somit in etwa 72 Jahren um 1 Grad und in ca. 25.900 Jahren um einen vollen Kreis (die Angaben der Astrologen weichen voneinander und von astronomischen Daten ab). Ein ganzer Durchlauf heißt Weltenjahr oder platonisches Jahr. Teilt man es durch 12, was der Anzahl der Tierkreiszeichen entspricht, so erhält man 12 Weltenmonate von jeweils über 2000 Jahren Dauer. So lange (einen Weltenmonat) dauert es, bis der Frühlingspunkt (die Tag-und-Nacht-Gleiche), an dem die Sonne jeweils am 21. März steht, ein Zeichen weiterrückt.

Aus astrologischer Sicht befinden wir uns derzeit im Übergang vom Fischezeitalter zum Wassermannzeit­alter. Über den genauen Geburtstermin des Wassermanns besteht allerdings keineswegs Einigkeit. Genannt werden u.a. die Jahre 1950, 1962, aber auch 1997, 2008 und 2143. So wissen wir also gar nicht: Hat dieses aquarianische Zeitalter überhaupt schon begonnen, oder steht sein Beginn noch aus?

Ob man die obigen astronomisch-astrologischen Erklärungen im einzelnen verstanden hat, ist nicht so wichtig. Wissen muß man aber: Aussicht der Esoterik wird die Entwicklung der Menschheit durch das Tierkreiszeichen des jeweiligen Weltenjahres geprägt, ebenso wie der einzelne Mensch durch das Tierkreiszeichen seiner Geburt. (Allerdings glauben nicht alle New Ager an solche Astroberechnungen, z.B. Fritjof Capra, der »Wendezeitler«, hält gar nichts davon.)

Durch welche Eigenschaften soll sich nun der Wassermann auszeichnen? — Aber lassen wir ihn doch selbst zu Wort kommen.

 

Ich, der Wassermann 

Der aus dem Regenbogen kam. — In einem astrologischen Schmalspurbändchen habe ich über mich gelesen: »Er erforscht — aber er kann auch weglaufen.« Also das ist ja wohl ein bißchen dünn. Zunächst: Ich bin ein Luftzeichen, nicht etwa ein Wasserzeichen. Und die luftigen Wesen gelten als lebhaft-leicht, fröhlich und umgänglich, intelligent und idealistisch. Sie sollen zwar manchmal auch leichtsinnig oder großsprecherisch sein, aber das trifft für mich natürlich nicht zu. Übrigens waren z. B. auch die amerikanischen Präsidenten Washington, Franklin und Lincoln Wassermänner, ich befinde mich also in guter Gesellschaft.

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Sicher kennen Sie mein Symbol, das Wasserausgießen. Aus einer Amphore gieße ich Wasser vom Himmel auf die Erde. Und verbinde so Himmel und Erde. Das ist fürwahr ein anspruchsvoller Job. Und so wundert mich nur wenig, wenn ich bei Richard Cavendish lese, was man sich von meinem Zeitalter alles verspricht:

»Es wird eine konstruktive und vom Intellekt bestimmte Periode sein, denn der Wassermann ist ein der Luft zugeordnetes, festes Tierkreiszeichen. Man hofft, die Nationen werden dem Beispiel des himmlischen Wasserträgers folgen, ihren Mitmenschen dienen und damit das neue Zeitalter zu einer Periode internationaler Harmonie und Brüderlichkeit machen.«

Nun, ich werde mein möglichstes tun. Allerdings fühle ich mich etwas verunsichert. Denn andere erwarten von mir gerade, die Intellektualität und Rationalität zugunsten eines höheren, spirituellen, kosmischen Bewußtseins zu überwinden. Aber als Wassermann bin ich ja flexibel.

Einig sind wir uns aber wohl alle, daß ich herbeigesehnt werde, damit es mit dem leidvollen Fischezeitalter endgültig vorbei ist. Die Fische, also ... Um nicht das Vorurteil zu bestätigen, ich sei gelegentlich taktlos, zitiere ich noch einmal Cavendish (wobei ich natürlich nur aus Platzgründen manches Positive auslasse):

»Die unglücklichen Fischemenschen ... sind über alle Maßen schwankend, gefühlvoll, von anderen Menschen abhängig, nervös, unordentlich, leicht erregbar und fast außerstande, Entschlüsse zu fassen ... Sie haben leicht vorstehende Augen und einen etwas leeren Gesichtsausdruck ... Die Fische sind ein dem Wasser zugeordnetes Sternbild, und das Zeitalter der Fische hat den Menschen die für das Wasser typische Verwirrung und einen ausgeprägten Emotionalismus gebracht.«

Ja, jetzt möchte ich noch meiner irdischen PR-Beraterin, Marilyn Ferguson, danken, die mit ihrem Buch The Aquarian Conspiracy (deutsch: Die sanfte Verschwörung) maßgeblich zu meiner aktuellen Popularität beigetragen hat. — Übrigens, Sie werden jetzt für etwa 2140 Jahre das Vergnügen mit mir haben.

Lassen Sie uns zum Schluß den einfachen, aber doch so treffenden Song Age of Aquarius aus dem Musical Hair anstimmen: 

Harmonie und Recht und Klarheit!
Sympathie und Licht und Wahrheit!
Niemand wird die Freiheit knebeln.
Mystik wird uns Einsicht schenken,
und der Mensch lernt wieder denken,
dank dem Wassermann, dem Wassermann!

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