Vorwort zur erweiterten und aktualisierten Neuausgabe Einleitung
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Auf die erste Ausgabe dieses Buches reagierten verblüffend viele Leserinnen. Die meisten schrieben freundliche oder gar begeisterte Briefe. Viele schickten Informationen und Anregungen, andere setzten sich mit dem Buch kritisch auseinander. Wutausbrüche trafen ein, auch Haßtiraden und Drohungen.
Manche hatten Erwartungen, die ein Buch nicht erfüllen kann: Wo sei das Rezept für politischen Erfolg? Aber eine Garantie, risikofrei emanzipatorische Politik zu betreiben, kann es nicht geben. Wo Menschen anfangen können, Politik zu machen? Die Augen aufmachen, diese Gesellschaft beobachten, ein bißchen Phantasie und keine Angst vor Fehlern und Erfahrungen. Und wenn sich ein Ansatz als falsch herausstellen sollte, daraus lernen.
Eine emanzipatorische politische Perspektive entwickelt sich nur dann, wenn Menschen bereit sind, folgendes miteinander zu verbinden: Erstens: die vorhandenen Strukturen in Frage stellen, radikale, qualifizierte Kritik lernen, sich theoretisch mit den Hintergründen dieser Gesellschaft auseinandersetzen; Zweitens: die Bereitschaft, politisch zu handeln, eine Balance herzustellen zwischen Theorie und Praxis; Drittens: bereit sein, sich aus dem eigenen Schneckenhaus zu entfernen und sich mit anderen, ähnlich denkenden Menschen zusammen zu organisieren — ob in einer Stadtteilinitiative oder in einer politischen Organisation.
Rassismus sei doch ein Nebenthema, meinten einige aus der Ex-DDR. Viel wichtiger sei doch die soziale Lage der Ostdeutschen. Ist es nicht vielmehr so, daß unser Ziel ein selbstbestimmtes, würdiges Leben für alle Menschen sein muß, unabhängig von ihrem Paß oder vermeintlichen oberflächlichen, äußerlichen Unterschieden?
In einigen Briefen prallte die alte Technik- und Fortschrittsgläubigkeit auf meine ökologische und feministische Wissenschaftskritik. »Verhaltensgenetik«, schimpfte ein Biomediziner, »ist .... eine mit nüchternen Fakten untermauerte Wissenschaftsdisziplin, deren potentieller Mißbrauch auf einem anderen Blatt steht.«
Als ob es nur an der gesellschaftlichen Anwendung einer Technologie läge, ob sie dem Menschen schadet oder nicht. Oft waren es männliche Leser, die an die Nützlichkeit jeder Technologie glauben wollen und denen die Wissenschaftskritik in diesem Buch zu radikal ist. Aber es gab jenen 50jährigen Katholiken und Öko-Aktivisten, der ein wenig selbstironisch mitteilt, daß er ob des »ungeheuer umfassenden Wissens und der guten Darstellung« in seinem »männlichen Stolz ein wenig gekränkt« sei.
Aus intelligenter Kritik lernt eine AutorIn am meisten. Manch eine Kritik wird jedoch hinter der Parole versteckt: »Das muß man doch differenziert sehen«. Damit ist dann nicht gemeint: Analysiere genau und unterscheide, was zu unterscheiden ist. Sondern: Mache unscharf, verwässere Deine Kritik so lange, bis Du meiner Meinung bist!
Überraschend, mit wie geringer Analysequalität sich die Differenzierungs-Forderer dann selbst zufrieden geben, sobald eine oder einer ihre Meinung teilt. Wenn ich zum Beispiel ausführlich begründe, weshalb ich die Gentechnik ablehne, erwarte ich die Auseinandersetzung mit meiner Analyse und meinen Argumenten. Statt dessen stieß ich, auf der Suche nach dem konkreten Gegenstand der Kritik, häufig nur auf irrationale Sehnsucht, auf neuen unkritischen Fortschrittsglauben, daß doch die neue Technik die Rettung sein möge. Wie viele Menschen sind so sehr von der eigenen Hoffnung auf politische Veränderungen enttäuscht, daß sie Zuflucht bei der scheinbaren Machbarkeit durch Naturwissenschaft und Technik suchen und aggressiv diejenigen abwehren, die ihnen diese falsche Hoffnung nehmen (müssen)?
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Ich freue mich darüber, daß in einigen Umweltverbänden, besonders in der Umweltjugendbewegung, die Diskussion über die soziale Frage endlich geführt wird und mensch sich endlich auch rechtem und ökofaschistischem Gedankengut — auch in den eigenen Verbänden — auseinandersetzt.
Wer Gurus angreift, wird von ihren eifernden Jüngern attackiert. Vor allem die Attacken zur Rechtfertigung von Rudolf Bahro und den AnthroposophInnen waren für die Autorin lehrreich. Manch eine Verteidigung der Gurus bestärkte meine Kritik, wenn zum Beispiel geschrieben wurde: »Bahros Gedanke, daß die Menschen ihrem Stamm stärker verhaftet seien als ihrer Klasse« sei »Überdenkenswert«, und der Briefschreiber habe so »viel mit Tieren und Zoologie zu tun gehabt«, daß er schon denke, »daß sich einige Arten (von Menschen) in Rassen aufteilen«.
Eine mit Rudolf Bahro verbundene Lernwerkstatt in der Eifel verbreitete einen wutschäumenden Brief gegen dieses Buch, woraufhin zwei österreichische Wissenschaftler offenlegten, daß sie in ebenjener Bildungsstätte mit Schwärmerei für die »hohe Sterbekultur der SS« konfrontiert worden seien. (Auch dieser Konflikt ist neu in dieses Buch aufgenommen.)
Manche Kritik traf Teile der Linken: Der Boom der Esoterik hat auch mit den Fehlern von Linken in Zeiten ihrer Stärke zu tun. Daß in vielen linken Organisationen Phantasie, politische Kultur und solidarischer Zusammenhang weniger lebendig waren als an Fließbandarbeitsplätzen hat sicher auch zu ihrem Zerfall beigetragen.
Andererseits: Auch das freundlichste Kollektiv bewahrt eine/n nicht vor der Anforderung, sich politisch auseinandersetzen zu müssen. Der Umgangston in einer Gruppe mag noch so liebevoll und konfliktvermeidend sein, irgendwann kommt die Herausforderung, sich auch in miesen Zeiten den gar nicht mehr freundlichen Konflikten zu stellen, Bündnispartnerinnen nach inhaltlichen Kriterien zu suchen, nicht (nur) nach Zuneigung. Da müssen Menschen dann politische Vernunft zeigen, widerstandsbereit sein und konfliktfähig, ohne jede Garantie auf Erfolg. Da hilft dann auch kein höheres Wesen.
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Manche Verteidigung des Gurus Rudolf Steiner führte zur Erweiterung des Archivs der Autorin und dieses Buchs. Ein anthroposophischer Ministerialrat a.D. aus Bonn etwa empfahl wütend: Lassen Sie »in Zukunft derartige Äußerungen über etwas, von dem Sie nicht nur nichts, sondern offenbar das Gegenteil verstehen.«
Andere AnthroposophInnen fanden die Darstellung der Überschneidungen zwischen Anthroposophie und Faschismus »verwerflich« und Teil jener »moralisch schmutzigen« Verhaltensweisen, die »die Erde ruinieren«. »Nur wer Anthroposoph sei«, so die ständige verquere Logik, »könne Steiner verstehen und dürfe ihn kritisieren«, meinten andere. Und »wer Steiner verstünde, brauche ihn ja nicht mehr zu kritisieren«. Wie praktisch.
Opfer der anthroposophischen Sekte dankten der Autorin für die öffentliche Kritik und berichteten von okkulten Zwängen und von Rassismus gegen ausländische Lehrerinnen und Schülerinnen an vielen Waldorfschulen. Ich erhielt historische Belege über die Kooperation der Anthroposophen mit den Nazis vor 1945 und anthroposophischer Beteiligung an Menschenversuchen in KZs. Auch darum ist dieses Buch erweitert worden.
Esoterik ist die in diese Phase des Kapitalismus passende entpolitisierende und entsolidarisierende, leistungssteigernde Ideologie. »Sie säen Haß in die Herzen. Das Feuer, das in Ihrem Herzen brennt, ist eins, das Sie verbrennen, verzehren wird ... zurück bleibt Asche«, schimpft eine Anhängerin des New Age. Asche? Nun, ich werde die fehlende Sympathie dieser Leserin verkraften.
OD: Wirst du meine fehlende Sympathie auch noch verkraften?
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Wo mein Wille bleibe, die »Mehrheit des Volkes« zu erreichen, fragt einer. Ich müsse doch nur klug taktieren! Wer so opportunistisch redet, den finden wir, auch in der Geschichte, irgendwann bei der Mehrheit, aber der herrschenden, der falschen. Ob Arbeiterinnenbewegung, Frauenbewegung oder Anti-AKW-Bewegung: Es waren immer zahlenmäßige Minderheiten, die radikale Reformen oder revolutionäre Veränderungen durchsetzten. Über ihren Erfolg, für den es keine Garantie gab, entschied, ob es ihnen gelang, gesellschaftliche Gegenmacht aufzubauen und auf diese Weise (begrenzte) Erfolge zu erkämpfen.
Ein Vorwurf war: Ich hielte an »alten Forderungen« fest und an Werten wie: internationale Solidarität, Emanzipation oder gar Antikapitalismus. Solange es die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen gibt, bleibt die Forderung nach ihrer Aufhebung. Ist schon je ein Konzernaufsichtsrat von einem Reporter gefragt worden, weshalb er immer noch an der uralten Vorstellung der »Arbeitsplatzvernichtung« und der Selbstverständlichkeit, die Natur für Profit zu vernichten, festhält?
Manche Zustimmung erreichte mich schweigend: Ich schlage eine politische Zeitung auf, lese in einer Zeitschrift oder einem Buch und erkenne plötzlich große Auszüge aus diesem Buch wieder, ohne jede Quellenangabe. Wenn's der Aufklärung dient! Gefreut hat mich die Nachfrage aus dem Ausland, aus Österreich, der Schweiz, Griechenland, Japan, lateinamerikanischen Ländern und den USA. Es ist schön zu erfahren, daß mit »Feuer in die Herzen« Diskussionen und politische Aktivitäten unterstützt und ausgelöst werden konnten.
Manche Lesungen mit der Erstausgabe dieses Buchs gestalteten sich turbulent. Gelegentlich versuchten Faschistinnen zu stören: In Vlotho beispielsweise mußten die Veranstalterinnen vom Arbeitskreis Entwicklungspolitik (AKE) und die Autorin Neonazis aus dem Saal schicken. Der für die Finanzierung des AKE zuständige Landschaftsverband geißelte später die »Intoleranz« der Veranstalter: Will der AKE die Unterstützung des (sozialdemokratischen) Landes nicht verlieren, soll er künftig Faschistinnen bei Veranstaltungen dulden.
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Amüsiert hat mich hingegen die Reaktion auf meine Kritik an der rechten bis rechtsextremen ÖDP: Ihre Funktionäre verschickten wutschäumende Stellungnahmen, per Mailbox bot der Ex-ÖDP-Vorsitzende Ritter sogar »Argumentationshilfen« gegen die Autorin an. Aber nicht eine einzige wirkliche Richtigstellung aus ÖDP-Kreisen erreichte die Autorin. Nur: Herbert Gruhl sei nicht 1990, sondern schon 1989 aus der ÖDP ausgetreten. Eine wirklich bedeutende Korrektur, wenn mensch bedenkt, daß von Gruhl verfaßte Programme und seine ökofaschistischen Bücher noch im Wahljahr 1994 auf den Veranstaltungen der ÖDP angeboten werden!
Nicht ein einziges ÖDP-kritisches Argument in diesem Buch ist zurückzunehmen, im Gegenteil, es kommen neue hinzu: Neuerdings versucht die ÖDP heftig, um junge WählerInnen zu buhlen. Als Aushängeschild dient ihr z.B. Franz Alt, seine Fernsehpopularität und seine scheinbar christlichethische Position. Damit dies nicht so leicht gelingt, wurde dieses Buch um ein politisches Portrait von Franz Alt erweitert: sein Antisemitismus, seine Unterstützung eines neofaschistischen Kinder- und Jugenderziehungsheims, seine merkwürdigen Kooperationen. Schön ist, daß die Tarnmanöver der ÖDP nicht mehr so gut gelingen wie früher und daß sie inzwischen aus etlichen ökologischen und linken Bündnissen rausgeflogen ist.
Manchmal gab es, zwischen Zustimmung und Kritik, auch falsche Zustimmung. Da folgt auf schwärmerisches Lob die Empfehlung, das intellektuelle Niveau zu senken, weniger Argumente zu verwenden, diplomatischer zu sein: »Du nimmst den Lesern ihre Ideale und Wurzeln. Du nimmst ihnen ihren Glauben an ihre Religion und geisteswissenschaftlichen Väter ... Du bietest ihnen keinen Ersatz.« Gut so, denn erst jenseits des Glaubens ist Selbstbestimmung und Emanzipation möglich.
Es schrieben SchülerInnen, die anderswoher keine Antworten erhofften, StudentInnen, die die unpolitische Enge der heutigen Universitäten umtreibt, alte KämpferInnen gegen Wiederbewaffnung und Notstandsgesetze, Gewerkschafterinnen, die über Perspektiven jenseits der Einbindung in Kapitalinteressen diskutieren wollen, Feministinnen, Eltern, Beamte und Punks: »daß so gut wie keine andere Veröffentlichung in den letzten Jahren die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse so gut analysiert. Du schilderst die <Hauptstoßrichtungen> des Kapitals, ohne Dich in Nebensächlichkeiten zu verlieren oder zu abstrakt zu werden.«
Und nach einer Lesung: »Es hat unglaublich gutgetan, einen Abend mit Menschen zu verbringen, die noch nicht das Gefühl haben, daß eh' alles keinen Sinn mehr hat«; ein anderer: »... an diesem Abend habe ich so viel Neues erfahren, ganz andere Blickwinkel gezeigt bekommen, und dafür bin ich wirklich dankbar«.
Neu ist in dieser stark erweiterten und aktualisierten Ausgabe sehr viel: Alle Kapitel wurden überarbeitet. Zusätzlich finden sich viele neue Abschnitte und neue Kapitel: z.B. über Bioethik und Organtransplantation, über den Euro-Atomreaktor und das Atomkraftwerk in Garching, über Rudolf Bahro, Franz Alt und die Anthroposophen.
Dr. med. Max Otto Bruker, der in der Erstausgabe nur mit wenigen Zeilen erwähnt war, hat versucht, die Erstausgabe des Buches vor Gericht zu verhindern. Was dann bei meiner mehr als einjährigen Recherche über den »Ernährungspapst« herauskam, war gleichfalls ein eigenes Kapitel wert.
Von vielen gewünscht, ist dieser Ausgabe nun ein umfangreiches Personen- und Stichwortregister beigefügt. Ich wünsche viel Interesse und Vergnügen bei der Lektüre dieser Neuausgabe und warte neugierig auf Reaktionen, auf Zustimmung wie auf Kritik.
Jutta Ditfurth, Frankfurt/Main im Juli 1994
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Feindbild Mensch
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Wir wissen nicht, ob am Ende der Auseinandersetzung um ein humanistisches Menschenbild der Mensch, wie wir ihn heute kennen, noch existieren wird:* kreativ und widersprüchlich, lernfähig, fähig zu Reflexion, Selbstbestimmung und Emanzipation, neugierig und feige, solidarisch und egoistisch, unterwürfig und freiheitsliebend. Die Fronten in dieser außerordentlich politischen Auseinandersetzung um das, was der Mensch ist und was er künftig sein soll, scheinen verworren. Weder Bündnispartnerinnen noch Gegnerinnen verhalten sich, wie wir es von ihnen erwarten könnten.
* OD: Was ist denn das für ein Sch*ßsatz?
Der Mensch ist ein »Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse« (Marx), in denen er aufwächst, lebt, arbeitet, liebt, streitet und kämpft. Die gegensätzliche Vorstellung finden wir nicht nur in der traditionellen und herrschenden Auffassung der Medizin und der Biologie. Das Feindbild »Mensch«, die gewaltsame biologistische Beschränkung des Menschen auf Geschlecht, angebliche Rassen, auf »Begabungen« und »Anlagen« streut heute in alle Bereiche der Gesellschaft. Lose, oberflächliche Gedankenfacetten verbinden sich zu geschlossenen biologistischen Konzepten. Gedankenschrott und Bewußtseinsgifte wie die der Esoterik nähren menschenfeindliche, politische und wirtschaftliche Interessen. Und die organisieren sich erschreckend systematisch.
In »Deutschland«, wie die BRD plötzlich hemmungslos genannt wird1, wurde der Faschismus nie aufgearbeitet, weder von den Herrschenden in Kapital und Politik noch von den »kleineren« Täterinnen und Mitläuferinnen. Wichtige Akteure2 überlebten das Ende des Nationalsozialismus und beteiligten sich nach 1945 an der »Gestaltung« von Nachkriegsdeutschland. Sie bestimmten die Strukturen, die Ausbildungsinhalte und das Bewußtsein in Wirtschaft, Politik, Justiz, Kultur, Bildung, Medizin.
In den Wissenschaften, von der Medizin bis zu den Sozialwissenschaften, hat, von den Emanzipationsbewegungen der sechziger bis achtziger Jahre zeitweise an den Rand gekämpft, ein Menschenbild überlebt, das jedem und jeder einen festen Platz in der Gesellschaft zuweist. Wer oben ist, soll oben bleiben, wer unten ist, unten. Autoritäre Gesellschaften und Herrschaftsverhältnisse werden aus »biologischer« Ordnung abgeleitet. Ausbeutung, Erniedrigung und Perspektivlosigkeit erfahren ihre »natürliche« Begründung.
Ob Biologie oder kosmisches Schicksal: GentechnokratInnen, ÖkofaschistInnen und AnhängerInnen des New Age gehen Hand in Hand in die Ökodiktatur. Wir werden feststellen, daß wir mitten im Prozeß der Enthumanisierung der Ökologie stehen und daß sie uns in vielfacher Gestalt als Kampfbegriff gegenübertritt.
Die außerparlamentarische Opposition, linke und emanzipatorische Initiativen, die Studentinnen- und die Lehrlingsopposition, die Anti-AKW- und die Frauenbewegung, antimilitaristische und internationalistische Bewegungen haben seit 1968, vielleicht 15 oder 20 Jahre lang, den stinkenden Mief nicht nur »unter Talaren« wegfegen können. Vertreterinnen von Staat, Kapital, Kirche und etliche Besitzer der veröffentlichten Meinung treten seit einigen Jahren mit guter Hoffnung an, die Erfolge dieser begrenzten gesellschaftlichen Emanzipation auszuradieren. Haben sie Erfolg, wird dieses Land noch schwerer erträglich, als es sowieso schon ist. Es gäbe dann kaum noch Widerstand gegen die Eroberungsfeldzüge gegen Menschen und Natur.
Mit einigen Managern läßt sich derzeit unverkrampfter als mit manchen ehemaligen Linken darüber diskutieren, daß wir im Kapitalismus leben und daß es der zentrale Antrieb des Kapitals ist, sich menschliche Arbeitskraft und Natur möglichst billig anzueignen, um die günstigsten Verwertungsbedingungen zu schaffen. Wer inzwischen von den Verhältnissen profitiert und deshalb keine anderen (mehr) will, leugnet diese Grunderkenntnis.
Solche Leute erkennen wir gelegentlich daran, daß sie verharmlosend von »ökologischer und sozialer Marktwirtschaft« schwätzen und zusammenzucken, wenn eine/r statt dessen von »Kapitalismus« spricht oder »Profit« sagt statt »Gewinn«. Politische Erkenntnis und gesellschaftlicher Erfolg stehen in keinem unmittelbaren Zusammenhang. Wir sollten versuchen, schlechte politische Zeiten wenigstens ohne verblödeten Kopf zu überstehen.
Einer der Erfolge der Linken in den 60er und 70er Jahren war, daß Menschen lernten: Wissenschaft und Technologie sind nicht wertfrei, sondern interessengeleitet, was bedeutet, daß es in der Forschung viele Weichen gibt, an denen sich der weitere Weg entscheidet, zum Beispiel für Atomenergie und gegen eine ökologische und soziale Energieversorgung. Forschungsziele und Erkenntnisinteressen richten sich nach den spezifischen Kapitalverwertungsinteressen der jeweiligen Fraktion, die auf die wissenschaftliche Arbeit Einfluß nimmt. Im Fall der Atommafia ist dies nach wie vor das Interesse an Herrschaft und Profit durch Atombombenfähigkeit und Energieverschwendung.
Für die Atomenergie wie für die Gen- und Reproduktionstechnologie gilt:
Überprüfe, wer woran arbeitet, wer Forschung, Wissenschaftler und Wissenschaftlerin bezahlt und aus welchem ökonomischen oder politischen Interesse. Dann weißt du, was herauskommen soll, welchem Zweck es dient, welche Zusammenhänge, sozialen Interessen und welcher Teil der Realität vernachlässigt und geleugnet wird, welche alternativen wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen zerschlagen werden und welche politische Entwicklung uns droht.
20-21
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