Nachwort von Rene Dubos
309-310
Die ungeheuren Tierherden, die über Teile Ostafrikas ziehen, wo die Menschheit vermutlich entstanden ist, sorgen für ein aufregendes Naturschauspiel. Sie symbolisieren die Kraft des Lebens, eine scheinbar endlose Vielfalt von Arten zu schaffen, jede einzigartig an eine bestimmte Heimat und ein bestimmtes Verhaltensmuster angepaßt.
So schön, wie diese Tiere uns erscheinen, und so bewundernswert sie an die afrikanische Savanne angepaßt sind, sind sie alle, sofern sie sich ihren menschlichen Verfolgern entziehen können, jedoch Gefangene der Darwinschen Evolution, die nicht rückgängig zu machen ist und die bestimmt, wo und wie sie leben müssen.
Im Gegensatz dazu sind Menschen mit der Freiheit und Flexibilität der sozialen Evolution gesegnet, die fast vollständig umkehrbar ist. Während wir Mitglieder der biologischen Spezies Homosapiens blieben, haben wir viele verschiedene Lebensweisen erfahren, und einige von uns leben weiter als Jäger und Sammler, Hirten, Bauern, Seeleute, Künstler, Fabrikarbeiter oder zurückgezogene Gelehrte.
Wir waren Mitglieder umherschweifender Horden, wir waren seßhaft in Dörfern, Städten oder Großstädten oder lebten zurückgezogen in religiösen oder gelehrten Gemeinschaften. Die gesamte Geschichte und auch Frühgeschichte hindurch hatten wir die Freiheit, unseren Weg zu wählen, die Richtung zu ändern und sogar unsere Schritte zurückzulenken, um die von uns gewählten Ziele zu erreichen.
Die vorherbestimmte Zukunft wirkt im menschlichen Leben wie auch in anderen Lebensformen, aber sie wurde ständig und zunehmend von der gewollten Zukunft ergänzt, die auf menschlichen Werten und Neigungen beruht.
Wie andere Menschen auf allen Stufen der Frühgeschichte und Geschichte sind auch wir immer noch auf dem Weg. Wir erneuern uns ständig, wenn wir auf neue Orte und Erfahrungen zugehen. Überall, wo Menschen sind, ist Trend niemals Schicksal, weil das Leben mit jedem Sonnenaufgang von neuem beginnt: Morgen fängt alles wieder an!
Wir unterscheiden uns vielleicht in unseren Geschmacksrichtungen und Zielen; vielleicht verabscheuen wir auch viel von dem, was wir um uns herum wahrnehmen; aber die meisten unter uns würden in Thoreaus Weckruf einstimmen: »Ich beabsichtige nicht, eine Ode an den Trübsinn zu verfassen, sondern genauso vital und fröhlich wie Chanticleer am Morgen zu prahlen, wenn er auf seinem Dach steht, und sei es nur, um meine Nachbarn wachzurütteln.«
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* (d-2015:) Chanticleer: singender Hahn in Geoffrey Chaucers <Canterbury Tales>.
wikipedia Geoffrey_Chaucer *1343 in London - bis 25.10.1400