12 - Die wirtschaftliche Bedeutung der Ökologie
Commoner-1971, Kapp ab Seite 235
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Es sollte inzwischen klar geworden sein, daß es sich bei der Umweltkrise weder um eine Art harmlosen »Mutterschaftsstreit« noch um eine vorübergehende Liebhaberei für eine neue Lebensart, noch um ein Mittel handelt, grundsätzlichen ökonomischen, sozialen und politischen Konflikten auszuweichen.
Die Umweltfragen treffen — ganz im Gegenteil — mit unheimlicher Genauigkeit gerade den Kern jener Probleme, die die Welt der Moderne am schwersten belasten. Die Umweltkrise und die gegensätzlichen Ansprüche auf die Bodenschätze der Erde und den Reichtum, den die Gesellschaft mit ihrer Hilfe schafft, stehen in enger Beziehung zueinander.153
Hier stoßen die Interessen des Ökologen, die ohnehin schon von den Naturwissenschaften wie Physik, Chemie und Biologie über die technischen Wissenschaften bis zur Technologie und Demographie reichen, in den noch umstritteneren Bereich von Wirtschaft und Wirtschaftspolitik vor. Wenn der Ökologe sich scheut, in die schwierige Domäne des Wirtschafts- und Politikwissenschaftlers einzudringen, dann müssen diese ihren eigenen Weg in das ebenso schwierige Gebiet der Ökologie finden.
Wenn sich der Ökologe andererseits kopfüber in wirtschaftliche Angelegenheiten stürzt, wird er sich vielleicht sehr schnell in einem Labyrinth ihm unbekannter Theorien und Kontroversen verlieren, um schließlich nur in einer Flut professioneller Verachtung zu ertrinken. Nichtsdestoweniger scheint es mir angesichts der Dringlichkeit der Situation notwendig, daß sowohl Volkswirtschaftler wie Ökologen das Risiko eingehen, die Grenzen ihrer jeweiligen Disziplin zu durchbrechen, und die Kritik, die alsbald auf sie gehäuft werden wird, akzeptieren — als etwas, was man, möglichst gern, als eine Art sozialer Pflicht auf sich nehmen muß.
Jedoch schlage ich nicht vor, daß der Ökologe die Volkswirtschaft neu erfinden oder der Volkswirtschaftler die Umwelt neu entdecken sollte. Vielmehr sollte sich jeder auf das Wissen des anderen stützen und darin nach möglichen Berührungspunkten von Umweltkrise und gesellschaftlichen Prozessen suchen.
Hier nun mein eigener Versuch dazu.
Im Lauf der letzten Jahre ist die Umweltkrise bekannt genug geworden, um das Interesse einer Reihe wichtiger, ihr vorher fernstehender akademischer Berufe, zu denen auch die Wirtschafts- und die Politische Wissenschaft gehören, zu wecken. Inzwischen gibt es eine dem Umfang nach äußerst bescheidene, aber sehr nützliche Literatur über die ökonomischen und politischen Aspekte der Umweltproblematik, auf die der Ökologe nun zurückgreifen kann. Dennoch kann der Außenstehende schnell erkennen, daß die traditionelle Wirtschaftswissenschaft noch bis vor kurzem jede intensivere Beschäftigung mit Umweltfragen weit von sich gewiesen hat.
Die herkömmliche Wirtschaftswissenschaft, wie sie gegenwärtig in akademischen Kreisen dieses Berufszweigs ausgelegt wird, begreift die Herstellung und Verteilung der Güter als eine höchst komplizierte Entfaltung des Marktplatzes oder, um mit Robert L. Heilbroner154 zu sprechen, als ein »allumfassendes Marktgeflecht, wo sowohl Produktionsfaktoren als auch Güter und Dienstleistungen gekauft und verkauft werden«. Güter werden produziert und Dienstleistungen erbracht, um gegen andere Güter und Dienstleistungen ausgetauscht zu werden; ihr Wert wird — zumindest in einer ersten Annäherung — durch das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage bestimmt.
Diese Grundstruktur des »privaten« Wirtschaftssektors wird vom »öffentlichen« Sektor überlagert: den Ausgaben der öffentlichen Hand für eine Vielfalt gesellschaftlicher Zwecke, die von der Errichtung neuer Krankenhäuser bis zum Bombardieren »feindlicher Dörfer« in Vietnam reichen. Hinzu kommt schließlich noch die komplexe Wechselwirkung zwischen Regierungsmaßnahmen und dem Geschehen auf dem privaten Sektor. Hierher gehören unter anderem staatliche Verordnungen für Produktionsunternehmen (beispielsweise um Gesundheit und Umwelt zu schützen), einige Wirtschaftsvorhaben großen Ranges und die nationale Steuer- und Finanzpolitik. Dies ist ein höchst verzwicktes Gebiet, dessen Erkenntnisse derart umstritten sind, daß man mit ihrer Hilfe die recht gegensätzliche Politik der verschiedenen amerikanischen Regierungen vertreten könnte — wobei man sich theoretisch anscheinend jeweils im Recht befinden würde.
Bis vor kurzem wurde der Rolle von Umweltfaktoren im Rahmen solch konventioneller Wirtschaftstheorien nur wenig Beachtung geschenkt. So widmen beispielsweise die meisten amerikanischen Lehrbücher der Diskussion dieser Probleme nur ein paar Seiten, wobei sie sie den »externen« Wirtschaftsfaktoren zuordnen.
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Dieser Begriff wurde in die Wirtschaftstheorie eingeführt; er bezeichnet das, was einst eine eher seltene Abweichung vom grundlegenden Wirtschaftsprozeß, nämlich dem Austausch, zu sein schien. In seiner reinen Form ist der Austausch notwendigerweise eine sowohl auf Gegenseitigkeit als auch auf Freiwilligkeit beruhende Handlung; sie findet statt, weil beide Seiten sich daraus einen Gewinn erhoffen und sie daher freiwillig unternehmen.
Im Gegensatz dazu ist ein »externer« wirtschaftlicher Prozeß weder wechselseitig vorteilhaft noch freiwillig: Quecksilber nutzt dem Chloralkalihersteller, schadet jedoch dem kommerziellen Fischer; es wird freiwillig von einer Seite benutzt, der anderen Seite jedoch unfreiwillig aufgedrängt. Dies ist ein Beispiel für einen negativen externen Wirtschaftsvorgang. Theoretisch, wenn auch sehr viel seltener in der Praxis, kann ein externer Vorgang sich auch wirtschaftlich positiv auswirken.
Ein Beispiel hierfür ist die angenehme Umgebung, die ein Hausbesitzer genießt, der unmittelbar neben einem gut gepflegten Golfplatz oder Gehöft lebt. Da die traditionelle Wirtschaftslehre vom Marktplatz als dem Ort wechselseitig vorteilhafter, freiwilliger Tauschaktionen ausgeht, ist es nicht verwunderlich, daß für externe Wirtschaftsprozesse darin — bislang — so wenig Platz blieb. Man könnte sie gewissermaßen als wirtschaftliche Transaktionen ansehen, die — da sie wesentlich gesellschaftlicher Natur sind —, sich nur schwer in den Kontext einer Wirtschaftstheorie fügen, die sich in erster Linie mit privaten, nicht aber mit gesellschaftlichen Transaktionen befaßt. Angesichts der Tatsache, daß in jüngster Zeit gewisse Umweltprobleme stark in Erscheinung getreten sind, die externe Prozesse mit weitreichenden negativen Folgen darstellen, haben die Wirtschaftswissenschaftler jedoch begonnen, diesem bisher völlig untergeordneten Aspekt der Wirtschaftstheorie sehr viel mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Die Aufgabe, vor die sie sich gestellt sehen, haben wir bereits beschrieben: Wie können die Kosten, die die Umweltzerrüttung der Gesellschaft aufbürdet, berechnet und wie können sie vom Wirtschaftssystem getragen werden? Viele der in den letzten Jahren unternommenen Versuche, diese Frage zu beantworten, folgten dem englischen Wirtschaftswissenschaftler A. G. Pigou155, der vorgeschlagen hatte, die externen Prozesse in das Wirtschaftssystem zu integrieren, und zwar durch eine Besteuerung solcher wirtschaftlicher Aktivitäten, die negative externe Faktoren, und eine Subventionierung der wenigen, die positive Faktoren mit sich bringen.
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Die Besteuerung würde selbstverständlich zu einem höheren Preis des jeweiligen Produkts führen, der dann dessen »wirkliche Kosten« ausdrücken würde — unter Einschluß der Kosten, die die Umweltverschmutzung oder die Kontrollmaßnahmen, um letztere zu verhüten, verursachen. Einige Volkswirtschaftler glauben, daß die Marktwirtschaft sich durch diese und ähnliche Maßnahmen den Kosten, die der Umweltschutz erfordert, leicht anpassen könne. Dann wäre keine grundlegende Veränderung des marktwirtschaftlichen Systems notwendig, denn es würde ein wechselseitiger, freiwilliger Tausch stattfinden.
Der Hersteller würde die Kosten der Umweltreinhaltung tragen oder eine Gebühr dafür zahlen, daß er die Umwelt zu seinem Vorteil als Schuttabladeplatz benutzen darf; der zuvor externe Prozeß würde integriert und damit den Einflüssen des Marktes unterworfen. Der Hersteller, der sich der Notwendigkeit, Umweltschutzmaßnahmen oder Steuern zu bezahlen, gegenübersieht, wird versuchen, die zusätzlichen Kosten auf den Verbraucher in Form von Preiserhöhungen abzuwälzen. Wo eine Steuer entrichtet werden muß, kann die Regierung sie zu Umweltschutz- oder -Sanierungsmaßnahmen verwenden.
Gegen diesen Ansatz lassen sich einige geringfügige Einwände erheben. Ein kompliziertes System von Verordnungen, Konzessionserteilungen, Besteuerungen und Überwachungsmaßnahmen wäre erforderlich, wobei das eine so gut wie das andere gegen den Geist des »freien Unternehmertums« verstößt und den freien Austausch, auf dem das Funktionieren der Marktwirtschaft doch beruhen soll, neuen Einschränkungen unterwirft. Ein anderer Einwand wäre der, daß manche Produzenten zweifellos bereit wären, sich das Recht zur Umweltverschmutzung zu erkaufen, um dann der Umwelt in einer Art und Weise Schaden zuzufügen, der durch keine Steuer jemals wiedergutzumachen wäre.
Schwerwiegender als derartige Einwände ist die Frage, ob die traditionelle Marktwirtschaft nicht grundsätzlich mit einem intakten Umweltsystem unvereinbar ist. Ein nachdrücklicher Hinweis in dieser Richtung kommt von E. L. Dale jun., einem Wirtschaftsjournalisten der New York Times.156
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Er erklärt, daß die Privatwirtschaft nach »ehernen Gesetzen« funktioniert, deren oberstes das Gesetz vom progressiven Wachstum der Produktionsfähigkeit und Produktionsmenge ist, das nicht gebremst werden kann, weil »das Motiv des Profits die individuellen täglichen Entscheidungen fast immer in Richtung einer höheren Produktivität treiben wird«.
In bezug auf die Reinhaltung und Wiederherstellung einer intakten Umwelt bedeutet das nach Dale, daß
»uns unsere Technologie, die uns zu einem steigenden Bruttosozialprodukt verholfen hat, nacheinander einen Weg aus den Umweltproblemen weisen könnte ... Aber am Ende könnten wir doch nicht sicher sein, ob man die Sache insgesamt schafft. Es wird weiterhin einen Zuwachs des Gesamtertrags und des Pro-Kopf-Ertrags geben ... Was auf lange Sicht Abhilfe schaffen kann, liegt auf der Hand: weniger <Köpfe>«.
Nach dieser Ansicht — die ihr Echo in vielen von Industriellen verfaßten Artikeln zur Umweltfrage gefunden hat (vgl. beispielsweise S. 16) — zwingen jene ehernen Gesetze das Wirtschaftssystem zu einer Steigerung der Produktivität und damit des Produktionsausstoßes.
Da aber ein höherer Ausstoß eine stärkere Verschmutzung bedeutet (und auf jeden Fall angesichts der natürlichen Grenzen des Ökosystems und der Beschränktheit der Bodenschätze nicht unbegrenzt in Gang gehalten werden kann), bleibt als einzige Möglichkeit zur Drosselung des Ausstoßes eine Verringerung der Bevölkerungszahl.
Aus Gründen, die ich bereits erwähnt habe, scheint mir diese Methode — solange insgesamt offenbar genügend Mittel zur Verfügung stehen, um die Bevölkerung zu unterhalten — dem Versuch vergleichbar, ein leckgeschlagenes Boot dadurch zu retten, daß man seine Fracht verringert und die Passagiere über Bord zu springen zwingt.
Die Frage drängt sich auf, ob vielleicht an dem Schiff irgend etwas ganz und gar nicht stimmt. So zeigt sich noch einmal die Tendenz der Umweltkrise, grundsätzliche soziale Streitfragen aufzuwerfen. Hier ist es die Frage, ob die Erfordernisse der Privatwirtschaft überhaupt mit ökologischen Geboten vereinbar sind.
Dieselbe Frage stellt sich freilich auch in bezug auf das andere bedeutende Wirtschaftssystem der heutigen Welt, den Sozialismus; wir werden später noch darauf eingehen.
Die vollständigste Untersuchung des grundlegenden Verhältnisses von externen Umweltschäden und dem auf privatem Unternehmertum beruhenden Wirtschaftssystem stammt von dem Wirtschaftswissenschaftler Karl William Kapp.
1950 veröffentlichte Kapp, der damals an der Wesleyan-Universität lehrte, ein bemerkenswertes - und leider oft übersehenes - Buch: Volkswirtschaftliche Kosten der Privatwirtschaft.
Es ist bemerkenswert erstens, weil es detailliert beschreibt, welch ernstes Problem die Umweltverschmutzung darstellt — und dies zu einer Zeit, wo diese Frage noch längst nicht populär war.
Es ist außerdem bemerkenswert als der erste und anscheinend noch immer einzige Versuch, von einer Betrachtung jener externen Faktoren her zu zeigen, daß — um einen Wirtschaftswissenschaftler und Bewunderer Kapps(157) zu zitieren — »wirtschaftliches Wachstum viele Dinge obsolet macht und eines der wichtigsten davon die Wirtschaftstheorie selbst ist«.
In diesem Buch (sowie in einer überarbeiteten Ausgabe aus dem Jahr 1963) macht Kapp die folgenden Schlüsselbemerkungen:
Die Kosten, die »externe« Umweltschäden mit sich bringen, belaufen sich in manchen Industriezweigen auf bis zu 15 Prozent der herkömmlichen Produktionskosten. Genauso sieht es auch mit den Schädlingsbekämpfungsmitteln aus. Diese »Sozialkosten werden im konkurrenzwirtschaftlichen Anpassungsprozeß überhaupt nicht beachtet. Die Produktion kann in der Tat auch dann weitergehen, wenn die Gesamtkosten höher liegen als die Gesamtgewinne.« Und schließlich erfordere die Einbeziehung der Sozialkosten in den Untersuchungsbereich der ökonomischen Analyse eine Revision der klassischen und neoklassischen Theorie von Reichtum und Produktivität.
Außerdem bringt Kapp(158) folgende grundlegende Kritik der Privatwirtschaft vor:
»Sobald man ... die herkömmlichen Abstraktionen in der Selbstkostenanalyse fallen läßt und die übergangenen Sozialkosten in die Theorie einbezieht, wird klar, daß die vermeintlich wohltätige Ordnungskraft des Wettbewerbsprozesses nichts als ein Mythos ist. Denn wenn die Kosten des Unternehmers nicht die gesamten Produktionskosten darstellen, dann sagt das Preis-Kosten-Kalkül der Wettbewerbswirtschaft nicht nur nichts aus, sondern ist weiter nichts als eine institutionalisierte Tarnung, unter der es dem Privatunternehmer möglich wird, einen Teil der Kosten auf die Schultern anderer abzuwälzen und eine Form großangelegter Ausbeutung zu betreiben, die alles übertrifft, was sich die frühen Sozialisten vorstellten, als sie von der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen sprachen.«
Mit einem Wort, Kapp behauptet, daß die traditionelle Wirtschaftstheorie des privaten Unternehmertums unfähig ist, die hohen Sozialkosten zu erfassen, die gerade der Quelle der gegenwärtigen Wirtschaftskraft entspringen — der modernen Technologie.
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Das wirft zwei grundsätzliche Fragen auf:
1. In welchem Grad sind die Grundeigenschaften der Privatwirtschaft mit der Erhaltung einer stabilen Ökosphäre unvereinbar, die für den Erfolg jedes Produktionssystems unabdingbar ist?
2. In welchem Maß ist die Privatwirtschaft — zumindest in ihrer gegenwärtigen Form — notwendigerweise unfähig zu jenen gewaltigen Anstrengungen, die erforderlich sind, um »der Natur den Tribut zu entrichten«, der durch die Umweltkrise bereits angefallen ist — eine Schuld, die bald getilgt werden muß, wenn der ökologische Zusammenbruch vermieden werden soll?
Das Folgende stellt einen vorläufigen Versuch dar, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.
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Es ist nützlich, mit einem Grundmerkmal der Privatwirtschaft zu beginnen, das — nach Meinung traditioneller Wirtschaftswissenschaftler — zu ihren Hauptantriebskräften gehört: der private Gewinn.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Umweltverschmutzung und Unternehmerprofit in einem Privatwirtschaftssystem wie dem der Vereinigten Staaten?
Aus früheren Kapiteln wissen wir, daß die massive Umweltverschmutzung in den Vereinigten Staaten eng mit der technologischen Umwälzung im Produktionssystem verbunden ist, die nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt hat. Ein Großteil unserer Verschmutzungsprobleme kann auf eine Kette von umfangreichen technologischen Verschiebungen in Industrie und Landwirtschaft seit 1946 zurückgeführt werden. Eine ganze Reihe jener neuen, sich schnell ausbreitenden Produktionsverfahren tendiert sehr viel stärker dazu, die Umwelt zu belasten, als es die älteren Verfahren taten, die sie verdrängt haben.
Seit dem Zweiten Weltkrieg hat die Privatwirtschaft in den Vereinigten Staaten ihr Kapital also vorzugsweise in solche Produktionsbetriebe investiert, die mit der Intensivierung der Umweltverschmutzung in enge Verbindung gebracht werden müssen. Was war das Motiv für dieses Investitionsschema? Heilbroner schreibt159: »Ob die Investition nun zur Ersetzung alten Kapitals oder zur Einsetzung neuen Kapitals vorgenommen wird — die maßgebliche Überlegung betrifft praktisch niemals den persönlichen Nutzen oder die persönliche Befriedigung, die diese Investition für die Eigentümer des Unternehmens mit sich bringen könnte. Der Prüfstein für Investitions-Entscheidungen ist vielmehr der Profit.«
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Die Einführung neuer Technologien hat zweifellos eine wichtige Rolle für die Einträglichkeit der geschäftlichen Unternehmen der Nachkriegszeit gespielt. Der Wirtschaftsfaktor, der Gewinn und Technologie miteinander verbindet, ist die Produktivität, die im allgemeinen als Mengenverhältnis zwischen der Ausbringungsmenge und der Einsatzmenge definiert und als Ausstoß an Produkten pro eingesetzter Arbeitseinheit gemessen wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Produktivität schnell an, und zwar — nach Heilbroner — weitgehend aufgrund der Einführung neuer Technologien während dieses Zeitraums. Mithin scheint die folgende Beziehung gegeben: Die Neuinvestition in der Nachkriegswirtschaft erfolgte, wie zu erwarten ist, in einer Richtung, die einen höheren Gewinn zu versprechen schien — und tatsächlich auch einbrachte; diese Investitionen stützten sich insbesondere auf die Einführung neuer Technologien, die einen Hauptfaktor des beträchtlichen Produktivitätszuwachses — der Hauptquelle des Gewinns — darstellen.
Wenn diese Zusammenhänge bei den technologischen Verdrängungsprozessen — die, wie wir gesehen haben, von großer Bedeutung für die Entstehung der Umweltkrise in den Vereinigten Staaten gewesen sind — tatsächlich eine entscheidende Rolle gespielt haben, dann würde man in den entsprechenden Statistiken Daten finden können, die erkennen lassen, daß die auf der neuen Technologie beruhende Produktion gewinnbringender gewesen ist als die auf der alten Technologie beruhende, an deren Stelle sie getreten ist. Das heißt, die neuen, stärker verschmutzenden Technologien sollten höhere Gewinne abwerfen als die älteren, weniger verschmutzenden Technologien, die sie verdrängt haben.
Die verfügbaren Zahlen scheinen diese Erwartung zu bestätigen. Ein gutes Beispiel ist die radikale Verdrängung der Seife durch synthetische Detergentien. Wie es sich gerade trifft, enthalten die Statistiken der amerikanischen Regierung wirtschaftliche Angaben über Industriebetriebe, die sowohl Seifen als auch Detergentien produzieren. 1947, als die Industrie praktisch keine Detergentien herstellte, betrug der Gewinn 30 Prozent des Umsatzes. 1967, als ein Drittel der Produktion auf Seife und zwei Drittel auf Detergentien entfielen, belief sich der Gewinn auf 42 Prozent. Aus den Daten für die dazwischenliegenden Jahre läßt sich berechnen, daß der Gewinn aus dem Verkauf reiner Detergentien160 ungefähr 52 Prozent beträgt und damit beträchtlich höher ist als bei reiner Seife.
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Bezeichnenderweise hat diese Industrie einen erheblichen Produktivitätszuwachs zu verzeichnen gehabt — nämlich um 25 Prozent. Wenn die Einträglichkeit eines Geschäfts ein starkes Motiv ist, dann findet die schnelle Verdrängung der Seife durch Detergentien — und die sich daraus ergebende Umweltverschmutzung — zweifellos eine logische Erklärung. Sie macht verständlich, warum die Seife — obwohl sie die meisten Reinigungszwecke noch immer vollkommen erfüllt — vom Markt verdrängt worden ist: weil es für den Kapitalanleger — wenn auch nicht für die Gesellschaft — von Vorteil war.
Auch das Beispiel der synthetische Chemikalien herstellenden Industrie veranschaulicht einige der Gründe für die Einträglichkeit derartiger technologischer Neuerungen. Das läßt sich leicht anhand eines aufschlußreichen Buches über die Wirtschaft der chemischen Industrie161 belegen, das vom Verband der chemischen Fabrikanten (Manufacturing Chemists' Association) herausgegeben worden ist. Von 1946 bis 1966 konnte die chemische Industrie, insbesondere die Hersteller synthetischer organischer Chemikalien, eine außergewöhnlich hohe Gewinnspanne verzeichnen. In diesem Zeitraum erreichte die chemische Industrie — während die durchschnittlichen Nettoeinnahmen der gesamten Fertigungsindustrie 13,1 Prozent betrugen — durchschnittliche Nettoeinnahmen von 14,7 Prozent.
Das MCA-Buch bietet eine Erklärung für diesen außergewöhnlich hohen Gewinnsatz. Er beruht vor allem auf der Einführung und Verbreitung neuentwickelter, insbesondere synthetischer Materialien. Denn für ungefähr vier oder fünf Jahre, nachdem ein neuartiges chemisches Produkt auf den Markt gekommen ist, liegen die Gewinne weit über dem Durchschnitt (Betriebe, die neue Produkte entwickeln, erfreuen sich eines etwa doppelt so hohen Gewinnsatzes wie Unternehmen, die dies nicht tun). Dies ist der mächtigen Monopolstellung des Unternehmens zuzuschreiben, von dem das Material entwickelt wurde und das nun einen hohen Verkaufspreis festsetzen kann. Nach vier oder fünf Jahren sind kleinere Konkurrenzfirmen in der Lage, mit eigenen Herstellungsverfahren auf den Markt zu gehen, so daß das Angebot größer wird, der Wettbewerb zunimmt, der Preis sinkt und die Gewinne zurückgehen. Zu diesem Zeitpunkt ist die große »Innovations«-Firma — aufgrund ihres enormen Aufwands an Forschung und Entwicklung — schon wieder bereit, eine neue synthetische Substanz einzuführen, wodurch sie
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erneut einen hohen Gewinnsatz erzielen kann. Und so fort. Wie das MCA-Buch betont: »Die Aufrechterhaltung überdurchschnittlicher Gewinnspannen erfordert ein ununterbrochenes Auffinden neuer Produkte und Spezialitäten, für welche die hohen Gewinnspannen erzielt werden können, während die früheren Produkte der betreffenden Kategorie sich zu Gebrauchschemikalien mit niedrigeren Gewinnspannen entwickeln.« Es ist daher kein Zufall, daß die synthetische organische Verbindungen herstellende chemische Industrie eine der höchsten Investitionsraten für Forschung und Entwicklung aufweist (im Jahr 1967 3,7 Prozent des Umsatzes, verglichen mit einer durchschnittlichen Investitionsrate von 2,1 Prozent für alle Fertigungsindustrien).
Somit scheint die außerordentlich hohe Gewinnspanne dieser Industrie ein direktes Ergebnis der in kurzen Intervallen erfolgenden Entwicklung und Herstellung neuer, im allgemeinen unnatürlicher, synthetischer Materialien zu sein, die, wenn sie in die Umwelt gelangen, nur allzu häufig zu deren Verschmutzung führen. Für Ökologen ist diese Situation ein Alptraum, denn die vier oder fünf Jahre, in denen sich eine neue synthetische Substanz wie etwa ein Detergens oder Insektenvertilgungsmittel den Markt — und die Umwelt — erobert, sind ein zu kurzer Zeitraum, als daß seine ökologischen Auswirkungen bereits voll zur Geltung kommen könnten. Es ist unvermeidlich, daß zu dem Zeitpunkt, zu dem jene Auswirkungen dann bekannt sind, der Schaden bereits angerichtet worden ist und die Trägheit der hohen Investitionen in das neue Produktionsverfahren einen Rückzug außerordentlich schwierig macht. Genau dieses System der Gewinnsteigerung ist der Grund für die massive und zerstörerische Belastung, die diese Industrie der Umwelt aufbürdet.
Es ist bezeichnend, daß sich die Gewinnsituation der chemischen Industrie seit 1966 merklich verschlechtert hat. Als eine der Hauptursachen dafür nannten die Industriesprecher selbst Bedenken wegen der Umweltverschmutzung. Auf einem der letzten Kongreß-Hearings162 wies beispielsweise ein Industriefunktionär darauf hin, daß eine Reihe chemischer Unternehmen die Pestizidherstellung immer weniger einträglich findet, weil es notwendig geworden sei, die neuen Ansprüche an die »Umweltfreundlichkeit« solcher Produkte zu befriedigen. Aufgrund dieser Anforderungen sind die Kosten für die Entwicklung neuer Schädlingsbekämpfungsmittel und für die Untersuchung ihrer ökologischen Auswirkungen sprunghaft angestiegen.
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Gleichzeitig nahmen die Fälle zu, in denen Pestizide aus den amtlichen Pestizidverzeichnissen gelöscht oder vorläufig gestrichen wurden — von 25 im Jahr 1967 auf 123 im Jahr 1970. Infolgedessen haben eine ganze Reihe von Firmen die Produktion von Schädlingsbekämpfungsmitteln eingestellt, obwohl die Gesamtproduktion noch weiterhin ansteigt. Eine Gesellschaft erklärte, sie habe die Pestizidherstellung fallengelassen, »weil Investitionen in anderen Bereichen ein besseres Geschäft versprachen«.
Ein deutliches Beispiel für den Einfluß ökologischer Bedenken auf die Gewinnträchtigkeit neuer Chemikalien ist NTE, ein vermeintlich verschmutzungsfreier Waschmittelzusatz, der anstelle von Phosphaten verwendet wird. Unter dem Druck der — wegen der von den Waschmittel-Phosphaten hervorgerufenen Wasserverschmutzung stark beunruhigten — Öffentlichkeit, entwickelte die Industrie NTE als Ersatzstoff. Dann schickten sich zwei große Firmen an, für jeweils etwa 100 Millionen Dollar NTE-Fabriken zu bauen. Als die Produktionsbetriebe schon teilweise fertiggestellt waren, warnte der öffentliche Gesundheitsdienst der Vereinigten Staaten vor der Verwendung von NTE, weil Beweise vorlagen, daß bei Versuchstieren nach NTE-Exposition Mißbildungen auftreten. Die neuen Betriebe mußten aufgegeben werden — was für die Firmen einen erheblichen Verlust bedeutete163. Angesichts solcher Risiken sind die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in der chemischen Industrie in letzter Zeit gesunken — ein Vorgang, der die Gewinnlage dieser Industrie wahrscheinlich noch mehr verschlechtern wird.
Die Stickstoffdünger sind ein weiteres aufschlußreiches Beispiel für den Zusammenhang von Profit und Verschmutzung.
Auf einer typischen Farm im amerikanischen Maisgürtel kann eine Ernte, die mehr als 1,6 bis 1,9 t pro Hektar unter dem heutigen Durchschnittsertrag liegt, bedeuten, daß der Bauer keinen Gewinn erzielt. Wie wir in Kapitel 5 geschildert haben, hängt der gegenwärtige Maisertrag nun aber von einem im Verhältnis zur Bodenfläche hohen Einsatz von Stickstoffdüngemitteln ab. Unter diesen Bedingungen nähert sich die Stickstoffaufnahme durch die Pflanzen dem Sättigungspunkt, so daß ein beträchtlicher Teil des Düngers in die Oberflächengewässer gespült wird. Mit anderen Worten: unter den gegenwärtigen Bedingungen mt*ß der Bauer anscheinend so viel Dünger verwenden, daß das Wasser verschmutzt wird, wenn er überhaupt einen Gewinn erzielen soll.
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Am einfachsten hat diese tragische Verbindung zwischen wirtschaftlichem Überleben und Umweltverschmutzung vielleicht ein Farmer164 dargestellt, der im März 1971 vor der Kontrollbehörde für Umweltverschmutzung des Staates Illinois erklärte: »Die beste Investition, die ein Bauer machen kann, ist das Geld, das er jahrein, jahraus für Dünger ausgibt. Das ist eines unserer Produktionsmittel, das nicht — wie Maschinen und andere landwirtschaftliche Investitionen — kaum mehr erschwinglich für uns ist. In meinem Fall belaufen sich die Ausgaben für Düngemittel auf mehr als 20 Dollar pro Morgen, aber ich glaube, daß ich für jeden Dollar, den ich für Dünger ausgebe, ein bis drei Dollar zurückkriege . . . Ich bezweifle, daß mein Betrieb noch laufen könnte, wenn der Einsatz von Düngemitteln und Chemikalien, wie ich sie heute kenne, wegfallen würde. Ich hoffe, daß gleichwertige Ersatzstoffe entwickelt und erforscht werden, wenn die Regierung entscheidet, daß unsere Produktionsmittel eine Gefahr für die Gesellschaft sind.«
Die Statistiken165 stützen die Meinung dieses Farmers über die wirtschaftliche Bedeutung der Düngemittel und Pestizide. Sie zeigen, daß derartige Chemikalien drei oder vier Dollar pro aufgewendetem Dollar einbringen, während andere Investitionen wie Arbeit und Maschinen nur zu sehr viel niedrigeren Einnahmen führen.
Das beweist, daß eine hohe Gewinnspanne an solche Verfahren gekoppelt ist, die die Umwelt besonders belasten, und daß bei einer Beschränkung dieser Verfahren die Gewinne zurückgehen würden.
Ein weiteres bedeutsames Beispiel liefert die Kraftfahrzeugindustrie, deren Ablösung der kleinen, schwachmotorigen Kraftfahrzeuge durch große, starkmotorige Autos eine Hauptursache der Umweltverschmutzung darstellt. Obwohl spezielle Daten über die Beziehung zwischen Profitrate und entscheidenden technischen Konstruktionsmerkmalen, wie etwa der PS-Zahl, offenbar nicht zur Verfügung stehen, gibt es doch einige allgemeinere Hinweise auf die Art dieser Beziehung. So heißt es in einem Artikel der Zeitschrift Fortune166 vom März 1969:
»Werden Größe und Verkaufspreis eines Autos verringert, dann zeigt die Gewinnspanne die Tendenz, sich noch stärker zu verringern. Eine amerikanische Standardlimousine mit einem Grundpreis von 3000 Dollar beispielsweise bringt dem Hersteller einen Gewinn von 250 bis 300 Dollar ein. Wenn der Preis aber um ein Drittel auf 2.000 Dollar fällt, sinkt der Gewinn des Produzenten um etwa die Hälfte. Unter 2000 Dollar setzt sogar ein noch steilerer Gewinnrückgang ein.«
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Zweifellos würde ein Auto mit verringerter Umweltbelastung, welches dann notwendigerweise einen relativ schwachen Motor mit niedriger Kompression und ein geringes Gesamtgewicht hätte, zu einem relativ niedrigen Preis verkauft werden. Daher würde es auch einen im Verhältnis zum Verkaufspreis geringeren Gewinn einbringen als das schwere, starkmotorige und stark verschmutzende Standardauto. So könnte man die Bemerkung von Henry Ford167 immerhin verstehen, der unlängst sagte, daß »Miniautos Miniprofite machen«.
Man wird sich aus Kapitel 9 erinnern, daß unter den technologischen Verdrängungen größeren Ausmaßes, die die Belastung der Umwelt massiv verstärkt haben, bestimmte Baumaterialien hervorragen: Stahl, Aluminium, Bauholz, Zement und Kunststoffe168. Nicht nur beim Hausbau ist man immer mehr dazu übergegangen, anstelle von Stahl und Holz Aluminium, Zement (in Form von Beton) und Kunststoffe zu verwenden. 1969 beliefen sich die Gewinne aus der Produktion von Stahl und Nutzholz auf 12,5 bzw. 15,4 Prozent des Gesamtumsatzes. Demgegenüber erbrachten die Produkte, die Stahl und Nutzholz verdrängt haben, bedeutend höhere Gewinne: Aluminium 25,7 Prozent; Zement 37,4 Prozent; Kunststoffe und Kunstharze 21,4 Prozent. Auch hier ist die Ablösung von Technologien mit relativ geringer Umweltbelastung durch Technologien mit stärkeren Belastungserscheinungen wieder von einem bemerkenswerten Anstieg der Profitrate begleitet.
Ganz ähnlich steht es mit der Ablösung des Gütertransports auf dem Schienenweg (mit relativ schwacher Umweltbelastung) durch den Güterkraftverkehr (mit starker Umweltbelastung). In diesem Fall sind die wirtschaftlichen Daten ein wenig zweideutig wegen der verhältnismäßig hohen langfristigen Investitionen bei der Eisenbahn im Vergleich zum Lastwagen-Güterverkehr, dem die vom Staat unterhaltenen öffentlichen Straßen zur Verfügung stehen. Der Güterkraftverkehr scheint sehr viel höhere Gewinne abzuwerfen als der Gütertransport auf dem Schienenweg; der Schlüssel des Nettogewinns der Aktionäre und Eigentümer beträgt im Fall der Eisenbahnen 2,61 I rozent und im Lastwagen-Güterverkehr 8,84 Prozent (Zahlen von 1969).
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Im Zusammenhang mit diesen Beispielen, bei denen die Profitrate zuzunehmen scheint, wenn eine neue, umweltschädlichere Technologie eine ältere verdrängt, sollte festgehalten werden, daß dieses Merkmal nicht auf alle neuen Technologien zutrifft. So verminderte beispielsweise die Ablösung der kohlenbetriebenen Dampflokomotiven durch Diesellokomotiven zwischen 1946 und 1950 die von den Eisenbahnen hervorgerufene Umweltbelastung, da Dieselloks erheblich weniger Brennstoff pro Tonnenmeile verbrauchen als kohlenbetriebene Zugmaschinen. Leider wurde diese Verbesserung jedoch durch die nachfolgende Verdrängung der Eisenbahn zugunsten des Lastkraftwagens im Gütertransport wieder hinfällig und bewirkte andererseits auch keine anhaltende Verbesserung in der Ertragslage der Eisenbahnen.
Ferner ist offensichtlich, daß bestimmte neue Technologien, die gar keine älteren verdrängt haben, sondern ganz neuartig sind — wie zum Beispiel Fernsehapparate und andere elektronische Verbrauchsgüter —, sehr wohl höchst einträglich sein können, ohne eine außergewöhnlich starke Belastung der Umwelt darzustellen. Zweck der voranstehenden Beobachtungen ist es denn auch nicht, die Regel abzuleiten, daß höhere Einträglichkeit unvermeidlich einen höheren Grad an Umweltverschmutzung bedeutet, sondern nur zu zeigen, daß viele der stark verschmutzenden neuen Technologien höhere Gewinnsätze mit sich brachten als die weniger stark verschmutzenden Technologien, die sie verdrängt haben.
Damit soll auch nicht gesagt werden, daß diese Beziehung von seiten des Unternehmers beabsichtigt ist. Vieles spricht dafür — wovon wir einiges an anderer Stelle zitiert haben —, daß die Produzenten sich bezeichnenderweise der möglichen Umwelteinflüsse ihrer Tätigkeit nicht bewußt sind, bis diese Auswirkungen — wenn die Grenzen der biologischen Anpassungsfähigkeit überschritten sind — im Zusammenbruch ökologischer Systeme oder in neuen oder gehäuft auftretenden Erkrankungen des Menschen manifest werden. Trotz dieser Einschränkungen müssen jene Beispiele für den Zusammenhang von Umweltverschmutzung und Gewinnrealisation in einem auf privatem Unternehmertum beruhenden Wirtschaftssystem ernstgenommen werden, weil sie sich auf wesentliche Bestandteile des Wirtschaftssystems der stärksten kapitalistischen Großmacht der Welt beziehen.
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Manch einer wird nun sicher einwenden, daß es unlogisch sei, eine solche Verbindung zwischen Umweltverschmutzung und Gewinnrealisation herzustellen, gerade weil die Verschmutzung die Qualität der Umweltbedingungen verschlechtere, von denen der künftige Geschäftserfolg auch des unersättlichsten Kapitalisten abhängig ist. Grundsätzlich ist dieses Argument von einigem Gewicht, denn es ist sicher wahr, daß die industrielle Verschmutzung das »biologische Kapital« zu vernichten droht, das das Ökosystem zur Verfügung stellt und auf das jede Produktion angewiesen ist. Ein gutes Beispiel hierfür ist die mögliche Rückwirkung der Quecksilberverseuchung durch Chloralkaliwerke auf den Betrieb dieser Anlagen. Für jede Tonne Chlor, die ein solches Werk herstellt, sind ungefähr 730 Hektoliter Wasser von hoher Reinheit erforderlich.
Es wird nahegelegenen Flüssen oder Seen entnommen, deren ökologische Zyklen seine Reinheit gewährleisten, solange sie intakt sind, das heißt solange die Stoffwechselprozesse einer ganzen Reihe von Mikroorganismen einwandfrei ablaufen können. Da Quecksilberverbindungen für die meisten Organismen hochgiftig sind, muß die Quecksilberabgabe der Chloralkalifabriken als ernsthafte Gefährdung der Wasserquellen angesehen werden, auf deren Reinheit diese Werke selbst angewiesen sind. Nichtsdestoweniger ist es eine Tatsache, daß die Industriebetriebe in diesem wie in anderen Beispielen bislang nur durch äußere Einflüsse oder Zwangsmaßnahmen daran gehindert werden konnten, auf dem vernunftwidrigen, selbstzerstörerischen Weg der Umweltverschmutzung fortzuschreiten.
Der Statistiker Daniel Fife169 hat unlängst eine interessante Beobachtung gemacht, die diese paradoxe Beziehung zwischen der Einträglichkeit eines Geschäfts und seiner Tendenz, die eigene Basis in der Umwelt zu zerstören, erklären hilft. Sein Beispiel ist die Walindustrie, die ihr Geschäft selbst ruiniert hat, indem sie die Wale so schnell fing, daß sie nun sicher bald ausgerottet sein werden. Fife bezeichnet diese Art von Geschäftstätigkeit als »unverantwortlich« im Gegensatz zu einer »verantwortlichen« Geschäftstätigkeit, bei der die Wale nur so schnell gefangen werden würden, wie sie sich auch regenerieren können. Obwohl sich der unverantwortliche Geschäftsbetrieb schließlich selbst ruiniert, so betont Fife, könne es doch gewinnbringend sein, eben dies zu tun — zumindest für den Unternehmer, wenn auch nicht für die Gesellschaft —, wenn nämlich die aus der unverantwortlichen Geschäftstätigkeit erwachsenden außerordentlichen Erträge hoch genug seien, um eine Kapitalverzinsung anderweitiger Investitionen zu ermöglichen, die das Endresultat des Aussterbens der Wale aufwiegt.
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Man könnte das auch so umschreiben, daß es der »unverantwortliche« Unternehmer für einträglich hält, die Gans zu schlachten, die die goldenen Eier legt, solange sie nur lange genug lebt, um ihn mit so vielen Eiern zu versorgen, daß er sich damit eine neue Gans kaufen kann, ökologische Unverantwortlichkeit kann sich bezahlt machen — für den Unternehmer, nicht jedoch für die Gesellschaft als Ganzes.
Das entscheidende Bindeglied zwischen Umweltverschmutzung und Profit scheint mithin die moderne Technologie zu sein, die eine Hauptquelle sowohl der jüngsten Produktivitäts- und damit Gewinnsteigerung als auch der jüngsten Angriffe auf die Umwelt darstellt. Aufgrund des ihm wesensmäßig zugehörigen Strebens nach Profitmaximierung hat das moderne Privatunternehmertum gierig diejenigen technologischen Neuerungen aufgegriffen, die dieses Bedürfnis zu befriedigen versprachen — im allgemeinen ohne sich bewußt zu sein, daß gerade diese Neuerungen häufig gleichzeitig Mittel zur Vernichtung der Umwelt darstellen. Das ist auch nicht weiter überraschend, haben wir doch (in Kapitel 10) gesehen, daß neue Technologien gegenwärtig nur als einem einzigen Zweck dienende Mittel konzipiert werden. Leider wird dieser Zweck anscheinend allzu häufig von dem Wunsch bestimmt, die Produktivität — und damit den Profit — zu steigern.
Es ist deutlich, daß wir sehr viel mehr über den Zusammenhang von Umweltverschmutzung und Profiten in Wirtschaftssystemen mit privatem Unternehmertum wissen müssen. Bis dahin wäre es klug, wenn man sich einige Gedanken über die Bedeutung des funktionellen Zusammenhangs zwischen Verschmutzung und Profiten machen würde, den unsere jetzige Kenntnis zumindest nahelegt.
Aus diesen Überlegungen läßt sich der allgemeine Satz schlußfolgern, daß die Umweltverschmutzung auf zweierlei Weise mit den ökonomischen Bedingungen der Privatwirtschaft verbunden ist. Erstens: die Umweltverschmutzung tendiert dazu, bei Verdrängung älterer Produktionstechnologien durch neue, ökologisch mangelhafte, aber einträglichere Technologien zuzunehmen. Somit ist die Umweltverschmutzung in diesen Fällen eine unbeabsichtigte Begleiterscheinung des diesem Wirtschaftssystem immanenten Bestrebens, neue Technologien einzuführen, die die Produktivität erhöhen. Zweitens: die Kosten der Umweltzerrüttung werden in der Hauptsache nicht vom Produzenten, sondern von der Gesellschaft als Ganzem getragen.
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Ein Geschäftsunternehmen, das die Umwelt verschmutzt, wird mithin von der Gesellschaft subventioniert; in demselben Maß ist das Unternehmen — obzwar ein freies — nicht mehr ein ausschließlich privates.
Wenn wir der Umweltzerrüttung Einhalt gebieten wollen, müssen wir diese Verhältnisse ändern. Zunächst müssen die ökologischen Unkosten dadurch beglichen werden, daß man die erforderlichen Veränderungen im Produktionsprozeß einleitet. In einem privatwirtschaftlichen System heißt das notwendigerweise, daß die Unkosten — auf welche Weise auch immer sie letzten Endes beglichen werden — durch das Unternehmen des Produzenten in das System eingeführt werden. Die neuen, stark verschmutzenden Technologien werden von diesen Veränderungen natürlich stärker betroffen als die verhältnismäßig wenig umweltbelastenden Technologien, die sie verdrängt haben. Folglich würden die zusätzlichen Kosten stärkere Auswirkungen auf Waschmittel- als auf Seifenhersteller und geringere auf Eisenbahnen als auf Lastwagen haben.
Nun stellen die neuen, stark verschmutzenden Technologien aber auch eine stärkere Quelle des gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachses dar als die Technologien, die sie verdrängt haben, was sich an ihren höheren Gewinnen und Wachstumsraten zeigt. Werden den betreffenden Produktionsbetrieben jedoch solche technologischen Veränderungen auferlegt, die der Umweltschutz erforderlich macht, dann erhöht sich damit ihre Produktivität nicht — im Gegensatz zur Einführung konventioneller neuer Produktionstechniken, die stets erfolgt, um eine Steigerung der Produktivität zu erzielen, und sie im allgemeinen auch tatsächlich bewirkt. Somit werden die Kosten der Umweltverschmutzung — gleichgültig auf welche Weise sie letztlich getragen werden — nicht zum Gesamtzuwachs der Produktivität beitragen, wenn sie anfänglich dem Produzenten auferlegt werden. Darauf hat der Volkswirtschaftler G. F. Bloom170 hingewiesen, der in einer Untersuchung zur Frage der Produktivität schreibt:
»Umweltschutzmaßnahmen... werden die Herstellungskosten der Industrie um Millionen von Dollar erhöhen und dem Einkommensstrom weitere Kaufkraft zuführen, ohne die Produktivität, wie sie herkömmlicherweise gemessen wird, zu steigern. Tatsächlich könnte in manchen Industrien eine Senkung des Ausstoßes pro Arbeitsstunde und damit eine Senkung der Produktivität erforderlich sein, wenn die Produktion fortgeführt werden soll, ohne die Luft zu verpesten und das Wasser zu verseuchen.«
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Die wirtschaftliche Problematik scheint klar: Anders als die gewöhnliche Technologie steigern die für den Umweltschutz erforderlichen technologischen Maßnahmen den Wert der Gebrauchsgüter-Produktion nicht. Daher kann die umfassende technologische Reform der Industrie- und Agrarproduktion, die die Umweltkrise jetzt verlangt, nicht zu einem Produktivitätszuwachs, das heißt zu einer kontinuierlichen Steigerung des Bruttosozialprodukts, beitragen. Bloom folgert, daß unter anderem aufgrund des stärkeren Interesses an einer reingehaltenen Umwelt, die »Aussichten für eine höhere Produktivität nicht günstig sind«. Da die Einträglichkeit eines Produktionsunternehmens mit seiner fortgesetzten Produktivitätssteigerung gekoppelt ist, ist letztere für das Gedeihen eines Privatwirtschaftssystems unerläßlich. Es scheint also, als bestehe ein grundsätzlicher Widerspruch zwischen Umweltschutz und dem, was häufig als fundamentales Erfordernis des privatwirtschaftlichen Systems angesehen wird — der fortgesetzten Produktivitätsmaximierung. In alldem sieht Bloom eine ernste, bislang unterschätzte Gefahr für dieses Wirtschaftssystem und schließt daher pessimistisch: »Was die Produktivität anbelangt, scheint man sich der Dringlichkeit dieses Problems kaum bewußt zu sein... Die Wirtschaft unterschätzte die Macht des Konsumverhaltens ebenso, wie sie der Kampagne gegen die Umweltverschmutzung allzu wenig Bedeutung beimaß.«
Eine weitere Schwierigkeit ist die, daß die durch ökologisch mangelhafte Produktionstechniken hervorgerufene Umweltbelastung sich — solange sie toleriert wird — eine gewisse Zeit zum Vorteil des Produzenten und zum Nachteil der Bevölkerung als Ganzes auszuwirken scheint. Diese Situation ist durch gewisse zeitabhängige Eigentümlichkeiten des ökologischen Verfalls bedingt und muß im Zusammenhang mit einem entscheidenden Merkmal des privatwirtschaftlichen Systems gesehen werden — dem Wettkampf zwischen dem Interesse des Unternehmers an der Gewinnmaximierung und dem Interesse des Lohnarbeiters an höheren Löhnen.
Wenn wir nun einmal annehmen, der Hersteller werde durch staatliche Verordnungen daran gehindert, seine zusätzlichen Unkosten für Umweltschutzmaßnahmen auf den Verbraucher abzuwälzen, dann wird er — um seinen Gewinn auf gleicher Höhe zu halten — andere
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Wege zur Herabsetzung der Gesamtproduktionskosten finden müssen. Es liegt dann auf der Hand, die Löhne zu senken, wodurch selbstverständlich der Konflikt zwischen Unternehmer und Lohnarbeiter verschlimmert würde. Würden die zusätzlichen Kosten andererseits durch höhere Preise ausgeglichen, dann sähe sich der lohnabhängige Arbeiter mit einem Anstieg der Lebenshaltungskosten konfrontiert, was ihn natürlich veranlassen würde, höhere Löhne zu fordern; auch hier würde sich also der Konflikt verschärfen. Darüber hinaus würden höhere Preise die Armen unausweichlich am härtesten treffen. Geht man zum Beispiel davon aus, daß die gegenwärtige Landwirtschaft die Ökosysteme von Boden und Wasser mit hohen Hypotheken belastet hat, dann müßte eine Agrarreform unter ökologischen Aspekten zu einem steilen Anstieg der Lebensmittelpreise führen. Es ist unvermeidlich, daß darunter die Armen am stärksten zu leiden hätten. Mithin scheint jeder Versuch, den tatsächlichen Sozialkosten der Umweltzerrüttung Rechnung zu tragen — durch höhere Preise wie durch niedrigere Löhne —, den alten Streit zwischen Kapital und Arbeit über die Verteilung des in der Privatwirtschaft geschaffenen Reichtums zu schüren und die ohnehin schon unerträgliche Verbreitung von Armut noch zu verschlimmern.
Daß das Produktionssystem als Ganzes vom Ökosystem »borgt« und bei der Natur »Schulden« in Gestalt der Umweltverschmutzung »eingeht«, bedeutet eine unmittelbare Kosteneinsparung für den Produzenten. Gleichzeitig erhöht die Umweltverschmutzung häufig die Lebenshaltungskosten der Gesamtbevölkerung, die zum größten Teil aus Lohnabhängigen und nicht aus Unternehmern besteht. Wenn etwa die Arbeiter in der Nachbarschaft eines Elektrizitätswerks wegen des Rußes, der aus den Schornsteinen quillt, höhere Wäscherechnungen zu bezahlen haben, dann wird dadurch ihr Lohn gekürzt. Mit seiner Extra-Wäscherechnung subventioniert der Arbeiter gewissermaßen den Betrieb des Elektrizitätswerkes. Auf diese versteckte Weise wird den Lohnarbeitern durch die Umweltzerrüttung ihr eigentlicher Lohn weggefressen.
Verschiedene dieser Folgeerscheinungen treten jedoch nicht gleichzeitig auf. So kann es 15 bis 20 Jahre dauern, bis die Umweltbelastung etwa durch die Industriebetriebe am Eriesee so groß geworden ist, daß dessen Sauerstoffgehalt auf Null sinkt, der Selbstreinigungsprozeß des Wassers zum Erliegen kommt und die Strände verschmutzen — so daß die Arbeiter jener Betriebe, wenn sie sich dort im Sommer erholen wollen, zusätzlich zu den Lebenshaltungskosten auch noch den Eintritt zu einem Schwimmbad aufbringen müssen.
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Eine anhaltende, geringe Strahlen-, Quecksilber- oder DDT-Exposition kann das Leben eines Arbeiters verkürzen, ohne daß seine Einkünfte zu seinen Lebzeiten geschmälert werden oder auch nur zusätzliche Kosten für eine medizinische Betreuung anfallen.
In diesem Fall werden die Kosten der Umweltverschmutzung geraume Zeit überhaupt nicht beglichen; die Zahlung wird schließlich mit dem frühzeitigen Tod des Arbeiters eingetrieben, der — abgesehen von dem im doppelten Sinn unermeßlichen menschlichen Leid — auf einen Einkommensverlust von einigen Jahren veranschlagt werden kann. Hier reichern sich also während des »kostenfreien« Zeitraums Schmutzstoffe im Ökosystem oder im Organismus eines Menschen an, aber nicht alle Folgekosten werden unmittelbar empfunden.
Ein Teil des Wertes, den der kostenlose Mißbrauch der Umwelt darstellt, ist verfügbar, um den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit zu mildern. Beiden Seiten scheint ein Vorteil zu erwachsen, und ihr Gegensatz wird verringert. Später aber, wenn es ans Zahlen der Umwelt-Rechnung geht, dann entfällt ein größerer Teil auf die Arbeit als auf das Kapital; der Stoßdämpfer fällt plötzlich weg, und der Konflikt zwischen den beiden Wirtschaftsfaktoren offenbart sich in seiner ganzen Heftigkeit.
Man kann diese Situation auch analysieren, indem man von dem Kapitalwert ausgeht, der durch das privatwirtschaftliche System geschaffen wird. Bei der Schaffung dieses Kapitals werden bestimmte Dinge als kostenlose und unaufhörlich von der Natur zur Verfügung gestellte Güter angesehen, so die Fruchtbarkeit des Bodens, Sauerstoff, Wasser — überhaupt die gesamte Natur oder das biologische Kapital, das die ökosphäre darstellt. Die Umweltkrise zeigt uns jedoch, daß diese Güter nicht mehr länger gratis erhältlich sind und daß sie — geht man dennoch mit ihnen um, als wären sie es — zunehmend abgebaut werden.
Das legt den Schluß nahe, daß wir den Wert des Kapitals im herkömmlichen Sinn, das in unserem Wirtschaftssystem angehäuft wird, überprüfen müssen. Die Auswirkungen des Wirtschaftssystems auf den Wert seines biologischen Kapitals müssen offensichtlich mitberücksichtigt werden, wenn man die Gesamtkapazität des Systems, Volksvermögen zu bilden, richtig einschätzen will.
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Der Umweltverfall zeigt, daß beispielsweise in den Vereinigten Staaten seit 1946 der Wert des biologischen Kapitals gesunken ist, während das Kapital im herkömmlichen Sinn akkumulierte. Tatsächlich könnte das biologische Kapital — wenn diese Entwicklung anhält — schließlich völlig zunichte werden. Da die Brauchbarkeit konventionellen Kapitals aber von der Existenz biologischen Kapitals — also des Ökosystems — abhängig ist, wird mit letzterer auch die Brauchbarkeit des ersteren zerstört. Trotz seiner scheinbaren Prosperität treibt dieses System mithin seinem Bankrott entgegen. Die Umweltzerrüttung stellt einen entscheidenden, potentiell verhängnisvollen, verborgenen Faktor für das Funktionieren des Wirtschaftssystems dar.
Es sollte — aus fast allem, was in diesem Buch gesagt worden ist — deutlich geworden sein, daß kein Wirtschaftssystem als stabil angesehen werden kann, dessen Funktionsweise in stärkerem Maß gegen die Gesetze der Ökologie verstößt. Inwieweit gilt dies für die gegenwärtigen Wirtschaftssysteme?
Für das privatwirtschaftliche System ist diese Frage bereits zum Teil beantwortet, denn es scheint, als habe dieses System die Tendenz, die Produktivität — und damit die Gewinne — mit Hilfe von Technologien zu steigern, die auch die Umweltbelastung erhöhen. Eine mehr theoretische Begründung für den Widerspruch von Privatwirtschaft und Ökosystem bezieht sich auf den Aspekt des Wachstums.
Die Ausbeutungsrate des Ökosystems der Erde besitzt eine Höchstgrenze, in der sich die Begrenztheit der »Umsatzgeschwindigkeit« des Ökosystems widerspiegelt. Wird diese Geschwindigkeit überschritten, bricht das System schließlich zusammen. Unsere sämtlichen Erkenntnisse über die verschiedenen Ökosysteme bestätigen diese Tatsache. Daraus folgt, daß es auch eine Höchstgrenze für die Ausbeutung des biologischen Kapitals gibt, von dem jedes Produktionssystem abhängig ist. Da die Nutzungsgeschwindigkeit dieses biologischen Kapitals nicht überschritten werden kann, ohne es zunichte zu machen, folgt daraus auch, daß die Nutzungsrate des Gesamtkaphals (das heißt des biologischen plus des konventionellen Kapitals oder der gesamten Produktionsmittel) ebenfalls begrenzt ist. Somit muß es eine Wachstumsgrenze des Gesamtkapitals geben, und das Produktionssystem muß schließlich in einen Zustand »ohne Wachstum« übergehen, zumindest was die Akkumulation von Kapital zur Ausbeutung des Ökosystems und die Produkte, die es hervorbringt, anbelangt.
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Für ein privatwirtschaftliches System bedeutet der wachstumslose Zustand, daß kein weiteres Kapital angesammelt werden kann. Wenn, wie es tatsächlich der Fall zu sein scheint, die Kapitalansammlung mittels Profit die grundlegende Antriebskraft dieses Systems darstellt, dann ist schwer einzusehen, wie es unter Bedingungen, die kein Wachstum mehr zulassen, weiterfunktionieren könnte. An diesem Punkt kann man nun einwenden, daß dann eine neue Form von Wachstum gefunden werden könnte, wie etwa eine Ausweitung der Dienstleistungen. Fast alle Dienstleistungen stellen jedoch das Ergebnis menschlicher Arbeit dar, die durch Vermittlung irgendwelcher Arten von Kapitalgütern geleistet wird.
Jede Ausweitung der Dienstleistungen zum Zweck wirtschaftlichen Wachstums müßte also vorgenommen werden, ohne gleichzeitig die Menge dieser zu Dienstleistungen verwendeten Kapitalgüter zu erhöhen, wenn den ökologischen Anforderungen entsprochen werden soll.
Das Ökosystem stellt die Privatwirtschaft aber noch vor ein anderes Problem. Die natürlichen, ohne Gefahr eines Zusammenbruchs nicht überschreitbaren Geschwindigkeiten, mit denen die verschiedenen ökologischen Zyklen ablaufen, weichen beträchtlich voneinander ab; die natürliche Umsatzgeschwindigkeit des terrestrischen Systems beispielsweise ist erheblich niedriger als die eines marinen Systems (etwa einer »Fischfarm«). Daraus folgt, daß diese verschiedenen Ökosysteme — wenn sie gleichzeitig von der Privatwirtschaft ausgebeutet werden sollen, ohne daß ein ökologischer Zusammenbruch hervorgerufen wird — mit unterschiedlichen Ertragssätzen arbeiten werden.
Die freie Marktwirtschaft tendiert jedoch dahin, die Ertragssätze aus verschiedenen Unternehmungen zu maximieren. Wenn eine Unternehmung einen Ertrag abwirft, der geringer ist als der aus irgendeiner anderen erzielbare, dann wird das Anlagekapital möglichst in letztere eingebracht. »Grenz«-Unternehmen, das heißt Unternehmen an der Grenze der Rentabilität, die einen wesentlich geringeren Gewinn abwerfen, als er an anderer Stelle in diesem Wirtschaftssystem erzielt werden könnte, werden schließlich fallengelassen. Vom ökologischen Standpunkt aus gesehen ist ein Unternehmen, das auf einem Ökosystem mit relativ langsamer Umsatzgeschwindigkeit fußt, notwendigerweise ein wirtschaftliches »Grenzunternehmen« — vorausgesetzt, es soll arbeiten, ohne die Umweltbedingungen zu verschlechtern.
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Derlei Unternehmen sind offensichtlich von gesellschaftlichem Wert, werden aber in Anbetracht der privatwirtschaftlichen Tendenz zur Profitmaximierung wohl kaum je über einen längeren Zeitraum hinweg existieren können. Ein regulierender Notbehelf ist die Gewährung von Subventionen; diese müssen in gewissen Fällen jedoch so hoch sein, daß sie auf eine Verstaatlichung hinauslaufen — ein Widerspruch zur Privatwirtschaft selbst.
Dies alles scheint Kapps Pessimismus hinsichtlich der Unfähigkeit des privatwirtschaftlichen Systems, sich der Forderung einer ökologisch vernünftigen Vorgehensweise anzupassen, zu rechtfertigen. In neuerer Zeit hat Heilbroner im Anschluß an eine Diskussion über den Druck der Umweltanforderungen auf das kapitalistische System eine ähnliche Ansicht vorgebracht:
»Aber es besteht kein Zweifel daran, daß die Hauptstraße zur Kapitalanhäufung erheblich eingeengt werden müßte; daß die Investitionen in Bergbau und Industrie vermindert werden würden; daß Geschwindigkeit und Formen technologischer Veränderungen überwacht und wahrscheinlich erheblich verringert werden müßten; und daß infolgedessen der Gewinnstrom mit Sicherheit nachlassen würde.«
Heilbroner gründet seine Schlußfolgerung auf ein einziges, sehr allgemeines ökologisches Erfordernis — eine im wesentlichen wachstumslose Wirtschaft — und sieht sie als Antwort auf die Frage nach der Gültigkeit zweier gegensätzlicher Ansichten über das Wesen des Kapitalismus.(171) Nach der einen, die von John Stuart Mill herrührt, ist ein ständiges Wachstum für den Kapitalismus nicht unbedingt erforderlich, eine Entwicklung in Richtung auf einen Gleichgewichtszustand ist möglich. Die zweite Ansicht, die von Karl Marx herrührt, lautet ganz anders — mit Heilbroners Worten: »Das Wesen des Kapitalismus liegt, nach Karl Marx, in der Expansion — was besagen will, daß der Kapitalist als ein historischer >Typus< seinen Daseinszweck in der unersättlichen Suche nach weiteren Geldreichtümern findet, die er aufgrund des konstanten Wirtschaftswachstums erwerben kann. Die Idee eines >nichtexpansiven< Kapitalismus ist, in Marx' Augen, ein in sich widersprüchlicher Begriff.«
Kommt man aufgrund dessen zu dem Schluß, daß das privatwirtschaftliche System ein ständiges Wachstum aufweisen muß, während seine ökologische Basis keine unbegrenzte Ausbeutung zuläßt, dann besteht zwischen beiden ein unversöhnlicher Widerspruch.
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Darüber hinaus zeigen die voranstehenden Überlegungen, daß es, abgesehen von der Wachstumsproblematik, noch speziellere Hürden gibt, die die ökologischen Gebote vor dem privatwirtschaftlichen System aufrichten: die Notwendigkeit ökologisch bedingter unterschiedlicher Ertragssätze aus verschiedenen Produktionsunternehmungen; der Konflikt zwischen dem Umweltschutz und der Produktivität neuartiger technologischer Unternehmungen; die Verschlimmerung der Armut und des Konflikts zwischen Unternehmern und Lohnarbeitern, die ein unausweichliches Ergebnis jeder innerhalb der Grenzen der Privatwirtschaft erfolgten Anstrengung zu sein scheint, die gesellschaftlichen Kosten der Umweltzerrüttung zu tragen; die vorübergehende Pufferwirkung des aufgrund der Umweltzerrüttung an die Natur zu entrichtenden Tributs auf den Konflikt zwischen Unternehmer und Lohnarbeiter, die — da sie jetzt an ihre Grenzen stößt — diesen Konflikt in seiner ganzen Heftigkeit offenbaren könnte. In der Tat wird vor diesem detaillierteren Hintergrund nicht nur deutlich, welche schwerwiegenden Gegensätze zwischen dem privatwirtschaftlichen System und der ökologischen Basis, auf die es angewiesen ist, bestehen, sondern auch, warum diese dem Wirtschaftssystem immanenten Mängel so lange verdeckt und toleriert werden konnten. In diesem Sinn kann das Auftreten einer vollentwickelten Krise des Ökosystems auch als Alarmzeichen für eine herannahende Krise des Wirtschaftssystems angesehen werden.
Aussagen zu machen über die Kompatibilität eines sozialistischen Wirtschaftssystems mit dem Ökosystem fällt — zumindest was meine Person anbelangt — angesichts des Informationsmangels äußerst schwer. Das wenige, was ich aus den mir zugänglichen Berichten erfahren konnte, weist darauf hin, daß sich die praktischen Probleme der Umweltverschmutzung in den sozialistischen Industrieländern nicht grundsätzlich von denjenigen unterscheiden, die für ein privatwirtschaftliches System wie das der Vereinigten Staaten kennzeichnend sind.
So ist einer auf sowjetischen Berichten beruhenden Beschreibung von P. R. Pryde, einem amerikanischen Geographen, zu entnehmen, daß sich in der UdSSR die Menge der in das Oberflächenwasser geleiteten Abfälle zwischen 1920 und 1962 ungefähr verzwanzigfacht hat. Pryde172 schreibt, die Wasserverseuchung wurde zu einem besonders ernsten Problem nach dem Zweiten Weltkrieg, »als die dringende
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Notwendigkeit, die durch den Krieg verminderte industrielle Kapazität des Landes schnell wiederherzustellen, die Ausrüstung der neuen Betriebe mit kostspieligen Reinigungsanlagen ausschloß«. Die Schmutzstoffe, die man in den Gewässern der Sowjetunion antrifft, ähneln — sowohl hinsichtlich ihrer Art wie ihres Ursprungs — denjenigen, die die Vereinigten Staaten und andere Industrieländer plagen. Dazu gehören die organischen Abfälle von Gemeinden und lebensmittelverarbeitenden Betrieben; Abfälle der Holzstoff- und Papierfabriken; Industriechemikalien und -metalle; Öl- und Düngemittelrückstände.
Eine Schilderung des Dnjestr von einem Prawda-Korrespondenten aus Kischinew, der Hauptstadt der Moldauischen Sowjetrepublik, erinnert an den Eriesee: »Viele landschaftlich reizvolle Plätze an den Ufern des Flusses eignen sich nicht mehr zur Erholung und stellen eine Gefahr für die Gesundheit dar. Die Fische verschwinden allmählich. Der Bestand an Rapfen und Zandern nimmt rapide ab. Sterlets, einst der Stolz des Flusses, sind eine Seltenheit geworden. Weißstöre gibt es praktisch keine mehr. Aber man ist nicht nur wegen des Fischbestands besorgt. Es geht vor allem darum, die Reinheit des Wassers für die Menschen und die Industrie, in erster Linie die Nahrungsmittelindustrie, zu erhalten.«
Es scheint, als nehme die Umweltverschmutzung in der UdSSR ungefähr den gleichen Verlauf, den sie in kapitalistischen Ländern genommen hat. Insbesondere weist nichts darauf hin, daß sich die neuen Nachkriegstechnologien, die in der Sowjetunion eingeführt wurden, stark von denjenigen unterscheiden, die die Produktion in den Vereinigten Staaten bestimmen. Benzingetriebene Kraftfahrzeuge nehmen zu, obwohl deren durchschnittliche PS-Zahl und Kompression wahrscheinlich geringer sind als die amerikanischer Autos. Die Produktion synthetischer organischer Chemikalien ist im Steigen begriffen, und die Produktion von Düngemitteln wird gefördert. Im allgemeinen scheinen die modernen Technologien der Sowjetunion ebenso antiökologisch zu sein wie diejenigen, die in die amerikanische Wirtschaft eingeführt wurden. Daher sind ähnliche ökologische Auswirkungen abzusehen.
Und schließlich ist — genau wie in den Vereinigten Staaten — die Unachtsamkeit gegenüber den Problemen der Umweltverschmutzung eine Folge des starken Gewichts, das auf die Produktivität gelegt wird: »Das Problem scheint in einem Mangel an Interesse auf seiten der
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Betriebsführung und in einem unwirksamen System von Durchführungsverordnungen zu liegen, wobei hinter alldem das altbekannte Argument der wirtschaftlichen Nützlichkeit steht. Die Erfüllung des Plans wird offensichtlich als ausschlaggebend angesehen. Wenn der Plan erfüllt wird, kann über so ziemlich alles andere hinweggesehen werden. Ein Leitartikel im Regierungsblatt Iswestija faßte das Problem der industriellen Umweltverschmutzung in der Sowjetunion kurz und knapp in dem markigen Satz zusammen: >Uber Sieger wird nicht zu Gericht gesessen.<« (Zitat aus Pryde.)
Diese Einstellung, die von dem Prawda-Bericht aus Kischinew bestätigt wird, zeigt, daß trotz der — in der Sowjetunion sicher bestehenden — Umweltschutzrichtlinien die Produktivität der Industrie in der Sowjetunion — wie in den Vereinigten Staaten — einen Teil der Produktionskosten vom Ökosystem in Gestalt der Umweltschäden »entleiht«. Anscheinend fordert der Zwang zur »Planerfüllung« im sozialistischen Wirtschaftssystem der UdSSR seinen Tribut an Verschmutzungsproblemen ebenso wie der am Gewinn orientierte Zwang zur Produktivitätssteigerung in den Vereinigten Staaten. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Marshall Goldman, der eine spezielle Untersuchung über Umweltprobleme in der UdSSR vorgelegt hat, machte ganz ähnliche Beobachtungen173.
Als Reaktion auf diese Schwierigkeiten scheint sich in der Sowjetunion eine starke ökologische Bewegung bemerkbar zu machen; von Wissenschaftlern wurden industrielle Entwicklungen kritisiert, deren schädliche Auswirkungen auf die Umwelt ignoriert oder unterbewertet worden waren, und wie anderswo beschweren sich nun auch hier Bürger über die dadurch entstandenen Verschmutzungen174. Neuere staatliche Maßnahmen scheinen eine stärkere ökologisch orientierte Kontrolle über die industrielle Planung anzukündigen. Hier weist das sozialistische System in der Sowjetunion natürlich einen wichtigen praktischen Vorteil gegenüber dem privatwirtschaftlichen System auf. Ein wesentliches Merkmal des sowjetischen Systems sind seine das ganze Land einbeziehenden, allumfassenden Pläne für die Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft — ja tatsächlich für fast jeden Aspekt des Wirtschaftslebens.
Der Vorteil einer solchen Planung für jedweden Versuch, die Umweltprobleme zu vermindern, muß kaum jemandem erläutert werden, der mit der chaotischen Umweltsituation in den Vereinigten Staaten vertraut ist —
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wo die Sicherheitsbestimmungen der AEC von mehreren Staaten angefochten worden sind; wo Regierungsbeamte sich mit der Kraftfahrzeugindustrie in einen langen, enttäuschenden Kampf über Abgasrichtwerte einlassen mußten; wo die Notwendigkeit einer ökologisch vernünftigen Landwirtschaft den wirtschaftlichen Interessen von Düngemittel- und Pestizidherstellern widerstreitet.
Endlich mag das sozialistische System dem privatwirtschaftlichen gegenüber im Vorteil sein, was das grundsätzliche Verhältnis zwischen Wirtschaftsprozessen und ökologischen Geboten anbelangt. Zwar ist es richtig, daß die Sowjetunion und andere sozialistische Staaten — genau wie die kapitalistischen Staaten — ein fortgesetztes Wachstum der Produktion nachdrücklich betont haben, aber die sozialistische Wirtschaftszone scheint nicht zu verlangen, daß dieses Wachstum unbegrenzt anhalten müsse. Darüber hinaus gibt es in der sozialistischen Wirtschaftstheorie keinen Grund für die Annahme, es sei unmöglich durchzusetzen, daß Produktionsvorhaben, die sich auf verschiedene Bereiche des Ökosystems gründen, auch die ökologisch notwendigen unterschiedlichen Ertragssätze aufweisen. Andererseits scheint die wahre Bedeutung der ökologischen Gebote als notwendigerweise den Wirtschaftsprozeß bestimmende Faktoren nicht ausdrücklich Bestandteil der sozialistischen Wirtschaftstheorie zu sein, obwohl Marx im Kapital darauf hinweist, daß die landwirtschaftliche Ausbeutung im kapitalistischen System teilweise auf dem zerstörerischen Einfluß auf den ökologischen Zyklus beruht, der Mensch und Erdboden miteinander verbindet175.
Jedenfalls ist die sozialistische wie die kapitalistische Wirtschaftstheorie ohne Berücksichtigung der begrenzten Kapazität des biologischen Kapitals, wie es das Ökosystem nun einmal darstellt, entwickelt worden. Infolgedessen hat auch noch keines der beiden Systeme eine Methode entwickelt, seine Wirtschaftsstruktur den ökologischen Erfordernissen anzupassen. Keines der beiden Systeme ist ausreichend auf die Konfrontation mit der Umweltkrise vorbereitet; beide werden mit der dringenden Notwendigkeit, sie zu beheben, eine schwere Prüfung durchmachen.
Übrig bleibt somit die Tatsache, daß keines der heutigen Wirtschaftssysteme gegen durchgreifende Veränderungen gefeit ist, wenn es sich mit der Umweltkrise auseinandersetzen soll. Was immer der notwendigen Anpassung an die ökologischen Erfordernisse im Weg steht — sei es nun der Profit des Privatunternehmers oder die »Planerfüllung« des Kollektivs —, wird seine Immunität gegenüber Veränderungen aufgeben müssen.
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Es ist unmöglich vorauszusagen, wie die beiden Systeme auf jene ökologischen Erfordernisse reagieren werden. Mit Bezug auf die ernsten Schwierigkeiten, die die Frage aufkommen lassen, ob das privatwirtschaftliche System die Umweltkrise ohne grundlegende Veränderungen überleben könne, schrieb Robert Heilbroner176:
»Normalerweise sähe ich nicht, daß eine solche Frage anders als negativ beantwortet werden könnte, denn sie kommt ja der Bitte an eine herrschende Klasse gleich, in die Ausschaltung gerade derjenigen Unternehmungen einzuwilligen, von denen sie unterhalten wird. Aber hier handelt es sich um ein außergewöhnliches Problem, das eine außergewöhnliche Antwort hervorrufen könnte. Wie die kritische Lage, die ein Krieg heraufbeschwört, so zieht auch die kritische ökologische Lage alle Klassen in Mitleidenschaft und könnte daher ausreichen, soziologische Veränderungen herbeizuführen, die unter normalen Umständen undenkbar wären.
Die Klasse der Kapitalisten und Manager könnte — vielleicht sogar deutlicher als die Masse der Verbraucher — das Wesen und die Nähe der ökologischen Krise erkennen und zu dem Schluß gelangen, daß ihre einzige Rettung (als menschliche Lebewesen, geschweige denn als privilegierte menschliche Lebewesen) in einer Abwanderung in Regierungsstellen oder andere Arbeitsplätze mit Machtbefugnissen besteht, oder aber sie könnte sich schließlich mit einem geringeren Wachstum des Volksvermögens abfinden, weil sie einfach eingesehen hätte, daß es keine andere Alternative gibt.
Wenn, mit anderen Worten, der Feind die Natur ist und nicht so sehr eine andere Klasse, dann ist zumindest vorstellbar, daß es zu Anpassungsprozessen kommt, die unter gewöhnlichen Bedingungen unmöglich wären.«Die Natur ist jedoch nicht »der Feind«, sondern unser unentbehrlicher Bundesgenosse. Das wirkliche Problem besteht darin, herauszufinden, welche Art wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ordnung am besten geeignet ist, als Partner in dem Bündnis mit der Natur zu dienen.
Der Leser wird bemerkt haben, daß der größte Teil der voranstehenden Diskussion recht theoretischer Natur war, indem sie von den Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Wirtschaftssystemen und den Grundzügen der Umweltkrise handelte.
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Die Umweltkrise ist aber eben leider keine theoretische, sondern eine durchaus wirkliche und gegenwärtige Gefahr; sie verlangt nach unmittelbaren gesellschaftlichen Maßnahmen. Angesichts dieser unmittelbaren Notwendigkeit mag die obige theoretische Erörterung als irrelevant und vielleicht sogar als gefährliche Ablenkung von der jetzt anstehenden Aufgabe angesehen werden.
Zwischen den unmittelbaren praktischen Problemen des Umweltschutzes und den scheinbar fernliegenden theoretischen Fragen bezüglich der Struktur der gegenwärtigen Wirtschaftssysteme besteht jedoch eine enge Verbindung. In dieser Bemerkung spiegelt sich aber vielleicht nur die persönliche Überzeugung wider, daß auf lange Sicht effektives gesellschaftliches Handeln nur auf der Basis eines Verständnisses für den Ursprung jenes Problems, das zu lösen es sich anschickt, erfolgen kann. Unter dieser Voraussetzung sollte es jedenfalls einen engen Zusammenhang zwischen Theorie und effektiver Praxis geben, und ich glaube, daß es einen solchen in der Tat gibt.
Welches sind nun die praktischen Schritte, die in einem Land wie den Vereinigten Staaten, das sich in den Klauen der Umweltkrise befindet, ergriffen werden müssen? Ich denke hier nicht an juristisch fixierte Umweltrichtwerte oder entsprechende Beschränkungen und Auflagen, sondern vielmehr an die Maßnahmen, die eine solche Gesetzgebung bewirken soll — an die Veränderungen im Produktionssystem, die erforderlich sind, um es in Einklang mit dem Ökosystem zu bringen. Wenn wir wirtschaftlich wie biologisch überleben wollen, dann müssen Industrie, Landwirtschaft und Verkehrswesen den unausweichlichen Anforderungen des Ökosystems genügen.
Das wird die Entwicklung bedeutender neuer Technologien verlangen, zu denen gehören dürften: Systeme zur direkten Rückführung von Abfällen und Abwässern in den Erdboden; die Ersetzung vieler synthetischer Materialien durch natürliche Stoffe; die Umkehrung des gegenwärtigen Trends, immer weniger Land zu bebauen und den Hektarertrag durch massiven Düngemitteleinsatz zu steigern; die schnellstmögliche Ersetzung künstlicher Pestizide durch biologische Schädlingsbekämpfungsmethoden; die Einstellung jeglicher Förderung von Industrien mit hohem Energiebedarf; die Entwicklung von Landtransportmitteln, die mit minimalem Bodenverbrauch auskommen und mit maximaler Treibstoffausnutzung bei niedrigen Verbrennungstemperaturen
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arbeiten; die praktisch vollständige Einbehaltung und Wiederverwertung der Abfälle von Verbrennungsprozessen, Verhüttungsprozessen und anderen chemischen Verfahren (Schornsteine müssen eine Rarität werden); die praktisch vollständige Rückführung aller wiederverwertbaren Metall-, Glas- und Papiererzeugnisse; eine ökologisch vernünftige Planung der Bodennutzung, einschließlich der Stadtgebiete.
Die größte wirtschaftliche Last wird, wie schon gesagt, jenen Unternehmen aufgebürdet werden müssen, deren Leistungen auf einer ökologisch mangelhaften Nachkriegstechnologie beruhen. Dennoch herrscht auch hier eine gewisse ausgleichende Gerechtigkeit, denn es sind gerade diese Unternehmen, die sich eines außergewöhnlich hohen Gewinnsatzes erfreuen konnten. Man kann daher annehmen, daß die betreffenden Unternehmen die Extralast gut verkraften könnten, die ihnen im Rahmen eines Umweltsanierungs-Programms aufgebürdet werden müßte.
Mit einem Wort: Die heutigen Produktionsverfahren müssen so umgestaltet werden, daß sie den ökologischen Erfordernissen so weit wie irgend möglich entsprechen, und die meisten der heutigen Industrie-, Landwirtschafts- und Verkehrsunternehmen müssen diesen neuen Produktionsmodellen gemäß reorganisiert werden. Tatsächlich muß einfach ein Großteil der nach dem Krieg entstandenen und auf der ökologisch verkehrten Nachkriegstechnologie beruhenden Produktionsunternehmen von Grund auf nach ökologisch vernünftigen Richtlinien neu aufgebaut werden.
Was könnte dies alles wohl zusammen kosten? Man kann einige sehr grobe, aber nichtsdestoweniger nützliche Schätzungen darüber anstellen. So beziffert man zum Beispiel im allgemeinen das Wirtschaftsvermögen in den Vereinigten Staaten177 auf das Dreifache des jährlichen Bruttosozialprodukts oder auf gegenwärtig etwa 2400 Milliarden Dollar. (Diesen und den folgenden Angaben liegt der Dollarwert von 1958 zugrunde, um die inzwischen erfolgte Geldentwertung auszugleichen.) Das Kapital, das verlagert werden müßte, um größere ökologische Mängel zu beheben, mag, grob geschätzt, ungefähr ein Viertel davon oder 600 Milliarden Dollar ausmachen. Im Vergleich hierzu betrugen die Ausgaben privater Kapitalgeber für Gebäude und langlebige Produktionseinrichtungen im Zeitraum von 1946 bis 1968 — als, wie wir gesehen haben, die meisten der ökologisch mangelhaften Unternehmen errichtet wurden — ungefähr eine Billion Dollar.
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Dementsprechend müßte, wenn wir von den ersten Schätzungen ausgehen, etwa die Hälfte der in der Nachkriegszeit entstandenen Produktionsunternehmen durch ökologisch angemessenere ersetzt werden.
So ungenau sie auch sind, vermitteln uns diese Zahlen doch einen Eindruck von der Größe der Aufgabe, das Produktionssystem unseres Landes so umzugestalten, daß es den ökologischen Notwendigkeiten entspricht. Hinzuzurechnen ist der Betrag, der für die Wiederherstellung ruinierter Bereiche des Ökosystems aufgewendet werden muß; er dürfte sich in einer Größenordnung von einigen hundert Milliarden Dollar bewegen. Diese Summe muß und kann natürlich auch nicht auf einmal aufgebracht werden. Wenn wir eine Gnadenfrist von 25 Jahren annehmen (bevor ökologische Katastrophen in großem Maßstab über uns hinweggehen), dann belaufen sich unsere Überlebenskosten also auf jährlich etwa 40 Milliarden Dollar für eben diesen Zeitraum (wiederum bei Zugrundelegen des Dollarwerts von 1958). Das alles ist vielleicht am einfachsten dahingehend zusammenzufassen, daß der größte Teil der amerikanischen Mittel für Kapitalinvestitionen zumindest eine Generation lang für die Aufgabe der ökologischen Rekonstruktion des Produktionssystems aufgewendet werden müßte. Das bedeutet, daß Neuinvestitionen in Landwirtschaft, Industrie und Verkehrswesen in erster Linie von ökologischen Erwägungen bestimmt werden müßten, so daß sich das Gesamtinvestitionsschema den ökologischen statt konventionellen wirtschaftlichen Geboten unterordnen würde.
Welches sind die praktischen Probleme, denen man sich bei diesem riesigen Unternehmen gegenübersehen wird, und in welcher Form werden sie von der Funktionsweise eines Wirtschaftssystems berührt, das die Gesetze des Privatunternehmertums lenken? In erster Linie wird das Wirtschaftssystem überall umfassende und komplizierte Verschiebungen aufzufangen haben. Man bedenke nur ein recht einfaches Beispiel: Wenn das Problem der Schwefeldioxydverschmutzung der Luft gelöst werden soll, dann muß praktisch der gesamte Schwefel, der in den verschiedenen Brennstoffen enthalten ist, entweder vor oder nach der Verbrennung daraus zurückgewonnen werden. Die auf diesem Weg zurückerhaltene Schwefelmenge würde wahrscheinlich schon ausreichen, den kommerziellen Gesamtbedarf an dieser Substanz zu decken — so daß die heutige Schwefelindustrie vernichtet würde, mit dem sich daraus ergebenden Verlust an Investitionen und Arbeitsplätzen.
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Zählt man diesem verhältnismäßig kleinen Problem die wirtschaftlichen Verschiebungen hinzu, die die Veränderung der technologischen Grundlage der Landwirtschaft, der Kraftfahrzeugindustrie und des gesamten Verkehrswesens, der Energieerzeugung und des Energieverbrauchs, der chemischen und der Verpackungsindustrie mit sich bringt, dann wird deutlich, daß der Prozeß der Umweltsanierung allein schon aus diesem Grund einen noch nie dagewesenen Prüfstein für die Flexibilität und Stabilität des kapitalistischen Wirtschaftssystems darstellt.
Die stärkste Auswirkung eines Umweltsanierungsprogramms auf das Wirtschaftssystem würde jedoch die simple Notwendigkeit eines rationellen gesellschaftlichen Einsatzes der Produktionskapazität zur Folge haben. Veranschaulichen läßt sich dies am besten an der Bedeutung der Energieerzeugung, die ja die Voraussetzung fast jeder wirtschaftlichen Aktivität darstellt. Es ist klar, daß eine uneingeschränkte Ausweitung der Energieproduktion aus ökologischen Gründen nicht möglich ist.
Daher muß der Energieverbrauch von den gesamtgesellschaftlichen Erfordernissen statt von den privaten Interessen der Energieproduzenten oder -konsumenten bestimmt werden. Das heißt, daß die Zuteilung von Energie für ein bestimmtes Produktionsvorhaben von dem gesellschaftlichen Nutzen abhängig gemacht werden müßte, der aus dem betreffenden Produkt pro darin investierter Energieeinheit zu ziehen wäre. Wendete man dieses Prinzip beispielsweise auf zwei Autofabriken an, dann würde diejenige bevorzugt werden, die das haltbarere Auto herstellt — weil der gesellschaftliche Nutzen (wie etwa die zurückzulegenden Autokilometer) bei diesem Kraftfahrzeug — gemessen an der für den Herstellungsprozeß aufgewendeten Energiemenge — größer wäre als bei dem anderen.
Dasselbe Prinzip würde die Herstellung von Pfandflaschen gegenüber der von Einwegflaschen, von spärlich verpackten Produkten gegenüber der von dick in Kunststoff verpackten, die Herstellung natürlicher gegenüber der künstlicher Produkte begünstigen. Das Ergebnis wäre eine starke Tendenz, die Produktion nach dem rationellen Gebrauchswert des Endprodukts auszurichten statt nach dem während des Produktionsverlaufs hinzugefügten Wertes, das heißt der Produktivität.
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Mit anderen Worten: Der »ökologische Imperativ« oder die Gebote der Ökologie verlangen, daß gesellschaftliche Wirtschaftlichkeit178 die Produktionsprozesse bestimmt — ein Kriterium, das zu dem des privaten Profits in Widerspruch geraten dürfte. Wenn also — unter dem Druck der Umweltkrise — erst einmal bewußt geworden ist, daß kein Produktionssystem funktionieren kann, ohne sich dem Ökosystem anzupassen oder es zu zerstören, und daß das Ökosystem notwendigerweise ein gesellschaftliches und kein privates Gut ist, dann leuchtet sofort ein, daß daraus nur die logische Schlußfolgerung gezogen werden kann, daß für die Produktion gesellschaftliche Maßstäbe und nicht private Gesichtspunkte maßgeblich sein müssen.
Es ist nützlich, sich hier in Erinnerung zu rufen, daß »externe« Umweltvorgänge, anders als private wirtschaftliche Transaktionen, eine Belastung der Gesellschaft als Ganzes darstellen. Nun wissen wir aber, daß die moderne Technologie, die sich in Privatbesitz befindet, nicht mehr lange zu überleben hat, wenn sie das gesellschaftliche Gut vernichtet, von dem sie abhängig ist — die Ökosphäre. Daher ist ein Wirtschaftssystem, dessen Grundlage private und nicht gesellschaftliche Transaktionen bilden, nicht mehr länger geeignet und fähig, dieses lebenswichtige gesellschaftliche Gut zu verwalten. Das System bedarf mithin einer Veränderung.
Eine solche Umgestaltung des Wirtschaftssystems würde natürlich den übrigen Bereich der Kultur in Mitleidenschaft ziehen. Wenn die Fabriken nach Prinzipien der gesellschaftlichen Wirtschaftlichkeit und ökologischen Vernunft arbeiten sollen, dann kann man erwarten, daß die Ingenieure nichts mehr übrig haben werden für jene engstirnigen, nur zum Zweck der Produktivitäts- (und Profit-)Steigerung entworfenen Technologien und solche erfinden werden wollen, die diesen neuen sozialen Zielen angemessen sind. Wenn derlei neue Technologien, die notwendigerweise den engen Rahmen der heutigen wissenschaftlichen Disziplinen sprengen müßten, gefragt wären, dann könnte man auch erwarten, daß die Wissenschaftler ihre reduktionistischen Vorurteile überwinden und neue Wissensbereiche etablieren würden, die der Struktur der wirklichen Welt mehr entsprechen und aktuelle menschliche Probleme schneller zu erhellen vermögen. Wenn Wissenschaft und Technologie sich auf diese Weise verwandelten, würden sie wiederum die Umwandlung des Produktionssystems vorantreiben. Wäre die ökologische Gesundung erst einmal in Gang gekommen, würde sie sich mithin zu einem sich immer stärker entfaltenden und beschleunigenden Prozeß entwickeln.
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Darüber hinaus darf man annehmen, daß innerhalb einer ökologisch gesunden Wirtschaft überall sinnvolle Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung stehen würden. Denn wenn das Prinzip, daß die Produktion dem gesellschaftlichen Nutzen statt dem privaten Gewinn oder der »Planerfüllung« zu dienen habe, erst einmal eingeführt ist, dann würde klar sein, daß das Gemeinwohl bei dem "Wohlergehen der einzelnen Menschen beginnt, aus denen sich die Gesellschaft zusammensetzt. Diese Erwägungen gelten für alle Industriestaaten; sie alle müssen ihre Wirtschaft nach ökologisch vernünftigen Richtlinien neu organisieren. Diese ungeheure Aufgabe wird das Weltkapital und die menschliche Arbeitskraft in einem noch nie dagewesenen Ausmaß belasten und könnte sie sehr leicht überfordern, wenn mit diesen ihren Ressourcen nicht sorgsam umgegangen und sie nicht den nach ökologischen Gesichtspunkten festgelegten Prioritäten entsprechend eingesetzt würden.
Wenn diese gewaltige Veränderung jedoch von ökologischer Klugheit geleitet sein soll, dann muß der Prozeß der wirtschaftlichen Neuordnung sehr schnell von den Industrienationen auf die übrige Welt übergreifen. Die ökologische Reform der modernen Industrie erfordert in erster Linie auch, daß sie sich nicht länger auf synthetische Materialien und Fertigungsprozesse mit hohem Energieverbrauch stützt; diese müssen, wenn irgend möglich, durch natürliche Materialien und solche Verfahren ersetzt werden, bei denen relativ mehr Arbeitskraft als Energie eingesetzt wird. Verschiedene natürliche Rohstoffe, an deren Stelle synthetische Materialien getreten sind — wie etwa Kautschuk —, kommen ausschließlich in ganz bestimmten Regionen der Erde vor, und zwar im allgemeinen in den Entwicklungsländern. Andere, wie Baumwolle und andere Naturfasern, Wolle, pflanzliche öle und Nutzhölzer, entstammen natürlichen ökologischen Nischen, die eher in Entwicklungsländern, vor allem in den Tropen, als in den Industrieregionen anzutreffen sind. Wenn ökologische Klugheit es also gebietet, daß die Industriestaaten ihre Produktion mittels synthetischer Stoffe so weit wie möglich einstellen und statt dessen natürliche Materialien verwenden, dann benötigen sie die wohlwollende Kooperation der Entwicklungsländer. Denn um den Bedarf an Naturfasern, Kautschuk und Seife zu decken, wird die Produktion der nötigen Rohstoffe in den Entwicklungsländern erhöht werden müssen — eine Aufgabe, die zu übernehmen sie ohne entsprechende Gegenleistung nicht gewillt sein könnten.
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Eine solche Gegenleistung könnte sehr wohl auch in einer Hilfe von seiten der Industrienationen bestehen, in den Entwicklungsländern (sofern sie dies wünschen) Industrien zu errichten, die die dort vorhandenen Rohstoffe zu Fertigwaren für den Welthandel verarbeiten. So könnte Malaysia beispielsweise den Industrieländern statt Kautschuk Reifen liefern wollen; Indien statt Baumwolle fertige Stoffe oder sogar Kleidung und Westafrika die Welt nicht mit Palmenöl, sondern mit Seife versorgen. Und ich möchte betonen, daß diese Unternehmen natürlich nicht auf jenen ökologisch mangelhaften Produktionstechniken aufbauen dürften, die heutzutage aus den Industriestaaten exportiert werden — wie etwa eine monokulturelle Landwirtschaft, die von anorganischen Düngemitteln, künstlichen Insektiziden und Herbiziden nur so strotzt; oder blei- und stickstoff-oxydverpuffende Hochleistungsbenzinmotoren oder Elektrizitätswerke, die die Luft verpesten. Statt dessen sollten diese Nationen mit allen anderen an den Vorteilen der neuen, ökologisch vernünftigen Technologien teilhaben, die es nun zu entwickeln gilt.
Der Einklang mit dem Ökosystem könnte in vielen Fällen auch durch solche Produktionsprozesse vergrößert werden, die — während sie von den verfügbaren wissenschaftlichen Kenntnissen und technischen Fertigkeiten Gebrauch machen — eher arbeitsintensiv sind, als daß sie einen hohen Kapital- und Energieeinsatz erfordern. Hier entstünde den Entwicklungsländern aus ihrem großen und ständig weiterwachsenden Arbeitskräftereservoir ein besonderer Vorteil, und sie bekämen bei effektiver wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Organisation eine Chance, dem dringenden Mangel an produktiven Arbeitsplätzen abzuhelfen179.
Wenn, um des ökologischen Überlebens der ganzen Welt willen, eine derartige globale Umwandlung der Wirtschaft der Industrie- wie der Entwicklungsländer vorgenommen wird, dann ist ohne Zweifel auch mit ebenso durchgreifenden politischen Veränderungen zu rechnen. So ist es unvorstellbar, daß Amerika das enorme Kapital für die erforderliche Reorganisation von Industrie und Landwirtschaft aufbringen kann, solange es militärische Großunternehmen — die seit dem Zweiten Weltkrieg den größten Teil des frei verfügbaren Nationaleinkommens in Anspruch genommen haben — zu seiner Hauptbeschäftigung macht.
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Die Nachkriegserfahrungen Japans und der Bundesrepublik zeigen, daß eine moderne Industrie die Mittel für einen Neuaufbau großen Stils erwirtschaften kann, wenn die militärischen Verpflichtungen auf einem sehr niedrigen Niveau gehalten werden. Jedenfalls können die Vereinigten Staaten sich nicht in Abhängigkeit von Naturprodukten, die in fremden Ländern hergestellt werden, begeben — wie es ökologisch geboten scheint —, wenn sie sich nicht endlich verpflichten, in Frieden mit der übrigen Welt zu leben.
Während die Beilegung der Umweltkrise notwendigerweise eine globale Aufgabe darstellt, so ändert dies doch, wie ich glaube, nichts an der Tatsache, daß die Vereinigten Staaten den Schlüssel zu ihrer Bewältigung in der Hand halten. Ein Grund hierfür ist, daß die Vereinigten Staaten eben einen Großteil der Ressourcen der gesamten Welt kontrollieren — und verschwenden. Wenn die Vereinigten Staaten sich auf ein ökologisches Erneuerungsprogramm einließen, wäre es ihnen möglich, ihren gegenwärtigen Bedarf an Nahrung, Kleidung, Wohnraum und die anderen Grundbedürfnisse bei einem sehr viel niedrigeren Aufwand an nichterneuerbaren Ressourcen und an Energie zu decken als heutzutage.
Wenn die Vereinigten Staaten — um die Umweltkrise zu überleben — das erforderliche ökologisch und sozial vernünftige Produktionssystem etablieren würden, würde dies einen Einfluß auf die Verfügbarkeit der Ressourcen für die übrige Welt haben, der dem riesigen Anteil an diesen Ressourcen, den das Land heute verbraucht, entspräche. Umgekehrt: wenn die Vereinigten Staaten diesen Weg nicht einschlagen, dann besteht wenig Hoffnung, daß die Entwicklungsländer einen genügend großen Anteil an den Weltressourcen erringen könnten, um auf einen Lebensstandard zu gelangen, der einer konstant gehaltenen Bevölkerungszahl angemessen ist. Und schließlich: solange sich die Vereinigten Staaten nicht zu einer friedlichen Verbrüderung mit der übrigen Welt verpflichten, werden ihnen weder die Ressourcen für ihre eigene ökologische Gesundung noch die weltweite Kooperation zur Verfügung stehen, die notwendig ist, um jenen Gesundungsprozeß zu unterhalten.
Die Lehre, die wir aus der Umweltkrise zu ziehen haben, ist also klar:
Wenn wir überleben wollen, dann müssen ökologische Erwägungen die wirtschaftlichen und politischen Überlegungen leiten. Und wenn wir den Weg der ökologischen Vernunft beschreiten wollen, dann müssen wir endlich die Weisheit anerkennen, die darin liegt, nicht auf Waffen zu vertrauen, die eine Weltkatastrophe drohend ankündigen, sondern auf jenen Wunsch, der überall in der Welt geteilt wird — nach Harmonie mit der Umwelt und Frieden unter den Völkern, die in ihr leben. Wie die Ökosphäre, so sind auch die Völker der Welt aufgrund ihrer einzelnen, untereinander aber verknüpften Bedürfnisse an ein gemeinsames Schicksal gebunden.
Die Welt wird die Umweltkrise als Ganzes überleben — oder überhaupt nicht.
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wikipedia Karl_William_Kapp 1910-1976