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12  Die Feeling-Gemeinschaft 

 

 

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Wir berichten und reden viel über die Therapie an ganz verschiedenen Orten. Wir halten an Universitäten Vorträge für Studenten, diskutieren in Seminaren und Vorlesungen mit Kollegen, veröffentlichen Artikel und schreiben ein Buch wie dieses. Aber nach all unseren Vorträgen und Veröffentlichungen über Gefühle und die Therapie müssen wir wieder in die Gemeinschaft unserer Mittherapeuten zurückkehren, wo wir den nährenden Kontakt finden, um den sich unser ganzes Reden dreht.

Wir verstehen emotionales Durcheinandersein und wissen, wie wir jemandem helfen können, sich aus einem Zustand der Verworrenheit in einen Zustand innerer Stimmigkeit zu bringen, doch es ist unmöglich, eine trans­formative Psychotherapie aufrechtzuerhalten und weiterzuführen allein durch rationales Verstehen. Die Feeling-Therapie ist in allererster Linie eine Gemeinschaft, in der wir, die Therapeuten, gemeinsam leben und arbeiten. Weil wir uns gegenseitig helfen und aus unseren Gefühlen heraus zusammen leben, sind wir in der Lage, anderen zu helfen, dasselbe zu tun. 

Aber seien Sie sich über unsere Prioritäten im klaren: wir haben keine Gemeinschaft, um therapieren zu können; wir können therapieren, weil wir die Feeling-Gemeinschaft haben. Jedes Mitglied der therapeutischen Gemeinschaft will und braucht, was es von seinen Therapeuten-Freunden erhält. Diese Gemeinschaft würden wir in jedem Fall wollen und brauchen, ganz gleich, was wir tun, ob wir therapieren, Landwirtschaft betreiben, ein Restaurant führen oder eine Firma leiten.

 

  Spiele: Das Ergebnis fehlender Gemeinschaft   

 

In ihrem Buch Games Analysts Play geben Sheppard und Lee einen kritischen Überblick über psycho­therapeutische Spiele, die von "Spielen zur Leugnung von Langeweile" bis hin zu "Spielen zur Leugnung von Minderwertigkeitsgefühlen" reichen. Sie behaupten, "Spiele existieren immer dann, wenn das von dem Therapeuten gezeigte Verhalten (in Wort, Tat oder Schweigen) seine wahren Gefühle verbergen soll".

Die Autoren belegen ausführlich ihre These, daß Spielen unter Therapeuten weit verbreitet, unproduktiv und bisweilen äußerst schädlich für die Patienten sei. Wir stimmen mit ihnen überein. Leider beschränken sie sich in ihrem Buch darauf, die Mißstände aufzuzeigen und die Spiele zu beschreiben, gelangen aber zu keinen Schlußfolgerungen, warum Therapeuten unter dem Deckmantel der Therapie Spiele spielen und wie das Problem gelöst werden könnte.


Wir halten Spiele für mangelnde Stimmigkeit zwischen Empfindungen, Bedeutungen und ihrem Ausdruck. Therapeuten spielen aus den gleichen Gründen wie Patienten — weil sie nicht alle ihre Gefühlsbedeutungen wahrnehmen und zeigen können. Das Problem ist weniger das "Verbergen" von Gefühlen, als vielmehr die Unfähigkeit der Therapeuten, vollständig zu fühlen. Dies liegt daran, daß die Therapeuten nicht auch weiterhin um ausreichende eigene Therapie bemüht sind. Solange sie selbst keine ausreichende Therapie erhalten, können sie ihren Patienten keine echte Therapie ohne derartige Spiele geben.

Die vielen Schachzüge und Manöver, die Therapeuten zur Selbsttäuschung und Kontrolle, ihrer Patienten anwenden, resultieren aus strukturellen Mängeln der von ihnen ausgeübten Therapien. Was den Patienten angeboten werden kann, hängt jedoch gerade von der Struktur einer Therapie für die Therapeuten ab. Aber es gibt noch eine weitere Fußangel: solange Patienten nicht zu Therapeuten werden, wird es immer zu viele Patienten und zu wenige Therapeuten geben; die Patienten werden weiterhin "geheilt", "stabilisiert" oder "entlassen" werden, während die Therapeuten weiterhin "über der Therapie" bleiben werden.

Jede transformative Therapie muß innerhalb einer therapeutischen Gemeinschaft stattfinden. Die Ära der einzeln, von isolierten Praxen aus arbeitenden Psychotherapeuten sollte zu Ende gehen, und zwar bald. Dies ist eine überholte therapeutische Struktur. Die Struktur einer Therapie begrenzt wie andere soziale Strukturen die Ideen und Techniken und — was noch wichtiger ist — das Gefühlsniveau ihrer Teilnehmer. Die medizinisch-autokratische Struktur ist sowohl für die Patienten als auch die Therapeuten derart restriktiv, daß daraus zwangsläufig Spiele entstehen müssen. Nur eine Gemeinschaftsstruktur kann ein fühlendes Leben gewährleisten und dem Pseudoleben trennender Spiele wirksam entgegentreten.

 

  Therapeuten brauchen Therapie und Patienten können Therapeuten sein   

 

Unsere Grundannahme ist schlicht und einfach die: Keine Therapie, die nicht aus Therapeuten Patienten und aus Patienten Therapeuten macht, kann mehr als eine Nachbildung einer wirklichen Therapie sein. Patienten in traditionell strukturierten Therapien wird mitunter geholfen, aber eine solche Hilfe ist notwendiger­weise begrenzt, weil die therapeutische Struktur, innerhalb derer die Hilfe erfolgt, begrenzt ist. Jede neue therapeutische Richtung versucht, bessere Techniken oder Theorien vorzuweisen, doch auf die zur Realisierung dieser Techniken oder Theorien notwendige Struktur wird nahezu überhaupt kein Wert gelegt. 

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Die therapeutische Struktur ist die Komponente therapeutischer Wirksamkeit, die am meisten vernachlässigt wird: Die meisten Therapien verankern in ihrer Struktur keine genügende weitere Hilfe für die Therapeuten und keine genügende Verantwortung für Co-Hilfe von Seiten der Patienten.  

Ein Grund für diesen Mangel ist der, daß therapeutischen Systemen gewöhnlich durch die Belastung eines einzelnen Begründers Grenzen gesetzt werden, der für andere eine Struktur zu entwickeln versucht, ohne jedoch sich selbst vollständig und gleichermaßen in diese Struktur einzubeziehen. Dieser Mangel an Therapie von Seiten des Begründers und seine unzureichende Teilnahme führen zu theoretischen und praktischen Dogmatismen. Seine eigenen verworrenen oder psychotischen Eigenheiten können nicht aus dem System herausgenommen werden; vielmehr werden sie innerhalb der Therapiestruktur einer rationalen Erklärung und Interpretation unterworfen.

Freud empfand es als unangenehm, wenn ihn seine Patienten anstarrten, also wurde es eine Analyseregel, daß sich die Patienten, auf die Couch legen, während sich der Therapeut, ihrem Blickfeld entzogen, hinter sie setzt. Perls stand gern, im Mittelpunkt bewundernder Aufmerksamkeit, daher müssen sich alle Gestaltpatienten und -therapeuten dem "heißen Stuhl" unterziehen. Rogers mußte vorsichtig sein, also wird allen klientenzentrierten Gesprächspatienten beigebracht, einfühlend-verständnisvoll zu sein. Es geht nicht darum, daß diese strukturellen Charakteristika einer analytischen, gestalt- oder klienten-zentrierten Sitzung ineffektiv sind — manchmal sind sie es, manchmal sind sie es nicht. Entscheidend ist, daß sie kennzeichnend für eine Interaktion sind, die auf der Persönlichkeit des Begründers beruht. 

Natürlich kann, der gleiche Einwand gegen die Feeling Therapie vorgebracht werden, daß unsere "Vorein­genommenheit" für das Weinen oder dem Regredierenwollen uns veranlaßt habe, eine Therapiestruktur zu konzipieren, die auf unseren eigenen unvollständigen Gefühlen basiert. Was wir bei der Tätigkeit innerhalb unserer Gemeinschaft von fühlenden Menschen haben, ist die Individualität jedes Mitgliedes. Wir antworten uns aus unseren Gefühlen heraus. 

Gefühle werden zur Richtschnur für Entscheidungen, kein Mehrheitsbeschluß oder Edikt eines Begründers, keine doktrinäre Willfähigkeit. Häufig kann ein Therapeut die übrigen acht umstimmen, weil er Gefühle anspricht. Unsere seelische Gesundheit äußert sich darin, daß wir alles und jedes überprüfen, was uns unvollständig vorkommt.

Eine Struktur ist nichts anderes als in die Praxis umgesetzte Gefühle. Wenn sich ein Begründer dagegen sperrt, alle seine Gefühle zu überprüfen und von anderen prüfen zulassen, indem er, wenn notwendig, wieder zum Patienten wird, hinterläßt er seinen Schülern automatisch eine starre und unvollständige Struktur. Was ein Begründer für sich selbst zu tun bereit ist, spannt den Rahmen dafür, was für andere getan werden kann.2) 

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Patienten der Feeling-Therapie unterscheiden sich zum Schluß nicht von ihren Therapeuten — sie sind Menschen, die Hilfe brauchen und Hilfe geben können. Vorzugeben, daß Therapeuten "durch alles durch seien", ist eben dies, ein Vorwand. Unsere Therapie wurde von Berufskollegen mit dem Argument kritisiert: "Ihr macht die Patienten nur für den Rest ihres Lebens von Euch abhängig. Ihr werdet sie nie richtig heilen". Wer solche Argumente vorbringt, versteht nicht das Wesen von Psychotherapie. Sobald Menschen fühlen und aus ihren Gefühlen heraus leben können, brauchen sie eine Gemeinschaft von Menschen, mit der sie auf dem gleichen Gefühlsniveau leben können.

Die meisten Menschen erkennen nicht, daß sie bereits in einer Art "Gemeinschaft" eingeschlossen, sind, sei es Nachbarschaft, Karriere, Berufsgruppe oder Lebensstil. Für eine Feeling-Gemeinschaft sind Faktoren wie Klassenzugehörigkeit, Geographie oder sozialer Status nicht ausschlaggebend. Es geht nicht darum, wo die Leute leben. Es geht darum, wie sie leben — daß sie sich ihr Leben aus Gefühlen heraus gestalten.

 

Einer unserer in der Ausbildung stehenden Therapeuten beschrieb sein Verständnis von der Bedeutung der Feeling-Gemeinschaft folgendermaßen:

"In der ersten Zeit meiner Ausbildung bemühte ich mich, die Theorie und Techniken zu beherrsch­en. Ich wußte, daß ich mich in der Therapie verändert hatte, aber ich hatte keine Worte, um die Veränderungen ganz allgemein zu erklären. Meine Therapeuten hatten niemals irgendwelche Therapiekonzepte mit mir besprochen; alles hatte stets mit mir zu tun und dem, was ich vor allem aus meinen Gefühlen heraus wußte. Ich war daher ziemlich verblüfft, als ich in der Ausbildung lernte, daß es tatsächlich Bezeichnungen und Konzepte für das gab, was ich erlebt hatte. Diese Kennzeichnung von Stufen, Niveaus und Zyklen brachte mich eine Zeitlang durcheinander. 

Dennoch, ich war ein intellektueller Typ, und so begann ich, über die Therapie nachzudenken, und versuchte, alles auf eine Reihe zu bringen. Es dauerte gar nicht lange, und ich dachte mehr über die Therapie nach und redete mehr über sie, als sie zu leben. Eines Tages stieß mich mein Ausbilder mit der Nase drauf, als er mir erklärte: "Alles, was du sagst, ist richtig,' aber ich merke nicht, daß du sehr viel lebst". Er hatte recht — ich hatte mich von anderen Leuten zurückgezogen und lebte wieder genauso rational, wie die ganze Zeit vor der Therapie. Ich verbrachte mehr Zeit damit, andere und mich selbst in der Sprache der Feeling-Therapie zu analysieren, als einfach nur aus meinen Gefühlen heraus zu leben. Er sagte dann etwas, was ich wahrscheinlich nie vergessen werde: "Wir können die Bezeichnungen jederzeit ändern, sie sind allesamt austauschbar. Doch du bist nicht austauschbar und deine Freunde ebenfalls nicht. Du lebst jetzt. Therapie heißt einfach vollständig leben, je echter du lebst, umso mehr weißt du wirklich.

Da habe ich begriffen, daß die Feeling-Gemeinschaft der wichtigste Gedanke der Therapie ist. Man kann das leicht übersehen, weil es so unveränderlich ist — es ist einfach das, was unter den Menschen hier die ganze Zeit, geschieht." 

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Ein anderer Patient, Brian, beschrieb seine Erfahrungen mit der Feeling-Gemeinschaft aus einer ganz anderen Perspektive :

"Ich kam aus Cleveland zum Center und hatte vor, nicht länger als sechs Monate zu bleiben. Ich wollte bloß Hilfe bei meinen Alkohol­problemen — dieses ganze Gerede von Gemeinschaft kam mir reichlich lächerlich vor. Ich wollte nicht irgend so einer rehabilitativen Wohngemeinschaft beitreten. Schließlich war ich ja kein Geisteskranker, ich brauchte halt bloß intensive Hilfe. 

Die Leute im Center gefielen mir, aber oben in Cleveland hatte ich eine Menge Freunde. Nach fünf Monaten schickte mich Lee nach Cleveland zurück. Er sagte: "Ruf mich in einer Woche oder so an und erzähl mir, wie es dir geht". Nach drei Tagen rief ich ihn an, Meine ganzen Freunde, derentwegen ich zurückgefahren war, kamen mir anders vor; sie wurden alt, so wie es meine Eltern geworden waren. Sie alle schienen in einer Welt von Bausparverträgen und Kinderkriegen gefangen zu sein. Einige hingen der Partnertausch-Masche an, aber alle waren noch so, wie ich sie von der High School her kannte — sie waren zugleich jung und alt. 

Was mich wirklich berührte, war, daß wir Freunde gewesen waren und viele gemeinsame Erinnerungen hatten, aber nicht nahe sein konnten. Immer, wenn ich meine Gefühle auszudrücken versuchte, verhielten sie sich so, als würde ich ein Tabu brechen. Einige der Mädchen wollten mit mir bumsen, während ihre Männer auf der Arbeit waren, aber sie wollten nicht reden." 

Psychotherapien und therapeutische Gemeinschaften erfüllen im günstigsten Falle eine Funktion, die früher im günstigsten Falle, traditionelle Familien-, Geschlechts- und Dorfverbände erfüllt haben. Der indische Psychiater Dr. Shashi Pande verglich die psychiatrische Praxis in den Vereinigten Staaten mit Formen der Hilfeleistung in indischen Dörfern. Er behauptet, daß die Fachsprache der modernen Psychotherapie das einfache Bemühen verdunkle, menschliche Bedürfnisse in einer Kultur zu befriedigen, die sich von den natürlichen Bedingungen des Menschen entfernt habe; Psychotherapie "könnte sowohl als ein symbolischer wie tatsächlicher kultureller Versuch betrachtet werden, den Mängeln der westlichen Lebensweise zu begegnen...." 3)

Die Idee einer therapeutischen Gemeinschaft wurde erstmals in psychiatrischen Institutionen Englands von Psychiatern und Pflegern für Patienten in die Praxis umgesetzt. Das Problem bei institutionellen therapeutischen Gemeinschaften ist, daß Therapeuten nicht zu Patienten und Patienten nicht zu Therapeuten werden. 

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Unserer Meinung nach kann das Konzept einer therapeutischen Gemeinschaft außerhalb von Kranken­anstalten weitaus effektiver realisiert werden, da negative Implikationen wie Kontrolle und Hospitalisierung entfallen. Eine therapeutische Gemeinschaft läßt sich gezielt strukturieren, wenn erkannt wird, daß.....

  1. alle Menschen, Therapeuten eingeschlossen, während ihres gesamten Lebens Hilfe bei ihren emotionalen Problemen benötigen, und  

  2. alle Patienten, denen selbst Hilfe zuteil wurde, lernen können, anderen zu helfen.

Es ist interessant, daß unsere Gesellschaft jemanden, der Hilfe benötigt, negativ einschätzt. Man verbindet damit Schwäche und Hilflosigkeit. Aber wir wissen, daß echte Hilfe erst dann gegeben werden kann, wenn jemand stark genug ist, um seine äußeren sozialen Ansichten abzulegen und danach fragt: "Was brauche ich?" 

Indem jemand seine inneren Bedürfnisse beachtet, stärkt er sich selbst, denn er besitzt inneres Wissen und handelt nach außen aus dem heraus, was er weiß. Er vermag dann einen Beitrag zu leisten, statt sich lediglich "einzupassen".

 

   Initiationen ins Fühlen  

 

Der Ausdruck "Initiation" beschwört alle möglichen Vorstellungen herauf, von Voodoo-Ritualen bis hin zu Bräuchen von Bruderschaften. Auch wenn der Leser an Initiationsriten der Tantrik oder Hopi denkt, die noch eine gewisse entfernte Ähnlichkeit mit der Initiation der Feeling-Therapie haben. Die entscheidende Initiation ist eine Einführung in eine Gefühlsrealität oder Gefühlsbewußtheit, die dann jemandem ermöglicht, sich an den Gruppenaktivitäten zu beteiligen. Dies bedeutet, die Initiation ist vor allem und in erster Linie eine persönliche Transformation, welche den Anfang neuartiger Beziehungen zu anderen markiert. 

Es handelt sich, einfach ausgedrückt, um eine Einführung — eine Wiedereinführung — ins Selbst. Dies heißt auch, daß es in der Feeling-Therapie und anderen transformativen Richtungen keine plötzliche und vollständige Initiation gibt, sondern so viele wiederholte Einführungen wie erforderlich. Jedesmal, wenn sich jemand von verworrenen und eingeschränkten Gefühlen, stimmigen und vollständigen Gefühlen zuwendet, führt er sich erneut in das Leben der Gemeinschaft ein.

Es ist zwar richtig, daß es sich um eine persönliche Einführung handelt, ebenso richtig ist aber, daß sie eine neue Form des Zusammenseins mit anderen Menschen ermöglicht und daher die Grundlage für die Zugehörigkeit zu einer Feeling-Gemeinschaft ist. Jeder in der Feeling Therapie muß seine eigenen, nicht vorhersagbaren Einführungen durchmachen.

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Beispielsweise eine:  

Nach dieser Beschreibung von Initiationsmöglichkeiten werden jetzt vielleicht einige Leute versuchen, sie gezielt anzugehen, doch wirkliche Einführungen erfolgen in einer grundsätzlich anderen Weise. Nur das richtige Gefühl zum richtigen Zeitpunkt bei der richtigen Person kann eine Einführung sein. Planen und Nachahmen haben nichts mit einer echten gefühlten Initiation zu tun.

Jemand mag lauter oder schneller sprechen, weil er glaubt, es werde von ihm erwartet, oder weil er selbst Fortschritte erzielen möchte. Aber ein solches Bemühen ist erst dann nützlich, nachdem er den Widerstand gegenüber dem Fühlen durchbrochen hat. Im Augenblick des Widerstandes will niemand fühlen, und niemand weiß, was gefühlt werden soll. Die Person muß sich entscheiden, diese Trägheit zu überwinden — dies charakterisiert jede echte Gefühlsinitiation.

Eine Initiation unterscheidet sich auch grundlegend von einem Erwerb. Dadurch, daß das Individuum einem Widerstand entgegenarbeitet und seine eigenen Gefühle akzeptiert, wird es nicht zu einem besonderen Menschen oder einer Person "bona fides". Jemand muß zu seiner Initiation nichts zeigen außer der eigenen unmittelbaren Wahrnehmung von sich selbst. Eine solche innere Wahrnehmung würde sich vermutlich erheblich von den erwünschten Rollen unterscheiden, in denen sich die Menschen begegnen. Die Patienten werden weder Superstudenten noch Superfrauen oder außergewöhnlich besonnen oder sonst irgendetwas Außergewöhnliches. Sie akzeptieren sich nur so, wie sie sind. 

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Deshalb wird auch kein noch so angestrengtes Versuchen zu einer echten Initiation führen. Eine Initiation vereinigt beide Extreme — Kämpfen und Nachgeben; der Betreffende muß gegen den Widerstand kämpfen und den Gefühlen nachgeben. Er muß aktiver sein als je zuvor in seinem Leben und empfänglicher. Man muß wählen und zulassen.

Wir möchten mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß nicht jeder die Bedingungen für echte Einführungen ins Fühlen akzeptieren kann. Es ist bedeutend leichter, zu versuchen, sich sichtbar zu verändern, als unbekannten inneren Gefühlen nachzugeben. Manche Patienten, die in unsere Therapie kommen, werden nie initiiert, kein einziges Mal. Sie versuchen und versuchen und versuchen, ohne je zu wissen, um was es in dieser Therapie wirklich geht. 

Sie versuchen, das zu tun, was sie glauben, tun zu wollen, und geben sich selbst oder dem Therapeuten die Schuld, wenn sie "es" nicht tun können. Aber da ist nichts, kein "es" zu tun; es gibt in jedem Augenblick nur das eigene Fühlen. Sie lehnen eine echte Initiation ab — eine Initiation vielleicht in das Gefühl "Ich bin verrückt" oder eine Einführung in das Nichtsfühlen oder eine Einführung in Hoffnungslosigkeit oder alle anderen unzähligen Initiationen. 

Stattdessen bemühen sie sich noch mehr oder lassen es ganz sein, oder sie versuchen, es rational zu ergründen oder tun irgendetwas von dem, was sie lernen mußten, als sie von ihren Gefühlen weggingen. Und sie finden sich niemals selbst.

 

Es wäre falsch, zu erwarten, daß jeder eine Initiation akzeptieren werde. Vielleicht könnte es jeder, aber nicht jeder tut es. Wir versuchen, niemanden zu heilen, zu retten oder zu initiieren. Wir schaffen im Rahmen unserer Therapiestruktur die Voraussetzungen für Einführungen, aber nicht jeder nutzt sie. Etwa zwanzig Prozent unserer Patienten brechen die Feeling Therapie ab. Annähernd dreizehn Prozent von ihnen steigen während, des ersten Monats aus, die restlichen sieben Prozent in den folgenden sechs Monaten. Nur wenige Patiencen brechen die Therapie nach ihrer vollständigen Einführung in die Gemeinschaft ab. Die meisten verlassen das Center, bevor sie ihre erste Initiation erlebt haben. Sie repräsentieren diejenigen, die eine Initiation verweigern. 

 

Einige wenige Patienten steigen in einer mittleren oder späten Therapiephase aus. Wir strukturieren die Therapie gezielt, damit es gleich am Anfang zu einer intensiven Konfrontation mit Gefühlen kommt. Die Einführung in das Selbst muß bereits vor einer regen Teilnahme an der therapeutischen Gemeinschaft erfolgen. Wir wollen, daß jemand, der sich zu fühlen weigert, diese Weigerung möglichst bald offen und klar zum Ausdruck bringt. Einige derjenigen, die in einer frühen Therapiephase aussteigen, kommen später mit dem wirklichen Wunsch nach dem wieder, was wir haben. Wir strukturieren die Therapie so, daß man nicht eher in der Therapie ist, bevor man nicht ganz in ihr ist.

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Kontaktkulturen und Medienkulturen  

 

Wir leben in unserer jetzigen Gemeinschaft in einer städtischen Umgebung. Aber das ist nebensächlich. Unsere Gemeinschaft nutzt alle Medien und Beförderungsmöglichkeiten einer modernen Gesellschaft. Beispielsweise knüpfen Therapeuten und Co-Therapeuten eine Menge kurzer Kontakte auf telefonischem Wege. Die Patienten leben und arbeiten innerhalb der Stadt, wo immer sie wollen. Wir haben irgendwann vor, eine Wohnstruktur auszuprobieren, wo die Menschen innerhalb der Gemeinschaft leben und arbeiten könnten. Solche unterschiedlichen Gemeinschaftsstrukturen sind zweitrangig gegenüber dem Wesensmerkmal der Feeling-Gemeinschaft — dem Gefühlskontakt zwischen den Mitgliedern.

 

Marshall McLuhan und andere Wissenschaftler haben die gewaltigen Auswirkungen der Medien auf menschliche Erlebens- und Lebensweisen eingehend erörtert. McLuhans verallgemeinerndes Schlagwort "das Medium ist die Botschaft", liefert den Schlüsselgedanken seiner eigenen Botschaft, daß nämlich nicht der Inhalt der Medien wie Presse, Kino oder Fernsehen uns am nachhaltigsten beeinflußt, sondern das Medium selbst. Um McLuhan zu zitieren: "Jede Technologie schafft allmählich eine völlig neue Umwelt."

So unzweifelhaft richtig diese These in ihrer Allgemeinheit ist, so eindeutig falsch dagegen ist McLuhans Argumentationsweise, etwa wenn er behauptet:

"Der westliche Mensch hat mit der Kenntnis des Lesens und Schreibens die Fähigkeit erworben, zu agieren, ohne zu reagieren ... unsere Indifferenz war eine Haltung des Nichteinbezogenseins. Im elektronischen Zeitalter, wo unser Zentralnervensystem aufgrund technologischer Möglichkeiten derart erweitert wird, daß wir in die Menschheit als Ganzes einbezogen und mit der Menschheit als Ganzes verbunden sind, nehmen wir zwangsläufig an der Tragweite und den Konsequenzen jeder Handlung teil. Es ist nicht mehr möglich, die Rolle des unbeteiligten und abseits stehenden gebildeten westlichen Menschen einzunehmen." 5)  

Dies ist eine gefährliche falsche Behauptung. Tatsächlich unterscheiden sich die einzelnen Medienkulturen hinsichtlich ihrer Teilnahme nur wenig. McLuhan setzt sich mit diesen sehr geringen Unterschieden auseinander und mißt ihnen große Bedeutung bei. Aber dadurch lenkt er von dem wirklich großen Unterschied zwischen Medienkulturen und Kontaktkulturen ab.

 

Eine Medienkultur wird durch Kommunikationsformen charakterisiert, bei denen der Empfänger keinen Einfluß auf die Botschaften des Senders nehmen kann — man selbst kann nur auf den Fernsehschirm starren. In einer Kontaktkultur sind sich zwei oder mehr Menschen so nahe, daß sie sich gegenseitig mitteilen können. Das Medium dieses Mit-Teilens kann in Gestik, Mimik, Berührung oder Sprache bestehen, doch das Medium ist hier von untergeordneter Bedeutung, da jede Kontaktkultur eine gleichzeitige und verantwortungsvolle Kommunikation fördert, deren Ergebnis das Miteinander-Fühlen der Beteiligten ist.

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Die Kontaktkultur ist die grundlegende Kultur des Menschen, welche die Fälligkeit des höheren Nerven­systems, zum Austausch von Signalen und Symbolen und die Fähigkeit des Mittelhirns zur Wahrnehmung und Wahrnehmungsantwort mit dem Fühlen verbindet. Die Kontaktkultur ist unser Bindeglied zur tierischen instinktmäßigen Vergangenheit.

Wenngleich es nicht zwangsläufig zu einem Konflikt zwischen Medien- und Kontaktkulturen kommen muß, wird unsere eigene Kultur immer mehr von den Medien beherrscht. Aus der beherrschenden Mitteilung durch die Medien ergeben sich zwei ernstzunehmende Konsequenzen: erstens, die Kontaktkultur ist verkümmert und verzerrt, und zweitens, die von den Medien vermittelten Vorstellungen und Symbole, wie man sein und was man tun soll, ersetzen die Gefühle des Seins und Tuns. Gefühle hängen von einem verständnisvollen, flexiblen Mit-Teilen ab; sie lassen sich nicht durch Medien vermitteln — was durch sie vermittelt werden kann, sind lediglich feste Vorstellungen und durcheinanderbringende Darstellungen.

Um das Ausmaß an wirklichem Kontakt abschätzen zu können, den die Menschen haben, lassen wir sie manchmal die Stunden, die sie täglich mit Medien und diejenigen, die sie mit Menschen verbringen, gegeneinander aufrechnen. Die meisten kommen auf weitaus mehr tägliche Kino-, Buch- oder Fernseh­stunden als auf Stunden im Kontakt mit anderen. Ein solcher Vergleich sagt noch nichts über die Qualität des Kontaktes aus, den sie miteinander haben; würden wir die Kontakte unberücksichtigt lassen, die rollen­dominiert sind, kämen wir leicht auf ein Verhältnis von eintausend zu eins zugunsten der Medien­mitteilungen. 

Bei einem eintausend zu eins Verhältnis kann natürlich ein Kind keine gefühlte Realität zu seinem Körper aufrechterhalten. Es tauscht sich selbst gegen die Medien ein. Es paßt sich der zweidimensionalen Vorstellungs­welt an und wird so, wie es die Medienbilder verkünden. In der Feeling-Therapie wissen wir, daß diese Anpassung verrückt ist; wir wissen, daß sich Kinder verrückten Medien anpassen und selbst verrückt werden. 

Derek ist ein vollendetes Beispiel für eine Medienpsychose. Als er in die Therapie kam, war er zwanzig Jahre alt. Er wollte Filmregisseur werden. Derek ist ein Kind der Fernsehgeneration. Er hatte fast jeden Ausdruck seiner Gefühle verloren. Er weinte, schrie oder lachte nie. Er war unfähig, wirklich zu anderen Leuten zu reden, obwohl er manchmal versuchte, die Gastgeber oder Gäste seiner Lieblingstalkshow im Fernsehen nachzuahmen. Er berichtete, daß er bei nicht einstudierten Kontakten zu anderen rot würde oder stottere.

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Seit seinem High School-Abschluß bestand sein Leben darin, jeden Abend fünf Stunden fern zu sehen, zehn Stunden zu schlafen und zweimal am Tag auf Vorlagen aus Pornoheften zu onanieren. Er wohnte bei seinen Eltern und bekam für Rasenmähen und andere Hausarbeiten ein Taschengeld. Er hatte nie eine Freundin gehabt und war nie zum Tanzen oder auf eine Party gegangen. Mädchen existierten für ihn nur als Leinwand- oder Zeitschriftenfiguren. Als sein Therapeut ihn anfangs fragte, was denn seine Eltern zu seiner stundenlangen Nichtstuerei meinten, sagte er: "Oh, es ist ihnen egal. Meine Mutter sieht noch mehr fern als ich, und mein Vater arbeitet am Tag zwölf Stunden im Geschäft". 

Derek hatte seit seiner frühesten Kindheit wenig wirklichen Kontakt erhalten: weder Gespräche noch Berührungen, noch Spiele. Für ihn war die reale Welt der Fernsehschirm, und sein Zuhause war abgeschaltet. Die ersten Schritte in Dereks Therapie sollten ihm ein bißchen das Gefühl dafür geben, was es heißt, mit anderen Menschen zu reden; ihm fehlte buchstäblich jedes Gefühl für Gespräche in einer Kontaktbeziehung, da er darin so gut wie keine Erfahrung hatte. Sein Therapeut bemerkte: 

"Ich hatte bei Derek das Gefühl, einer Black Box zuzuhören — seine Stimme schien von irgendeinem Sprecher irgendwo im Innern herzukommen; er sendete Geräusche, aber er redete nicht. Ich ließ ihn tagelang die Menschen spielen, die er regelmäßig im Fernsehen sah, weil sie für ihn realer waren als seine Eltern oder Bekannte. Er konnte Persönlichkeiten aus dem Fernsehen erstaunlich treffend imitieren, denn er hatte sich vollkommen mit ihren Gesten, Verhaltensmustern und Manierismen identifiziert."  

Seine Medienwelt bekam nach vier Monaten in seiner Realitätsgruppe den ersten erkennbaren feinen Riß. An diesem Abend hatte sich jeder in der Gruppe durch seine eigene Verrücktheit gekämpft und war sanft und deutlich daraus hervorgegangen; der Therapeut redete zur Gruppe und sagte, daß er die Wärme und das Glühen im Raum spüren könne. An einer Stelle sagte er ihnen, daß der Mythos, ihn zu benötigen, um sich zu retten, vorbei sei — sie könnten sich selbst und gegenseitig mit gutem Willen und Anteilnahme helfen. An dieser Stelle erklärte Derek dem Therapeuten: "Ich fühle mich zu dir hingezogen — ich mag dich." Er vermochte an diesem Abend nicht mehr zu sagen, aber er hatte am folgenden Abend in seiner Feeling-Gruppe mehr Gefühle von sich — was er mit dem Therapeuten wollte, wie er die Worte und Gesten des Therapeuten in sich spüren konnte. Kein noch so schönes Fernsehklischee hätte dies jemals in ihm hervorrufen können.  

Derek ist ein Extrembeispiel, welches in überspitzter Form das Durcheinanderbringen aufzeigt, das die meisten fernsehabhängigen Kinder erfahren. Jemand, der in einer von Medien beherrschten Kultur aufwächst, wird in doppelter Weise durcheinandergebracht; einmal infolge seiner gestörten Kontakte zu seinen Eltern, die selbst in der Medienkultur gefangen sind; zum anderen durch die gestörten Nachahmungen von wirklichem Kontakt, die über die Medien vermittelt werden.

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Dr. Vincent Fontana, ein Kinderarzt, der das Buch <Somewhere a Child is Crying>6) schrieb, legte dar, daß unsere Gesellschaft praktisch alles tue, um das zu ignorieren, "was unsere Kinder am meisten verstümmelt und zugrunde richtet — Kindesmißhandlung und Kindesvernachlässigung". 

Er sagt, das Schlagen von Kindern nehme ständig zu, und nur wenig werde dagegen unternommen. Daß zunehmend mehr Kinder geschlagen werden, liegt unserer Meinung nach an der zunehmenden Dominanz der Medienmitteilungen über das Mitteilen im Kontakt; Kinder werden von Eltern, die keinen echten Kontakt mit ihnen aufnehmen können, wie Objekte behandelt. Die Eltern versuchen vielmehr, das Weinen oder Schreien ihrer Kinder zu unterbinden oder ihr Ungestüm zu zügeln; ihre eigenen gewalttätigen Ausbrüche sind Versuche, die Kontaktbemühungen des Kindes zu beenden.  

Mit Bestürzung muß man feststellen, daß die Werbung, ganz gleich in welchem Medium, tatsächlich die Ansicht hervorbringt, daß "Lügen akzeptierbar seien", wenn das Produkt wünschenswert präsentiert werde. Diese Einstellung ist heutzutage derart weit verbreitet, daß es äußerster Anstrengung bedarf, jemanden wieder zur Antwort der Kontaktkultur hinzuführen, daß "jede Lüge schmerzhaft ist". Nur eine Kontaktkultur kann vollständige Gefühle und vollständige Integration gewährleisten. Eine Medienkultur kann bestenfalls partielle Gefühlsentladungen geben, etwa stellvertretende Katharsis oder Pseudo-Katharsis.  

 

Wir sind keine Protagonisten einer Rückkehr zu sogenannten primitiven Kulturen, sondern eher Befürworter einer Weiterentwicklung zu neuartigen Formen des kulturellen Austausches. Bemühungen, zu "primitiven" Kulturen zurückzukehren, stellen keinen Fortschritt dar, da diese ebenso medienfixiert sein können wie moderne Kulturen. Rituale waren die erste Form einer Medienkultur. "Primitive" Kulturen, die eingefahrenen Ritualen verhaftet sind, sind genauso von Medien beherrscht wie die meisten entwickelten technologischen Kulturen. Es besteht kein grundsätzlicher Unterschied zwischen einem Eingeborenen aus Neuguinea, der seine Gefühle auf außerirdische Geister projeziert und durch Einhaltung bestimmter Tabus kontrolliert, und einem eingeborenen Amerikaner, der seine Gefühle unter Verschluß hält und durch Tranquilizer und Aufputschmittel kontrolliert.

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Ashley Mohtague schloß seine Betrachtungen über die menschliche Bedeutung des <Touching>7 mit den mahnenden Worten:

"... Eltern sollten ihre Zuneigung zueinander und zu ihren Kindern offener zeigen als sie es in der Vergangenheit getan haben. Es sind weniger Worte als Taten, welche die Zuneigung und Anteilnahme ausdrücken, die Kinder — und in der Tat auch Erwachsene — benötigen ... wenn Zuneigung und Anteilnahme durch Berührung spürbar werden, werden sowohl diese beiden Bedeutungen als auch die ein Geborgenheits­gefühl verleihenden Befriedigungen mit dem Berühren in Verbindung gebracht, unzureichendes Erleben von Berührung führt zu einem Mangel an solchen Assoziationen und der daraus folgenden Unfähigkeit, auf vielen fundamental menschlichen Ebenen mit anderen in Beziehung zu treten."

Diese Unfähigkeit zu Kontaktreaktionen ist die Grundlage des Verrücktseins. Daher sind alle von Medien beherrschten Kulturen, ob "primitive", gebildete oder technologische, zwangsläufig verrückt.

 

    Therapeutentraining    

 

Aufgrund unserer Ausführungen im vorigen Abschnitt ist vielleicht deutlich geworden, daß eine wirkliche Ausbildung nur innerhalb einer Kontaktkultur stattfinden kann. Das ist eine radikale Annahme, denn das professionelle und wissenschaftliche Ethos fordert die Trennung der Bedeutungen von den Personen. Ein psychotherapeutisches System soll losgelöst von den Menschen vermittelt werden, die es ausüben. Wir lehnen eine solche Praxis ab.

Eine Kontaktkultur läßt sich erst dann weitergeben, wenn die Menschen innerhalb der Kultur bewegt werden. Natürlich können Beschreibungen unserer Arbeit und unsere Ansichten über sie durch verschiedene Medien, etwa in diesem Buch, mitgeteilt werden, doch diese deskriptiven Bedeutungen können niemandem beibringen, wie die Therapie durchzuführen ist, weder bei sich selbst noch bei anderen.

Eine Kontaktkultur hängt von evozierten Bedeutungen ab, nicht von deskriptiven. Eine Therapie kann durch ihre Darstellung in Medien teilweise evokativ sein, aber die volle Auslösung dessen, was vollständige Gefühle sind, muß von Mensch zu Mensch vermittelt werden. Die professionellen Vorstellungen von Einheitlichkeit und Generalisierbarkeit müssen den Tatsachen einer Kontaktkultur weichen, deren Nachdruck auf Nachfolge und Gemeinschaft liegt. Unsere Therapeuten, werden in dem lebendigen Erbe von Menschen ausgebildet, die aus ihren Gefühlen heraus antworten.

Patienten, die zu Therapeuten werden wollen, können an dem Trainingsprogramm teilnehmen, sobald sie in der Lage sind, vollständig an der Co-Therapie teilzunehmen. Da es kein didaktisches Training für die Co-Therapie gibt, kann ein Patient nur deshalb an diesem Programm teilnehmen, weil er eine bestimmte Gefühlsebene erreicht hat.

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Das Training hat bis in eine späte Programmphase hinein wenig mit intellektuellem Verstehen zu tun. Wir lassen die auszubildenden, Patienten an einer Gruppe teilnehmen, in der sie unter ständiger Supervision des Trainers gegenseitig ihrer inneren Verworrenheit und Verrücktheit entgegenarbeiten. Dies wird solange fortgesetzt, bis die Patienten in die eigentliche Lehrphase eintreten können.

Jemand, der in der Lehrtherapiephase steht, tut nichts. Wir wollen nicht, daß er irgendeinen Teil seiner selbst aufgibt, um Therapeut zu werden; deshalb beobachtet, folgt und hört er seinem Lehrtherapeuten zu. Nach seiner Eingewöhnung beginnt er, aus seinen eigenen geordneten Impulsen, statt aus irgendeiner Theorie oder Technik heraus auf die Patienten einzugehen. Jede seiner Therapien steht unter der Supervision seines Therapeuten. Diese ständige Supervision kommt sowohl den Patienten, mit denen er arbeitet, als auch dem Auszubildenden selbst zugute. Wir wollen weder, daß den Patienten verworrene Hilfe zuteil wird, noch, daß die Auszubildenden sich selbst durcheinander bringen, indem sie sich allzusehr bemühen, das Richtige zu tun. Je aufgeschlossener der Auszubildende wird, umso mehr Verantwortung wird ihm in den Feeling-Gruppen übertragen. Schließlich entwächst er der Lehrphase und wird zu einem Mitglied eines therapeutischen Teams.

Niemand führt vor Absolvierung des Lehrprogramms individuelle Intensivtherapie durch. Einige wenige, die an dem Lehrprogramm teilgenommen haben, werden jedes Jahr für ein Training als Intensivtherapeut ausgewählt. Diese Ausbildung entspricht dem Lehrprogramm, ist aber intensiver.

Im allgemeinen verbringt ein Patient ungefähr neun bis zwölf Monate in der Therapie, ehe er eine persön­liche Gefühlsebene erreicht hat, die ihn befähigt, anderen zu helfen. Die Co-Therapie ist keine akademische Angelegenheit. Sie ist ein Wachstum über den traditionellen Mythos des untergeordneten Patienten auf der einen und des allmächtigen Therapeuten auf der anderen Seite hinaus zu einer dynamischen Praxis hin, die darin besteht, andere zu ermutigen, die fühlenden Menschen zu sein, die sie sein können — und sein wollen. 

Gewöhnlich brauchen Co-Therapeuten eine etwa einjährige Erfahrung, bevor sie sich entscheiden können, ob sie weiteres Training haben wollen; falls nicht, leben und arbeiten die Co-Therapeuten weiter in der Feeling-Gemeinschaft, wobei sie ihr Leben erweitern und teilen. Wer weiteres Training will, hat einen Zeitraum von etwa einem Jahr vor sich, in dem er sowohl theoretisch als auch in stärkerem Maße praktisch mehr über die Therapie lernt. Wichtiger jedoch ist, daß er seine eigenen Gefühlswahrnehmungen fördert und seine Fähigkeit verfeinert, verständnisvoll und aufgeschlossen zu sein; er lernt nicht, ein Therapeut zu sein — er wird mehr der, der er ist. An diesem Punkt wird er mit der Behandlung von Patienten beginnen.

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Training für Professionelle. Wir bilden keine Praktiker aus, die nicht zunächst als Patienten die Feeling Therapie mitmachen. Wir bieten wohl Wochenendseminare und praktische Trainingsprogramme an, damit außenstehende Praktiker ihre theoretischen Konzeptionen überdenken können und ihre eigene Praxis verändern. Wir wissen, daß es zur Ausübung der Feeling Therapie eines gemeinschaftlichen und keines professionellen Rahmens bedarf. Wir werden keine Abstriche an der Feeling Therapie machen, denn dann wäre sie keine Feeling Therapie mehr. Wir richten im ganzen Land Studienzirkel für Praktiker ein, nicht, damit sie die Feeling Therapie imitieren, sondern das, was sie tun, effektiver tun können.

In unseren Seminaren versuchen wir, Gruppen von Praktikern zu helfen, von der gegenseitigen Behandlung als Professionelle wegzukommen und die menschliche Hilfe zu erhalten, die sie voneinander benötigen. Praktiker brauchen mehr als eine neue Theorie; sie müssen ihre Lebensformen verändern.

Denjenigen Praktikern, die zwar an unserer Arbeit, nicht aber an Hilfe für sich selbst interessiert sind, bieten wir unsere Programme als eine Herausforderung an die vernünftige Verrücktheit professioneller Vereinzelung an. Wir wollen nicht bekehren, sondern evozieren. Solange wir anderen mitteilen, was wir tun, können sie es für sich mit persönlichen Bedeutungen besetzen. Damit würde das, was sie in ihrer eigenen Praxis tun, durch das beeinflußt werden, was wir ihnen gegeben haben.

Das Training, das wir Praktikern anbieten, wird im ganzen Land in Growth Centern, Universitäten und Fortbildungskursen durchgeführt, neuerdings auch in Kanada. Unsere Programme enthalten gewöhnlich einen der Öffentlichkeit zugänglichen abendlichen Vortrag, der von einem Team aus drei Therapeuten-Dozenten gehalten wird. Am folgenden Tag hält das gleiche Team ein Seminar für professionelle und paraprofessionelle Therapeuten ab. Wir erörtern unsere Arbeit und führen Tonbandaufzeichnungen von Sitzungen, aktuelle Filme und persönliches Traummaterial vor, um die Bedeutung von Verrücktheit und Gefühlen zu spezifizieren.

Natürlich ist uns klar, daß nicht jeder dort leben möchte, wo wir leben. Aus diesem Grunde ermutigen wir die Praktiker derselben Stadt, nach unserer Abreise miteinander in Kontakt zu bleiben. Wir entwickeln gerade für diejenigen, die lediglich ein professionelles oder persönliches Interesse haben, ein Programm, mit dem wir eine kleine Gruppe von Leuten aus einer Stadt sammeln, etwa Cleveland oder Boston, sie in ein angegliedertes Trainingsprogramm aufnehmen und ihnen weiterhin helfen, als Menschen und Praktiker in der helfenden Gemeinschaft zu wachsen.

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   Wir und sie   

 

Aufgrund der Medienstruktur unserer Gesellschaft existieren viele falsche Ansichten über Entdeckungen und diejenigen, die entdecken. Die gängige Meinung ist, daß es bestimmte außergewöhnliche Menschen gibt, die objektive Forschung betreiben und definieren, was Quantenphysik, Relativität oder Verdrängung ist. In Wirklichkeit wird jede Entdeckung durch die Bedürfnisse des Entdeckers zur Vollendung getrieben.

Die Feeling-Therapie entstand nicht dadurch, daß wir uns eines Tages hinsetzten und uns eine Reihe von Theorien und Techniken ausdachten, nach denen wir dann lebten. Alles, was Sie jetzt lesen, ist retrospektive und persönliche Geschichte. Wir wissen, wie wir Patienten helfen können, weil wir alles selbst mitgemacht haben, über das wir schreiben. Wir werden auch in Zukunft die Prozesse durchmachen, die wir beschreiben, da es für uns immer notwendig sein wird, zu fühlen, durch Abwehr zu dringen, zu heilen und geheilt zu werden, einzuführen und eingeführt zu werden, anderen zur Transformation zu verhelfen und uns selbst zu transformieren. Die Therapie verändert sich mit jedem neuen Patienten, der zu uns kommt, aber sie bleibt unverändert darin, daß sie allen Patienten und Therapeuten durch ihre eigene Transformation hilft.

Die Entscheidung, zu fühlen, kann nicht von der Entscheidung losgelöst werden, auf der Grundlage realer Gefühle zu handeln. Ohne das solide Gefühl der Realität, das sich aus der Entscheidung zu fühlen ergibt, befreit sich ein Patient niemals ganz von der Hoffnung, daß der Therapeut irgendwie "irgendetwas Besonderes" für ihn tun werde. Der Therapeut wird jedoch niemals mehr tun, als Abwehr aufdecken und jeden Patienten an Augenblicke der Wahl heranführen, denn die Feeling-Therapie ist eine Therapie mit einer Million Wahlmöglichkeiten, aber ein Patient trifft nur eine Wahl zur gleichen Zeit. Die einzige transformative Entscheidung ist die Wahl, in jedem Moment vollständig zu fühlen.

Einige Patienten können sofort wählen und beginnen mit der Einführung in den Transformationszyklus, während andere monatelang keine wirkliche Wahl für sich treffen können. Der eine Zustand ist nicht besser als der andere; jeder ist für das jeweilige Individuum völlig real. Nicht real wäre es, einen Patienten andere nachahmen zu lassen. Der Augenblick der Wahl ist kein geheiligter Augenblick. Für die Therapeuten und Patienten der Feeling-Therapie ist bedeutsam, daß jeder Augenblick real und gelebt ist und keiner bloß durchgemacht wird.

Ein Patient, Scott, schrieb über seinen Eintritt in die therapeutische Gemeinschaft:

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"Zuerst hatte ich richtig Angst. Ich tat erhaben und intellektuell spitzfindig, darum ließen sie mich in meinen Sitzungen verrückte Dinge tun — mich wie ein Tier oder ein Idiot benehmen. Dies ging ein paar Wochen so, und es gefiel mir nicht. Ganz langsam wachte ich auf und merkte, daß ich am Center war und wie sehr ich hier sein wollte, aber meine Verrücktheit mich davon abgehalten hatte. Ich erkannte allmählich, daß ich hier war, um Hilfe zu erhalten, und daß diese Menschen, die Therapeuten, Helfer waren. Sie kamen mir wie zahme Delphine vor, nicht wild wie die Haie, unter denen ich aufgewachsen war, aber imstande, Haie zu bekämpfen. 

Ich spürte, daß sie mich in einer fühlenden Welt zähmten, einer Welt, die für mich so neu und fremd war wie die Welt des Meeres. Innerhalb von drei Wochen sagte und zeigte ich alles, bloß um den Kontakt zu bekommen, den ich wollte. Was ich sagte, war oft unsinniges und verworrenes Zeug, aber immerhin konnte ich es sagen, und sie schubsten mich näher an meine wirklichen Gefühle heran. Jetzt, nach zehn Monaten Therapie, habe ich zwar meine Höhen und Tiefen, aber ich merke, wie sich mein Leben in mir öffnet. Ich denke an früher zurück und erinnere mich, wie leer ich war; jetzt habe ich gelegentlich Angst, doch ich bin nicht leer. Jetzt fühle ich mich auch wie ein Delphin, ein Lebewesen mit Gefühlen."  

Es mag sich eigenartig anhören, daß Scott diese Delphin-Metapher benutzt, um seine ersten Erfahrungen mit der Feeling-Gemeinschaft auszudrücken, aber wir halten sie für durchaus angemessen. In vieler Hinsicht haben Delphine, Gorillas und andere Tiere einen höher entwickelten Sinn für Gefühle als Medien­menschen. Wenn uns daher jemand vorwirft: "Ihr hört Euch geradezu primitiv an, wie Tiere, mit Eurer ganzen Gefühlsbetonung", fassen wir es als unbeabsichtigtes Kompliment auf.

Es spielt keine Rolle, wie schnell oder langsam ein Patient dazu übergeht, seine eigene Wahl zu treffen. Zahlreiche Therapien und mystische Kulte versprechen magische Veränderungen, sobald man sich einmal auf ihre Art von Hilfe eingelassen hat. Damit können wir nicht dienen, weil wir aus eigener Erfahrung und der Erfahrung unserer Patienten wissen, daß die Gegenwart durch das Wagnis geschaffen wird — das Wagnis, sich selbst zu enthüllen, ohne das Endergebnis zu kennen.

 

  Co-Therapie und Wiederbewerbung   

 

Mit der Forderung, daß jeder Patient zu einem Co-Therapeuten werden müsse, haben wir klar festgelegt, daß ein Patient nur für begrenzte Zeit Patient sein kann. Wir wissen, daß Patienten verantwortungsvoller für ihre Gefühle werden, wenn sie zu Co-Therapeuten werden. Wir wurden fühlender und integrierter, indem wir die volle Verantwortung für gegenseitige Therapie übernahmen. Was uns weiterhalf, hilft auch unseren Patienten weiter.

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Die Patienten erkennen, daß sie nicht durch weise Therapeuten gerettet oder transformiert werden. Eine Heilung oder Transformation kann mit einem Therapeuten oder einem Co-Therapeuten auftreten; die ständige Anwesenheit eines Therapeuten ist nicht erforderlich. Anfänglich ist dies notwendig, doch diese Notwendigkeit weicht dem Bedürfnis, zu wachsen, sich auszudehnen und volle Verantwortung für sein eigenes Leben zu übernehmen.

Während der zwölf Monate, in denen wir die hauptsächliche Therapiequelle für einen Patienten darstellen, können wir — als Therapeuten — ihn in verschiedene Ebenen der Gefühlsrealität hineinführen. Je mehr er bereit, ist, jeweils eine Wahl zu treffen, desto mehr Initiationen wird er erleben. Jede Initiation tritt, wie jeder Augenblick, spontan auf. Sie erfolgt in einer Phase, in der der Therapeut das Abwehrverhalten erschüttert und mehr Gefühle und Verantwortung verlangt, als dem Patienten möglich erscheint. 

Wenn der Patient eine Wahl trifft, öffnet er sich einer anderen Realität, die erweiternder und transformativer ist als diejenige, die er vorher erlebt hat. Initiation bedeutet keinen Verlust früherer Realitäten. Die alte Gefühlsrealität muß teilweise aufrechterhalten wenden, da der Patient aus ihr hervorging. Aber sie wird zu einer integrierten und wiederbelebten Realität, wenn der Patient von neuen Gefühlsebenen her lebt. Es ist unmöglich, ausschließlich in der neu erschlossenen Realität zu leben. Jedoch läßt das ständige Antworten von der neuen Gefühlsebene heraus das, was furchtbar war, zu einem integrierten Bestandteil des eigenen Lebens werden.

Vor Beginn der Co-Therapie muß sich jeder Patient erneut am Center bewerben. Er wird gebeten, spezifische Gedanken und Eindrücke von sich schriftlich niederzulegen; wesentlich ist, daß dies sowohl dem Patienten als auch uns die Gefühlsebene verdeutlicht, die er bisher erreicht hat, wie sehr er von dieser Ebene heraus lebt, wieviel mehr er sich zu verändern wünscht.

Die Co-Therapie ist nur eine Möglichkeit zu wählen. Der Patient selbst oder die Mitarbeiter entscheiden vielleicht, daß er das Center verlassen müsse, um eine Ausbildung zu beenden, um einem langgehegten Ziel oder Wunsch nachzugehen, um zu reisen oder zu arbeiten. Die Wahl selbst ist nicht so wichtig; wichtig ist das Ausmaß des Fühlens. Einige müssen die Gemeinschaft für eine Weile verlassen, damit sie erleben können, wie sie ihre Art zu leben mit der zu fühlen in Einklang bringen. Manche werden vielleicht herumstopseln, anderen gelingt es möglicherweise besser. Uns kommt es in erster Linie darauf an, daß jeder für sich ein Leben findet, das mit seinen inneren Gefühlen übereinstimmt. Denjenigen, die nach dem ersten Jahr das Center verlassen, steht jederzeit die Möglichkeit einer erneuten Bewerbung offen.

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Die Wiederbewerbung ist keine Prüfung — sie ist einfach eine Aussage. Ein Patient teilt uns mit, wie sehr er fühlt, daß er in seinem Leben das ist, was er sein will. Was die Wieder-Bewerbungsprozedur hervorbringt — ist eine klare Entscheidung.

Manche können die Co-Therapie schneller und effektiver durchführen als andere, aber jeder, der in der Therapie bleibt, ist imstande, Hilfe zu geben und zu empfangen. Dies ist deshalb möglich, weil der Patient von Anfang an in die Prozesse seiner eigenen Transformationen hineingeführt worden ist und nicht in irgendwelche veräußerlichten Mysterien. Er ist immer wieder durch seine Abwehr hindurchgegangen, hat bewußte Regression bei sich zulassen können und hat in der Gegenwart aus dem Fühlen und Verstehen heraus gehandelt. 

Da der Patient ständig gezwungen wurde, daß er vorspielte oder nachahmte, was er glaubte tun zu sollen, bekommt er ein Empfinden für sich als jemand, der wählt und selbst aktiv ist. Es ist dieses Empfinden, das er ausbildet, und es ist dieses Empfinden, das immer wieder neue Augenblicke der Wahl eröffnet und ständige Transformation bewirkt. Eine vorgeschriebene Art zu reden oder zu fühlen hat es in der Feeling-Therapie nie gegeben und wird es nie geben. Wir wissen selbst, daß jedes Gefühl real und eindeutig sein muß. Ohne di ese ganz persönlich gewordene Wirklichkeit bleibt lediglich die Hoffnung darauf, daß eines Tages von irgendjemandem oder irgendwoher etwas Gutes oder Reales kommen werde.

 

  Zuhause ist da, wo das Herz ist   

 

Wir erwähnten bereits, daß das Wohnen unserer therapeutischen Gemeinschaft in verschiedenen Teilen der Stadt nebensächlich ist. Wir könnten ebenso gut innerhalb einer Gemeinschaft leben und wohnen, sei es auf dem Lande oder in der Stadt. Entscheidend für eine Gemeinschaft ist nicht ihre geographische Ansiedlung, sondern ihre Fähigkeiten. Eine "Feeling"-Gemeinschaft muß zwei wesentlichen Funktionen gerecht werden können: Erstens, sie muß mit den wiederkehrenden Anfällen der Verrücktheit ihrer Mitglieder fertig werden und zweitens, sie muß die Gefühlsoffenheit unterstützen und ausweiten, die die Menschen erwerben, wenn sie zu seelischer Gesundheit zurückkehren. 

Die erste Fähigkeit ist eine therapeutische, die zweite eine transformative. Jede bleibt ohne die andere unvollständig, denn, sie ergänzen sich. Wir erkannten, daß das Patientsein therapeutisch, nicht jedoch transformativ war. und begannen, uns unseren wahren Bedürfnissen entsprechend für mehr als eine Therapiesitzung oder Therapie einzusetzen.

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In den Gebäuden, Wohnungen und der Struktur unserer Gesellschaft fehlt eine Gefühlsrealität. Jedes Haus wird mit einzelnen vereinzelnden Zimmern gebaut, statt daß wir Inseln des Privaten in unser menschliches Zusammenleben hineinbauen. Jedes Haus ist von anderen Häusern getrennt. Die umgebende Landschaft ist von der Stadt getrennt und die Stadt vom Erdboden. Alle diese Trennungen errichten festgefügte soziale Schranken gegenüber dem Fühlen und verstärken die individuellen Abwehrsysteme.

Darauf zu hoffen, daß irgendwann irgendetwas geschieht, läßt die Menschen alt werden. Betrachtet man gebrechliche und alte Leute, so fällt auf, daß viele ihr ganzes Leben lang darauf gewartet haben, daß irgendetwas oder irgendjemand ihr Leben real macht. Es wurde keine Kraft in ihnen geweckt, sich ihre Gefühle selber zu wählen, und jetzt warten sie darauf, zu sterben. Manche fürchten sich vor dem Tod und dem Ungewissen, andere hoffen, daß ihnen der Tod das Leben bringt, das sie zu Lebzeiten vermißten. Alle haben ihr Leben verloren. 

Hoffen ist die Krankheit der Inaktivität und Passivität. Hoffen besteht aus Gedanken und Phantasien, die niemals vollständig ausgedrückt werden, und aus symbolischen Handlungen, die keine wirkliche Befriedigung geben. Alte Leute sterben, doch ihren Platz nehmen Menschen mittleren Alters ein, und an deren Stelle treten junge Leute.

Hoffnungen sind Täuschungen. Die Patienten und Therapeuten unserer Therapie haben nicht solange gewartet, bis der ideale Gemeinschaftsrahmen gefunden war. Als Antwort auf ihre individuellen Bedürfnisse begannen Patienten, nahe beieinander oder miteinander zu leben. Sie teilten miteinander Miete, Essen und Leben. Aus ihren Gefühlen heraus kam es zu spontanen Partys, oder sie trafen sich, um gemeinsam zu essen, oder sie waren einfach so zusammen. Nicht selten wohnen drei oder vier Patienten in einem Haus. 

Barrieren wie Alter oder Geschlecht existieren für Mitglieder solcher Wohngemeinschaften nicht. Menschen, die fühlen, sind bereit, gemeinsam mit anderen Menschen zu leben, die fühlen. Es ist eine freiwillige Entscheidung, eine Entscheidung, mit einem Menschen zusammenzusein, nicht mit einem Stereotyp. Beim Zusammenleben mit anderen kommt es gelegentlich zu festen Partnerbeziehungen, aber es gibt zahlreiche Patienten, die mit bestimmten Leuten zusammenleben und ihre sexuellen Beziehungen mit anderen haben. Die Rollen weichen, wenn die Gefühlsprozesse vorherrschen und die Verrücktheit klar und sichtbar wird. Zusammenleben heißt, die Umbiegungen, die jeder Einzelne erfahren hat durchzuarbeiten und zu verändern, um dann die Offenheit und Klarheit der gefühlten Wirklichkeit zu teilen.

Da sich jeder Patient und Therapeut der Feeling-Therapie dem außerordentlichen Wunder öffnet, sein eigenes fühlendes Herz zu haben, sucht er das enge Zusammensein mit Freunden und Gefährten, die er mit seinem Herzen fühlt. Ein Kind braucht mehr als einen Gefährten und mehr als ein paar liebevoller Erwachsener. Kinder brauchen Erwachsene, die ihnen die Hände entgegenstrecken und sie in ihren Herzen berühren.

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Fühlende Eltern sind Eltern, die über sich, über Gefühle, über das Leben, wie es ist, wie es sein kann und wie es niemals sein wird, die Wahrheit sagen. Ein Kind braucht Freunde und Gefährten, mit denen es sein Herz, sein Erwachsenwerden, sein Leben teilt. Ein Kind braucht Lehrer und Freunde, die einfach und weise sind, Handwerker, Künstler und Überzeugte des Herzens. Ein Kind braucht das, was wir alle brauchen. Wenn die Menschen aus dem geheimnisvollen Schlummer der Verrücktheit aufwachen, bestätigen sie ihre Bedürfnisse nach gegenseitigem Kontakt.

Fast alle unsere Patienten wissen, daß diejenigen, die nicht in der Therapie sind, immer etwas außerhalb ihrer selbst suchen. Die Menschen sind so weit entfernt von der gänzlichen Einfachheit ihrer selbst und der menschlichen Natur, daß sie in sich keine Resonanz spüren und in nichts eine Bedeutung sehen. Sie werden zu bloßen Wortspeichern. Was unsere Patienten wissen, bedeutet ihnen etwas, weil sie das., was sie fühlen, leben und leben müssen. Niemand bestimmt. Niemand will bestimmen. Es gibt nur Individuen, die festgestellt haben, daß Psychotherapie nicht ausreicht, die festgestellt haben, daß die humanistische Psychologie nur Worte über Gefühle hat, die festgestellt haben, daß Drogen den Gefühlsbereich öffnen, aber kein Leben nähren, die festgestellt haben, daß es zu hart ist, zu fühlen und offen zu sein, wenn sie nicht mit dem menschlichen Kontakt leben, der ihre Realität trägt.

Die Patienten der Feeling Therapie leben die Realität ihrer Gefühle jetzt aus. Gefühle werden in der Gegen­wart durch Kontakt, genährt. All die Verrücktheit, die Verletzungen und der Verlust des Herzens rühren her vom Verlust des Kontakts. Das Bedürfnis nach Kontakt veranlaßt die Patienten, mehr als eine Psychotherapie zu schaffen. Psychotherapie hängt von individuellen Therapeuten ab. Sobald Gefühle als Realität aufgefaßt werden, durchdringen und weiten sie jede Lebensaktivität aus.

 

   Die innere und äußere Gemeinschaft   

 

Den Kern der therapeutischen Gemeinschaft bilden die Therapeuten und Co-Therapeuten, die sich immer wieder gegenseitig in Gefühle hineinführen. Sie richten ihr Leben ganz auf das aus, was innerhalb der therapeutischen Gemeinschaft geschieht. Am Rande der Gemeinschaft stehen Menschen, die wegen "Hilfe" kommen, Hilfe erhalten und dann das Center wieder verlassen, um ihre Bedürfnisse und Ambitionen irgendwo anders auszuleben. Die Mitte der Gemeinschaft bilden Menschen, die wegen Hilfe kommen und in der Therapie durch so viele Initiationen gelangen, daß sie tiefe, offene und anteilnehmende Beziehungen zu Leuten ihrer eigenen Co-Therapiegruppe entwickeln können. Sie verlassen uns manchmal für Wochen oder Monate und kehren dann wieder zurück.

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Die Endpunkte der Therapie sehen für verschiedene Patienten verschieden aus: einige durchlaufen die Therapie, einige kommen und gehen, und einige bleiben. Diejenigen, die die Therapie durchlaufen, gehen nach einigen Initiationen mit der Einstellung: "Mir wurde geholfen, und ich kann wiederkommen, wenn ich Hilfe brauche". Diejenigen, die kommen und gehen, haben die Einstellung: "Ich kann mir selbst und anderen helfen, und ich kann zur Gemeinschaft zurückkehren, wann immer ich will". Diejenigen, die bleiben, haben die Einstellung: "Ich gehöre hierher, hier will ich mein Leben leben, mit diesen Menschen".

 

Man kann den Eintritt in die Feeling-Therapie eher mit der Aufnahme in eine spirituelle Gemeinschaft vergleichen als mit dem Eintritt in eine gewöhnliche Psychotherapie, mit einem allerdings entscheidenden Unterschied — unsere Therapie findet in der Welt statt und beteiligt den Patienten an der Welt, nicht an irgendeinem außerirdischen Sein. Tatsächlich führen wir die Menschen in die Welt zurück, die sie verlassen haben. Anfangs ist ihre Verrücktheit ein Hindernis zwischen ihnen und der Welt. Indem sie in ihre Verrücktheit hineingehen und sie fühlen, werden sie so unbelastet, daß sie wieder in die reale Welt eintreten können.

Die Vorstellung, daß transformative Therapie Gemeinschaft ist, wurde in den vielen Growth-Centern, die in den letzten Jahren aus dem Boden schossen, unausgesprochen vorausgesetzt. Sie wurde jedoch nie explizit und wirksam, weil die Growth-Center-Therapien zwar die Verflechtung von Pathologie und Wachstum, von Heilen und Ausdehnen erkennen, sich aber nicht zur Bewältigung von Verrücktsein und Gesundsein strukturieren. 

Die meisten, die Growth-Center-Therapien mitmachen, bekommen nur flüchtig zu sehen, was ihnen fehlt; die wenigen, die mehr bekommen, sind Leiter der Growth Center, die dort bleiben. Aber auch sie sind begrenzt, da ihre eigene Therapie nicht kontinuierlich wächst und intensiver wird. Sie bleiben auf einer Ebene des Fühlens stehen. Oder, was noch schmerzhafter ist, sie öffnen und schließen sich immer wieder, weil ihnen zur Unterstützung ihres Lebens eine Gemeinschaft von Helfern fehlt. 

Da sich die Growth Center nicht zu "Feeling"-Gemeinschaften weiterentwickeln, gleiten die meisten in eine kultische Auseinandersetzung mit dem Transzendentalen und Übernatürlichen. Sie ersetzen das, was sie in ihrer Realität vermissen, durch den Glauben an andere Realitäten.

Eine solche Substitution erfolgt auch außerhalb der Growth-Center-Gegenkulturen. Der einzige Unterschied liegt im Inhalt des jeweiligen Glaubens: die Gegenkultur glaubt an transzendentale Realitäten, die herkömmliche Kultur an materielle Realitäten.  

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   Stars und Pyramiden   

 

Die herkömmliche Kultur wird von zwei Mythen genährt. Der erste Mythos besagt, daß Gefühle roh seien und erst zum Streben nach Dingen und Leistungen verfeinert werden müssen. Der zweite Mythos besagt, daß es Menschen gebe, die all dies erlangen und glücklich seien. In einer von Medien beherrschten Kultur haben Stars und Superstars die Funktion, diese Mythen aufrechtzuerhalten.8) Sie sind verkörperte Vorstellungen von Erfolg, von "es schaffen"

Wenn die Menschen nicht aus ihren eigenen Grundimpulsen heraus leben, hoffen sie aus den Vorstellungen heraus, die ihnen die Medien vermitteln. Ein solches Suchen nach Wunschbildern ist charakteristisch für alle Medienkulturen, ganz gleich, welche Medien die Bilder liefern. Sowohl die Stars als auch die Fans stecken voller Imagehoffnungen, aber sie haben die Verbindung zu sich selbst verloren.

Die Folge dieser Mythen ist, daß unsere Kultur nicht auf Grundbedürfnissen und gefühlten Kontakten beruht, sondern auf pyramidenförmigen Abstraktionen und dem Streben nach Mythen. Für viele Menschen beispielsweise ist "Grundbesitz" realer als die Natur; "die Familie" ist realer als Eltern und Kinder, die zusammenleben; "meine Karriere" ist realer als das, was sie in sich fühlen; und "mein Vaterland" ist realer als Menschen, Leben und Tod.

Einer unserer Patienten, "J. J.", drückte das, was ihm das Starsystem bedeutete, folgendermaßen aus:

Seit meinem achten Lebensjahr wollte ich ein Baseballspieler sein. Ich sammelte Kaugummibilder von allen meinen Lieblingsspielern, vor allem von den Werfern. Als ich zehn war, hatte ich die Spieltaktik der Profis raus. Ich war wirklich ein Star, zuerst in der Little League, dann in der Babe Ruth League und schließlich in der High School- und Collegemannschaft. Ich war ein High School- und College-All- American, und ich hätte im zweiten Collegejahr einen Vorvertrag unterschreiben können. 

Aber dann nahm alles einen anderen Lauf. Ich wollte wissen, ob wirklich ich den Leuten gefiel oder der "Baseballstar". Ich machte lauter verrückte Sachen, zum Beispiel ließ ich die Schlagmänner absichtlich Schläge machen, um die Reaktion des Trainers und der anderen Spieler zu testen. Eine Knieverletzung, von der ich mich nicht erholte, bedeutete das Ende meiner Karriere. Es war, als ob ich nicht mehr fest genug an mich selbst als Baseballstar glaubte und eine Entschuldigung dafür haben mußte, daß ich es nicht schaffte. Dann rutschte ich in die Drogenszene ab — ich glaubte an gar nichts mehr. Ich gab das Baseballspielen ganz auf und schaute mir nicht einmal die Spiele im Fernsehen an. Als ich in die Therapie kam, wollte mein Therapeut, daß ich mir wieder Baseballspiele ansehe, von Anfang an bis zum Ende, und ich mußte anfangen, selbst jeden Tag zu spielen. Ich litt darunter, denn ich merkte langsam, daß es in meinem Leben nichts anderes gegeben hatte als Baseball und Ansichten über Baseball. Ich hatte keine Mutter, keinen Vater, keinen Bruder, keine Schwester, keine Freunde — nur Baseball.

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Es ist unwesentlich, ob jemand versucht, ein Star zu sein wie J. J. oder stellvertretend durch einen Medien­star lebt. Es ist unwesentlich, welche Art von Star man wählt — Sportstar, Geschäftsstar, Filmstar, Politikerstar, Sexstar, Forscherstar, Literaturstar — sie alle unterscheiden sich nicht, wenn sie die Realität durch ein Image ersetzen. Und es ist auch unwesentlich, ob es jemand schafft oder nicht schafft, wenn er den Kontakt mit sich selbst und anderen verloren hat — J. J. hatte es nicht geschafft und war einsam; andere Patienten in unserer Therapie haben es geschafft und waren trotzdem einsam.

Wir wissen, daß im Laufe der Zeit die Kultur auf Gefühlen basieren muß, nicht auf dem Glauben an etwas und auf Images. Es ist unrealistisch, zu erwarten, daß sich eine von Medien beherrschte Kultur selbst mit neuen Glaubensvorstellungen und Images transformieren könne, die "besser" sind als die alten, auch nicht mit einem Glauben an Gefühle. Die Menschen müssen da anfangen, wo sie stehen, individuell, und in kleinen Gruppen zusammenkommen, um das, was sie von sich entdecken, aufrechtzuerhalten.

Vor der Agrarrevolution lag die Lebenserwartung des Menschen bei nur etwa fünfundzwanzig Jahren. Heute liegt sie bei ca. siebzig Jahren. Was können wir mit diesem Geschenk der Langlebigkeit anfangen? Die Antwort liegt unserer Meinung nach nicht allein in technologischer Planung, sondern in der Intensität menschlichen Kontakts — nichts sonst macht das Leben lebenswert. Eine Feeling-Gemeinschaft ist die Gemeinschaft eines erweiterten Lebens. Sie ist die Gemeinschaft unserer tierischen Vergangenheit und unserer menschlichen Zukunft.

 

   Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Verantwortlichkeit   

 

Die Ideale der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit haben auf die intellektuelle und politische Geschichte der westlichen Welt einen bedeutenden Einfluß ausgeübt. Diese Ideale werden heute immer wieder von Gruppen geltend gemacht, die sich für soziale Reformen und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Uns ist klar, daß Psychotherapie kein Ersatz für soziale Reformen ist. Jemand muß in einer Gesellschaft ein wirkliches Ziel und eine wirkliche Hoffnung für sich haben, bevor es überhaupt sinnvoll ist, nach persönlichen Bedeutungen und erweitertem Bewußtsein zu suchen.

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Die gegenwärtige Wiederaufnahme der Suche nach Brüderlichkeit oder Gemeinschaft läßt sich vielerorts bei jungen Leuten beobachten. Jesusgruppen, Krishnasekten und Kommunen — sie alle spiegeln das Bemühen wider, Brüderlichkeit zu finden. Die meisten dieser Gruppen bilden sich aufgrund eines gemeinsamen Glaubens an Gott, Sex, Drogen oder Politik, und sie bleiben nur so lange zusammen, wie dieser Glaube aufrechterhalten wer den kann. Unsere Erfahrung ist die, daß eine Gruppe oder Kommune eine solidere Grundlage hat, wenn sie auf gemeinschaftlichem Fühlen beruht, statt auf Glauben, Idealen oder Ideen. 

Die Grenzen der meisten Anstrengungen, eine Gemeinschaft zu finden, sind Grenzen persönlicher Art. Die individuelle Verrücktheit kann durch idealistische Glaubensansichten nicht allzu lange unterdrückt werden. Die Verrücktheit wird schließlich zum Vorschein kommen und die Gemeinschaft zerstören. Die erste Notwendigkeit für eine wahre Gemeinschaft besteht somit darin, sich in irgendeiner Weise mit der Verrücktheit ihrer Mitglieder auseinanderzusetzen.

Unserer Meinung nach dienen kathartische Rituale dazu, die individuelle Verrücktheit zu bewältigen und Gruppenstreit zu verhindern. Wir leben in einem extrem individualistischen Zeitalter. Wir werden nicht in die Rollen und Images hineingeboren, die das eigene Leben bestimmen werden. Vielmehr müssen wir eine Persönlichkeit entwickeln, das heißt, uns auf individuelle Weise in der Welt finden und in ihr darstellen. Daraus folgt, daß kathartische Rituale für den modernen Menschen keine Gruppenzeremonien sein können, sondern individuell aussagekräftig sein müssen. 

Obwohl wir allgemeine Images durch die Mediengemeinschaft von Fernsehen, Radio, Werbung und Kino teilen, können wir aus diesen Images keine kathartischen Gefühle ziehen. Ausdruck hängt ab von der Fähigkeit zu antworten, d.h. einem wirklichen Geben und Nehmen zwischen zwei Menschen. Die Medienbilder, die unsere Persönlichkeit formen, werden uns nicht in einer antwortenden menschlichen Kontaktsituation vermittelt.

Dies ist der wesentliche Verlust innerhalb einer Mediengesellschaft. Hinter den Images, nach denen wir zu leben lernen, steht keine gefühlte Realität. Das heißt, wir werden der grundlegenden Fähigkeit beraubt, aus unseren Gefühlen heraus auf, andere zu antworten. Diese Fähigkeit, auf Gefühle und aus Gefühlen heraus zu antworten, ist der persönliche Kern jeder wahren Feeling-Gemeinschaft. 

In einer verwalteten Gesellschaft wie unserer erhält Verantwortung eine Bedeutung von "seine Pflicht tun müssen" oder "seiner Verantwortung gerecht werden müssen" — dies sind die abgedroschenen Klischees, die von den Medien verbreitet werden. Aber solche Mahnungen sind wenig nachhaltig, da die wirkliche Basis für Ver-antwort-ung verlorengegangen ist. Verantwortung heißt "Fähigkeit zu antworten" — die Fähigkeit, aus sich selbst heraus und für sich selbst zu antworten, und eben dies ist verlorengegangen. 

Ver-Antwort-ung, die Fähigkeit zu antworten, kann nicht durch das Fernsehen beigebracht werden; sie bedarf der Unmittelbarkeit eines anderen Menschen, der auf die leisesten Bewegungen und Veränderungen von Gefühlen antwortet und seinen Ausdruck für den Ausdruck des anderen zurückgibt. Nur wenigen Menschen wurde jemals wirklich aufmerksam zugehört, und nur wenigen Menschen wurde jemals wirklich geantwortet — daher wachsen sie ohne die Fähigkeit auf, anderen zuzuhören und ihnen zu antworten. Sie können nicht kommunizieren.

Die Ideale der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit nehmen in einer Gemeinschaft fühlender Menschen eine reale Bedeutung an. Freiheit ist die Freiheit zu fühlen, zu leben und seine eigenen Gefühle zu kennen, welche es auch immer sein mögen. Gleichheit ist die Gleichheit von Gefühlen und Gedanken einer Person mit denen anderer — es sind ihre, sie sind sie, und sie sind kostbar, weil die Person kostbar ist und sich selbst wertschätzt. Brüderlichkeit ist die Verbundenheit innerhalb einer Gemeinschaft von Menschen, die frei und gleich sind, weil jeder die Verantwortung für seine eigenen Gefühle übernommen hat und auf die Gefühle anderer zu antworten vermag.

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