Mike Davis

Das Monster
kommt rein

Covid-19, Vogelgrippe
und die Plagen des
Kapitalismus

The Monster enters.
Covid-19, Avian Flu and the Plagues of Capitalism

2020 (200 Seiten)

2020   

200 Seiten

Bing.Buch  

Goog.Buch

detopia

Start Davis

Ökobuch

Seuchenbuch

Davis-2005

 

 

14.04.2020

Mike Davis

Ein Jahr
wie die Pest

 

Mit dem Coronavirus steht ein lange erwartetes Ungeheuer vor der Tür. Inmitten der Hilflosigkeit des globalen Kapitalismus ist die Zeit für ein öffentliches, internationales Gesundheitssystem gekommen.


Übersetzung von Kai Feldheim und Max Lill

Mike Davis ist Soziologe und Historiker.

jacobin.de  mike-davis-corona-virus-vogelgrippe 


Artikel bzw. Interviews mit Mike Davis im Jahr 2020

Hier als PDF:    Magazin Jacobin      Ebert-Stiftung        Republik-Schweiz-Magazin 

 

Das Coronavirus – das ist der alte Film, den wir immer wieder gesehen haben. Seitdem uns der Autor Richard Preston 1994 in seinem Buch Hot Zone. Tödliche Viren aus dem Regenwald mit dem vernichtenden Dämon namens Ebola bekannt gemacht hat, der in einer geheimnisvollen Fledermaushöhle in Zentralafrika geboren wurde, wiederholt sich die Geschichte immer und immer wieder.

Ebola war nur die erste in einer Reihe neuer Krankheiten, die auf dem, wie es in der Medizin heißt, »virgin field« (deutsch etwa »jungfräuliches Feld«) des unerfahrenen Immunsystems der Menschheit ausgebrochen ist. Auf Ebola folgten bald die Vogelgrippe, die 1997 auf den Menschen übersprang, und SARS Ende 2002: Beide traten zuerst in Guangdong, dem Produktionszentrum der Welt, auf.

Hollywood hat sich dieser Ausbrüche natürlich begierig angenommen und sie in einer Reihe von Filmen verarbeitet, die uns aufwühlen und erschrecken sollten

(Steven Soderberghs <Contagion> von 2011 zeichnet sich durch seine wissenschaftsgetreue Darstellung aus, und dadurch, dass der Film das gegenwärtige Chaos beinahe unheimlich präzise vorwegnahm).  wikipedia  Contagion_(Film) 

Zusätzlich zu den Filmen und unzähligen reißerischen Romanen haben Hunderte von Sachbüchern und Tausende von wissenschaftlichen Artikeln auf jeden dieser Ausbrüche reagiert. Viele dieser Beiträge haben hervorgehoben, wie schlecht wir weltweit darauf vorbereitet sind, solche neuartigen Krankheiten zu erkennen und auf sie zu reagieren.

Zahlen-Chaos

Das Coronavirus betritt die Bühne also als vertrautes Monster. Die Sequenzierung seines Genoms (sehr ähnlich wie beim gut untersuchten, verwandten Virus SARS) war ein Kinderspiel, doch die wichtigsten Informationen fehlen noch immer. Die Forscherinnen und Forscher, die Tag und Nacht an der Untersuchung des Ausbruchs arbeiten, stehen vor drei großen Herausforderungen:

Erstens verhindert der anhaltende Mangel an Testkits, insbesondere in den Vereinigten Staaten und Afrika, eine genaue Schätzung der Schlüsselparameter wie etwa der Reproduktionsrate, der Anzahl der Infizierungen sowie der gutartigen Verläufe. Das Ergebnis: ein regelrechtes Zahlen-Chaos.

Zweitens mutiert das Virus, wie auch bei den jährlichen Grippewellen, in dem Maße, in dem es sich zwischen Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher Alterszusammensetzung und mit unterschiedlichem Gesundheitszustand bewegt. Die Mutation, die derzeit bei US-Bürgerinnen am ehesten auftritt, unterscheidet sich bereits von der des ursprünglichen Ausbruchs in Wuhan. Eine weitere Mutation könnte gutartig sein oder aber die aktuelle Virulenz, die derzeitig bei den über Fünfzigjährigen stark ansteigt, nochmal verändern.

Trumps »Coronagrippe« ist zumindest für ein Viertel der US-Amerikaner, die entweder älter sind, ein schwaches Immunsystem oder chronische Atembeschwerden haben, eine tödliche Gefahr.

Drittens:

Selbst wenn das Virus stabil bleibt und wenig mutiert, könnten die Auswirkungen auch auf jüngere Altersgruppen insbesondere in ärmeren Ländern und unter von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppen schwerwiegend sein.

Man erinnere sich an die globalen Auswüchse der Spanischen Grippe in den Jahren 1918–19, der schätzungsweise ein bis zwei Prozent der Menschheit erlegen sind. In den Vereinigten Staaten und Westeuropa war die ursprüngliche H1N1 am tödlichsten für junge Erwachsene. Man vermutete damals, dies sei auf ihr vergleichsweise stärkeres Immunsystem zurückzuführen, das auf die Infektion überreagiere und Lungenzellen angreife, was wiederum eine virale Lungenentzündung auslöse und zu einem septischen Schock führe.

In der jüngeren Vergangenheit hat die Epidemiologie noch eine andere Theorie aufgestellt, nämlich dass ältere Erwachsene damals möglicherweise noch ein »Immungedächtnis« von einem vorherigen Ausbruch in den 1890er Jahren hatten, das ihnen Schutz bot.

In jedem Fall breitete sich die Grippe bevorzugt in Armeelagern und Feldgräben aus, wo sie junge Soldaten zu Zehntausenden dahinraffte. Dies wurde zu einem entscheidenden Faktor im damaligen Kräftemessen der Imperialmächte.

Dass die deutsche Frühjahrsoffensive von 1918 zusammenbrach – und Deutschland den Krieg verlor – kann der Tatsache zugeschrieben werden, dass die Alliierten, anders als ihre Feinde, ihre kranken Armeen durch neu angekommene amerikanische Truppen ersetzen konnten.

In ärmeren Ländern hatte die Spanische Grippe jedoch ein völlig anderes Profil.

Selten wird erwähnt, dass fast 60 Prozent der weltweiten Sterbefälle (das sind mindestens zwanzig Millionen Tote) damals im Punjab, in Bombay und anderen Teilen Westindiens auftraten, wo Getreideexporte nach Großbritannien und brutale Praktiken der Beschlagnahme mit einer großen Dürre zusammenfielen.

Die daraus resultierende Nahrungsmittelknappheit trieb Millionen von armen Menschen an den Rand des Hungertodes. Sie wurden Opfer einer fatalen Wechselwirkung zwischen Unterernährung – die ihr Immunsystem schwächte – und einer grassierenden bakteriellen sowie viralen Lungenentzündung. Ähnliches geschah im britisch besetzten Iran. Eine Jahre überdauernde Dürreperiode, die Cholera, Nahrungsmittelknappheit, gefolgt von einem ausgedehnten Malariaausbruch hatten den Tod von schätzungsweise einem Fünftel der Bevölkerung zur Folge.

Der Blick in die Vergangenheit – und insbesondere die unbekannten Wechselwirkungen mit Unterernährung und bereits bestehenden Infektionen – sollte uns warnen: COVID-19 könnte in den dicht besiedelten, krankheitsanfälligen Slums Afrikas und Südasiens einen anderen, noch tödlicheren Verlauf nehmen. Inzwischen treten Fälle in Lagos, Kigali, Addis Abeba und Kinshasa auf, aber niemand weiß, wie die Krankheit sich dort unter den lokalen Gesundheitsbedingungen entfalten wird. Angesichts fehlender Tests wird dies auch lange unbekannt bleiben.

Manche behaupten, dass die Pandemie in Afrika nur milde Auswirkungen haben wird, da die dortige urbane Bevölkerung eine der jüngsten der Welt ist. Angesichts der Erfahrung von 1918 ist dies jedoch eine kurzsichtige Prognose. Genauso wie die Annahme, die Pandemie würde, wie die saisonale Grippe, mit wärmerem Wetter zurückgehen. Tom Hanks hat sich kürzlich in Australien, wo gerade noch Sommer ist, mit dem Virus angesteckt.

Ein medizinischer Hurrikan Katrina

In einem Jahr dürften wir mit Bewunderung auf Chinas Erfolg bei der Eindämmung der Pandemie zurückblicken, aber mit Schrecken auf das Versagen der Vereinigten Staaten (Ich würde an dieser Stelle waghalsig behaupten, dass Chinas Angaben zum raschen Rückgang der Neuinfektionen mehr oder weniger zutreffend sind).

Die Unfähigkeit unserer Institutionen, die Büchse der Pandora geschlossen zu halten, überrascht natürlich wenig. Seit dem Jahr 2000 haben wir wiederholt Zusammenbrüche des Gesundheitssystems beobachten können.

Sowohl in der Grippesaison 2009 als auch 2018 waren die US-amerikanischen Krankenhäuser heillos überlastet. Nach Jahren des profitorientierten Abbaus stationärer Kapazitäten wurde der schockierende Mangel an Krankenhausbetten deutlich. Diese Krise geht auf die Offensive von Unternehmen zurück, die Reagan an die Macht brachten und die führende Demokratinnen zu Sprachrohren des Neoliberalismus machten.

Nach Angaben der American Hospital Association ging die Zahl der stationären Krankenhausbetten zwischen 1981 und 1999 um außerordentliche 39 Prozent zurück. Ziel war es, die Gewinne zu steigern, indem man dafür sorgte, dass der Anteil an belegten Betten pro Krankenhaus möglichst hoch lag. Dieses Ziel des Managements – nämlich 90 Prozent Belegung – bedeutete jedoch, dass die Krankenhäuser im Fall von Epidemien oder medizinischen Notfällen nicht mehr in der Lage waren, den Zustrom von neuen Patientinnen und Patienten aufzufangen.

In den letzten zwanzig Jahren wurde die Notfallmedizin weiter reduziert: In der Privatwirtschaft durch den Imperativ des »Shareholder-Value«, der die Erhöhung kurzfristiger Dividenden und Gewinne vorsieht, und im öffentlichen Sektor durch Sparmaßnahmen und Kürzungen in den Bereitschaftshaushalten der Bundesstaaten und des Bundes.

In der Konsequenz stehen nur noch 45.000 Betten auf Intensivstationen zur Verfügung, um die zu erwartende Welle schwerer und kritischer Coronavirus-Fälle zu bewältigen. (Zum Vergleich: im Verhältnis zur Bevölkerungszahl stehen den Südkoreanerinnen mehr als dreimal so viele Betten zur Verfügung wie den US-Amerikanerinnen). Laut einer Untersuchung von USA Today hätten »nur acht Staaten genügend Krankenhausbetten, um die 1 Million US-Bürgerinnen ab 60 Jahren zu behandeln, die an COVID-19 erkranken könnten«.

Die USA befinden sich im Anfangsstadium eines medizinischen Hurrikan Katrina. Während Expertinnen sich für eine massive Ausweitung der öffentlichen Investitionen in die medizinische Notfallversorgung aussprechen, mangelt es an grundlegender Ausstattung und an Notfallbetten.

Die nationalen und regionalen Vorräte werden auf einem Niveau gehalten, das weit unter dem liegt, was in epidemischen Krisenszenarien als notwendig erachtet wird. So fällt das Debakel fehlender Testkits mit einem kritischen Mangel an grundlegender Schutzausrüstung für das Gesundheitspersonal zusammen.

Militante Krankenschwestern, soziales Gewissen der Nation, klären über die verheerenden Implikationen der unzureichenden Vorräte an Schutzausrüstungen wie N95-Gesichtsmasken auf. Sie machen darauf aufmerksam, dass die Krankenhäuser einen idealen Nährboden für antibiotikaresistente Superbakterien wie C. difficile bieten. Die Komplikationen, die solch eine Infektion auslösen könnte, könnte für viele Patienten auf sekundärem Weg tödlich ausgehen.

 

Die gesellschaftliche Kluft

Der Ausbruch des Virus hat eine extreme Klassenspaltung im Gesundheitswesen der USA unmittelbar sichtbar gemacht, die auch schon Bernie Sanders‘ Präsidentschaftskampagne landesweit auf die Agenda gesetzt hat. Diejenigen, die über eine gute Krankenversicherung verfügen und auch von zu Hause aus arbeiten oder unterrichten können, sind weitgehend gut isoliert und geschützt, sofern sie die empfohlenen Schutzmaßnahmen einhalten.

Beschäftigte im öffentlichen Dienst und andere Arbeitende aus gewerkschaftlich organisierten Bereichen mit akzeptablen Krankenversicherungen werden sich hingegen zwischen Einkommen und dem Schutz ihrer Gesundheit entscheiden müssen. Und die Millionen von Niedriglohnbeschäftigten im Dienstleistungssektor und in der Landwirtschaft, die Arbeitslosen und die Obdachlosen werden den Wölfen zum Fraß vorgeworfen.

Bekanntermaßen sieht jede allgemeine Krankenversicherung, die diesen Namen verdient, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vor. 45 Prozent der Beschäftigten haben diesen Anspruch jedoch derzeit nicht. Sie sehen sich praktisch dazu gezwungen, die Infektion entweder zu übertragen oder vor leeren Tellern zu sitzen.

Zudem haben sich 14 republikanische Staaten geweigert, ein Gesetz für bezahlbare Pflege zu erlassen, das Medicaid (ein Versicherungsprogramm für Menschen mit geringem Einkommen) auf die arbeitenden Armen ausdehnen würde. Denn aktuell ist zum Beispiel jede vierte Person in Texas gar nicht versichert. Ihnen bleibt nur die Notaufnahme des Bezirkskrankenhauses, um sich behandeln zu lassen.

Die tödlichen Widersprüche eines privaten Gesundheitssystems sind in Zeiten der Seuche in der gewinnorientierten Industrie der Pflegeheime am deutlichsten zu erkennen.

Dort leben 2,5 Millionen ältere US-Amerikaner und -Amerikanerinnen, von denen die meisten über Medicare versorgt werden. Die Pflegebranche schlägt aus niedrigen Löhnen, personeller Unterbesetzung und illegalen Kostensenkungen Kapital. Zehntausende sterben jedes Jahr, weil die Einrichtungen grundlegende Verfahren zur Infektionskontrolle vernachlässigen – und weil die Regierungen dabei versagen, das Management für ihr Handeln, das man getrost als vorsätzlichen Totschlag bezeichnen könnte, zur Rechenschaft zu ziehen. Für viele Heime – insbesondere in den Südstaaten – ist es billiger, Strafen für Verstöße gegen die Hygienevorschriften zu zahlen, als zusätzliches Personal einzustellen und dieses angemessen auszubilden.

Es überrascht kaum, dass ein Pflegeheim in Kirkland, einem Vorort von Seattle, zum ersten Epizentrum der Übertragung des Corona-Virus in den Vereinigten Staaten wurde. Ich habe mit Jim Straub, einem alten Freund und Gewerkschafts-Organizer in Pflegeheimen in der Gegend von Seattle, gesprochen, der derzeit einen Artikel für The Nation schreibt. Er bezeichnete die Einrichtung als »eine der am schlechtesten ausgestatteten des Staates« und das gesamte Pflegeheimsystem des Staates Washington »als das am stärksten unterfinanzierte des Landes – eine absurde Insel kargen Leidens inmitten der Geldberge der Tech-Industrie.«

Er hat außerdem darauf hingewiesen, dass die Beamten des öffentlichen Gesundheitswesens den entscheidenden Faktor, der die rasche Übertragung der Krankheit von dem erwähnten Pflegeheim auf zehn weitere, nahe gelegene Pflegeheime erklärt, übersehen haben: »Die Mitarbeiterinnen von Pflegeheimen im teuersten Mietmarkt Amerikas arbeiten in der Regel an mehreren Arbeitsplätzen gleichzeitig, in der Regel in mehreren Pflegeheimen«. Die Behörden haben es versäumt, die Namen und Orte dieser Nebenberufe zu erfragen und haben somit jegliche Kontrolle über die Verbreitung von COVID-19 verloren. Und niemand schlägt bisher vor, den mit der Infektion verbundenen Arbeitsausfall zu kompensieren.

Im ganzen Land werden sich Dutzende, wahrscheinlich Hunderte weitere Pflegeheime zu Corona-Hotspots entwickeln. Viele Arbeitnehmer werden sich schließlich für die Tafeln und gegen Arbeit unter solchen Bedingungen entscheiden und zu Hause bleiben. In diesem Fall könnte das ganze System zusammenbrechen – und es ist wohl kaum zu erwarten, dass die Armee dazu bereit sein wird, Bettpfannen zu leeren.

Internationale Solidarität

Die Argumente für einen Versicherungsschutz für alle und bezahlte Krankentage werden mit dem zunehmenden, tödlichen Voranschreiten der Pandemie zwingender. Während Biden darauf fixiert ist, Trump anzugreifen, müssen sich die progressiven Kräfte, wie von Bernie vorgeschlagen, zusammenschließen, um bei dem Parteitag der Demokraten, der Mitte Juli in Milwaukee stattfinden wird, die Partei für Medicare for All zu gewinnen.

Bei dieser Gelegenheit, bei der auch der demokratische Präsidentschaftskandidat gewählt wird, müssen die Delegierten von Sanders und Warren an einem Strang ziehen. Doch auch abseits der Wahlpolitik gibt es einiges zu tun: Aktivistische Kämpfe gegen Zwangsräumungen, Entlassungen, gegen Arbeitgeberinnen, die sich gegen Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall weigern, stehen bevor. Angst vor Ansteckung? Demonstrierende, die mit Sicherheitsabstand zueinander protestieren, ergeben eher noch ein stärkeres Bild im Fernsehen. Es ist an der Zeit, die Straßen zurückzuerobern.

Eine allgemeine Krankenversicherung und die damit verbundenen Forderungen sind jedoch nur ein erster Schritt.

Es ist enttäuschend, dass weder Sanders noch Warren in den Vorwahlen auf den Rückzug großer Pharmakonzerne aus der Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika und antiviraler Mittel aufmerksam gemacht haben. Von den achtzehn größten Pharmaunternehmen haben sich fünfzehn völlig aus diesem Feld der Forschung zurückgezogen. Herzmedikamente, süchtig machende Beruhigungsmittel und Behandlungen gegen männliche Impotenz sind Profitmacher, nicht aber die Bekämpfung von Krankenhausinfektionen, neu aufkommenden Krankheiten und traditionellen Tropenkillern.

Ein universeller Impfstoff gegen die Grippe – das heißt also ein Impfstoff, der auf die unveränderlichen Teile der Oberflächenproteine des Virus abzielt – ist seit Jahrzehnten eine Möglichkeit, die aber nie profitabel genug erschien, um Priorität zu erlangen.

Sollte die Antibiotika-Revolution rückgängig gemacht werden, drohen alte Krankheiten neben neuen Infektionen wiederaufzutauchen, und Krankenhäuser werden zu Leichenhäusern werden. Selbst Trump wettert gerade opportunistisch gegen absurd hohe Verschreibungskosten.

Wir brauchen eine entschlossenere Vision, die darauf abzielt, Arzneimittelmonopole aufzubrechen und die öffentliche Produktion lebenswichtiger Medikamente zu ermöglichen (Früher war dies möglich: Während des Zweiten Weltkriegs verpflichtete die Armee den Immunologen Jonas Salk und andere Forschende dazu, den ersten Grippeimpfstoff zu entwickeln).

Wie ich vor fünfzehn Jahren in meinem Buch Vogelgrippe. Zur gesellschaftlichen Produktion von Epidemien schrieb:

»Zugang zu lebensrettenden Medikamenten, einschließlich Impfstoffen, Antibiotika und Antistatika, sollte ein Menschenrecht sein, und zwar weltweit kostenlos erhältlich. Wenn die Nachfrage als Marktanreiz zur billigen Herstellung dieser Arzneimittel nicht ausreicht, sollten die Regierungen und Non-Profit-Organisationen die Verantwortung für Herstellung und Verteilung übernehmen. Dem Überleben der Armen muss zu jedem Zeitpunkt höhere Priorität eingeräumt werden als den Profiten der großen Pharmakonzerne.«

Angesichts der aktuellen Pandemie muss ich hier hinzufügen: Die kapitalistische Globalisierung erweist sich als biologisch unhaltbar, solange es keine wirklich internationale, öffentliche Gesundheitsinfrastruktur gibt. Eine solche Infrastruktur wird es erst geben, wenn die Macht der großen Pharmakonzerne und der gewinnorientierten Gesundheitsversorgung durch die Kraft zivilgesellschaftlicher Bewegungen gebrochen ist.

Dies erfordert einen unabhängigen sozialistischen Entwurf für das menschliche Überleben, der über einen zweiten New Deal hinausgeht.

Seit der Occupy-Bewegung haben es die Progressiven geschafft, die Einkommens- und Vermögensunterschiede auf der Prioritätenliste an die erste Stelle zu rücken. Eine beachtliche Leistung.

Jetzt müssen Sozialistinnen und Sozialisten den nächsten Schritt wagen und das Gesundheitswesen und die Pharmaindustrie in den Fokus nehmen und für Sozialeigentum und die Demokratisierung ökonomischer Macht eintreten.

Daneben müssen wir auch unsere politischen und moralischen Schwächen ehrlich betrachten.

So sehr ich mich auch über eine neue linke Generation und die Rückkehr des Wortes »Sozialismus« in den politischen Diskurs gefreut habe: Es gibt auch ein beunruhigendes Element des nationalen Solipsismus und eine extremen Selbstbezogenheit in den progressiven Bewegungen, ähnlich wie auch beim neuen Nationalismus. In den Vereinigten Staaten sprechen wir eigentlich nur über die US-amerikanische Arbeiterinnenklasse und die radikale Geschichte Amerikas und vergessen, dass Eugene V. Debs durch und durch Internationalist war.

Alles andere kommt mir manchmal wie eine linke Version der Parole »America First« vor.

In der Auseinandersetzung mit der Pandemie sollten Sozialistinnen jede Gelegenheit nutzen, an die Dringlichkeit internationaler Solidarität zu erinnern. Konkret bedeutet das, dass wir unsere progressiven politischen Verbündeten und Idole dazu bewegen müssen, eine massive Ausweitung der Produktion von Testkits, Schutzmitteln und Medikamenten zur kostenlosen Verteilung an arme Länder zu fordern.

Es liegt an uns, dafür zu sorgen, dass Medicare for All nicht nur zur Innen- sondern auch zur Außenpolitik wird.

#

 

 

 

 

  30.09.2020

Der bekannte Historiker Mike Davis hat kürzlich sein Buch THE MONSTER ENTERS veröffentlicht, in dem es um die Pandemie, die Gesundheitssysteme und die vom Kapitalismus erzeugte Ungleichheit geht.

Darin nimmt der Autor die Prognosen auf, die er in seinem vor über zehn Jahren veröffentlichten Buch Vogelgrippe. Zur gesellschaftlichen Produktion von Epidemien aufgestellt hat.

Im Interview sagt Davis voraus, dass uns ein Zeitalter der Pandemien ins Haus steht und vertritt den Standpunkt, dass das jetzige System diesen kaum begegnen könne.

Friedrich-Ebert-Stiftung


Übersetzung aus dem Spanischen, erschienen in der gesellschaftspolitischen Zeitschrift für Lateinamerika,
Nueva Sociedad
, Juli 2020, von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegeben


 

 

Mike Davis 2020

im Interview mit der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES)

fes.de/referat-lateinamerika-und-karibik/artikelseite-lateinamerika-und-karibik/das-monster-steht-vor-der-tuer 

 

1) Zuletzt wurde viel über den Ursprung des Coronavirus geredet. Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Agrarindustrie und die multinationalen Konzerne? Sind sie die neuen Plagen, die der Kapitalismus heraufbeschworen hat?

 

Davis: Es ist bekannt, dass das Virus SARS-CoV-2, das für die Pandemie verantwortlich ist, wie schon die ersten SARS-Viren von 1992 und 1993 von Fledermäusen stammt. Nun sind ein Viertel aller Säugetiere Fledermäuse, von denen es gut 1500 Arten gibt. Fledermäuse sind Wirtstiere für hunderte Coronaviren, die auf den Menschen überspringen können. Dies kann etwa durch eine direkte Ansteckung oder über Wildtiere als Zwischenwirte geschehen.

Die Übertragungskette des aktuellen Virus ist noch nicht geklärt und kann vielleicht nie ermittelt werden. Doch die stetige Ausbreitung von Ackerflächen und Viehweiden in den chinesischen Wildgebieten dürfte ein Schlüsselfaktor sein – ebenso wie der traditionelle Verzehr von Fledermäusen und anderen Wildtieren.

Mit Blick auf die neuen Grippeerkrankungen, die noch immer eine große Gefahr darstellen, hat die exponentiell gestiegene industrielle Fleischproduktion (Schweine- und Hühnerfleisch) in Südostasien und anderen Ländern die Gefahr einer Pandemie enorm gesteigert.

Schweine, die sowohl an Vogelgrippe als auch Humaninfluenza erkranken können, nehmen eine biologische Schlüsselrolle ein. Denn die Genome der verschiedenen Virenstämme können sich manchmal miteinander verbinden und so Hybride erzeugen. Auch die Geflügelindustrie beschleunigt die Ausbreitung dieser neuartigen Virenstämme.

Weltweit sorgt die Entwaldung dafür, dass sich die Grenzen zwischen der wilden Natur mit ihren enormen Virenreserven auf der einen Seite und den überbevölkerten Städten auf der anderen Seite immer weiter verschieben.

In meinem Buch gehe ich exemplarisch auf die Küstenregion Westafrikas ein, in der die Urbanisierung schneller voranschreitet als irgendwo sonst auf der Erde. Traditionell leben die Menschen dort vom Fischfang, über den sie einen Großteil ihres Proteinbedarfs decken. Doch seit den 80er Jahren haben industrielle Fischfangflotten aus Europa und Japan gut die Hälfte des gesamten Fischbestandes aus dem Golf von Guinea abgefischt. So wurden die dortigen Fischer ihrer Lebensgrundlage beraubt und die Marktpreise für Fisch gingen durch die Decke.

Gleichzeitig bahnten sich internationale Holzkonzerne in Kongo, Gabun und Kamerun mit der Motorsäge ihren Weg durch die tropischen Wälder. Um Kosten zu sparen, beauftragten sie Jäger damit, Wildtiere und sogar Primaten zu jagen, um die Verpflegung der Arbeitertrupps zu sichern. Dieses «Buschfleisch» traf schon bald auf eine große Nachfrage in den proteinhungrigen Städten und insbesondere bei der armen Bevölkerung die unter miserablen Hygienebedingungen lebte.

Diese Kausalkette – die Plünderung nachhaltiger Fischbestände, die Zerstörung der natürlichen Barriere zwischen Mensch und Virus durch Abholzung, die zunehmende Jagd auf Wildtiere im großen Maßstab für die Versorgung der Märkte und das exponentielle Wachstum der Armenviertel – hat uns sowohl das HIV-Virus als auch das Ebolavirus gebracht.

 

2) Vor 15 Jahren haben Sie Ihr Buch Vogelgrippe. Zur gesellschaftlichen Produktion von Epidemien veröffentlicht. Wieso sind wir trotzdem so unvorbereitet, und weshalb gibt es keine wissenschaftlichen Studien, die uns beim Kampf gegen diesen Virustyp helfen könnten?

 

DAVIS: In den vergangenen 25 Jahren wurde tatsächlich sehr viel geforscht und es gab Versuche, sich auf eine mögliche Pandemie vorzubereiten. In gewisser Weise haben wir das alles vorhergesehen. Und doch haben einige Länder nicht auf die Warnungen gehört oder – wie etwa die USA unter Donald Trump – sogar bewusst wichtige Frühwarn- und Kontrollsysteme abgebaut.

Großbritannien, die USA und einige europäische Länder hatten ihre Gesundheitsausgaben zudem bereits zuvor drastisch reduziert, sei es aus ideologischen Beweggründen oder aufgrund der Sparpolitik nach 2008. In den USA waren zu Beginn des Ausbruchs Ende Januar 60.000 Fachkräfte weniger im Gesundheitswesen beschäftigt als noch 2007.

Parallel dazu hat die Pharmaindustrie die Entwicklung dringend benötigter Virostatika, neuer Antibiotika und Impfstoffe weiter behindert. Vergangenen Herbst warnte selbst der wirtschaftliche Beraterstab von Donald Trump davor, dass man im Falle einer Pandemie nicht auf die großen Pharma-Unternehmen zählen könne, falls die US-Regierung nicht Millionen Dollar an Subventionen zahlen werde. Denn die Konzerne hatten die Arzneimittelentwicklung für Infektionskrankheiten bereits eingestellt.

Auch kleineren Biotech-Unternehmen, die oft Vorreiter bei neuen Medikamenten und Impfstoffen sind, mangelte es an Kapital, um ihre Entdeckungen bis zur Studien- und Produktionsreife weiterzuentwickeln. Nachdem im Jahr 2003 das SARS-Virus aufgetreten war, hatte ein Konsortium mehrerer texanischer Laboratorien einen möglichen Impfstoff gegen das Coronavirus entwickelt, den dann aber niemand finanzieren wollte. Wäre es zu einer Impfstoffentwicklung gekommen, hätten wir heute eine hervorragende Grundlage, um schnell einen Impfstoff gegen Covid-19 zu entwickeln, da die Genome von SARS-1 und SARS-2 zu 80 Prozent identisch sind.

Besonders hervorzuheben ist jedoch, dass die meisten ostasiatischen Länder ­– und zwar sowohl autokratisch als auch demokratisch regierte – die Pandemie dank solider Notfallpläne bislang eindämmen konnten. Dabei konnten sie sich auf ihre Erfahrungen aus der SARS-Krise und der Vogelgrippe berufen. Außerdem genießt die wissenschaftliche Elite in diesen Ländern ein breites Vertrauen, und auch die Produktion von Gesichtsmasken und Beatmungsgeräten wurde sofort hochgefahren.

Ein weiterer Aspekt, der jedoch meist außer Acht gelassen wird, ist die Fähigkeit, riesige Arbeiter- und Freiwilligenkolonnen für die Arbeit an der Basis zu mobilisieren. So konnte Vietnam, obwohl es sich um ein Entwicklungsland mit schlechter Arzneimittelverfügbarkeit handelt, beachtliche Erfolge erzielen. Verantwortlich dafür dürfte die Kombination aus zwei weltweit führenden Laboratorien (das Institut Pasteur in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt) und einem landesweiten Netzwerk von Fachkräften im öffentlichen Gesundheitswesen gewesen sein, das bis in die Dörfer und Stadtteile reichte.

Als Achillesferse in der Vorausplanung zahlreicher Industrieländer hat sich der ausschließliche Rückgriff auf die Fachkräfte im Gesundheitswesen erwiesen, obwohl eine allgemeine öffentliche Bildung zu den Krankheitsrisiken und ein großer Bestand qualifizierter Freiwilliger fast ebenso wichtig bei der Bekämpfung von Virusepidemien ist.

Und wie die aktuelle Tragödie nun zeigt, durchleben wir keineswegs nur eine einzige Pandemie, sondern ein ganzes Zeitalter der Pandemien.

 

3) Von staatlicher Seite lautet das Motto momentan meist: «Gemeinsam schaffen wir das». Doch die Realität ist, dass das Virus sehr wohl mit Rassismus und Kapitalismus zu tun hat. Wie wirkt sich diese Krise auf Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen - Latinos und Afroamerikaner - aus?

DAVIS: Die Länder unterscheiden sich natürlich sehr stark, was den Zugang zu medizinischer Versorgung, Einkommens- und Ungleichheitsindikatoren und das strukturelle Erbe der Diskriminierung aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit angeht. Unter den Industrienationen sind die USA das Land, das in allen drei Kategorien die schlechtesten Werte aufweist. Doch selbst in Ländern mit universeller Gesundheitsversorgung und einer viel geringeren Ungleichheit gibt es anfällige Bevölkerungs-gruppen, die ungeschützt und in der aktuellen Krise oft unsichtbar bleiben.

Altenheime sind mittlerweile auf beiden Seiten des Atlantiks zu wahren Leichenschauhäusern geworden. Von dort stammen in vielen Ländern 40 bis 50 Prozent der Corona-Toten. In den USA, wo der Krankheit schon mehr als 50.000 Senioren zum Opfer gefallen sind, entfällt mehr als die Hälfte der Opfer auf Afroamerikaner. Es scheint, als gälte das Leben der schwarzen Bevölkerung weniger.

 

4) Wenn die Gesundheitsexperten bereits wussten, dass sich diese Einrichtungen schnell in Infektionsherde verwandeln würden – wieso haben die Regierungen dann nicht sofort Arbeitsgruppen gebildet, um zu reagieren? Und wieso haben NGOs und Parteien aus dem linken Spektrum das nicht vehement gefordert?

DAVIS: Dieselben Fragen müssen wir uns natürlich mit Blick auf Gefängnisse und Flüchtlingslager stellen. Man kann kaum anders, als die Untätigkeit der Behörden als grobe Fahrlässigkeit aufzufassen.

Die Krise hat auch gezeigt, wie wichtig «systemrelevante Berufe» für eine funktionierende Gesellschaft sind. Und doch sind die Beschäftigten dort der Ansteckungsgefahr am stärksten ausgesetzt.

Die mit Blick auf die Pandemie als systemrelevant eingestuften Berufe reichen von Wissenschaftlern bis hin zu Hausmeistern und häuslichem Pflegepersonal. Abgesehen vom medizinischen Fachpersonal zählen dazu auch die Millionen Menschen, die in der Landwirtschaft, in der Fleischindustrie, im Lebensmittelhandel, in Versorgungsbetrieben und Verkehrsgesellschaften, im Sicherheits- und Gesundheitswesen und in der Logistikbranche (Lagerung und Verteilung) tätig sind. Das sind genau die Branchen, in denen besonders viele Minderheiten und Menschen im Niedriglohnsektor sowie kürzlich Eingewanderte und Zeitarbeitskräfte arbeiten.

In den USA sind fast die Hälfte von ihnen Schwarze, Latinos oder Asiaten. Sofern sie keiner Gewerkschaft angehören, haben sie in den meisten Fällen keine oder aber keine ausreichende Krankenversicherung. Viele sind schon lange nicht mehr bei Routineuntersuchungen gewesen, weil sie nicht krankenversichert sind. Deshalb leiden sie häufig an chronischen Erkrankungen wie Asthma und Diabetes. Ihre Arbeitsplätze sind besonders gefährlich, die Arbeitszeiten besonders lang. Und wer ein geringes Einkommen hat, lebt auch in ungünstigeren Wohnverhältnissen. Seit sechs Monaten sind diese Menschen dem Coronavirus nun schon besonders stark ausgesetzt. Und das, obwohl sie meist keine Schutzausrüstung bekommen und gegen ihre schlechten Arbeitsbedingungen kaum etwas ausrichten können.

Die Organisation für Arbeitsschutz der Vereinigten Staaten (OSHA) hat diese Menschen im Stich gelassen. Denn sie weigert sich, verbindliche Arbeitsschutzvorschriften zu erlassen oder die vielen Tausend offiziellen Beschwerden zu bearbeiten. Deshalb wurde die Fleischindustrie im Mittleren Westen, wo die meisten Beschäftigten Minderheiten angehören oder erst kürzlich eingewandert sind, so stark vom Coronavirus getroffen. Und deshalb haben die Beschäftigten dort seit April 500 Streiks und Protestaktionen organisiert.

 

5) Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Konzerne wie Amazon?

DAVIS: Amazon ist eine beliebte Zielscheibe für die Proteste und größter Nutznießer der Pandemie. Außerdem verstößt das Unternehmen notorisch gegen Arbeitnehmerrechte. Das Privatvermögen von Jeff Bezos belief sich zwischen März und April auf sagenhafte 33 Milliarden Dollar.

Zugleich ist das Unternehmen für viele Familien, die zu Hause bleiben müssen, ein wichtiger Lieferant von Lebensmitteln und anderen Grundversorgungsgütern. Zudem beeilt sich Amazon, die von den vielen kleinen, mittlerweile geschlossenen Geschäften hinterlassenen Lücken langfristig zu besetzen. Eine Schätzung aus der internationalen Fachpresse geht davon aus, dass ein Viertel der betroffenen kleinen Geschäfte in Europa und den USA dauerhaft geschlossen bleiben wird.

Die Demokraten haben mit Ausnahme von Elizabeth Warren nichts gegen die wachsende Monopolstellung von Amazon in der Hand. Während der beiden Weltkriege wurden erfolgreich Steuern auf übermäßige Gewinne der Rüstungsindustrie eingeführt, doch die Verantwortlichen der Demokraten haben ähnlichen Vorhaben gegen Amazon und die großen Pharmakonzerne bereits eine Absage erteilt.

Bis Ende des Jahres wird die US-Wirtschaft immer mehr den Charakter einer urkapitalistischen Gesellschaft wie in Fritz Langs berühmtem Film Metropolis annehmen.

 

6) In Ihrem Buch Planet der Slums gehen Sie dem Phänomen der Megastädte auf den Grund, in denen Überbevölkerung und Überbelegung Normalität sind. Ist in dieser kapitalistischen Stadtgeographie überhaupt ein Recht auf Gesundheit denkbar?

 

DAVIS: Seit dem frühen 20. Jahrhundert gab es immer wieder Debatten über die Frage, wie man Epidemien weltweit eindämmen kann. Die Position der USA bestand – gestützt auf das enorme Vermögen der Rockefeller-Stiftung – darin, gezielt einzelne Krankheiten zu bekämpfen und dabei gigantische Summen in die Entwicklung und Verteilung von Impfstoffen zu stecken. Die Impfstoffsuche hat sowohl großartige Erfolge (etwa bei Pocken und Polio) als auch Fehlschläge (etwa bei Malaria und Aids) hervorgebracht. Der Ansatz, mit technischen Eingriffen zielgerichtet einzelne Krankheiten zu bekämpfen, hat Leben gerettet, lässt dabei jedoch die sozialen Bedingungen außer Acht, die die Krankheiten begünstigen.

Eine andere Position in der Debatte setzt auf Investitionen in die medizinische Infrastruktur der ärmsten Regionen und Länder. Sie beruft sich dabei auf die Konzepte der Sozialmedizin, die der deutsche Pathologe Rudolf Virchow um 1880 beschrieben hat und die im 20. Jahrhundert gerne von linken Parteien und einem breiten Spektrum von Reformern aufgenommen wurden. Diese wollten die Medizin stärker auf die Krankheitsvorbeugung ausrichten und radikale Sozialreformen durchsetzen.

In der Nachkriegszeit übten die USA und das Rockefeller-Paradigma einen beherrschenden Einfluss auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus. Doch die Verfechter der sozialen Medizin errangen 1978 einen bedeutenden Sieg, als die WHO die Erklärung von Alma-Ata verabschiedete. Darin wurde der Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung als universelles Menschenrecht festgeschrieben. Zudem wurde eine Kampagne ins Leben gerufen, die die Rolle der Bevölkerung stärken sollte, um bis zum Jahr 2000 Gesundheit für alle zu schaffen.

Doch die neoliberale Konterrevolution, die auf die Wahl Margret Thatchers und Ronald Reagans folgte, machte die Erklärung zu Makulatur.

Die Coronakrise führt uns nun vor Augen, dass die Welt in immunologischer Hinsicht zweigeteilt ist. In den reichen Ländern fällt etwa ein Viertel der Bevölkerung aufgrund von Alter und chronischen Erkrankungen in die Risikogruppe, wobei ethnische Zugehörigkeit und Armut oft eine Rolle spielen. Demgegenüber umfasst die Risikogruppe in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern zwischen 50 und 75 Prozent der Bevölkerung. Der wichtigste Kofaktor ist dabei die sinkende Immunität aufgrund von Mangelernährung, Magen/Darm-Erkrankungen und unbehandelbaren Krankheiten wie Malaria und Tuberkulose.

In Afrika, Südasien und Lateinamerika leben aktuell 1,5 Milliarden Menschen in prekären Siedlungen, die sich als ideale Brutstätten für die Krankheit erwiesen haben. Es ist bekannt, dass die Pandemie dort außer Kontrolle geraten ist, und doch bleibt dies in den bruchstückhaften Statistiken meist unsichtbar. Und während sich in Europa eine gewisse Bereitschaft erkennen lässt, etwaige Impfstoffe mit den armen Ländern zu teilen, hat die Regierung von Donald Trump mit dem Kauf des gesamten Weltvorrats an Remdesivir jüngst gezeigt, dass sie in keiner Weise gewillt ist, mit anderen zu teilen. America First bedeutet: Afrika zuletzt.

In den letzten Wahlkämpfen hat der progressive Flügel der US-Demokraten Fragen der globalen Gesundheit und Armut meist außer Acht gelassen. Auch die Hoffnungen seiner Anhänger enttäuschte er. Vor wenigen Wochen wurde verkündet, dass die aus den Lagern von Joe Biden und Bernie Sanders gebildete demokratische Plattform weit hinter den Forderungen nach einer universellen Krankenversicherung zurückbleiben wird. Diese war die Kernforderung der Sanders-Kampagne. Und das, obwohl die Pandemie und der wirtschaftliche Zusammenbruch gezeigt haben, wie wichtig sie doch wäre.

#

 

 

 Der Soziologe Mike Davis, aufgewachsen in einer Metzger­familie, hat vor fünfzehn Jahren vorhergesagt: Wegen der Massen­tierhaltung beschreiten wir ein globales Zeitalter der Pandemien. Die Republik hat ihn gefragt: Was tun? Die kurze Antwort: Auf die Weihnachtsgans verzichten reicht nicht.

 

 

mit Marie-José Kolly

und Daniel Ryser

 


 

«Viren – das ist Evolution auf Steroiden.»
Roger Ballen, «You cannot come back», 2011, Serie «Asylum of the Birds»

Die Top 10 der Hühnerschlachter (2018)
– China: 10 Milliarden Hühner pro Jahr.
– USA: 9 Milliarden.
– Brasilien: 6 Milliarden.
– Indonesien, Russland, Indien: je 2 Milliarden.
– Iran, Mexiko, Burma, Thailand: je 1 Milliarde.
-  In der Schweiz geschlachtet (2019): 72,5 Millionen Hühner.

Im Jahr 2018 wurden weltweit 69 Milliarden Hühner geschlachtet: 9 Poulets pro Mensch.
69 Milliarden: Das sind mehr Hühner, als zu einem gegebenen Zeitpunkt auf der Erde leben – nämlich rund 20 Milliarden –, weil sie, kaum aufgezogen, immer wieder weggeschlachtet werden.


 

Tyson Foods hat sieben Top-Manager seiner grössten Schweine­fabrik entlassen, nachdem eine unabhängige Untersuchung Anschuldigungen bestätigt hatte: Die Manager haben Wetten darüber abgeschlossen, wie viele Arbeiter positiv auf das Corona­virus getestet werden würden. […] Ein Ausbruch um die Fabrik herum hat mehr als tausend Angestellte infiziert, mindestens sechs von ihnen sind gestorben.  --ABC News, 17. Dezember 2020.

 


 

 

Zwischen Oktober 1980 und Mai 1981 wurden fünf junge Männer, alle sexuell aktive Homosexuelle, wegen Pneumocystis-carinii-Pneumonie in drei verschiedenen Spitälern in Los Angeles behandelt.

Zwei der Patienten starben. Alle fünf hatten eine labor­bestätigte Infektion mit Cytomegalo­virus und infizierte Schleim­häute. Fallberichte dieser Patienten folgen.

Artikel vom 5. Juni 1981 des Forschers Dr. Michael Gottlieb. Es ist der erste publizierte Bericht über Symptome eines damals noch unbekannten Krankheits­verlaufs. Nach dieser Publikation meldeten sich Ärzte aus der ganzen Welt, die bei Patienten ähnliche Symptome entdeckt hatten. Man realisierte, dass man es mit einem neuen, tödlichen Virus zu tun hatte; mit dem, was kurz darauf als HIV/Aids-Epidemie bekannt werden sollte.

 


 

«Die Lösungen gegen die Gefährlichkeit von Pandemien müssen Sie in den Slums suchen.»

Roger Ballen, «Blinded», 2005, Serie «Asylum of the Birds»

 


 

Die Konzentration und die Explosion der Geflügel­produktion in Asien nach US-amerikanischem Vorbild: In seinem Buch «The Monster at Our Door» über die gesellschaftliche Produktion von Pandemien beschreibt Mike Davis, wie eine Firma namens Charoen Pokphand (CP) mit Sitz in Bangkok in den Siebzigern inspiriert vom US-Konzern Tyson Foods ein industrielles Zucht-, Schlacht- und Vertriebs­imperium für Geflügel aufgebaut hat. Und somit die Hühner­produktion in Asien umgebaut hat von traditioneller Land­wirtschaft hin zu einem hochmodernen industriellen, «stromlinien­förmigen Prozess».

CP wurde zu einem Milliarden­unternehmen mit riesigen Fabriken ausserhalb Bangkoks: einem Imperium, das durch Verträge heute die meisten kleinen Geflügel­farmen im Land entweder verdrängt hat oder sie besitzt und steuert. Die Bauern wurden zu Fabrik­arbeitern auf ihrem eigenen Land. Ein Milliarden­imperium auch, das Geflügel nicht nur im Eiltempo züchtet, sondern auch selbst im grossen Stil an Konsumenten verkauft, und zwar mit der offiziellen Lizenz für Filialen von Kentucky Fried Chicken in ganz China, jenem US-Fast-Food-Unternehmen mit weltweit über 20’000 Restaurants. Der Slogan von CP lautet: «Die Küche der Welt».


 

«Katastrophen kann man nur abwenden, wenn man ökonomische Macht demokratisiert.»

Roger Ballen, «Encaged», 1996, Serie «Asylum of the Birds»

 

 


Eine Frage der Macht­verhältnisse: Mike Davis hat in «The Monster at Our Door» minutiös dokumentiert, wie die politische Macht des Unter­nehmens CP schliesslich dazu geführt hat, dass der Ausbruch der Vogel­grippe H5N1 2002 fast ein halbes Jahr lang unerkannt blieb, obwohl die Welt­gesundheits­organisation WHO längt grosse Besorgnis geäussert hatte und schon zahlreiche Menschen gestorben waren, darunter viele Kinder.

 

Er zeigt auch auf, wie die Frühwarn­systeme von Demokratien funktionierten, während sie in autoritären Regimen oder konstitutionellen Monarchien versagten: Das demokratische Taiwan etwa hatte bereits früh gemeldet, dass in beschlagnahmten geschmuggelten Wildenten aus China H5N1 nachgewiesen worden sei – was die chinesische Regierung als «Propaganda» abtat. Als dann im November 2003 in Thailand, wo der CP-Konzern 80 Prozent der Geflügel­produktion kontrolliert und enge Verbindungen zur Regierung pflegt, plötzlich massenhaft Hühner auf Farmen starben, brachte die Regierung durch Drohungen die Wissenschaftlerinnen zum Schweigen, die in Kadavern das Vogelgrippe­virus entdeckt hatten. Während gleichzeitig auf Hühner­farmen Überstunden geleistet wurden, um Hundert­tausende Hühner zu schlachten. «Wir wussten nicht, was es für eine Krankheit war», zitiert Davis einen Arbeiter. «Aber wir realisierten, dass wir die Hühner beseitigen mussten, bevor die Inspektion kam.»

Erst als in Südkorea Menschen an H5N1 erkrankten, schlug die dortige Regierung Alarm. Die WHO realisierte, dass in Thailand, China und Vietnam sowohl Regierungs­stellen als auch Sprecher des Agrar­business und der Landwirtschafts­ministerien den Ausbruch des Virus geleugnet hatten, um das Geflügel­geschäft nicht zu gefährden. Die EU, die damals massen­weise – vermutlich mit H5N1 infizierte – Hühner importiert hatte, verhängte umgehend Embargos.

Nicht so die USA. Der ehemalige US-Präsident George H. W. Bush hatte von CP einst 250.000 US-Dollar erhalten, um für den Konzern zu lobbyieren. Auch der damalige US-Verteidigungs­minister Donald Rumsfeld verdiente mindestens eine Million US-Dollar am Ausbruch der Vogel­grippe. Rumsfeld war der ehemalige Aufsichts­rats­vorsitzende des börsen­notierten Unter­nehmens Gilead, welches das Grippe­mittel Tamiflu entwickelt hatte, das später von Roche vertrieben wurde. Trotz eines möglichen Interessen­konflikts hatte er nach der Ernennung zum Verteidigungs­minister seine Anteils­scheine an Gilead nicht abgestossen.

 

Geldsegen bei der Familie Bush, Elend bei den Hühnern: Um eine globale Vogelgrippe­pandemie zu verhindern, wurden damals auf der ganzen Welt 120 Millionen Tiere lebendig begraben, verbrannt, durch Stromschläge getötet, vergast.

 

«Covid-19 ist erst der Anfang»

23.12.2020 - Ein Interview mit Mike Davis

republik.ch/2020/12/23/covid-19-ist-erst-der-anfang  (Schweiz)

 


Wie wir sehen werden, besteht die Bedrohung durch die Vogel­grippe im Folgenden: Eine mutierende, albtraumhaft ansteckende Influenza ist nur wenige Genmutationen davon entfernt, mit horrendem Tempo und auf dem ganzen Globus durch eine dicht urbanisierte und grösstenteils verarmte Menschheit zu rasen. Eine Influenza, entstanden und schlummernd in ökologischen Nischen, die durch den globalen Agrar-Kapitalismus geschaffen wurden.

Mike Davis, «The Monster at Our Door», 2005.


Chinesische Experten untersuchen einen Ausbruch von Atemwegs­erkrankungen in der Stadt Wuhan, der in Verbindung gebracht wird mit der Sars-Epidemie 2002–2003. Die städtische Gesundheits­kommission teilte am Dienstag mit, 27 Personen seien an einer viralen Lungen­entzündung erkrankt. Die meisten der Erkrankten hätten kurz davor einen lokalen Fisch­markt besucht, offenbar die mögliche Quelle des Ausbruchs. Die Gesundheits­kommission betonte, die Ursache der Erkrankung sei nach wie vor unklar, und rief die Bevölkerung auf, nicht in Panik zu verfallen.

Associated Press, 31. Dezember 2019.


 

Mike Davis, mit der Corona-Pandemie ist eine der Katastrophen, vor der uns 2005 Ihr Buch gewarnt hat, Realität geworden. Fühlt man da auch ein kleines bisschen Genugtuung, im Sinne von: «Ich habe es euch ja gesagt»?

Ganz im Gegenteil. Ich brüste mich nicht mit Katastrophen. Als Soziologe tendiere ich dazu, über Dinge zu schreiben, die mir Angst machen. Es ist meine Art, mit der Angst umzugehen.

Schauen Sie, ich bin jetzt über siebzig Jahre alt. Die Pandemie hat in meinem unmittelbaren Freundes­kreis einen furchtbaren Tribut gefordert. Mein ältester Freund, den ich seit der zweiten Klasse kannte, ist daran gestorben. Und Michael Sorkin, ein lieber Freund von mir, den ich bewundert habe, Amerikas kreativster Architektur­kritiker und urbaner Denker, ist bereits im März daran gestorben.

 

Weil Sie ein Trio von Büchern zum Thema Globalisierung geschrieben haben, die sich mit der Geschichte der Auto­bombe, den globalen Hunger­katastrophen Ende des 19. Jahr­hunderts und der Bedrohung durch die Vogel­grippe befassen, nannte man Sie den «Propheten des Unter­gangs». Sehen Sie sich selber so?

Ich sehe mich als Werkzeug­macher. Ich versuche Analysen anzubieten, die nützlich sind. Dass ich jetzt recht bekomme, ist schmerzhaft.

Wie erleben Sie die Covid-Pandemie selber?

Meine Frau ist Mexikanerin. Wir leben in San Diego, 20 Kilo­meter von der Grenze entfernt. Von meiner Einfahrt aus kann ich Tijuana sehen. Obwohl meine Kinder in einem Mittel­klasse­haushalt leben, sind alle ihre Freunde mexikanische Immigranten, somalische Immigranten, Kinder aus schwarzen Familien aus der Arbeiter­klasse. Sie besuchen eine Highschool in einer bescheidenen Nachbarschaft, wo viele Familien wegen Covid ihre gesamte Existenz verloren haben. Und Mexiko, das wissen Sie wahrscheinlich, hat eine noch höhere Covid-Sterberate als die USA.

Der «New Yorker» schrieb im April dieses Jahres in einer Neubetrachtung Ihres Werks, Sie hätten mit der Vogel­grippe eine Zombie-Apokalypse erwartet. Und mit dem Corona­virus stattdessen einen Asteroiden erhalten, der auf die Erde einschlägt. Hatten wir trotz des Schreckens von Covid-19 Glück im Unglück?

Leider gibt es viele Monster, die vor unseren Türen lauern. Unter den bedrohlichsten ist tatsächlich die Vogel­grippe: Das sind Influenza-A-Viren, die in Wildvögeln hausen, welche Haustiere anstecken. Dort können sie sich zu Hybridviren verbinden und auf Menschen überspringen. Diese Bedrohung ist nicht kleiner geworden.

 

Können Sie uns genauer erklären, wie das geht – vom für den Wildvogel harmlosen Virus zur tödlichen Gefahr für den Menschen?

Wilde Vögel sind das natürliche Reservoir für Influenza­viren. Die Viren sind für diese Vögel nicht gefährlich – genau so, wie das Corona­virus für die Fleder­mäuse auch nicht gefährlich ist. Die Viren leben in den Därmen dieser Vögel sowie im Wasser der kanadischen und sibirischen Seen, zu denen sie jeden Sommer zurück­kehren. Nun migrieren die Wildvögel. Auch nach Südost­asien, wo eines der genialsten landwirtschaftlichen Systeme der Welt erfunden wurde, ein sehr produktives System: Man pflanzt am selben Ort Reis, wo man auch Hühner oder Enten sowie Schweine aufzieht. Die Enten oder Hühner picken Insekten und Unkraut aus den Feldern, und die Wildvögel gesellen sich dort zu ihnen – und übertragen ihre Viren auf die Hausvögel. Und diese stecken dann die Schweine an.

 

Wie kommen sie vom Schwein zum Menschen?

Schweine haben sehr ähnliche Immun­systeme wie Menschen. Ein Schwein kann sich sowohl bei einem Menschen als auch bei einer Ente mit Influenza anstecken. Diese verschiedenen Influenza­viren können nicht nur punktuell mutieren, sondern gleich ganze Stücke ihres genetischen Materials miteinander austauschen innerhalb des Schweins. Am Ende haben Sie also einen Hybriden mit menschlichen Virenstämmen sowie mit Stämmen von wilden Vögeln, die für den Menschen tödlich sind. Und diese Hybride können von den Schweinen auf den Menschen überspringen. So entstand die Spanische Grippe 1918.

Sie folgerten in Ihrem Buch: Die industrialisierte Massen­tierhaltung wird uns in die Katastrophe führen. Warum? Bisher sprachen Sie von Wildvögeln und Hausschweinen.

Die industrielle Viehzucht verschärft jeden Teil dieser Interaktionen. An der Stelle einiger Hühner haben Sie nun Hundert­tausende von Hühnern in Massen­mästereien, welche die Kleinbauern in Südost­asien systematisch verdrängt haben. Auch Schweine werden in krasser Konzentration gezüchtet, dort wie hier. Ein Beispiel aus meiner Umgebung: Ich kenne einen Betrieb in der Wüste von West-Utah. Sie riechen ihn, lange bevor Sie ihn sehen, schon aus 30 Kilometern Distanz. Da leben 250’000 Schweine unter Bedingungen, die man sich fast nicht vorstellen kann, wo immer wieder Arbeiter sterben, weil sie in diese riesigen Teiche mit Schweine­exkrementen fallen. Eine albtraum­haftere Szenerie könnten Sie sich nicht ausdenken.

Arbeiter, die in Schweine­exkrementen ertrinken? Wovon sprechen Sie?

Die Fleisch- und Geflügel­produktion ist in den USA eine Niedriglohn­industrie. Die Arbeits­kräfte sind mehrheitlich mexikanische Immigranten. Das Tiefpreis­poulet, das zu einem wichtigen Teil der weltweiten Ernährung geworden ist, entsteht in Fabriken mit Fliess­bändern und automatischen Fütterungs­anlagen. Der Preis dafür ist hoch: für die Arbeiterinnen. Für die öffentliche Gesundheit. Für die Umwelt. Fast Food beruht auf dem Raubbau von Umwelt­ressourcen, der Zerstörung von Familien­farmen und der traditionellen Ökologie der Nahrungsmittelproduktion.

Was meinen Sie mit der «Zerstörung der traditionellen Ökologie der Nahrungsmittelproduktion»?

Vor ein paar Jahren verbrachte ich einige Zeit in Neufundland. Es war furchterregend. Eine Gesellschaft, fast fünfhundert Jahre alt. Die Menschen – die meisten leben in kleinen Fischer­dörfern – waren alle arbeitslos. Das Meer leer gefischt. Der Kabeljau, eine der wichtigsten Protein­quellen der Welt: weg. Die Überfischung durch Konglomerate, die dazu geführt hat, verschmutzt gleichzeitig den Ozean. Hier steht uns eine Lebensmittel­katastrophe bevor. Wir sprechen von Hunderten gigantischen, global agierenden Unternehmen, die zu Widersachern der Zukunft wurden.

Ein anderes Beispiel: Traditioneller­weise wurde das meiste US-Schweine­fleisch auf kleineren Farmen gezüchtet. Sie wurden verdrängt durch Massen­zucht­betriebe, durch gigantische Produktions­systeme, wo immense Mengen von Kunst­dünger in den Boden geschüttet werden, um Mais und Weizen zu produzieren. Das hat das gesamte Mississippi­tal mit Stickstoff übersättigt und tötet küstennahe Meerestiere.

Sprechen wir hier überhaupt noch von Land­wirtschaft im klassischen Sinn?

Dieses vielstufige und komplexe System schliesst Akteure mit ein, von denen Sie sich möglicher­weise gar nicht denken, dass sie mit Land­wirtschaft zu tun haben: Erdöl­produkte und ihre Derivate, etwa Kunst­dünger, stellen einen immer grösseren Teil der landwirtschaftlichen Wert­schöpfung. Diese Industrie wird kontrolliert von multinationalen Konzernen, die in fast allen Bereichen der Agrar­wirtschaft aktiv sind, von genetisch designtem Saatgut bis zu Düngern. Sie produzieren zum Beispiel das Maisöl, das in amerikanischem Fast Food verwendet wird. Im Fleisch­sektor haben Konzerne wie Tyson Foods einst mächtige Gewerkschaften zerstört, die Löhne um mindestens die Hälfte gekürzt; Arbeits­kräfte – zumeist immigrierte Arbeiter – arbeiten nun unter den gefährlichsten Umständen, die Sie ausserhalb von Kohleminen finden können. Diese Konzerne sind angebunden an globale Fast-Food-Ketten. In den Jahren vor der Vogel­grippe konnte man eine Kentucky-Fried-Chickenisierung Asiens erleben. Es geht hier wirklich um globale Verflechtungen und Verzahnungen.

Können wir noch einmal zurück­kommen auf die Super­mästereien, die Sekundentakt-Schlachtungen und ihre Rolle bei der Entstehung von Vogelgrippe, Schweine­grippe und Coronavirus?

Die Massentierhaltung ist eine Teilchen­beschleunigerin. Mehr Körper auf weniger Raum bedeuten mehr Chancen für die Entstehung von Mutationen oder Hybridviren und für ihre Verbreitung, egal bei welchem Virus. Jetzt versuchen wir gerade, dieses Corona­virus in den Griff zu bekommen. Das heisst aber nicht, dass die anderen Monster nicht weiter vor unseren Türen lauern. Die bedrohlichsten sind, wie gesagt: die Vogelgrippe­viren. Wir wissen heute, dass wir wohl nur eine einzige Mutation davon entfernt sind, dass einer der tödlichsten Stämme der Vogel­grippe pandemisch wird.

Pandemisch?
Dass sie auf den Menschen überspringt und sich erst von Mensch zu Mensch überträgt, dann von Land zu Land.

Wie kommt es so weit?
Viren, das ist Evolution auf Steroiden.

Wie bitte?
Die meisten Lebewesen reproduzieren sich langsam und sorgsam. Viren hingegen reproduzieren sich extrem schnell und ziemlich unsorgfältig. Sie sind wie ein Kopier­gerät: Sie dringen in ihre Wirte ein und kapern deren Zellen, um damit ihr eigenes Genmaterial zu kopieren, aber bei diesem schnellen Kopieren passieren ständig Fehler. Das nennt man Mutation. So entsteht eine unglaubliche Anzahl an Virus­variationen. Die meisten davon sind völlig bedeutungslos. Aber einige haben gefährliche Eigenschaften.

Zum Beispiel Impfstoff­resistenz. Oder eine leichtere Übertragbarkeit, wie das im Februar mit einer Mutation des Corona­virus geschah. Das wurde erstmals in Italien offensichtlich und ist vermutlich einer der Gründe, warum Italien ein solches Epizentrum von Infektion und Tod wurde: Der dortige Ausbruch war dominiert von der neuen Mutation, die inzwischen überall zum üblichen Strang des Virus geworden ist.

Und deshalb sind auch die Influenzaviren so gefährlich?

Influenzaviren können zudem ganze Stücke ihres Erbguts austauschen. Im Schwein beispiels­weise kann sich ein relativ harmloses Grippe­virus, das unter Menschen seit langer Zeit zirkuliert hat, mit Genversatz­stücken einer Vogel­grippe neu kombinieren.

Und dieser Hybrid kann dann vom Schwein auf den Menschen springen. So entsteht ein Monster. Darum ist diese Nähe der Massen­tierhaltung, wenn so viele Viren in so vielen Wirten auf so engem Raum leben, derart gefährlich.

 

Die Vogelgrippe­viren vor fünfzehn Jahren entstanden in Südost­asien. Sars tauchte erstmals in China auf. Das aktuelle Corona­virus auch. Warum eigentlich immer Asien?

Eine Vogelgrippe kann überall entstehen, sogar in subarktischen Regionen. Aber der Grund, weshalb Influenza-Ausbrüche in China gross werden, ist dieses hochproduktive landwirtschaftliche System, das domestizierte Vögel, Schweine sowie zwei Reis­ernten pro Jahr kombiniert und von dem Wildvögel ein natürlicher Teil geworden sind. Und die Massen­zucht von Geflügel erhöht diese Gefahr – egal wo auf der Welt. Auch die Zerstörung von Regenwald im Amazonas, mehrheitlich, um Rindfleisch für amerikanische Hamburger zu produzieren, birgt ähnliche virale Bedrohungen.

Warum?

Nehmen wir das Beispiel Westafrika. Die Geschichte des Kapitalismus ist auch eine Geschichte der Entstehung gefährlicher Viren, die er befördert. Wenn man Viren den Garaus machen will, muss man auch verstehen, wie sie zum Menschen kommen. Und da werden dann Fragen der politischen Ökologie oder der politischen Ökonomie zentral.

 

Was geschah in Westafrika?
Nirgendwo auf der Welt schreitet die Urbanisierung so schnell voran wie in Westafrika. Städter haben dort traditioneller­weise Proteine durch Fische aufgenommen, die lokale Fischer entlang der Küste fingen. Aber dann kamen Flotten aus Spanien, Russland, China, Japan. Wissenschaftler schätzen, dass sie die Hälfte der Fisch­biomasse im Golf von Guinea buchstäblich aufgesaugt haben. Das Resultat war, dass der Preis von Fisch und generell von Proteinen in Westafrika hochschoss und für die ärmsten Menschen unbezahlbar wurde. Gleichzeitig haben multinationale Holzfällerei­unternehmen die grossen tropischen Hartholz­wälder in Ländern wie Gabun, Kamerun, Kongo abgeholzt. Um ihre Kosten niedrig zu halten – sie mussten ihre Arbeiter ja ernähren –, haben sie Jäger angestellt, die alles geschossen haben, was ihnen vor die Flinte kam. Sechzig bis siebzig verschiedene Spezies wurden als Nahrungs­mittel verwendet, von Schlangen bis zu Schimpansen.

Und was ist dann passiert?
Als die Verfügbarkeit von Protein zur Krise wurde, wurde dieses bushmeat zur alternativen Protein­quelle. So ist Fleisch von Wildtieren zu einem wichtigen Teil der Ernährung westafrikanischer Städter geworden. Und das ist die Geschichte von HIV. Und Ebola. Diese Geschichte illustriert, wie zwei Arten von multinationalen Rohstoff­industrien für Virus­ausbrüche eine Mitverantwortung tragen: weil sie die lokalen Lebens­mittel­bedürfnisse völlig missachtet haben. Und missachten, wie wichtig es ist, Barrieren zwischen Menschen und natürlichen Viren­reservoiren, den Wildtieren, aufrechtzuerhalten.

Heisst das, wenn wir aufhören, Fleisch und Fisch zu essen, oder wenn wir zumindest anfangen, viel bewusster oder lokaler zu konsumieren, dass dann das Pandemie­problem verschwindet?
Nein. Fast jede Epidemiologin würde wohl dem folgenden Satz zustimmen: Covid-19 ist nur der Anfang und das erste Kapitel einer neuen Ära von Pandemien. Es sei denn, wir können die Grenzen zwischen solchen natürlichen Viren­reservoiren und Menschen kontrollieren und beibehalten.

Aber aufhören, Fleisch zu essen, sich bewusster ernähren – bringt das denn gar nichts?
Es wäre sicherlich ein wichtiger Teil einer Lösung, ja. Aber schauen Sie, wir sprechen hier über einen unglaublich gewaltigen Vorgang, über den viel zu wenig gesprochen wird: Der Kollaps kleiner Land­wirtschafts­betriebe und die Verlagerung hin zu Grossmärkten ist eine der grössten Veränderungen des letzten Jahr­hunderts. Noch 1965 gab es in den USA 53 Millionen Schweine in mehr als einer Million Farmen. 2009 waren es schon 65 Millionen Schweine in nur noch 65.000 Farmen. Es gibt eine extreme Konzentration von immer mehr Tieren auf immer weniger Raum.

Mit noch anderen Folgen, als dass diese Konzentration Viren befeuert?

Nehmen Sie China: Die rasende Urbanisierung hatte die Beschlagnahmung Hundert­tausender Bauern­höfe zur Folge. Und die Stilllegung von lebens­notwendigem Ackerland. Durch die Verdrängung der Land­wirtschaft geht uns das Essen aus: In der Mitte dieses Jahr­hunderts wird sich die Zahl unserer Erdbevölkerung laut Uno-Berechnungen auf dem Höhepunkt befinden. Bis dahin müssen wir unsere Getreide­produktion um 50 Prozent erhöht haben, wenn wir die Menschen versorgen wollen. Um dieses riesige landwirtschaftliche Wachstum erreichen zu können, ist es zwingend, dass die Zerstörung von kleinen Höfen gestoppt wird, die Zerstörung funktionierender Agrar­ökosysteme und ihre Ablösung durch das Agrar­business. Es reicht nicht, zu sagen: Wir in den reicheren Ländern ändern jetzt unser Konsum­verhalten. Die Sache ist viel komplizierter und vielschichtiger.



Wenn Nahrungsmittel­produktion und Boden durch Reformen zurück in die Hände von kleinen Produzenten gelangen – stoppen wir so das anbrechende Zeitalter der Pandemien?

Die Macht dieser Konzerne müsste in der Tat zwingend reduziert werden. Und die industrielle Fleisch­produktion ist, wie ich bereits sagte, die Teilchen­beschleunigerin. Sie verstärkt die Möglichkeiten für genetische Veränderungen in Viren. Aber es gibt verschiedenste Schmelz­tiegel, in denen neue Viren­varianten auftauchen und auf den Menschen übertragen werden können.

Zum Beispiel?
Sars-CoV-2 hat man unter Fleder­mäusen gefunden. Es wurde vermutlich über einen Intermediär auf den Menschen übertragen. In der traditionellen chinesischen Medizin beispiels­weise ist der Verzehr verschiedener Arten von Tieren ein integraler Bestandteil der Behandlung – für Potenz­steigerung oder die Heilung von Krankheiten. In China wurde der Konsum von Wildtieren jetzt verboten und damit stark reduziert. Auch das ist ein wichtiger Schritt, um Krankheiten kontrollieren zu können. Wenn das Virus aber mal im Umlauf ist, kommt der Tourismus ins Spiel. Als Sars 2003 ausbrach, verbreitete es sich innerhalb von wenigen Stunden in sieben Ländern. Es trat in einem Hotel in Hongkong auf, voll mit Flug­passagieren. Sie haben die Infektion umgehend weiter­verbreitet. Und so etwas geschieht vor dem Hinter­grund einer steigenden Anfälligkeit für tödliche Krankheiten.

Wie meinen Sie das: eine steigende Anfälligkeit?

Als ich vor fünfzehn Jahren mein Buch über die Vogel­grippe schrieb, lebten eine Milliarde Menschen in Slums. Heute sind es 1,8 Milliarden. Das ist eine erhebliche Minderheit der Bevölkerung dieses Planeten. In diesen urbanen Elends­vierteln leben, sehr konzentriert, Menschen mit geschwächten Immun­systemen – wegen Hunger und weil Kanalisationen fehlen, Toiletten fehlen, sauberes Trinkwasser fehlt. Städtische Armut ist das beunruhigendste all dieser Ketten­glieder, die Pandemien fördern. Sie ermöglicht den perfekten viralen Sturm.

 

 

Mangelnde Hygiene, kaum Essen, dreckiges Wasser, keine sanitären Anlagen, Menschen und Tiere, die auf extrem engem Raum zusammen­leben: Sie nennen das den «perfekten viralen Sturm» …

Wenn Sie Lösungen wollen, um die Gefährlichkeit solcher Pandemien in Zukunft zu verringern, dann müssen Sie Lösungen für die Slums finden. Die sanitären Anlagen verbessern, die Einkommen der Menschen, die Hygiene. Die Kontrolle über die Urbanisierung der Welt ist ein wesentlicher Teil der Lösung, über die wir hier sprechen. Es braucht eine Macht­verschiebung hin zu den kleinen Produzenten und den Arbeitern in der Landwirtschaft.

 

 

Mike Davis, Sie sagen, wir könnten zwar weniger Fleisch essen, aber letztlich genüge das nicht. Sie sagen: Alles ist verbunden. Die Slums, unser Luxus, die Viren in zusammen­gepferchten Tier­körpern, die industrialisierten Fleisch­produktions­stätten, die wie Chemie­fabriken funktionieren. Können Sie nicht nachvollziehen, dass man Sie in Ihrer Heimat «den Meister der Katastrophen-Prosa» nennt?

Schauen Sie, ich bin wie eine alte Schallplatte. Ich bin ein Sozialist alter Schule, und ich bin davon überzeugt, dass man Gesellschaften nur grund­sätzlich verändern und Katastrophen nur abwenden kann, wenn man ökonomische Macht demokratisiert. Für mich ist die entscheidende Frage, wie man Macht kontrolliert, die es etwa einer Handvoll Leuten erlaubt, eine lebenslange Industrie einer Stadt zu schliessen und sie nach Übersee zu verlagern, wie wir es in den USA wieder und wieder gesehen haben. Es geht darum, demokratische Eigentümerschaft zu vergrössern, was überhaupt nicht dasselbe ist wie staatliche Eigentümerschaft. Und das wiederum beginnt damit, dass man wichtige öffentliche Institutionen bewahrt.

Zum Beispiel?
Um ganz konkret bei der Pandemie zu bleiben: China und die USA hatten 2009 in Ostasien ein Pandemien­frühwarn­system errichtet, mit dem in den vergangenen Jahren über hundert möglicher­weise gefährliche Corona­viren entdeckt wurden. Im September 2019 dann, drei Monate vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie, hat Donald Trump dem Frühwarn­system die Mittel gestrichen und es eingestellt.

 

Sie arbeiteten als junger Mann als Arbeiter in einer Fleisch­fabrik. Hat Ihr Blick auf die Fleisch­industrie Ihre Arbeit als Wissenschaftler, gerade in Bezug auf die Pandemie, beeinflusst?

Auf dem ersten Sticker, der hinten an meinem Auto klebte, stand American Beef, «amerikanisches Fleisch». Mein Vater arbeitete in der Fleisch­industrie, ebenso mein Onkel, meine Cousins. Ich entstamme einer Familie von Metzgern. In der dritten Klasse war es üblich, dass der Vater vorbeikam, um zu zeigen, womit er sein Geld verdient. Die Mütter nicht. Die waren daheim. Es war eine patriarchale Gesellschaft.

Mein Vater also tauchte in seiner weissen Schürze auf und zerhackte vor der ganzen Klasse Schweine­rippen. Das war er, mein Vater. Lebens­langes Mitglied der Gewerkschaft, die dann kurz vor seiner Pensionierung pleiteging, und somit stand der alte Mann ohne Gesundheits­vorsorge da und verlor das gesamte finanzielle Netz der Familie.

Der Kollaps der Gewerkschaft und der Absturz meiner Eltern in die Alters­armut waren eine Folge des Aufstiegs riesiger Fleisch­produktions­konglomerate, die plötzlich die lokalen Märkte belieferten, hier in San Diego etwa, wo ich aufgewachsen bin, und die kleinen Firmen und Metzger verdrängten.

#

 

 

 

 

 (Ordner)     www.detopia.de     ^^^^   
 Mike Davis "The master of disaster prose" (2020) Das Monster tritt ein - Covid-19, Vogelgrippe und die Plagen des Kapitalismus