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Zusammenfassung in 25 Thesen

 

 

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  1. Vom So-Sein kann zwar nicht automatisch auf ein Sollen geschlossen werden. Jedes "Ist" muß jedoch hinterfragt, in politischen Diskussionen zur Kenntnis genommen und bei Zielsetzungen in Rechnung gestellt werden. Wer nur von "moralischen Imperativen" und "erkenntnisleitenden Interessen" spricht, ohne sich auch an der Wirklichkeit zu orientieren, handelt fahrlässig.

  2. Der Biologie als Lehre vom Leben kommt auch bei der ethischen Normenfindung eine besondere Bedeutung zu, da es sich ja bei den in der Politik zur Diskussion stehenden Erscheinungen wie Gewalttätigkeit, Migration, Bevölkerungswachstum, menschliche Emotionalität, Habgier, Nächstenliebe usw. ebenso um Lebenserscheinungen handelt wie bei allen übrigen kulturellen Äußerungen. Sie sind als solche der empirischen Forschung zugänglich, zu der die Biologie mit der Evolutionstheorie die Basistheorie allen Lebens stellt.

  3. Biologische Normen sind in der Regel nicht linear nach . dem Prinzip "je mehr, desto besser" konstruiert, sondern auf ein Optimum ausgerichtet. Nach dessen Überschreiten kann ein "Mehr" zu einem "Weniger" werden, ja sogar sich schädlich auswirken.

  4. Wahrnehmung, Emotionalität und konkretes Handeln des Menschen werden nachweislich von stammesgeschichtlichen Programmierungen mitbestimmt. Diese entwickelten sich in jener langen Zeit, in der unsere Vorfahren als altsteinzeitliche Jäger und Sammler lebten.

  5. Mit der technischen Zivilisation und mit den Millionenstädten schufen wir uns eine Umwelt, für die wir biologisch nicht geschaffen sind. Die kurze Zeit, in der wir unter diesen Bedingungen leben, reichte nicht aus, um uns genetisch an die neuen Lebensbedingungen anzupassen.

  6. Biologisch ist auch der moderne Mensch an ein Leben in territorialen Kleingruppen angepaßt, die sich gegen andere abgrenzen. Familie (Drei-Generationen-Familie) und Sippe bilden die Kristallisationskerne solcher Gemeinschaften.

  7. Unser Verhalten Mitmenschen gegenüber ist ferner durch einen Konflikt zwischen Verhaltensweisen freundlicher Zuwendung und ängstlicher Meidung gekennzeichnet. Diese Ambivalenz beobachten wir in allen Kulturen, und sie manifestiert sich überall bereits im Säuglingsalter als "Fremdenscheu". Persönliche Bekanntheit mildert die Angst; sie schafft Vertrauen.

  8. In der Kleingruppe kennen Personen einander. Dies fördert Vertrauen und freundliche Umgangsformen. Rangordnungen basieren in der individualisierten Kleingruppe auf fachlicher und prosozialer Kompetenz ("fürsorgliche Dominanz"). Gegenüber Gruppenfremden besteht die Neigung, Schwächen zur Herstellung repressiver Dominanzbeziehungen zu nutzen.

  9. Konkurrenz der Menschengruppen förderte die kulturelle Entwicklung von anonymen Solidar­gemein­schaften, wie Täler-, Stammes- und Volksverbänden. Ihr Zusammenhalt als Solidar­gemeinschaft wird über das familiale Kleingruppenethos abgesichert, in das auch die fremden Gruppen­mitglieder über die Stiftung fingierter Verwandtschaft einbezogen werden. Mythen bekräftigen ideologisch die Abstammung von gemeinsamen Ahnen. Das kommt auch im Wort "Nation" zum Ausdruck. In der Primärbindung an eine Familie entwickeln wir die Fähigkeit, uns in einer weiteren Ebene auch mit dem Staat zu identifizieren.

  10. Die Loyalitäten eines Mitgliedes einer solchen anonymen Großgesellschaft bleiben jedoch nach Nähe abgestuft, nach dem Muster Familie, Lokalgruppe (Gemeinde), Nation usw. Innerhalb der auf der Basis persönlicher Bekanntheit verbundenen Wir-Gruppe werden Aggressionen tabuisiert, prosoziale Verhaltensmuster dagegen gefördert.

  11. Für die anonyme Großgesellschaft erwachsen uns aus unseren Kleingruppenanlagen Schwierigkeiten. Mißtrauen bestimmt mit zunehmender Anonymität die Beziehungen. Das führt zu Abschottung und Meidung. Muster repressiver (agonaler) Dominanz treten an die Stelle der fürsorglichen (protektiven) Dominanz. Fürsorglichkeit wird entpersönlicht und zur Verwaltungssache.

  1. Menschen klagen daher über Einsamkeit in der sie bedrückenden Masse. Die heutige Mißtrauensgesellschaft aktiviert unter anderem Fluchtreaktionen mit Anschlußsuche und die Bereitschaft, sich Ideologien und Sicherheit versprechenden Personen anzuschließen. Da unsere Kleingruppenethik mithin nicht für das Leben in der Großgruppe ausreicht, bedarf es erzieherischer Bemühungen, um eine anonyme Gesellschaft zu einer größeren, prosozialen Solidargemeinschaft zu verbinden.

  2. Der Mensch der Altsteinzeit lebte naturnah und angepaßt an die Herausforderungen eines risikoreichen Lebens. Das züchtete ihm eine Risikoappetenz an, die wir in Ersatzhandlungen ausleben. Die Belastungen der Neuzeit wie Arbeitsstreß, berufliche Abhängigkeit von anderen. Naturferne und das Fehlen der traditionellen Herausforderungen belasten uns zusätzlich und sorgen für Irritation.

  3. Da eine Rückkehr zur Kleingesellschaft weder wünschenswert noch möglich ist, müssen wir uns kulturell an die neuen Lebensbedingungen der Großstadt anpassen. Unsere angeborenen Verhaltensdispositionen müssen dabei in Rechnung gestellt werden.

  4. Durch städtebauliche Maßnahmen lassen sich sowohl die aus dem zwischenmenschlichen Mißtrauen erwachsenden Belastungen mildern als auch jene, die aus der "naturfernen" Umwelt und der modernen Lebensweise erwachsen.

  5. Der Architekt kann mit der Gestaltung der Wohnumgebung Bühnen der Begegnung schaffen, die das Miteinander-Bekanntwerden fördern. Die ästhetisch-künstlerische Gestaltung spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Wahrnehmung des Schönen lädt zum Verweilen ein, entspannt und stimmt freundlich. Eine gelungene gärtnerische Gestaltung befriedigt unser Bedürfnis nach Naturnähe. Brunnen beleben, die Verwendung der traditionellen religiösen Symbolik kann vielen zusätzlich das Gefühl von Trost und Schutz geben.

  6. Allzu provokative Kunstwerke sollten an Orten, die der sozialen Integration dienen, nicht präsentiert werden. Zwar hat Kunst auch die Aufgabe, zu provozieren, aber dafür sind Ausstellungen wie die documenta das geeignete Forum. Wer Menschen in ihrer Wohnumgebung täglich verärgert, fördert gewiß nicht das harmonische Zusammenleben und tut daher nichts Gutes. Auch Pharisäertum mit erhobenem Zeigefinger findet in den avantgardistischen Ausstellungen ein besseres Publikum als auf einem zum freundlichen Verweilen der Anwohner dienenden Platz.

  7. Den Menschen zeichnet ein Bedürfnis nach positiver Selbstdarstellung aus. Er trachtet nach "Ansehen", sowohl als einzelner als auch als Angehöriger einer Solidargemeinschaft. Die ästhetische Gestaltung der Fassaden und die "Kunst am Bau" kann das Selbstgefühl ihrer Bewohner stützen und durch Unverwechselbarkeit Identifikation fördern. Überdies kann der Künstler über entsprechende ästhetische Reizschlüssel affiliativ-freundliche Gestimmtheit induzieren und damit prosoziales Verhalten fördern.

  8. Über die Vielfalt der Ethnien experimentieren die Kulturen und werden zu Schrittmachern der Evolution. Die kulturelle Vielfalt sichert zugleich die weitere Existenz des Typus Mensch und folgt damit einem Lebensstromprinzip, das sich im übrigen Organismenreich in der Vielzahl der Arten und Unterarten manifestiert. Die Vielfalt erhält sich hier wie dort über Mechanismen der Abgrenzung und Verteidigung.

  9. Ein friedliches Miteinander verschiedener Völker ist möglich, wenn jede Ethnie ihr eigenes Land hat und ihre eigenen Angelegenheiten ohne Furcht vor repressiver Dominanz und Landnahme durch andere regeln kann. Dann können verschiedene Völker in einem Staat kooperativ verbunden sein (Beispiel Schweiz).

  10. Die Prognosen für den Aufbau einer multikulturellen Immigrationsgesellschaft sind dagegen wenig günstig. Grenzt sich in einem bereits besiedelten Gebiet eine weitere, landlose Solidargemeinschaft ab, die mit den Ortsansässigen um begrenzte Ressourcen konkurriert, dann löst dies territoriale Abwehr aus. Ferner bekräftigt die Angst um Identitätsverlust die Xenophobie. In Krisenzeiten kommt es dann leicht zu Konflikten.

  11. Die Situation verschärft sich, wenn unterschiedliche Fortpflanzung die Immigrantenbevölkerung schneller wachsen läßt als die ortsansässige und wenn die ökologische Tragekapazität der Einwanderungsländer bereits überschritten ist, wie das in Europa der Fall ist.

  12. Die Probleme der Dritten Welt können nicht durch Aufnahme der Notleidenden von dort gelöst werden. Ihre Lösung hat vielmehr eine wirksame Bevölkerungskontrolle zur Voraussetzung. Nur eine solche kann einen dauerhaften Weltfrieden garantieren.

  13. Gelingt es den Ländern der Dritten Welt nicht, ihr Bevölkerungsproblem zu lösen, dann müssen sich die Länder, die eine wirksame Geburtenkontrolle betreiben, in großräumig-autarken Friedenszonen abgrenzen. Nur in solchen können überdies umweltschonende Produktions­techniken durchgesetzt und kann die arbeitende Bevölkerung angemessen bezahlt werden. Und nur zwischen Wirtschaftsgebieten, die in dieser Hinsicht den gleichen Standard einhalten, ist Freihandel möglich.

  14. Wir müssen lernen, in längeren Zeiträumen vorauszudenken, und dementsprechend ein generationen­übergreifendes Überlebens­ethos ausbilden. Dazu müssen wir die Falle des Kurzzeitdenkens, die "Konkurrenzfalle", vermeiden.

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