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Jutta Ditfurth
Entspannt
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1996 189 (224) Seiten ca 600 Anmerkungen auf 21 Seiten dnb.Buch (1) detopia |
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Anmerkung 4 auf Seite 191:
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Linke Kritik, rationales Denken überhaupt wird heute denunziert wie lange nicht mehr, dadurch wird Menschen das intellektuelle Werkzeug genommen, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu begreifen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Die Zerstörung der Vernunft ist zugleich Ziel und Methode der Attacke gegen die Aufklärung. Diese Aufklärung hat nichts gemein mit kapitalistischer Rationalität, also einer Vernunft, die nur verklärtes Profitinteresse des Kapitals ist, dem menschliche Arbeitskraft und Naturressourcen unterworfen werden sollen, sondern ist eine Rationalität, die die Verhältnisse entmystifiziert und den Menschen den verstandesmäßigen Zugang zur Wirklichkeit erlaubt.
Ganz im Gegensatz dazu will zum Beispiel einer wie Franz Alt lernen, »mit den Augen des Bauches zu sehen«, und schwärmt für »unsere Kollegen«, die »vor der sogenannten Aufklärung (...) mit Worten und Werten wie Liebe, Seele, Gott, Religion, Mystik, Meditation, Gebet und Stille wie selbstverständlich gearbeitet«5 haben (Hervorhebg. J.D.).
Es gibt eine solche Fülle esoterischer Lebensberatungs- und Konsumangebote, daß ihr gemeinsamer ideologischer Hintergrund für die meisten Menschen nicht mehr erkennbar ist. Jede soziale Gruppe findet ihr spezifisches Esoterikangebot. In diesem Buch geht es um einige, zum Teil verknüpfte, zum Teil getrennte ökofaschistische und esoterische Szenen.
Auf romantische, konfliktscheue Frauen und Kinder zielen die Führer des Märchenzentrums Troubadour e. V. mit Hauptsitz in Vlotho. Märchen scheinen harmlos, helfen gegen Ängste, regen die Phantasie an, so das Klischee. Aber in manchen Märchen herrschen völkische Lichtgestalten, germanische Helden und rassistische Mythen. Märchenerzähler verstecken ihre Herrschaftsinteressen hinter lichtdurchfluteten, von sphärischen Klängen begleiteten Ritualen, wenn nicht gerade mit Faschistinnen bei den Externsteinen ums germanische Sonnwendfeuer getanzt wird.
Was verstehen der Mainstream des gesundheitsbewußten Bürgertums und der rechte Flügel der Ökologiebewegung unter Gesundheit? Nichts, was etwas mit Ernst Blochs Definition zu tun haben könnte: »Gesundheit ist ein sozialer Begriff, genau wie das organische Dasein der Menschen, als Menschen, insgesamt. So ist sie überhaupt erst sinnvoll steigerbar, wenn das Leben, worin sie steht, nicht selber von Angst, Not und Tod überfüllt ist«, schreibt Bloch im »Prinzip Hoffnung«.6
Im Verständnis von Ökofaschistlnnen und Ökorechten ist mit Gesundheit in erster Linie die völkische gemeint, Erbgesundheit, die vor allem der erfolgreichen Vermehrung der eigenen »rassisch« höherwertigen Art dient. In der esoterischen Vorstufe versteht mensch unter Gesundheit nur das eigene Wohlbefinden ohne Interesse und ohne Rücksicht auf andere.
Nach einigen heftigen und gewiß auch finanziell abträglichen Konflikten tarnen sich erfolgreichere Gurus eines ökofaschistischen Gesundheitsverständnisses seit einigen Jahren als weltläufige, liberale, Nazis angeekelt verabscheuende Bürgerinnen.
Bei den Veranstaltungen Doktor Max Otto Brukers trifft sich dieses gnadenlos nur an den eigenen Wehwehchen interessierte Bürgertum. Übt einer auf einer solchen Veranstaltung Kritik an Brukers zahlreichen früheren Bündnissen und Kooperationen mit Rechtsextremen und Faschisten, erwähnt eine dessen Ex-Mitgliedschaft in der SA, geht es rund.
Mancherorts ist es nur der anwesenden Presse zu verdanken, daß die Prügelstrafe für Kritik an Bruker nicht praktiziert wird: Was interessiert uns Politik, es geht hier um unsere Gesundheit, schreien die Bruker-Fans und kapieren nicht, daß auch Brukers
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Dank
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Ich möchte mich besonders herzlich bei denen bedanken, die mich mit Anregungen, Informationen und Kritik versorgt haben. Zu ihnen gehören, — wen ich vergessen habe, bitte ich vorab um Entschuldigung -: Janet Biehl, Peter Bierl, Colin Goldner, Dominik Reinle und Tamara Schaaf. Dem ich am meisten verdanke, widme ich dieses Buch: Manfred Zieran.
Anmerkungen
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1 Friedrich Engels und Karl Marx, Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Frankfurt/Main 1845, in: Karl Marx/Friedrich Engels Werke (MEW), Bd. 2, Berlin (Ost) 1972, S. 7
2 vgl. Jutta Ditfurth, Balkan: Versuchsfeld für Kriegstreiber, in: OkoLinX 19/ 20 Sommer 1995.
OkoLinX ist eine autonome ökologische linke Zeitschrift, die der politischen Organisation Ökologische Linke nahesteht. Probeheft (Vorkasse): 8 DM (incl. Porto und Versand) bei: OkoLinX-Verlag, Neuhofstr. 42, 60318 Frankfurt/Main
3 zit. nach: Kulte, Führer, Lichtgestalten. Die Glaubenswelt der Rechtsextremen. Ein Film von Klaus Bellmund und Kareel Siniveer. WDR. Erstsendung: ARD, 13.6.1996
4 Jutta Ditfurth, Feuer in die Herzen. Plädoyer für eine ökologische linke Opposition. Stark erweiterte und aktualisierte Neuausgabe, Econ Taschenbuch Verlag, Düsseldorf 1994.
Die erste, viel kürzere Ausgabe erschien 1992 im Carlsen-Verlag, Hamburg. Beide Verlage waren feige bzw. feindselig im Umgang mit diesem Buch und haben, selbst entgegen den rauhen Gepflogenheiten des Buchmarktes, die Autorin nicht oder nur zögerlich verteidigt, als die zu erwartenden juristischen Drohungen eintrafen. Die Erstausgabe stand Anfang 1993 kurz vor der dritten Auflage, als der Carlsen-Verlag das Werk »versehentlich« überall als »vergriffen« meldete. Von da ab war das Buch in praktisch keiner Buchhandlung mehr zu bekommen.
Die Zweitausgabe, »stark erweiterte und aktualisierte Neuausgabe«, erschien im Oktober 1994 im Econ Taschenbuch Verlag. Dieser Verlag ging in in der ersten Instanz eines presserechtlichen Verfahrens in die Knie und verzichtete auf die Berufung (es ging im schlimmsten Fall um zwei oder drei geringfügige Schwärzungen). Andere Verlage machen mit solchen Anfeindungen rechter Kreise Werbung. Nicht so der Econ Taschenbuch Verlag: Geschäftsführer Kreuzhage ließ die gesamte Restauflage am Tag nach dem erstinstanzlichen Urteil vernichten, ohne die Autorin auch nur zu informieren und ihr die Restauflage anzubieten. Ein glatter Verstoß gegen das Verlagsrecht. Ich ging allein gegen die ÖDP in die Berufung und gewann in allen inhaltlichen Punkten. Ich mußte lediglich zusichern, daß ich eine Fußnotenziffer künftig an eine andere Stelle setzen würde — ein Satzfehler. Die beiden — unterschiedlichen — Ausgaben von »Feuer in die Herzen« waren auf diese Weise in den vier Jahren nach ihrem Erscheinen zusammen vermutlich nicht länger als zehn bis zwölf Monate käuflich zu erwerben. Die Autorin versucht z.Zt. (Sommer 1996), sich alle Rechte zurückzuholen und das Buch bei einem neuen Verlag unterzubringen.
5 Franz Alt, Das Zauberwort heißt Liebe, in: Der Gesundheitsberater (GGB), Dezember 1986, S. 7. Der Gesundheitsberater ist die Zeitschrift Max Otto Brukers.
6 Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Frankfurt/Main 1977, Bd. 2, S. 541
7 für die Zeit bis zur Machtübergabe an die NSDAP vgl. z. B.: Jutta Ditfurth, Die Lage der an den [Berliner] Ambulatorien angestellten Ärzte. Zur Politik und Argumentation der Ärzteverbände in der Weimarer Republik, unveröffentlichte Diplomarbeit an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld, vorgelegt am 15.2.1977.
Für die begrenzte juristische Auseinandersetzung mit ärztlichen Verbrechen während des NS-Faschismus vgl. vor allem: Alexander Mitscherlich/F. Mielke (Hrsg.), Medizin ohne Menschlichkeit, Frankfurt 1962 (1. Ausgabe: 1949)
8 Werner Rügemer, Die Rede des Häuptlings schrieb ein Drehbuchautor, in: Frankfurter Rundschau v. 24.9.1993
9 Erhard F. Freitag, Kraftzentrale Unterbewußtsein. München 1990, S. 315. Zit. in: Von Karma bis Lebensschutz. Über New Age, Ökofaschismus und Heidentum. Hg. v. AStA Antifa-Referat der Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Bielefeld 1992, S. 11
10 Dieser Exkurs stammt aus: Jutta Ditfurth, Feuer in die Herzen ... (1994) (Anm. 4), S. 264-268. Er wurde wiederholt, um Mißverständnissen vorzubeugen.
11 »Märchenseminare und Schulungen«, Programm des Troubadour Märchenzentrums für 1993
12 Gedächtnisprotokoll eines Gesprächs des Journalisten Dominik Reinle mit dem zweiten Mann des Märchenzentrums Troudabour, Karlheinz Schudt, am 15. 2. 1994
13 »Märchenseminare und Schulungen«,... (Anm. 11)
14 Brief des Troubadour Märchenzentrums e. V. an die Stadt Vlotho vom 30. 9. 1992
15 Westfalenblatt/Vlothoer Tageblatt vom 9. 9. 1993
16 Interview mit Karlheinz Schudt, Radio Herford, Tagesspiegel vom 25. 8. 1992
17 Brief des Collegium Humanum an Heinrich Schratmeier vom 3. 8. 1990
18 Gespräch des Journalisten Dominik Reinle mit Karlheinz Schudt am 10. 2. 1994
19 aus: Einladung des Collegium Humanum zum »Mittsommerfest« 1991
20 Gedächtnisprotokoll (...) des Journalisten Dominik Reinle (...), (Anm. 12)
21 Anlage »Gesamtfinanzierungsplan« zum Brief des Troubadour Märchenzentrums an die Stadt Vlotho ..., (Anm. 14)
22 Raimund Hethey, Wer und was sind die Neuen Rechten?, in: Jens Mecklenbürg (Hrsg.), AntifaReader. Antifaschistisches Handbuch und Ratgeber, Elefanten Press, Berlin 1996, S. 196 - 207
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23 entfällt
24 Trikont = die drei von den kapitalistischen Zentren unterentwickelt gehaltenen Kontinente Asien, Zentral- und Südamerika sowie Afrika. Mit dem Begriff wird der Versuch gemacht, die Hierarchie im Begriff »Dritte Welt«, die trotz Gänsefüßchen nicht weichen will, durch eine neutralere Kategorie zu ersetzen.
25 Herbert Gruhl, Das irdische Gleichgewicht, München 1985, S. 234
26 Herbert Gruhl, Zehn weitere Jahre »Plünderung des Planeten«, Flugblatt, ausgelegt von der ÖDP am 19.4.1994 auf ihrer zentralen Europawahlkampfveranstaltung in Frankfurt/Main. Das Flugblatt trägt auf der Rückseite einen Aufkleber mit der Kontaktadresse der ÖDP Bundesgeschäftsstelle, Bonn.
27 Herbert Gruhl, Ein Planet wird geplündert. Frankfurt/Main 1987 (Erstauflage 1975), S. 110
28 Thomas Ebermann zitiert aus einem ungenannten Text von Gruhl in der Diskussionssendung »Heißer Stuhl« des Privatsenders RTL am 14. 4. 1992. Gruhl bestätigt das Zitat.
29 Rene Dubos, Der entfesselte Fortschritt. Programm für eine menschliche Welt. Bergisch Gladbach 1970, S. 166, zit. in: Herbert Gruhl, Himmelfahrt ins Nichts. München 1992, S. 244
30 Herbert Gruhl, Die Menschheit ist am Ende, in: Der Spiegel 13/1992
31 Der Exkurs zu Herbert Gruhl ist eine Kürzestfassung des sehr viel ausführlicheren Textes in: Jutta Ditfurth, Feuer in die Herzen (1994) (Anm. 4), vor allem S. 230 - 240
32 Mathias Jung, Ilse Gutjahr, Editorial, in: Der Gesundheitsberater 2/1996
33 ebenda
34 Vlothoer Tageblatt v. 4.12.1982
35 Interview mit Max Otto Bruker, in: Tierbefreiung aktuell, Nr. 2, April 1996, S. 9
36 Mathias Jung, Der Mensch muß eine Aufgabe haben, in: Der Gesundheitsberater, November 1992, S. 7
37 Aus dem (abgelehnten) Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung des Max Otto Bruker, vertreten durch seine Anwälte Andreas Lubberger und Kollegen, Frankfurt/Main gegen Jutta Ditfurth, Frankfurt/Main und Max-Verlag, Hamburg, 11. Mai 1994, S. 31
38 ebenda
39 ebenda, S. 34
40 Interview mit Max Otto Bruker, in: Tierbefreiung aktuell, Nr. 2, 1996
41 Einladung zur FSU-Regionaltagung am 24./25. November 1979 in Lahnstein, Krankenhaus Lahnhöhe, Überregionales Zentrum für Ganzheitsmedizin. Es handelt sich um Brukers Klinik.
42 Es gibt eine interne Auseinandersetzung darüber, ob der WSL nicht am Anfang »Weltbund zur Rettung des Lebens« geheißen habe und ob nicht überhaupt in Deutschland erst allmählich das Wort »Naturschutz« wieder durch »Lebensschutz« ersetzt worden sei; vgl. etwa den Brief von H. Bruns, Bund für Lebensschutz, Schlangenbad, an R. Güertler, Hannover, am 5.1.1976. Inzwischen ist »Lebensschutz« als rechter Kampfbegriff durch die organisierten rechten Abtreibungsgegnerinnen breit durchgesetzt, vgl. etwa Äußerungen und Programm von FDP und Bündnis 90/Die Grünen.
43 Richard Stöss (Hrsg.), Parteienhandbuch. Die Parteien der Bundesrepublik
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