Jared DiamondKriseWie Nationen sich erneuern könnenUpheaval: How Nations Cope with Crisis and Change
Audio DLF - 6min 2019 - Buchkritik |
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2019 460 Seiten mit Karten und Illustrationen detopia: |
Inhalt Aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel und Susanne Warmuth.
Prolog: #
Epilog: # Dank 437 # Bildnachweis 439 # Weiterführende Literatur 441 # Register (453)
Klappentext Nach den Bestsellern "Arm und Reich" und "Kollaps" zeigt der Pulitzer-Preisträger Jared Diamond in seinem neuen Buch, wie Nationen mit den gegenwärtigen Krisen - Klimawandel, soziale Ungleichheit, gesellschaftliche Polarisierung - erfolgreich umgehen können. Sie müssen Krisen bewältigen wie Menschen persönliche Schicksalsschläge! Anhand der deutschen Nachkriegsgeschichte, Chiles Umgang mit der Diktatur Pinochets, Japans erzwungener ökonomischer Öffnung 1853 und weiterer historischer Beispiele zeichnet Diamond die Muster nach, wie sich Staaten von tiefgreifenden Erschütterungen erholen. Dabei wird deutlich: Bei der Bewältigung von Krisen sind ähnliche Faktoren entscheidend wie beim Umgang mit individuellen Traumatisierungen: sich eingestehen, dass man in einer Krise steckt; eine ehrliche Bestandsanalyse betreiben, statt sich als Opfer zu stilisieren; die Probleme eingrenzen; Hilfe annehmen und bereit sein, aus Krisen anderer zu lernen. Letztlich gilt es, sich zu verändern, ohne alles infrage zu stellen. |
Teil
I:
Kapitel
1: Persönliche Krisen (33)
Teil
II:
Kapitel
2: Finnland und der Krieg mit der Sowjetunion (61) Kapitel 3: Die Ursprünge des modernen Japan (101) Meine Verbindungen nach Japan # Japan vor 1853 # Perry # 1853 bis 1868 # Die Meiji-Ära # Reformen der Meiji-Zeit # »Verwestlichung« # Expansion nach Übersee # Ein Rahmen für die Krise # Fragen # Kapitel 4: Ein Chile für alle Chilenen (137) Ein Besuch in Chile # Chile bis 1970 # Allende # Der Putsch und Pinochet # Wirtschaft bis zum >No!< # Nach Pinochet # Pinochets Schatten # Ein Rahmen für die Krise # Rückkehr nach Chile # Kapitel 5: Indonesien: der Aufstieg eines neuen Staates (171) Im Hotel # Indonesiens Vergangenheit # Die Kolonialzeit # Unabhängigkeit Sukarno # Putsch # Massenmord # Suharto # Suhartos Erbe # Ein Rahmen für die Krise # Rückkehr nach Indonesien # Kapitel 6: Der Wiederaufbau Deutschlands (205) Deutschland 1945 # Von 1945 bis 1961 # Die Deutschen halten Gericht # 1968 # Die Folgen von 1968 # Brandt und die Wiedervereinigung # Geographische Beschränkungen # Selbstmitleid? # Führungspersönlichkeiten und Realismus # Ein Rahmen für die Krise # Kapitel 7: Australien: Wer sind wir? (239) Ein Besuch in Australien # First Fleet und Aborigines # Die ersten Einwanderer # Auf dem Weg zur Selbstverwaltung # Bundesstaat # Die anderen fernhalten # Der Erste Weltkrieg # Der Zweite Weltkrieg # Die Bindungen lockern sich # Das Ende des weißen Australien # Ein Rahmen für die Krise #
Teil
III:
Kapitel 8: Wie geht es in Japan weiter? (275) Japan heute # Wirtschaft # Vorteile # Staatsschulden # Frauen # Babys # Alt und abnehmend # Einwanderung # China und Korea # Umgang mit natürlichen Ressourcen # Ein Rahmen für die Krise # Kapitel 9: Wie geht es mit den Vereinigten Staaten weiter? Die Stärken und ein großes Problem (305) Die Vereinigten Staaten heute # Reichtum # Geographie # Vorteile der Demokratie # Andere Vorteile # Politische Polarisierung # Warum? # Andere Formen der Polarisierung # Kapitel 10: Wie geht es mit den Vereinigten Staaten weiter? Drei »andere« Probleme (337) Weitere Probleme # Wahlen # Ungleichheit und Unbeweglichkeit # Na und? # Investitionen in die Zukunft # Ein Rahmen für die Krise # Kapitel 11: Wie geht es weiter mit der Welt? (363) Die Welt von heute # Atomwaffen # Klimawandel # Fossile Brennstoffe # Alternative Energiequellen # Andere natürliche Ressourcen # Ungleichheit # Ein Rahmen für die Krise # |
zu Deutschlandfunk, 16.07.2019
Mit seinem Krisen-Buch trifft Jared Diamond bei Rezensent Martin Hubert auf ein zwiespältiges Echo. Wenn sich der amerikanische Historiker daran macht, nationale Krise mit individualspychologischem Besteck zu analysieren, fehlen dem Rezensenten verlässliche Kategorien und eine innere Systematik. Aber klar, innerlich starke Nationen können Krisen besser bewältigen als schwache. Den zweiten Teil des Buches findet Huber deutlich interessanter, da nämlich spreche Diamond über die konkreten Krisen, die einzelnen Nationen bevorstehen, etwa Japan die Überalterung und den USA die soziale Spaltung. Aber auch hier hätte sich der Rezensent mehr Konkretisierung gewünscht.
zu Deutschlandfunk Kultur, 06.06.2019
Dem Rezensenten Volkart Wildermuth ist es gleich zu Anfang wichtig zu sagen, dass dieses Buch ein "Alterswerk" sei. Vielleicht will er seine Leser dadurch ein wenig einstimmen auf die Enttäuschung, die ihn hier ab und zu ergriffen hat. Tatsächlich hat Wildermuth wohl nicht überzeugt, dass man auch historische, staatliche und wirtschaftliche Krisen, wie Diamond vorschlägt, durch "zwölf Konzepte aus der individuellen Krisentherapie" behandeln könne. Denn sobald die Anwendung der Konzepte im Text ansteht, findet er das Ganze etwas bemüht. Lohnend sei Diamond immer dann, wenn er von seinen weltweit aus persönlicher Anschauung gewonnenen Beobachtungen und Analysen erzählt. Wildermuth ist erleichtert, dass sich das letzte Drittel des Buches der Zukunft widmet - und verrät uns auch, dass Diamond für sein Land, die USA, wenig Hoffnung hat, weil es dort zurzeit keine Kompromisskultur gäbe. So findet der Rezensent zu dem etwas lauwarmen Lob, die Lektüre sei vielleicht nützlich für die Analyse heutiger Krisenbewältigung.
zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.05.2019
Rezensent Jürgen Osterhammel hat Schwierigkeiten mit der eitlen Altersweisheit des Amateurhistorikers Jared Diamond. Diamonds Versuch, persönliche Krisen und Staatskrisen zu parallelisieren, scheint ihm außerdem nicht zwingend notwendig, um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, die USA befänden sich - politisch wie gesellschaftlich - im Abstieg. Geduldig dem Autor durch seine Liste von Faktoren folgend, die Krisen beeinflussen können, scheint Osterhammel am Ende doch einigermaßen enttäuscht. Die Verbindung von Landeskunde und Politikgeschichte, wenn Diamond Länder wie Finnland, Japan und Deutschland untersucht, findet der Rezensent teilweise zwar durchaus anregend, zur Frage, wie Nationen sich erneuern können, trägt das laut Osterhammel aber wenig bei.
URL:
https://www.perlentaucher.de/buch/jared-diamond/krise.html
DLF 15.07.2019
Jared Diamond „Krise. Wie Nationen sich erneuern können“ Nach den Bestsellern „Arm und Reich“ und „Kollaps“ geht der Pulitzer-Preisträger Jared Diamond nun der Frage nach, wie Nationen mit gegenwärtigen Krisen wie Klimawandel, sozialer Ungleichheit und der Polarisierung der Gesellschaft umgehen können.
Von Martin Hubert
Jared Diamond analysiert nationale Krisen wie persönliche Krisen.
Das muss man Jared Diamond lassen: Er hat eigene Ideen und wagt etwas. In seinem neuen Buch wartet er mit einer These auf, die klassische Historiker oder Politikwissenschaftler wohl kaum riskieren würden. Nationale Krisen, schreibt er, ließen sich wie persönliche Krisen analysieren.
„Zum Beispiel erhalten Menschen in einer Krisensituation oft Hilfe von Freunden, und genauso können Staaten in einer Krisensituation Hilfe von verbündeten Nationen anfordern. Menschen in einer Krisensituation orientieren sich bei der Lösung des Problems unter Umständen daran, wie andere mit einer ähnlichen Krise umgegangen sind; auch Staaten in der Krise können Lösungen, die andere Nationen mit ähnlichen Problemen bereits entwickelt haben, aufgreifen und für sich adaptieren. Bereits früher überstandene Krisen können sowohl Individuen als auch Staaten das Selbstvertrauen geben, die aktuelle Krise zu meistern.“
Flexibilität und Pragmatismus vonnöten
Insgesamt zählt Diamond zwölf solcher Faktoren auf, die gleichermaßen helfen sollen, persönliche wie nationale Krisen zu bewältigen. Etwa die Fähigkeit, flexibel zu reagieren oder pragmatisch mit äußeren Bedingungen umzugehen. Oder ein starkes Ich zu besitzen, dem bei Staaten eine starke nationale Identität entspräche. Mit Hilfe dieser Faktoren vergleicht Diamond im ersten Teil seines Buches, das sich der Vergangenheit widmet, sieben Länder: Finnland, Chile, Japan, Indonesien, Australien, Deutschland und die USA. Es sind alles Nationen, die Diamond oft bereist hat und deren Sprachen er spricht. Seine Analyse fußt daher nicht nur auf einer beeindruckenden Menge historischer Fakten, sondern auch auf persönlichen Erfahrungen und Bewertungen.
Bei Deutschland hat ihn vor allem die Fähigkeit beeindruckt, die Schuld der Nazizeit anzuerkennen.
„[Wir] sollten die Tatsache, dass die Deutschen die Opferrolle ablehnten und die Schande auf sich nahmen, nicht für selbstverständlich halten: Sie steht im Gegensatz zur Opfermentalität der Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg und der Japaner nach dem Zweiten Weltkrieg. Die schmerzhafte Abrechnung mit der Vergangenheit ist für Deutschland heute ein Vorteil: Im Vergleich zur Zeit nach dem Ersten Weltkrieg oder Japan heute genießt das Land eine bessere Sicherheit und bessere Beziehungen zu seinen früheren Feinden.“
Tatsächlich kann man in diesem ersten Teil einiges über die Krisenbewältigungsfähigkeiten der behandelten Länder lernen. Es wird aber auch klar, dass Diamond die Rolle von Führungspersönlichkeiten etwas übergewichtet. Letztlich bleiben seine Faktorenvergleiche auch etwas beliebig und führen zu keiner wirklich inneren Systematik. Diamond weiß das und verweist darauf, seinen Ansatz in einer künftigen empirischen Studie noch genauer untermauern zu wollen.
USA sozial gefährdet
Interessanter ist auf jeden Fall die zweite Buchhälfte, in der sich Diamond mit den Zukunftsaussichten Japans, der USA und der globalisierten Welt beschäftigt. Japan bescheinigt er große Probleme. Das Land sei unter anderem nicht in der Lage, seinen Bevölkerungsrückgang mit Hilfe einer liberalen Einwanderungspolitik zu kompensieren. Besonders hart geht er aber mit seinem eigenen Land ins Gericht. Die USA seien zwar noch sehr ressourcen-, wissenschafts- und technikstark, aber sozial äußerst gefährdet.
„Mit der zunehmenden Ungleichheit, der immer noch vorhandenen Rassendiskriminierung und der abnehmenden sozioökonomischen Mobilität werden ärmere Amerikaner zu Recht das Gefühl haben, dass die große Mehrheit ihrer Kinder kaum Chancen hat, ein gutes Einkommen zu erzielen oder ihre wirtschaftliche Stellung auch nur geringfügig zu verbessern. Die Städte der Vereinigten Staaten werden in absehbarer Zeit Unruhen erleben, bei denen Absperrbänder der Polizei die Aufständischen nicht davon abhalten werden, ihrer Frustration über die reichen Amerikaner Luft zu machen.“
Sachkundig beschreibt Diamond auch die globalen Zukunftsprobleme des Klimawandels und der Zerstörung der natürlichen Ressourcen. Er verbindet sie mit dem Konflikt zwischen den reichen und den Schwellenändern und empfiehlt den reichen Ländern ein vorausschauendes Krisenmanagement:
„In unserer globalisierten Welt wird es ein von China, Indien, Brasilien, Indonesien, afrikanischen Staaten und anderen Schwellen- und Entwicklungsländern akzeptiertes nachhaltiges Auskommen nur dann geben, wenn Konsumraten und Lebensstandards rund um den Erdball annähernd gleich sind. Aber die Erde hat nicht genug Ressourcen, um die gegenwärtige Erste Welt nachhaltig zu unterhalten. Bedeutet das nun, dass wir alle todsicher in der Katastrophe enden? Nein, denn wir könnten ein stabiles Auskommen haben, wenn sich die Konsumraten der Ersten Welt und der anderen Länder einander deutlich unter dem aktuellen Niveau der Ersten Welt annähern würden.“
Nationalität als Schlüsselbegriff
Man kann Diamond vorwerfen, dass er solche Problemstellungen zwar konstatiert, ihren strukturellen – etwa sozioökonomischen – Ursachen aber nicht tief genug auf den Grund geht. Diamond schwebte offenbar ein Buch über Regeln der politischen Klugheit vor, die gleichermaßen pragmatisch wie zeitlos sind. Letztlich tauchen bei ihnen aber die gleichen Probleme auf wie bei der persönlichen Krisenbewältigung: jeder Fall ist anders und die Regeln sind oft ambivalent.
Beispielsweise begreift Diamond zwar eine starke nationale Identität als krisenstabilisierend, sein Buch macht aber auch klar, wie nationale Orientierungen die Lösung globaler Probleme verhindern. Und vielleicht wäre es kurzfristig effektiv, wenn Diamond vorschlägt, man könne die aktuellen Klimaprobleme eindämmen, indem man vorübergehend weiterhin auf die Kernkraft setzt. Aber ist es kluge Krisenpolitik, wenn man damit unvorhersagbare Risiken in Kauf nimmt und die Endlagerungs-problematik noch einmal verschärft?
Trotzdem hat Diamonds eigenwilliges Buch seinen Reiz: Es liefert ein vielfältiges Bild nationaler Problemlagen. Und es appelliert daran, Nationen nicht nur als ein politisches Abstraktum zu sehen, sondern als eine krisenanfällige Realität, für die jeder Bürger – wie für sich selbst – Verantwortung trägt.
Jared Diamond: „Krise. Wie Nationen sich erneuern können“, S. Fischer Verlag, 464 Seiten, 26 Euro.
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Krise - Wie Nationen sich erneuern können - Von Jared Diamond (Autor)