Noam Chomsky Rebellion oder Untergang
Ein
Aufruf zu globalem
2020 as "Internationalism or Extinction" 2021 im Westend-Verlag
"Für
40% der US-Bürger sei
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2020 128 Seiten
detopia: |
Audio Lesebericht dlf von Otto Langels Langels 2021 dlf Rebellion Langels Text westendverlag.de/buch/rebellion-oder-untergang westendverlag.de/wp-content/uploads/booksample/9783864893148.pdf |
Einführung 7
1 Die
zweifache Bedrohung 19 Anmerkungen 125 |
Ein Auszug
Wir leben seit 75 Jahren unter der Bedrohung eines Atomkrieges. Wenn man auf diese Geschichte zurückblickt, kann man über die Tatsache, dass wir bis jetzt überlebt haben, nur erstaunt sein. Wir standen wieder und wieder buchstäblich nur Minuten vor der endgültigen Katastrophe. Dass sie nicht eingetreten ist, ist letztlich ein Wunder, aber selbst Wunder dauern nicht ewig. Wir müssen dieser Gefahr ein Ende machen, und das schnell.
Die "Richtschnur zur US-Kernwaffenpolitik" der Trump-Administration erhöht das Risiko einer für die menschliche Spezies tödlichen nuklearen Feuersbrunst dramatisch. Wir erinnern uns vielleicht, dass diese Richtschnur von Jim Mattis in Auftrag gegeben wurde, den Trump später als zu zivilisiert für einen Verbleib in seiner Regierung betrachtete - daran lässt sich ermessen, was das Trio Trump-Pompeo-Bolton als zulässiges Meinungsspektrum ansieht.
Bis 2002 gab es insgesamt drei große Abrüstungsverträge: den ABM-Vertrag über Abfangraketen, den INF-Vertrag zu den "mittleren" Nuklearwaffen und den New START-Vertrag. 2002 zogen die USA sich aus dem ABM-Vertrag zurück. Und jeder, der glaubt, Abfangraketen seien Verteidigungswaffen, täuscht sich sehr ernsthaft über diese Systeme.
Der INF-Vertrag Der 1987 von Gorbatschow und Reagan abgeschlossene INF-Vertrag hat die Gefahr eines Krieges in Europa, der sich dann sehr rasch ausbreiten würde, scharf reduziert. Massive, öffentlichkeitswirksame Demonstrationen bildeten den Hintergrund, der zu einem Abkommen beitrug, das eine äußerst einschneidende Veränderung herbeiführte.
Es lohnt sich, an diesen und etliche andere Fälle zu denken, in denen ein bedeutender und breiter Aktivismus der Bevölkerung einen enormen Unterschied gemacht hat. Die Lehre daraus ist zu offensichtlich, um eigens ausgesprochen zu werden. Aber jetzt, viele Jahre später, hat sich die Trump-Administration aus dem INF-Vertrag zurückgezogen und die Russen haben dann sofort dasselbe getan.
Dazu sollte angemerkt werden, dass beide Seiten glaubwürdige Gründe für die Behauptung haben, die jeweils andere Seite habe Vertragsbruch begangen. Für Leser, die sich ein Bild von der russischen Sicht der Sache machen wollen, gab es in der wichtigsten Zeitschrift zu Fragen der Rüstungskontrolle, dem Bulletin of Atomic Scientists, einen Leitartikel von Theodore Postol, in dem er darauf hinwies, wie gefährlich die Stationierung von Abfangraketen an der russischen Grenze nicht nur per se, sondern aufgrund ihrer Wahrnehmung aus russischer Perspektive sei. Immerhin handelt es sich hier um die russische Grenze.
Die Spannungen werden schärfer; beide Seiten führen provokative Aktionen durch. In einer vernunftgesteuerten Welt würde das zu Verhandlungen zwischen den beiden Seiten führen, bei denen unabhängige Experten die von beiden gegen die jeweils andere Seite erhobenen Beschuldigungen bewerten würden, um zu einer Lösung zu kommen und den Vertrag wiederherzustellen. So wäre es in einer vernünftigen Welt, aber leider ist das nicht die Welt, in der wir leben. Stattdessen wurden überhaupt keine Bemühungen in diese Richtung gemacht. Und solange es keinen beträchtlichen Druck gibt, wird das auch so bleiben.
Der New START-Vertrag Damit bleibt noch der New START-Vertrag übrig. Dieser Vertrag ist vom zuständigen Mann (der sich bescheiden als den größten Präsidenten der amerikanischen Geschichte bezeichnet) schon als schlechtester Vertrag, der je abgeschlossen wurde, abgekanzelt worden, die übliche Bezeichnung für alles, was seine Amtsvorgänger getan haben. Und Trump fügte auch hinzu, dass wir den Vertrag aufkündigen müssen.
Dieser Vertrag steht zur Verlängerung an und so steht eine Menge auf dem Spiel. Ob er verlängert wird, ist eine sehr wichtige Frage, da er die Zahl der Nuklearwaffen scharf verringert hat, auf ein Maß, das immer noch viel zu hoch, aber doch weit geringer liegt als die frühere Zahl. Und er könnte weitergeführt werden.
Die Erderwärmung
Zugleich schreitet die Erderwärmung unerbittlich voran. In unserem Jahrtausend ist mit einer einzigen Ausnahme jedes Jahr wärmer als das vorhergehende gewesen. Kürzlich publizierte wissenschaftliche Studien von James Hansen und anderen deuten darauf hin, dass die Kurve der Erderwärmung, die seit etwa 1980 eine starke Steigung aufweist, sich rapide nach oben beschleunigen und sich von einem linearen zu einem exponentiellen Wachstum bewegen könnte, was bedeuten würde, dass die Erwärmung sich alle paar Jahrzehnte verdoppelt.
Wir bewegen uns bereits auf die Temperaturen von vor 125.000 Jahren zu, als der Meeresspiegel etwa acht Meter höher lag als heute. Mit dem rapiden Abschmelzen der riesigen Eisfelder der Antarktis könnte dieser Punkt wieder erreicht werden. Die Konsequenzen dieser Entwicklung wären beinahe unvorstellbar. Ich werde nicht einmal versuchen, sie zu beschreiben, aber ich bin sicher, Sie können sie sich selbst ausmalen.
Unterdessen lesen wir in den Medien regelmäßig euphorische Berichte darüber, wie die Vereinigten Staaten ihre Förderung fossiler Brennstoffe vorantreiben: Sie haben mittlerweile sogar Saudi-Arabien überholt. Wir sind weltweiter Führer in der Produktion fossiler Brennstoffe.
Die großen Banken, JPMorgan Chase und andere, pumpen Geld in neue Investitionen in diese Brennstoffe, darunter auch die gefährlichsten wie die kanadischen Teersande. Und all das wird äußerst begeistert und aufgeregt präsentiert: Wir sind dabei, das Ziel der "Energieunabhängigkeit" zu erreichen. Wir können die ganze Welt kontrollieren und über die Verwendung fossiler Brennstoffe in der Welt bestimmen.
Dabei fällt kaum ein Wort darüber, was all das bedeutet, obwohl das ziemlich offensichtlich ist. Das liegt nicht daran, dass die Journalisten und Kommentatoren das nicht wissen oder dass die Top-Manager der Banken es nicht wissen. Natürlich tun sie das. Aber hier operieren dann die Formen institutionellen Drucks, denen die Einzelperson sich schwer entziehen kann.
Ein institutionelles Problem
Versetzen Sie sich einmal in die Lage des Vorstandsvorsitzenden der größten Bank, JPMorgan Chase, die gewaltige Summen in fossile Brennstoffe investiert. Er weiß mit Sicherheit genau so viel über die Erderwärmung wie Sie. Sie ist ja kein Geheimnis. Aber welche Optionen hat er?
Im Wesentlichen nur zwei: Die eine ist, genau das zu tun, was er tut. Die andere ist, zu kündigen und durch jemanden ersetzt zu werden, der genau dasselbe tun wird, was er jetzt macht. Es handelt sich hier nicht um ein individuelles, sondern um ein institutionelles Problem, das gelöst werden kann, aber nur durch enormen öffentlichen Druck.
Im Januar 2019 wurde die Weltunterganguhr des Bulletin of Atomic Scientists auf zwei Minuten vor Mitternacht vorgestellt. So nah war sie dem endgültigen Untergang seit 1947 noch nie gewesen. Die Erklärung der Experten zur Umstellung der Uhr erwähnte die beiden uns nun schon bekannten Gefahren, nämlich die wachsende Gefahr eines Atomkrieges und die ebenfalls wachsende Gefahr des Klimawandels. Und zum ersten Mal sprach sie auch von einer dritten Gefahr, der Aushöhlung und Schwächung der Demokratie.
Sie ist neben der Erderwärmung und der Gefahr eines Atomkriegs die dritte tödliche Bedrohung. Und sie hinzuzufügen war absolut richtig, da eine funktionierende Demokratie die einzige Hoffnung bietet, die beiden anderen Gefahren abzuwenden.
Ohne massiven Druck der Bevölkerung werden die derzeit ausschlaggebenden staatlichen und privaten Machtinstitutionen diese Gefahren nicht angehen, und das heißt, dass die Mechanismen einer funktionierenden Demokratie am Leben erhalten werden und so eingesetzt werden müssen, wie es die Sunrise-Bewegung und die großen Massendemonstrationen Anfang der 1980er-Jahre getan haben und wie wir es auch heute tun können. (Noam Chomsky)
Kommentare bei Heise - auch nur die Überschriften sind lehrreich
Leseberichte bei Amazon
Trotz alledem!
Chomsky ist immer lesenswert!
Rezension aus Deutschland vom 27. Januar 2021
Verifizierter Kauf
Chomsky ist lt. New York Times "der wichtigste lebende Intellektuelle"; daher sind - besonders für Chomskys Fans - alle seine Bücher lesenswert.
Für dieses gerade erschienene Buch kann ich allerdings nur 3 Sterne vergeben, da ich mich leider meinem Mitrezenten Martin Besecke anschließen muss, wenn er schreibt: "Zusammengefasst: Inhaltlich bietet dieses Buch nichts Neues und an konstruktiven und praktikablen systemischen Lösungsvorschlägen überhaupt nichts."
Wichtig zum Verständnis von Chomskys politischer Theorie sind besonders seine 3 grundlegenden deutschsprachigen Bücher: Zum Verständnis der amerikanischen Außenpolitik (Chomskys Lieblingsthema) die beiden Bücher: "Hegemonie oder Untergang - Amerikas Streben nach Weltherrschaft" und "Wer beherrscht die Welt? - Die globalen Verwerfungen der amerikanischen Politik" - sowie zu seiner Medienkritik "Media Control - Wie uns die Medien manipulieren"
Hält nicht, was die Ankündigung verspricht
Rezension aus Deutschland vom 30. Januar 2021
Der Westend Verlag hat am 25.01.2021 dieses neue Buch von Noam Chomsky vorgestellt. Daraus zitierte meine Tageszeitung. Chomsky wird dort mit Passagen wie "Das Kapital ist koordiniert und globalisiert" und "Einige der hervorstechendsten Eigenschaften des heutigen ... Staatskapitalismus sei das Außerachtlassen externer Kosten und der rücksichtslose Trieb zum Wachstum" zitiert. Dies interessierte mich, das war meine Kaufmotivation. Davon ist jedoch im Buch thematisch gar nicht die Rede! Von den 128 groß gedruckten Seiten sind die ersten 18 Seiten Einleitung, in dem der Verlag über den Inhalt der 6 folgenden Kapitel informiert. Kapitel 1 - der Hauptteil des Buches - beinhaltet das Redemanuskript Chomskys vom Okt. 2016 und eine anschließende Unterhaltung mit einem Freund über diesen Vortrag (Kap. 2). Thematisch geht es hier um die Umweltzerstörung und die nach wie vor existierende Gefahr eines Atomkrieges. Rhetorisch gut gemacht und unaufgeregt vorgetragen, sein Engagement nimmt man ihm ab. Aber inhaltlich eigentlich keine Neuigkeiten, die der mit der Thematik vertraute Leser und aufmerksame Beobachter politischer, ökologischer und gesellschaftlichen Vorgänge nicht schon gewusst hätte. Auch in den folgenden Kapiteln kommt Chomsky nie als eigentlicher Autor vor. Publikumsgespräche, Vortrag 2019 über die Aushöhlung demokratischer Prozesse und im abschließenden Kapitel 6 ein Interview vom Dez. 2020 zum Thema: Was kommt nach Trump? Das ist dann das Aktuelle an der Veröffentlichung. Eigentlich wiege ich den Preis von Büchern nicht allzu genau ab. Über die fehlinvestierten 15 € könnte man sich aber schon ärgern...
Martin Besecke
Der alte Mann und die Revolution!
Rezension aus Deutschland vom 25. Januar 2021
Noam Chomsky beschreibt auch in diesem Buch, wie auch schon in seinen vorherigen Büchern, die gesamtsystemische Dominanz und Gestaltungsmacht der Wirtschaft und des Geldes und die daraus resultierenden existenziellen Negativentwicklungen, eine Dominanz und Gestaltungsmacht, die mit dem von Klaus Schwab entwickelten transhumanistischen, undemokratischen und nur auf die Wirtschaft ausgerichtete Systemkonzept des sog. "Great Reset" in die nächste Stufe gehen soll. In diesem Buch beschränkt er sich aber hauptsächlich nur auf die Negativentwicklungen "Klimawandel" und "atomare Aufrüstung" bzw. "drohende Atomkriege".
Und um diesen Planeten und die Menschheit zu retten, sieht er als einzige Möglichkeit die Notwendigkeit eines zivilen Ungehorsams, einer Revolution - sein immer wieder gleiches Mantra seit nun auch schon ungefähr 20 Jahren - mit der die Menschen die Herrschenden dazu zwingen sollen, endlich umzusteuern. Und, er stellt die kühne These auf, dass der notwendige Wandel nur über die bestehenden Institutionen möglich ist.
Mit Verlaub, aber hier liegt er, wie auch schon mit seiner Sprachtheorie, grundlegend falsch! Denn gerade die institutionellen und strukturellen Gestaltungen unseres Weltsystems sowie der derzeit bestehenden Demokratien haben ja ermöglicht und unterstützt, dass sich die auch von ihm angeprangerten existenziellen Negativentwicklungen überhaupt vollziehen konnten und so ungehindert voranschreiten können! Damit haben die heutigen Demokratien nicht nur ihre systemischen Dysfunktionalitäten offenbart, sondern auch ihre Defizienzen in den gesamtgesellschaftlichen Kommunikations- und Beteiligungsbedingungen. Denn ansonsten wären "Revolutionen" ja gar nicht notwendig, oder?
Die daraus resultierende Erkenntnis, dass es um die grundlegende Erneuerung der gesamtsystemischen Rahmenbedingungen, was heißt, um die Weiterentwicklung der Demokratie selbst gehen muss, d.h. der entsprechenden Erneuerung und Weiterentwicklung der systemischen Institutionen und Strukturen und damit natürlich auch der systemischen bzw. gesamtgesellschaftlichen Kommunikations- und Beteiligungsstrukturen, wie z.B. den Systembereich Wirtschaft endlich in eine demokratische Behandlung zu bringen, findet bei ihm nachwievor nicht statt. Dementsprechend kann er auch in diesem Buch nachwievor nicht formulieren, wie eine bessere Welt denn systemisch gestaltet werden könnte oder sollte, damit diese Negativentwicklungen in Zukunft möglichst verhindert werden können, und das natürlich über einen friedlich-demokratischen Prozess. (In diesem Zusammenhang möchte ich sehr gerne nochmal auf die Wertstufendemokratie verweisen!)
Zusammengefasst: Inhaltlich bietet dieses Buch nichts Neues und an konstruktiven und praktikablen systemischen Lösungsvorschlägen überhaupt nichts. Wer aber unbedingt seine eigenen Revolutionsgefühle befriedigt sehen möchte, für den ist dieses Buch genau das richtige.