1.2 Der Internationale Fonds
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Man muß wohl kaum erwähnen, daß die westlichen Kommunisten infolge unserer gedankenlosen Schizophrenie zu einer privilegierten Gruppe, einer Art heiliger Kühe geworden waren. Ihnen war alles erlaubt, ihnen wurde im voraus jede Gemeinheit und jedes Verbrechen, für das ein normaler Mensch für Jahre ins Gefängnis gekommen wäre, verziehen. Zum Beispiel haben sie von sowjetischem Geld existiert, obwohl auch das vor ein paar Jahren noch kategorisch bestritten wurde und es als unschicklich galt, öffentlich darüber zu reden. Jetzt liegen die Dokumente und die Quittungen vor, und die Details der Geldlieferungen durch den KGB wurden ausführlich in den russischen Zeitungen geschildert, doch in der westlichen Presse wird dieses Thema weiterhin mit Stillschweigen übergangen.
Das alles ist rätselhaft, nicht wahr? Ich berichte ja nicht von den Zeiten der Komintern, über die schon so viel und so gut geschrieben worden ist und über die die Leute vielleicht wirklich nichts mehr lesen wollen. Ich berichte von unserer Zeit. Diejenigen, die in diese Aktivitäten verwickelt waren, leben noch und müßten jetzt die Verantwortung für ihre Handlungen tragen. Selbst in Ländern, wo die Annahme ausländischer Gelder für politische Zwecke an sich noch kein Verbrechen ist, darf die heimliche Entgegennahme unter Umgehung der Steuergesetze von den Behörden nicht ignoriert werden. Dafür kam Al Capone ins Gefängnis, und auch Vizepräsident Spiro Agnew wurde nicht geschont.
Indessen werden in keinem einzigen Land der Welt Ermittlungen über die finanziellen Machenschaften der Kommunisten angestellt, obwohl es sich hierbei doch um nicht weniger als um systematische Betrügereien in kolossalen Ausmaßen handelt.
Moskau schuf zum Zwecke der organisatorischen Vereinheitlichung dieser Aktivitäten im Jahre 1969 einen besonderen »Internationalen Hilfsfonds für linke und Arbeiterorganisationen« mit einem jährlichen Etat von insgesamt 16.550.000 Dollar. Selbstverständlich war Moskau selbst der größte Spender. Sein Anteil betrug 14 Millionen Dollar, aber auch die osteuropäischen Bruderländer trugen ihr Scherflein dazu bei: die Tschechen, Rumänen, Polen und Ungarn gaben je eine halbe Million, die Bulgaren 350.000 und die Ostdeutschen 200.000 Dollar (P111/162 vom 8.Januar 1969).6
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Von den 34 Empfängern erhielten in jenem Jahr den größten Anteil: die Kommunistische Partei Italiens (3,7 Millionen allein im ersten Halbjahr), die Kommunistische Partei Frankreichs (zwei Millionen) und die Kommunistische Partei der USA (eine Million). Am Ende der Empfängerliste standen die »Befreiungsfront Mocambiques« mit 10.000 und der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Ceylons, der Genosse Vikremasithe, mit 6000 Dollar (P111/163 vom 8. Januar 1969).7
So ging das weiter bis 1991. Im Jahr 1981 war zum Beispiel die Zahl der Empfänger auf 58 und der Anteil der Kommunistischen Partei der USA auf zwei Millionen angewachsen (P230/34 vom 29. Dezember 1980).8 Im Jahr 1990, dem letzten Jahr seiner Existenz, enthielt der Fonds 22 Millionen Dollar und Empfänger waren 73 »kommunistische, Arbeiter- und revolutionär-demokratische Parteien und Organisationen« (P175/3 vom 11. Dezember 1989).9
Entsprechend wuchs auch der sowjetische Anteil an der Finanzierung des »Internationalen Fonds«. 1980 betrug er 15,5 Millionen Dollar, 1986 - 17 Millionen, 1987 - 17,5 Millionen und 1990 - 22 Millionen. Mit der zunehmenden Krise des Kommunismus hörten die kleinen europäischen Brüder einer nach dem anderen auf, ihren Obolus auf das Revolutionskonto einzuzahlen. Es gab Grund zur Beunruhigung:
betrugen 1987 2,3 Millionen Dollar, das heißt etwa 13 Prozent der insgesamt eingebrachten Mittel«, berichtete der beunruhigte Chef der Internationalen Abteilung Valentin Falin am 5. Dezember 1989 an das Zentralkomitee.»Der Internationale Hilfsfonds für linke Arbeiterorganisationen wurde im Laufe vieler Jahre aus freiwilligen Beträgen der KPdSU und einer Reihe anderer kommunistischer Parteien gespeist. Jedoch haben Ende der siebziger Jahre die polnischen und rumänischen und im Jahre 1987 auch die ungarischen Genossen mit Hinweis auf ihre Devisen- und Finanzprobleme ihre Zahlungen an den Fonds eingestellt.
In den Jahren 1988 und 1989 haben die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei und die Bulgarische Kommunistische Partei ohne Angabe von Gründen die Zahlung der von ihnen erwarteten Beiträge unterlassen, und der Fonds wurde ausschließlich aus den von der KPdSU bereitgestellten Mitteln finanziert.
Die Beiträge der drei genannten Parteien
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»Die Parteien, die über längere Zeit regelmäßig bestimmte Beträge aus dem Fonds erhalten haben, schätzen diese Form der internationalen Solidarität hoch ein und sind der Meinung, daß sie durch andere Arten der Hilfe nicht ersetzt werden kann. Die meisten dieser Parteien haben bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt begründete Anträge auf Hilfeleistungen für 1990 gestellt, einige von ihnen bitten um eine beträchtliche Erhöhung dieser Hilfen.«10
Ein anderes nicht weniger schwerwiegendes Problem bestand darin, daß der Dollarkurs ständig fiel und somit diese »Form der internationalen Solidarität« entwertet wurde. Diese verdammten Kapitalisten konnten ihre Inflation nicht bremsen! Einerseits bestand der Zweck darin, den Kapitalismus zu schwächen, andererseits litt man aber selbst unter seiner Schwäche. Was war da zu tun? Es fand sich ein Ausweg: Der damalige Leiter der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees Anatoli Dobrynin (derselbe, der seinerzeit als Botschafter der UdSSR in den USA bei liberalen Kreisen Amerikas den Ruf genoß, ein prowestlicher, aufgeklärter Mann zu sein, mit dem man »ins Geschäft kommen könnte«) schlug vor, den Zahlungsverkehr ganz einfach auf eine stabilere Währung, den Valutarubel, umzustellen.11
Der Vorschlag wurde befolgt (P 95/21 vom 30. November I987)12 und der sowjetische Beitrag auf 13,5 Millionen Valutarubel für 1987 und das kommende Jahr festgelegt, als der nicht minder »prowestliche« Valentin Falin seinen aufgeklärten Kollegen als Leiter der Internationalen Abteilung ablöste (P144/129 vom 28. Dezember I988)13. Schließlich trat die Aufregung um den Dollar in den Hintergrund, die kleinen osteuropäischen Brüder liefen auseinander, und im Jahre 1990, dem letzten Jahr ihrer Existenz, zahlte die Staatsbank der UdSSR allein 22 Millionen Dollar in den Fonds ein (P175/3 vom 11. Dezember 1989).14
Wie man sieht, hat der lange Aufenthalt in den westlichen Hauptstädten keinesfalls den revolutionären Eifer gedämpft, und der nahende Zusammenbruch des Imperiums hat das Gefühl für die internationale Solidarität nicht geschwächt.
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Das ist um so bemerkenswerter, als dieser Beschluß vom Politbüro unter dem prowestlichsten, liberalsten und pragmatischsten Generalsekretär der KPdSU, mit dem der Westen je »ins Geschäft kam«, gefaßt wurde. Diese »Liberalen« taten nichts weiter, als die Spuren zu verwischen. Sie befürchteten, daß ihre illegale Ausfuhr von Devisen in Nachbarländer durch Zufall aufgedeckt werden und den Glauben des Westens an »Glasnost und Perestroika« untergraben könnte. Zu dieser Zeit war die Hauptsorge der »Reformer« im Kreml, westliche Kredite zu bekommen, und zuviel Gerede darüber, wohin dieses Geld floß, wäre dem Geschäft nicht dienlich gewesen. Kurz gesagt, sie versuchten den direkten Schmuggel von Devisen dadurch zu ersetzen, daß sie sich der »Firmen der Freunde« bedienten. Ein entsprechender Vorschlag wurde im Politbüro erörtert (P51/49 vom 4. Februar 1987)15, von der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees genauer geprüft16, mit den Empfängern besprochen, aber schließlich abgelehnt (P95/21 vom 30. November 1987)17.
In dieser Frage erstattete Anatoli Dobrynin dem Zentralkomitee Bericht:
»Die Möglichkeiten der Hilfeleistungen über Handelsbeziehungen mit Firmen, die von den Bruderparteien kontrolliert werden, können unter den gegenwärtigen Bedingungen nur bei einer äußerst begrenzten Zahl von Parteien in Frage kommen.
Viele Firmen, die von den kommunistischen Parteien kontrolliert werden, sind wirtschaftlich schwach, haben nur begrenzte Handelsverbindungen und -möglichkeiten, manche arbeiten sogar mit Verlust, Nur einige wenige Bruderparteien - die französische, die griechische, die zypriotische und die portugiesische - sind in der Lage, zu einer für sie vorteilhaften Zusammenarbeit mit den sowjetischen Außenhandelsorganisationen zu gelangen. Der Prozentsatz der an die Parteikasse abzuführenden Beträge ist in der Regel klein — von ein bis fünf Prozent des Gewinns aus den abgeschlossenen Verträgen.
Die finanziellen Aktivitäten der von den kommunistischen Parteien kontrollierten oder sich in deren Besitz befindlichen Firmen und Unternehmen stehen unter strenger Kontrolle der Steuer- und Finanzbehörden des jeweiligen Landes.
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Mehr oder weniger umfangreiche Zahlungen dieser Unternehmen in die Parteikasse könnten von den bürgerlichen Massenmedien propagandistisch ausgenützt werden. Ohne daß sie die Möglichkeit, Hilfe über die Handelsunternehmen zu leiten, ganz und gar ablehnen, sind die Genossen der 'Bruderparteien der Meinung, daß >dieser Weg weniger konspirativ sei und viele Gefahren in sich berge.< (G. Plissonier, KPF).
Die Parteien, die über einen längeren Zeitraum Zuwendungen aus dem Internationalen Hilfsfonds für linke Arbeiterorganisationen erhalten haben, rechnen mit der Beibehaltung dieser Form von Solidarität. Für einige von ihnen, vor allem die illegalen, sind die Hilfen aus dem Fonds die einzige Quelle der Finanzierung ihrer Tätigkeit, für andere ein äußerst wichtiger Beitrag für die organisatorische, politische und ideologische Arbeit (darunter die Herausgabe und Verbreitung von Zeitungen und anderen Druckerzeugnissen).
Würden die Zahlungen aus dem Internationalen Fonds eingestellt, so wäre das für die meisten Empfängerparteien ein nicht kompensierbarer Verlust, der unausweichlich äußerst negative Folgen für ihre gesamte Tätigkeit hätte. Sogar die Parteien, die über eigene Unternehmen verfügen, stünden für den Fall der Einstellung der Zahlungen aus dem Fonds vor der Notwendigkeit, mindestens einige wichtige Formen ihrer Arbeit aufzugeben, was eine Schwächung ihrer politischen Rolle und ihres Einflusses sowie eine Verringerung ihrer Möglichkeiten, auf die gesellschaftlichen und politischen Prozesse in ihren Ländern einzuwirken, mit sich brächte.
Gegenwärtig sind weder die Bruderparteien noch die sowjetischen Außenhandelsorganisationen bereit, finanzielle Hilfen über die Außenhandelskanäle zu leiten. Für die meisten Parteien ist das ohnehin inakzeptabel, da sie keine Unternehmen oder Handelsfirmen besitzen. Doch finanzielle Hilfen benötigen diese Parteien mehr denn je.«
Die Empfänger sträubten sich also und wollten ihre revolutionäre Romantik nicht gegen die prosaischen Sorgen eines Händlers vertauschen. In Moskau beruhigte man sich jedoch nicht. Im darauffolgenden Jahr wiederholte sich alles — die Erörterungen, die Berichte an das Zentralkomitee, diesmal von Falin, und der Beschluß (P144/129 vom 28. Dezember 1988)18.
Sogar die Argumentation wiederholte sich, nur erfahren wir jetzt genauer, wofür diese Gelder ausgegeben wurden:
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»Die Mittel, die eine Partei aus dem Fonds erhält, gibt sie nach eigenem Ermessen für die allgemeine parteipolitische Arbeit aus (die Tätigkeit des Zentralkomitees, die Bezahlung der hauptamtlichen Parteifunktionäre, die Herausgabe von Presseorganen, Saalmieten, Wahlkämpfe usw.).
Für die Führungen der Bruderparteien ist diese Art der Solidarität von hohem Wert. Sie sind der Meinung, daß sie durch keine andere Form der Hilfe ersetzt werden kann. Darüber sprach kürzlich erneut G. Plissonier (KPF); er sagte, die Annahme von Hilfe aus dem Fonds schränke in keiner Weise die Selbständigkeit der kommunistischen Parteien bei der Festlegung ihrer Positionen in politischen Fragen ein. Dagegen würde die Einstellung dieser Hilfen oder ihre Kürzung der politischen Arbeit der Partei, besonders bei landesweiten, mit hohen Kosten verbundenen Aktionen (Wahlen, Tagungen, Konferenzen), großen Schaden zufügen.«19
So gelang es Moskau nicht, diese kommunistischen Flaschenkinder zu entwöhnen und sie zur Übernahme des »sozialistischen Prinzips der wirtschaftlichen Rechnungsführung« zu veranlassen, obwohl jedes Jahr erneut Versuche in dieser Richtung unternommen wurden. Noch im Jahre 1991, ein halbes Jahr vor dem Zusammenbruch, fanden weitere Treffen mit G. Plissonier, einem Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF), statt, und es wurden »Erwägungen zur Entwicklung von Geschäftsbeziehungen mit der KPdSU und Vorschläge zur Errichtung von Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mittels Firmen der Freunde« angestellt (Nummer 06-S-44 vom 17. Januar 1991)20.
Man kann sich leicht ausrechnen, daß die KPF seit 1969 in dieser Form der »internationalen Solidarität« zum Beispiel nicht weniger als 44 Millionen Dollar, die Kommunistische Partei der USA um die 35 Millionen und die Kommunistische Partei Italiens noch mehr erhalten haben müssen. Insgesamt vergab Moskau seit 1969 an seine Brüder an die 400 Millionen, wobei andere Formen der Finanzierung unberücksichtigt bleiben.
Das sind keine kleinen Summen. Interessiert das denn weder die Steuer- und Finanzbehörden noch die Banken der westlichen Länder? Es handelt sich doch größtenteils um westliche Gelder, die zur Rettung der jeweiligen »Tauben« des Kreml vor den »Falken« (oder der »Reformer« vor den »Konservativen«, je nachdem, um welchen Zeitraum es ging) gezahlt worden waren.
Nein, hier will man nicht nachforschen, weil bei einer solchen Untersuchung nicht allein die Kommunisten auf die Anklagebank kämen.
3. Die »Firmen der Freunde«
Mochten die Empfängerparteien ihre Bedürftigkeit auch übertrieben haben, so war die Hilfe aus Moskau, die über die »Firmen der Freunde« geleistet wurde, nichtsdestoweniger ein wichtiger Zuschuß zu ihrem Budget. Leider verfüge ich nicht über ausreichendes Material, um ein vollständiges Bild dieser Aktivitäten zeichnen zu können, aber die mir vorliegenden Beispiele genügen, um ihren Umfang abzuschätzen.
Offenbar war es die Kommunistische Partei Italiens, zu jener Zeit die größte und einflußreichste in Europa, die sich als erste das »sozialistische Prinzip der Selbstfinanzierung« zu eigen machte. Bei der Durchsicht der Empfängerlisten des Internationalen Fonds stellte ich fest, daß die italienischen Genossen gegen Ende der siebziger Jahre völlig aus ihnen verschwunden waren, obwohl sie zu Beginn an der Spitze gestanden und 1969 allein für ein halbes Jahr 3,7 Millionen Dollar erhalten hatten. »Die armen Schlucker«, dachte ich mir so, »bestimmt haben sie für ihre Ehrlichkeit und Prinzipientreue leiden müssen, weil sie sich weigerten, ihren Glauben an den >Kommunismus mit dem menschlichen Antlitz< aufzugeben, und so versagte Moskau ihnen die brüderliche Hilfe.«
Wahrlich legten die italienischen Genossen zu dieser Zeit ein Wunder an Heldentum an den Tag. Sie distanzierten sich von Moskau in der Frage der Menschenrechte, verurteilten den sowjetischen Überfall auf Afghanistan, unterstützten die polnische »Solidarnosc«, doch wir Zyniker glaubten nicht so recht daran und hielten alles für reine Taktik. Ich muß bekennen, daß ich mich sogar einen Augenblick lang für meinen Zynismus schämte. Doch ich hatte keinen Grund dazu, denn die Kommunistische Partei Italiens schickte sich keineswegs an, vor lauter Ehrlichkeit unterzugehen.
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Im Gegenteil, ihre Kontakte mit Moskau wurden deutlich intensiviert. Das Politbüro faßte sogar einen besonderen Beschluß »Über die Verstärkung der Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei Italiens« (P203/I vom 10. Juli 1980)21), und etwas früher, im Oktober 1979, regelten sie auch ihre finanziellen Beziehungen. Auf jeden Fall wurden Anstalten in dieser Richtung unternommen, wie folgendes Dokument beweist:
ZENTRALKOMITEE DER KPDSU»Streng geheim
Sonderakte
Über den Empfang des Führungsmitglieds der KPI, des Genossen G. Cervetti, im ZK der KPdSU
Das Mitglied der Führung der KPI und Sekretär des ZK der KPI für Fragen der Koordination, der Genosse Natta, teilte im Auftrage des Genossen Berlinguer mit, daß dem am 7. Oktober dieses Jahres zu einem Kurzurlaub in Moskau eintreffenden Mitglied der KPI-Führung Cervetti aufgetragen wurde, im ZK der KPdSU eine Reihe von speziellen Fragen, darunter auch finanziellen, zu erörtern (chiffriertes Telegramm aus Rom, spez. Nummer 14/4 vom 3. Oktober 1979).
Wir empfehlen, der Bitte der Führung der KPI nachzukommen und G. Cervetti im ZK der KPdSU zu einem Gespräch über die ihn interessierenden Fragen zu empfangen.
Der Entwurf des Beschlusses des ZK der KPdSU wird beigefügt.
Der Stellvertretende Leiter der Internationalen Abteilung des ZK der KPdSU
(W. Sagladin)
4. Oktober 1979
Nummer 25-S-1803«22
Natürlich können wir nur vermuten, über welche finanziellen Fragen sich im ZK die Genossen Ponomarjow und Sagladin mit dem Genossen Cervetti unterhielten, aber über die Art der finanziellen Beziehungen zwischen der KPdSU und der KPI kann man aus folgendem Dokument des Politbüros23 etwas erfahren:
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Proletarier aller Länder, vereinigt euch!
Innerhalb von drei Tagen an das ZK der KPdSU (Allgemeine Abteilung, Sektor I) zurückzugeben
KOMMUNISTISCHE PARTEI DER SOWJETUNION, ZENTRALKOMITEE
Streng geheim
Sonderakte
PERSÖNLICH
Nummer P 94/52
An die Genossen Ponomarjow, Patolitschew, Smirtjukow
Auszug aus dem Protokoll Nummer 94 der Sitzung des Politbüros des ZK der KPdSU vom 18. Januar 1983
Über die Bitte der italienischen Freunde
Das Ministerium für Außenhandel (Gen. Patolitschew) ist anzuweisen, der Firma >Interexpo< (Präsident Gen. L. Remigio) nach der üblichen Prozedur für Handelsgeschäfte 600.000 Tonnen Erdöl und 150.000 Tonnen Dieselkraftstoff zu verkaufen, jedoch zu Vorzugsbedingungen — mit einem Preisnachlaß von etwa einem Prozent und einer Verlängerung der Zahlungsfrist um drei bis vier Monate —, damit die Freunde durch diese Handelstransaktion etwa vier Millionen Dollar erhalten.DER SEKRETÄR DES ZK«
Hier geschah jedoch eine Ausnahme von der Regel, eine nicht unbedeutende Ausnahme, die überdies noch kolossale Folgen hatte. Diese und einige weitere Dokumente, die die ungewöhnliche Vergangenheit der KPI betreffen, blieben nicht geheim und gelangten gegen Ende 1991, Anfang 1992 an die italienische Presse. Es war sogar die Rede davon, daß Ermittlungen wegen Vergehens gegen die Steuergesetze aufgenommen werden sollten. Die Reaktion erfolgte jedoch postwendend. Gerade diejenigen, die das vorgeschlagen hatten, sahen sich nun als Beschuldigte. Gleichsam erwacht aus einem langen, traumlosen Schlaf, entdeckten die italienischen Justizbehörden (in die die KPI in den letzten Jahren viele ihrer Kader plaziert hatte) ein ungeheures Ausmaß an Korruption bei der Finanzierung aller wichtigen politischen Parteien Italiens, außer, versteht sich, der KPI.
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Was dann folgte, kann mit dem großen Terror Stalins der Jahre 1937-1938 — vielleicht nicht im Ausmaß, aber in der Form — verglichen werden. Ein Drittel aller Kabinettsmitglieder kam ins Gefängnis, oder es wurden zumindest Ermittlungen gegen sie eingeleitet. Der Terror, der den stolzen Namen »Operation saubere Hände« erhielt (hier fällt einem die Devise der Tschekisten ein: »Saubere Hände, ein kalter Kopf, ein heißes Herz«), erfaßte das ganze italienische Establishment und verschonte weder Politiker noch Unternehmer oder Staatsbeamte. In den Gefängnissen saßen Tausende, die Verhaftungen geschahen auf die Anzeige derer hin, die schon saßen, denn von der Bereitschaft, andere anzuzeigen, hing die Freilassung des Betreffenden ab.
Es kam sogar zu Selbstmorden. Folterungen und Erschießungen gab es natürlich nicht. Inzwischen beginnt Italien, das ja ein blühendes Land war, zu verfallen, die Wirtschaft ist am Rande des Bankrotts, die Währung wird abgewertet, der Verwaltungsapparat ist paralysiert, und die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Wer kann jetzt das Land retten, wer ist würdig, es zu regieren? Doch wohl nur die mit den »sauberen Händen«?
»Aber die Korruption gab es doch wirklich«, wird mir entgegengehalten. Das ist es ja gerade, daß es sie gab, und zwar in all den Jahrzehnten seit dem Krieg. Sie galt als ein ebensowenig ehrenrühriges Vergehen wie zu schnelles Autofahren. Jeder in Italien, auch die heutigen Staatsanwälte mit den »sauberen Händen«, hatte von ihr gewußt. Aber niemand unternahm auch nur den geringsten Versuch, dagegen vorzugehen. Dies geschah erst, als die KPI befürchten mußte, selbst entlarvt zu werden, und wegen der Einstellung der Finanzhilfe aus Moskau am Rande des Bankrotts stand. Die Kommunisten hatten nichts weiter zu verlieren als ihre Freiheit, dafür aber die Chance, ganz Italien in Besitz zu nehmen.
Übrigens verstanden auch sie nicht, ebensowenig wie ihre sowjetischen Vorgänger mit den »sauberen Händen« xx Jahre zuvor, daß Terror etwas Unbeherrschbares ist und sich durchaus auch gegen sie selbst richten könnte. Man könnte sie natürlich an ihre Handelsbeziehungen mit Moskau erinnern, an ihre keinesfalls selbstlose Kontrolle praktisch des gesamten Handels zwischen der UdSSR und Italien, dank dessen die größte kommunistische Partei Europas sich viele Jahrzehnte am Leben hielt.
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Das, was in Italien passiert ist, ist eine deutliche Warnung an das Establishment der anderen europäischen Länder. Auch die anderen kommunistischen Parteien hatten natürlich viele Jahre lang Handel mit dem ZK der KPdSU »auf der üblichen Geschäftsgrundlage« getrieben, aber das Beispiel Italiens hat nicht zu einer öffentlichen Diskussion über dieses Problem geführt.
Die Franzosen hatten vielleicht schon früher als ihre italienischen Kollegen damit begonnen. Zumindest ein Dokument bietet uns dafür Anhaltspunkte — der Beschluß des Sekretariats über die Verlängerung der Tilgungsfrist für einen 2,8-Millionen-Kredit an die westdeutsche Firma »Magra GmbH« um zehn Jahre, die von den »französischen Freunden« kontrolliert wurde (St-24i/99gs vom 16. Dezember 1980.24
In ihrer befürwortenden Stellungnahme zu diesem Beschluß teilte die Internationale Abteilung des ZK mit: »Die Firma <Magra GmbH> gehört der KPF und kauft seit fünfzehn Jahren bei der Außenhandelsorganisation <Stankoimport> Kugellager für den westdeutschen Markt. Die Verschuldung der Firma in Höhe von 2,8 Millionen erklärt sich dadurch, daß die Firma diesen Betrag in eine Vergrößerung investierte und daß die Nachfrage nach Kugellagern in der Bundesrepublik Deutschland gesunken ist.«25
Seit 1965 handelten diese Firma und ihre Tochterfirma »Magra-France« erfolgreich mit sowjetischen Waren zum Wohle des Kommunismus. Sie verkauften allein in Deutschland Kugellager für zehn Millionen Valutarubel. In einem Dokument26 werden der Minister für Außenhandel und die Staatliche Plankommission angewiesen, im Zusammenhang mit den Erwägungen, die vom Mitglied des ZK der KPF G. Jerome vorgebracht wurden, Schritte zur Erweiterung der handelspolitischen Beziehungen mit Firmen der französischen Freunde, wie etwa mit »Comex« und »Interagra«, in die Wege zu leiten. Firmen dieser Art gab es nicht wenige. G. Plissonier hatte keinen Grund zur Klage.
Auch die anderen »Freunde« blieben am Ball. Sogar im fernen Australien bemühte sich die dortige Sozialistische Partei »um den Erlaß der Schulden der australischen Firma <Palanga Travel> aus der Pacht der Schiffe <Fjodor Schaljapin> und <Chabarowsk> in den Jahren 1974-1975 in Höhe von 2.574.932 Rubel«27.
Es wird nicht klar, ob diese Firma der Sozialistischen Partei gehörte oder ob sie für den Erlaß der Schulden in ihren Besitz übergehen sollte.
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Der griechische Verleger und Industrielle G. Bobolas wurde sogar eines eigenen Beschlusses des ZK der KPdSU — »Über die Unterstützung für den griechischen Verleger G. Bobolas« — für würdig befunden (St-206/58gs vom 11. April 1980)28, in dem das Ministerium für Außenhandel und das Staatliche Komitee der UdSSR für Außenwirtschaftsbeziehungen angewiesen werden, »unter sonst gleichen Bedingungen dem griechischen Industriellen und Verleger G. Bobolas im Hinblick auf seine positive Rolle bei der Entwicklung der sowjetisch-griechischen Beziehungen bei der Lösung geschäftlicher Fragen entgegenzukommen.«
Es wird nicht sofort klar, wo hier der Hund begraben liegt. Der Genosse hat es wohl durch seine unermüdliche Arbeit für gutnachbarliche Beziehungen verdient. Jedoch aus den dem Beschluß beigefügten Materialien, besonders dem Bericht des stellvertretenden Vorsitzenden des KGB S. Zwigun29 an das ZK, ist zu ersehen, daß diese unermüdliche Arbeit im Rahmen »besonderer Maßnahmen« des KGB geleistet wurde. Die Tschekisten hatten natürlich ihre eigenen Vorstellungen von gutnachbarlichen Beziehungen. Der G. Bobolas gehörende Verlag »Akadimos« wurde von ihnen als »verlegerische Basis für die ideologische Beeinflussung Griechenlands und griechischer Gemeinden in einer Reihe anderer Länder« genutzt.
Der Genosse hatte sich für die Sache der gutnachbarschaftlichen Beziehungen verausgabt, weshalb »G. Bobolas zwecks einer gewissen Kompensation für die materiellen Aufwendungen«, besonders bei der Herausgabe des Buches »Der Frieden — ein unschätzbarer Besitz der Völker« von L. I. Breschnew in griechischer Sprache mit dem Vorwort des Autors, »die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit dem Ministerium für Außenhandel und dem Staatlichen Komitee für Außenwirtschaftsbeziehungen mittels Handelsvereinbarungen von beiderseitigem Vorteil in ziemlich großem Umfang anstrebte.«
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Mit diesem G. Bobolas gab es in der Folgezeit viele Skandalgeschichten. Nachdem er ein so bereitwilliges Entgegenkommen beim Abschluß von »Handelsvereinbarungen zu beiderseitigem Vorteil« erfahren hatte, blieb er seinen Auftraggebern nichts schuldig, enttäuschte sie nicht und begann ein paar Jahre später mit der Herausgabe des Massenblattes »Ethnos«, des wichtigsten Sprachrohrs für die sowjetische Desinformation in Griechenland. Es wurde versucht, ihn zu entlarven, aber er wehrte sich mit einer Klage wegen »Verleumdung« gegen die Zeitschrift »The Economist«, die er im wesentlichen gewann.
Die Zeit verging, Bobolas wurde vom Bauunternehmer zum Medienmagnaten. Neben dem Verlag »Akadimos« und der Zeitung »Ethnos« besaß er Anteile am größten Fernsehsender »Mega«, er zeigte Interesse an der Filmindustrie und der Tonträgerproduktion, und die Regierungen — sowohl die sozialistischen als auch die konservativen — versorgten ihn mit riesigen Bauaufträgen. Mit einem Wort, ein solider Herr, eine Stütze der Gesellschaft, ein Pfeiler der griechischen Demokratie. Aber dann, ein paar Jahre später, brach das Regime in Moskau zusammen, machte die Zeitung »Prawda« bankrott und mußte ihr Erscheinen vorübergehend einstellen. Als sie wiederauferstand, blühte sie auf und begann zu duften — »dank des Geldes der griechischen Kommunisten«, wie verlautete. Offiziell wurde ein gewisser Jannikos, ein Partner Bobolas' aus der Zeit seines verlegerischen Wirkens, als Wohltäter genannt.
Man kann nur vermuten, wie viele solche Bobolasse Moskau in den letzten 75 Jahren hervorbrachte. Nach der Katastrophe in Italien wird sich kaum jemand dazu entschließen, in diese Materie einzudringen; doch ohne Ermittlungen ist es nicht einfach, die komplizierten Verhältnisse jeder Firma, die in jener Zeit Geschäftsbeziehungen mit Moskau hatte, vollständig zu durchschauen. Wo hörte das Geschäft auf, und wo begann die Politik? Was waren Armand Hammer und Robert Maxwell — Geschäftsleute, die zu Agenten wurden, oder Agenten, die zu Geschäftsleuten wurden?
Ich bin überzeugt, daß kein Geschäftsmann damals reine Geschäftsbeziehungen mit der UdSSR haben konnte. Man kann nicht mit dem Teufel Handel treiben, ohne sein Diener zu werden. Auch kann der Verkauf des berühmten Leninschen Strickes an seinen eigenen Henker eigentlich kaum Geschäft genannt werden, und schon der Umgang mit den sowjetischen Dämonen korrumpierte unweigerlich. Auf solche Beziehungen ließen sich damals nur Menschen eines besonderen Schlages und mit besonderen Anschauungen ein.
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Hier haben wir ein scheinbar einfaches und klares Dokument, das keine Geheimnisse enthält: »Über die Eröffnung von Vertretungen einiger ausländischer Firmen« (St-244/50gs vom 5. Januar 1981)30). Hier sollte nun eigentlich alles mit rechten Dingen zugehen. Solide Firmen mit großem Umsatz treiben Handel »auf der Grundlage des beiderseitigen Nutzens«. Aber auch dieses Dokument enthält aus irgendeinem Grund den Stempel »streng geheim«. Wenn man die in ihm enthaltenen Angaben genauer betrachtet, stellt man fest, daß bei der einen Firma ein namhafter westlicher Politiker zu den Direktoren gehört und die andere den Widerstand gegen die Politik der eigenen Regierung »in einer uns günstigen Richtung« unterstützt.
Die dritte — die spanische Firma »Prodag S.A.« — hat sich in besonderer Weise hervorgetan: Die Rechnungen bezahlt sie pünktlich, treibt seit 1959 Handel mit der UdSSR und ist ein wichtiger Partner — »nach den Angaben für 1979 entfielen etwa 50 Prozent des Warenaustauschs zwischen Spanien und der Sowjetunion auf die Firma >Prodag<«. Nur die letzte Zeile bietet eine Erklärung: »Gegenwärtig bereitet der Präsident der Firma die Herausgabe des Werkes <Frieden, Abrüstung und die sowjetisch-spanischen Beziehungen> von L. I. Breschnew vor.«
Bis zum Jahre 1981 wurden 123 Vertretungen dieser Art eröffnet.31) Womit befaßten sie sich wohl in ihrer Freizeit, wenn sie keinen Handel trieben? Warum hielten sie es in jenen Jahren für nötig, eine Vertretung in Moskau einzurichten? Was treiben sie jetzt? Wie viele kamen ohne eine Vertretung aus? Niemand interessiert sich für solche Fragen. All das sei Vergangenheit, sagt man mir. »Haben Sie noch nichts davon gehört, daß der Kalte Krieg zu Ende ist?«
Man kann es nicht überhören, wenn das heute gerade diejenigen in alle Welt hinausschreien, für die es diesen Krieg niemals gegeben hat und die sich dereinst weigerten, von ihm Kenntnis zu nehmen. Aber der Krieg im Persischen Golf ist doch offensichtlich ebenfalls zu Ende, und die Ermittlungen gegen die Firmen, die mit dem Irak Handel getrieben haben, beginnen gerade erst. Der Krieg ist erst dann zu Ende, wenn die Minen und Blindgänger entschärft sowie die marodierenden Banden und die überlebenden Gegner entwaffnet sind. Sonst kann der Frieden zu einem schlimmeren Alptraum werden als der Krieg.
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Indessen wird das Problem der Firmen, die mit der Sowjetunion Handel getrieben haben, immer aktueller. Wir wissen, daß Gorbatschow in den letzten Jahren seiner Regierung, besonders in den Jahren 1990 und 1991, als er den Zusammenbruch seines Regimes befürchtete, die Tätigkeit der KPdSU gleichsam »privatisierte«, auf jede Weise den Apparat, insbesondere den KGB, dazu ermunterte, mit westlichen Geschäftsleuten gemeinsame Unternehmen, Joint-Ventures zu gründen. Ihre Zahl wuchs in jenen Jahren stetig. Es ist anzunehmen, daß sie in erster Linie mit »Firmen der Freunde« und anderen »Businessmen«, die Beziehungen zum KGB hatten, gebildet wurden.
Eine solche Entwicklung war zu erwarten, wenn man bedenkt, mit welchem Nachdruck Gorbatschow die »internationale Hilfe« auf eine geschäftliche Grundlage stellen wollte. Mit wem hätte denn der KGB derartige Geschäfte machen können, wenn nicht mit denen, die er schon kannte und die er kontrollieren konnte? Nachdem sie sich zunächst mit dem Waschen der Parteigelder und der Verschiebung der Reichtümer des Landes, die sich unter ihrer Kontrolle befanden (Gold, Erdöl, Metall), befaßt hatten, sind diese bösartigen Mafiastrukturen wie ein Krebsgeschwür gewuchert und haben nun nahezu das gesamte »private« Geschäftsleben der Länder der ehemaligen UdSSR durchdrungen.
Wenn diese Länder jetzt internationale Handelsbeziehungen anknüpfen, dann hat die Weltgemeinschaft es mit einem internationalen Verbrechersyndikat zu tun, das weit skrupelloser und mächtiger ist als das kolumbianische Drogenkartell oder die Cosa Nostra. Unversehens werden wir in einigen Jahren gegen solche Supersyndikate wie das SPECTRE aus den James-Bond-Filmen zu kämpfen haben.
Selbstverständlich erschöpfte sich damit die Hilfe Moskaus für seine Freunde nicht. Wie Falin dem ZK berichtete, gab es außer der direkten Finanzierung und der über kommerzielle Kanäle noch »Lieferungen von Zeitungspapier, Einladungen zum Studium, zur Erholung und zur Kur für Parteiaktivisten, Ankauf von Druckerzeugnissen der kommunistischen Parteien, Bezahlung bestimmter Reisen von Parteivertretern in andere Länder und so weiter.«32
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Unter die Rubrik »und so weiter« fiel zum Beispiel die Unterhaltung eines ganzen Netzes von Buchhandlungen der »Freunde« in verschiedenen Ländern der Welt. Dieses Programm, das in den sechziger Jahren mittels der Außenhandelsorganisation »Meschdunarodnaja kniga« begonnen wurde, war keineswegs billig. Erstens wurden alle diese Läden mit sowjetischem Geld »auf Kredit« eröffnet, das dann natürlich niemals vollständig zurückgezahlt wurde. Zweitens machten sie alle große Verluste, die dann »auf Bitten der Führung der Freunde« ausgebucht wurden.
Die Höhe der Kosten waren je nach Ort, Zeit und Umständen unterschiedlich. So kostete 1976 die Eröffnung des bekannten Ladens »Collets« in London Moskau 80.000 Pfund Sterling (oder 124.000 Valutarubel), und im Vertrag mit der Firma war die »Begleichung eines eventuellen Defizits aus dem Verkauf sowjetischer Druckerzeugnisse in den ersten Jahren der Geschäftstätigkeit«33 vorgesehen. Die Eröffnung eines neuen Ladens in Montreal einige Jahre zuvor hatte ganze 10.000 kanadische Dollar gekostet.34
Die Höhe der ausgebuchten Verluste schwankte zwischen 12300 Valutarubel für die Buchhandlung der Kommunistischen Partei Israels »Populär Bookshop« im Jahre 196935 oder 56.500 Valutarubel für den Laden der Kommunistischen Partei Belgiens »Du Monde Entier«36 und 300000 Dollar für die Firmen der Kommunistischen Partei der USA »Four Continent Book Corporation«, »Cross World Books and Periodicals« und »V. Kamkin«37. Sie vergaßen nicht einmal Australien, wo die Firma der Sozialistischen Partei des Landes »New Era Books & Records« mit 80.000 Valutarubel in der Kreide stand.38
Da keine systematischen Informationen vorliegen, ist der Gesamtverlust aus diesem schwunghaften Handel schwer festzustellen. Aus dem Bericht der Außenhandelsorganisation »Meschdunarodnaja kniga« an das ZK aus dem Jahre 1967 ist zu ersehen, daß der Gesamtumfang ihres Exports in kapitalistische Länder sich für jenes Jahr auf 3,9 Millionen, die Gesamtsumme der gestundeten Schulden auf 2,46 Millionen und der verjährten Schulden auf 642.000 Valutarubel beliefen.39 Das waren für jene Zeiten keine geringen Summen.
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Trotzdem ging der Export weiter, und 1982 mußte eine neue Serie von Schulden abgeschrieben werden, darunter mehr als 460.000 Dollar zugunsten der Firmen der Kommunistischen Partei der USA »Imported Publications« und »International Publishers«.40
Es folgen die kostenlosen und äußerst umfangreichen Lieferungen von Zeitungspapier für Druckerzeugnisse der Bruderparteien. Im Jahre 1974 wurde die Schaffung eines Sonderfonds für diesen Zweck beschlossen41, aber es ist unmöglich festzustellen, wieviel der sowjetische Staat dafür ausgegeben hat, denn der Wert jeder Produktions- und Transportleistung wurde in der UdSSR in willkürlich bewerteten Verrechnungsrubeln statt in realen Kosten ausgedrückt. Kurz gesagt, es war ein Faß ohne Boden. Im Jahre 1980 wurden aus diesem Sonderfonds den ausländischen Brüdern beispielsweise 13.000 Tonnen Papier geliefert. Ich habe keine Ahnung, wie hoch die Summe nach westlichen Preisen wäre, aber eine annähernde Schätzung auf Grund einer sehr hypothetischen Wertbestimmung ergibt einen Betrag von 3,5 Millionen Rubeln42.
Der Sonderfonds wurde schließlich am 1. Januar 1989 aufgelöst, statt dessen verfügte der damalige Ministerpräsident Nikolai Ryschkow: »Ausgaben für die Herstellung und Lieferung von Zeitungspapier, die bisher aus dem für die Bedürfnisse der Bruderparteien geschaffenen Sonderfonds bestritten wurden, sind nunmehr aus dem Posten für Zuwendungen zur Unterstützung ausländischer Staaten aus dem Staatshaushalt der UdSSR zu leisten.«43 Wir werden vielleicht nie erfahren, wieviel das das Land gekostet hat, in dem ein so großer Papiermangel herrschte, daß man mitunter ein neues Buch nur kaufen konnte, wenn man zuvor 20 Kilogramm Altpapier abgegeben hatte.
Aber auch das ist noch nicht alles, es gab noch eine andere Form von Hilfe: Die Druckerzeugnisse der Freunde wurden durch die Sowjetunion zum angeblichen Weiterverkauf an ausländische Studenten und Touristen in der UdSSR aufgekauft. Ich besitze auch hier keine systematischen Informationen über die alljährlichen Kosten. Aber angesichts der zunehmenden Krise in der UdSSR mußten die Machthaber alle ihre Ausgaben für revolutionäre Zwecke — darunter auch diese — unter die Lupe nehmen. So erfahren wir aus den Akten, daß Ende der achtziger Jahre für den Ankauf und Transport von 90 Schriften aus 42 Ländern 4,5 Millionen Valutarubel jährlich ausgegeben wurden — etwa 6 Millionen Dollar nach dem damaligen Kurs.44
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