Der ungeheuerliche Anschlag auf das World Trade Center in New York hat den internationalen Terrorismus wieder in das Blickfeld der sogenannten zivilisierten Welt gerückt. Stehen wir nun vor der Verwirklichung von Visionen, die wir in den letzten Jahren nur aus Kinofilmen wie "The day after" oder "Matrix" kennen? 

Arfst Wagner

Was kann jetzt noch
Normalität heißen?

 Orientierungsveruche in einer
schlagartig veränderten Welt

Über die Globalisierung
des Egoismus

  

        Ernst Start

22.09.2001
Tellingstedt

 

OD: Mit freundlicher Genehmigung des Autors für Utopie1

Quelle: lohengrin-verlag.de - Flensburger Hefte 

 

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In den Tagen nach dem Anschlag auf das World Trade Center, dem 11. September 2001, bestimmten neben dem Entsetzen über die Tat und die Trauer um die vielen tausend Toten jede Menge Klischees die Nachrichten in den Medien und die öffentliche Diskussion. Auch die Informationen aus den Medien können die Tatsache nicht verdecken, daß der Kenntnisstand des durchschnittlichen Mittel­europäers oder Amerikaners bezüglich des Islam, der politischen Hintergründe des Terrorismus oder gar der politischen Hintergründe der westlichen Politik eher dürftig genannt werden muß.

Es ist wohl richtig, eine Rückkehr zur "Normalität" im herkömmlichen Sinne wird es nicht mehr geben. Und das ist auch gut so. Denn: Was ist "normal"? Haben uns nicht gerade die Anschläge deutlich gemacht, daß die "Normalität" unserer Spaßkultur eben nicht normal ist? Daß die (vielfach verdrängten) Probleme der Welt bewältigt werden müssen, wollen wir die Form von Normalität erreichen, die den Menschen auf der ganzen Welt ein menschenwürdiges Dasein ermöglicht?

Seien wir uns darüber im Klaren: Die ungeheuerlichen Vorgänge der letzten Woche bringen eine Unsicherheit mit sich, die Antworten verlangt. Menschen wollen Orientierung. Und deshalb neigen viele zu vorschnellen kurzschlüssigen Urteilen. Mag mancher der Ansicht sein, daß das Böse auf der Welt dadurch ausgelöscht wird, daß Osama bin Laden und seine Organisation auseinandergebombt wird: Die Ursachen für den Terrorismus werden dadurch nicht beseitigt.

 

Mögliche Gefahren  

Welche Gefahren kommen nun in der nächsten Zukunft resultierend aus der jetzigen Weltlage auf uns zu, selbst wenn wir den zu erwartenden Militärschlag der USA und dessen unabsehbare Folgen hier außer acht lassen?

Werden wir uns klar: Die Sicherheitskonzepte werden völlig neu überarbeitet werden. "Es wird ein Stück Freiheit geopfert werden müssen", so konnte man verschiedene Politiker bereits hören. Das "Bündnis gegen den Terror" kann in der Folge der Ereignisse in den nächsten Jahren zu einem "Bündnis für Globalisierung" werden und zwar zu einem "Bündnis für Globalisierung von oben". Und jeder, der in Zukunft die "Globalisierung von oben" kritisiert, läuft Gefahr, mit den Terroristen in einem Atemzug genannt zu werden.


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Bisher hat sich gezeigt daß der Primat der Ökonomie vom Westen nicht in Zweifel gestellt wird. Fußballspiele und das Oktoberfest in München finden statt mit der Begründung, daß wirtschaftlich von diesen Veranstaltungen eine Menge abhängt. Das reicht als Begründung.

Der Konflikt zwischen Islam und der sogenannten christlichen Welt wird, besonders nach militärischen Aktionen, immer größer werden. Ein gegenseitiges Verstehen würde ein gegenseitiges Interesse aneinander voraussetzen.

Die Wut der Armen der Welt auf diejenigen die den Reichtum der Welt genießen, wird sich immer mehr steigern. Und so baut sich wieder einmal eine Eskalation der Gewalt auf, die uns die nächsten Jahrzehnte in Furcht und Schrecken versetzen werden.

Osama bin Laden sieht in den USA "das Böse". Für Präsident Bush ist der Terrorismus die "Verkörperung des Bösen" auf der Welt. Mit diesen Worten werden die Menschen geblendet. Eskalation der Vorgänge wird die Folge sein. Und auch die unglaubliche und erfreuliche Solidarität mit den Opfern wird diese Eskalation nicht verhindern können. Das Versagen der westlichen Politik hinsichtlich der verschiedensten Konflikte auf der Welt ist offenbar. Osama bin Laden ist die Verkörperung unseres eigenen gesellschaftlichen (und individuellen) Versagens. Und nur leise und selten klingen Worte in unsere Ohren wie die eines protestantischen Pastors: "Meiner Ansicht nach verlä uft die Grenze zwischen Gut und Böse durch jeden einzelnen Menschen hindurch." Für jeden psychologisch nur etwas geschulten Menschen ist erkennbar, daß es eine seelische Unfähigkeit ist, wenn jemand alles Böse immer woanders und nie innerhalb der eigenen Person zu suchen in der Lage ist.

Vielfach wurde die Frage gestellt, warum der berechtigte Aufschrei von Millionen von Menschen angesichts der schrecklichen Anschläge in den USA nicht bereits immer dann ertönte, wenn die Nachrichten aus Afrika und dem Nahen und Fernen Osten uns über schreckliche Ereignisse informierte. Wir hatten uns an derartige Nachrichten gewöhnt. Nun ist es uns bewußt: Es kann jederzeit jeden von uns treffen.

Meinen wir die Trauer um die Opfer der Anschläge ernst, dann fühlen wir uns individuell, ganz persönlich, aufgerufen, gleich welcher weltanschaulichen oder politischen Richtung wir angehören, Konsequenzen aus den Ereignissen zu ziehen und nicht wieder so rasch wie möglich in die "Normalität" zurückzukehren. Wer heute in diese "Normalität" zurückkehren möchte zeigt, daß er den Schritt ins neue Jahrtausend nicht vollzogen hat. Die Normalität des 21. Jahrhunderts muß jedoch nicht der Terror sein! Wir können uns jedoch zumindest an den Punkten, wo jetzt Entscheidungen fallen nicht leisten, diese Entscheidungen aus dem Bewußtsein des 19. oder gar 18. Jahrhunderts heraus zu fällen. Tun wir das dennoch, so werden weitere schreckliche Ereignisse die unausweichliche Folge sein.

In seinem Buch "Rückkehr zum Paradies oder Erbauen des Neuen Jerusalem?" (Flensburg 1992), das sich unmittelbar nach dem Golfkrieg Ende 1991 mit den damaligen Ereignissen und dessen politischen und religiösen Hintergründen auseinandersetzt, schreibt Hans-Diedrich Fuhlendorf:


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"So kommen Juden, Muslime, Christen, von moderner Wissenschaft und Technik begeisterte, Sozialisten und Nationalisten zu Wort, fast alle in einem Kampf zwischen Gut und Böse, Gott und Satan darinnenstehend, viele von dem Willen erfüllt, eine altgewordene Welt zu zerschlagen, um eine bessere, menschlichere aufzubauen. Dabei wird das, was die einen als gottgewollte neue Weltordnung erstreben, von anderen als vom Satan herrührend verdammt. Die Erwartungen hinsichtlich der neuen Weltordnung schwanken zwischen der Sehnsucht nach Rückkehr zum Paradies und der Hoffnung, das Neue Jerusalem, die Stadt auf dem Hügel, erbauen zu können. So wird ein Bild vom apokalyptischen Charakter unserer Zeit entworfen."

Auf dieses Buch, daß einen Überblick über die Weltereignisse des 20. Jahrhunderts und deren spirituell-geistige Hintergründe verschaffen kann, sei hier mit Nachdruck hingewiesen!

Hören wir mit geschärften Ohren auf die Worte der Politiker und Journalisten, die wir derzeit in den Medien zu Gesicht bekommen. Achten wir darauf, ob ihre Worte uns in der alten, untergehenden Welt festhalten wollen und uns beispielsweise eine Sicherheit vorzugaukeln beabsichtigen, die es auf der Welt nicht gibt und nicht geben kann, oder ob Stimmen laut werden, die zeigen, daß sie ein Bild einer neuen menschlichen Gesellschaftsordnung vertreten, im Sinne einer Welt, in der alle Menschen den Vorzug eines menschenwürdigen Daseins erfahren können.

 

Das Böse, Rudolf Steiner, der Koran,
die "Türken" und die Christen

Viele sind heute der Überzeugung, daß die zivilisierte Welt ihre Werte vor dem Terrorismus verteidigen muß. Man muß gegen diese Überzeugung gerade auch als Deutscher gar nichts einwenden. Man kann aber doch einmal hinterfragen, wie tief diese zu verteidigenden Werte nicht nur in unserer Zivilisation, sondern besonders in unserer Kultur verwurzelt sind.

Rudolf Steiner vertrat diesbezüglich eine radikale Ansicht, die er in einem Vortrag über "die dem Geist widerstrebenden Kräfte. Grundwahrheiten des Christentums"1 in überraschender Weise darlegte. Zunächst zitierte Rudolf Steiner aus einem Buch, dessen Titel er zunächst seinen Zuhörern nicht verriet. Er fragt: 

„Können wir Menschen noch Christen nennen, die eigentlich sich auflehnen dagegen, den Christus so zu begreifen, wie er nun eigentlich in unserer Zeit begriffen werden muß? Nehmen wir einmal an, es käme jemand und würde sagen: Das von dem Jesus als dem Zarathustra, und dann wiederum von dem Jesus als dem, der des Menschen Seelen­substanz aufgenommen hat, bevor sie heruntergestiegen ist auf die Erde, das alles zu glauben widerspricht den Überzeugungen, die ich mir einmal aus meiner Weltanschauung heraus gebildet habe. Aber an dem einen halte ich fest, das gibt mir gerade meine Weltanschauung, dass auf eine übernatürliche Weise, nicht so, wie andere Menschen in die Welt treten, die Wesenheit, die in Jesus gelebt hat, in die Welt 


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getreten ist, dass diese Wesenheit gleich nach ihrer Geburt gesprochen hat, was andere nicht tun, und auch vorausgesagt hat, dass sie nicht sterben werde auf dieselbe Weise wie andere Menschen. – Nehmen wir an, es käme ein Mensch, der sagte, er könne das glauben. Da würden wir sagen: Nun ja, das Christentum hat sich eben verteilt auf die verschiedensten Weltanschauungs­strömungen; dieser hat nur das von dem Christentum aufgenommen, was im Lukas-Evangelium angedeutet wird als der eine Jesus-Knabe, der aus der nathanischen Linie des Hauses David abstammt.

Nehmen wir an, es würde in einem religiösen Dokument gerade so etwas ausgedrückt werden, so würden wir sagen: Nun ja, der Glaube dessen, der das sagt, ist eben beeinflusst von der unklar gewordenen Tradition, die erst wiederum klar gemacht werden kann durch die Erkenntnis der Geisteswissenschaft von dem zweiten Jesus-Knaben. – Ich werde Ihnen ein solches religiöses Dokument vorlesen, das von Jesus handelt, und ich bitte Sie, selbst zu urteilen darüber, was dieses religiöse Dokument wert sein könnte:  [Die Bemerkungen zwischen den Zeilen des Textes sind von Rudolf Steiner. A.W.]

„Eine Erwähnung der Barmherzigkeit deines Herrn gegen seinen Diener Zacharias"
Sie kennen die Figur des Zacharias aus der Bibel!
„Da er seinen Herrn im Verborgenen anrief,
Sprach er: mein Herr siehe, mein Gebein ist schwach, und mein Haupt schimmert greis,
Und nie war mein Gebet zu dir erfolglos.
Und siehe, ich fürchte für meine Sippe nach mir, denn mein Weib ist unfruchtbar.
So gib mir von dir einen Nachfolger, der mich und das Haus Jakob beerbe, und mache
ihn, mein Herr, wohlgefällig." 
Das heißt, mache ihn dir wohlgefällig.
„O Zacharias, siehe, wir verkünden dir einen Knaben, Namens Johannes,
Wie wir zuvor noch keinen benannten.
Er sprach: Mein Herr, woher soll mir ein Sohn werden, wo mein Weib unfruchtbar ist
und ich alt und schwach geworden bin?
Er sprach: Also sei`s! Gesprochen hat dein Herr: das ist mir leicht, und auch dich schuf
ich zuvor, da du nichts warst.
Er sprach: mein Herr, gib mir ein Zeichen. Er sprach: Die Zeichen sei, dass du, wiewohl
gesund, drei Nächte lang nicht zu den Leuten redest."
Es ist wie in der Bibel!
„Und er schritt hinaus zu seinem Volk aus der Nische und deutete ihnen an..."
Deutete, weil er nicht reden konnte.
„Preiset den Herrn morgens und abends. Und wir sprachen"
Das heißt: die Gläubigen:
„O Johannes, nimm hin die Schrift in Kräften; und wir gaben ihm die Weisheit, da er ein Kind war,
Und Mitleid von uns und Reinheit; und er war fromm und voll Liebe gegen seine Eltern und war nicht hoffärtig und trutzig.


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Und Frieden auf ihn am Tag seiner Geburt und am Tag, da er starb, und am Tag seiner Erweckung zum Leben!"
Das also die Lehre vom Johannes. Nun geht es weiter.
„Und gedenke auch im Buche der Maria. Da sie sich von ihren Angehörigen an einen Ort gen Aufgang zurückzog
Und sich vor ihnen verschleierte, da sandten wir unsern Geist zu ihr,
Und er erschien ihr als vollkommener Mann."
Wie in der Bibel! Ein merkwürdiges Dokument, nicht wahr?
Sie sprach: Siehe, ich nehme meine Zuflucht von dir zum Erbarmer, so du ihn fürchtest.
Er sprach: Ich bin nur ein Gesandter von deinem Herrn, um dir einen reinen Knaben zu bescheren.
Sie sprach: Woher soll mir ein Knabe werden, wo mich kein Mann berührt hat und ich keine Dirne bin?
Er sprach: Also sei`s! Gesprochen hat dein Herr: „Das ist mir ein Leichtes"; und wir
wollen ihn zu einem Zeichen für die Menschen machen und einer Barmherzigkeit von uns. 
Und es ist eine beschlossene Sache.
Und so empfing sie ihn und zog sich mit ihm an einen entlegenen Ort zurück."
Sie haben die geistige Empfängnis des Jesus.
„Und es überkamen sie die Wehen an dem Stamm einer Palme. Sie sprach:
O dass ich doch zuvor gestorben und vergessen und verschollen wäre!
Und es rief jemand unter ihr: Bekümmere dich nicht; dein Herr hat unter dir ein Bächlein fließen lassen;
Und schüttle nur den Stamm des Palmbaums zu dir, so werden frische reife Datteln auf dich fallen.
So iß und trink und sei kühlen Auges, und so du eine n Menschen siehst,
So sprich: „Siehe, ich habe dem Erbarmer ein Fasten gelobt; nimmer spreche ich deshalb heute zu irgend jemand."

Und sie brachte ihn zu ihrem Volk, ihn tragend. Sie sprachen: O Maria, fürwahr, du hast ein sonderbares Ding getan!
O Schwester Aarons, dein Vater war kein Bösewicht und deine Mutter keine Dirne. Und
sie deutete auf ihn. Sie sprachen: Wie sollen wir mit ihm, einem Kinde, in der Wiege reden?

"Er (Jesus) sprach: Siehe, ich bin des Gottes Diener. Gegeben hat er mir das Buch, und er machte mich zum Propheten.
Und er machte mich gesegnet, wo immer ich bin, und befahl mir Gebet und Almosen, solange ich lebe.
Und Liebe zu meiner Mutter; und nicht machte er mich hoffärtig und unselig.
Und Frieden auf den Tag meiner Geburt und den Tag, da ich sterbe, und den Tag, da ich erweckt werde zum Leben. [...]
Dies ist Jesus, der Sohn der Maria, – das Wort der Wahrheit, das sie bezweifeln.


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Nicht steht es Gott an, einen Sohn zu zeugen. Preis ihm! Wenn er ein Ding beschließt, so spricht er nur zu ihm: Sei! Und es ist.
Und siehe, Gott ist mein Herr und euer Herr; so dienet ihm; dies ist ein rechter Weg.
Doch die Sekten sind untereinander uneinig; und wehe den Ungläubigen vor der Zeugnisstätte eines gewaltigen Tages!
Mache sie hören und schauen einen Tag, da sie zu uns kommen. 
Doch die Ungerechten sind heute in offenbarem Irrtum."

Und nun Rudolf Steiners Kommentar, nachdem er diesen Text verlesen hat:

"So spricht diese Urkunde von dem Jesus, von dem in diesem Falle eben nur die eine Gestalt festgehalten wird. Können wir von dieser Urkunde nicht sagen: Derjenige, der ihr glaubt, glaubt wesentlich mehr als mancher, der sich in unserer Zeit nicht nur Christ nennt, sondern das Christentum von Amts wegen lehrt? Glaubt der, der an dieses Dokument fest glaubt, nicht viel mehr von dem Christentum, als ein solcher, der sich heute oftmals Lehrer des Christentums nennt? Und glauben Sie nicht, ich hätte Ihnen ein Dokument vorgelesen etwa – ich weiß nicht, ob Sie es kennen –, das von ein paar Leuten, von einer kleinen Sekte, als das wirkliche Zeugnis für ihren Glauben angesehen wird! Ich habe Ihnen aus dem Koran vorgelesen! Die 19. Sure aus dem Koran habe ich Ihnen vorgelesen, und jeder echte Türke [Zur Zeit des Vortrags nannte man alle Muslime im deutschen Sprachgebrauch "Türken", gelegentlich auch bereits "Mohammedaner" - A.W.] glaubt soviel von Jesus, als in dieser 19. Sure des Koran steht. Damit aber ist uns der Beweis geliefert, daß zahlreiche von denen, die sich unter uns Christen nennen, von diesem Christentum nicht einmal soviel wissen und glauben, daß sie die Berechtigung hätten, sich Türken zu nennen. Man muß schon in unserer Zeit der Wahrheit ins Antlitz schauen. Wer nicht glauben kann, daß es sich um ein Ereignis handelt, das nur aus dem Geiste zu verstehen ist, der ist nicht einmal Türke, viel weniger ein Christ, und er sagt nicht die Wahrheit, wenn er sich einen Christen nennt. Er müßte wissen, daß ein Türke mehr vom Christentum glaubt als er selber."

 

Pseudo-manichäische Weltauffassung

Die pseudo-manichäische Weltauffassung, das Böse müsse aus der Welt, geht heute wieder durch die Medien. Wir kennen das bereits aus der Regierungszeit Ronald Reagans, für den der „focus of evil in the modern world" in Moskau lag. In den Formulierungen von George Bush jr. taucht diese Formulierung nun wieder auf. Er glaubt, das Böse durch eine militärische Operation aus der Welt schaffen zu können. Ebenso werden von radikal-islamistischer Seite die USA als der "große Satan" angesehen, der aus der Welt geschafft werden müßte.

Wenige Stimmen hört man, die sich so äußern wie ein protestantischer Geistlicher: Seiner Ansicht nach verlaufe die Grenze zwischen Gut und Böse durch jeden einzelnen Menschen hindurch. In der jetzt beginnenden Auseinandersetzung um den internationalen Terrorismus, 


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die die Welt möglicherweise wesentlich verändern wird, würde das Primat eines Militärschlags zeigen, daß die christlichen Werte im Abendland und in den USA nicht die Stärke besitzen, die derzeitige Weltlage entscheidend zu beeinflussen. Es nutzt nichts, das zu kritisieren, wenn es ein Faktum ist. Die Welt wird seit mehr als 100 Jahren vom militärisch-industriellen Komplex bestimmt. Der Geist folgt dem Profit und (leider) nicht umgekehrt. Die ehrliche Konsequenz wäre das Eingeständnis, daß die religiösen und ethischen Werte auf unsere Kultur nur wie ein Lack aufgepinselt sind, daß sie keine Rolle mehr spielen, wenn es ernst wird. Diesen Lack nennen wir heute "Zivilisation". Wenn andere Kulturen die unsrige als gottlos anschauen, so muß uns das überhaupt nicht wundern.

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat Oswald Spengler in seinem Buch "Der Untergang des Abend­landes" die Ansicht vertreten, das Abendland werde am Ende des Jahrhunderts in der Barbarei versinken. Rudolf Steiner kommentierte das mehrfach mit dem Hinweis, Spengler würde Recht bekommen, wenn nicht eine geistige Menschen- und Weltauffassung in Europa zum Kulturfaktor werde. Wie weit eine solche Menschen- und Weltauffassung Kulturfaktor geworden ist, darüber kann man heute nicht mehr unterschiedlicher Auffassung sein. Vielleicht können wir noch darüber streiten, inwieweit wir in der Barbarei versunken sind. Die Tagesereignisse könnten aber eine solche Diskussion sehr rasch beenden. 

 

Kreuzzugsstimmung in den USA – eine spirituelle Konsequenz

Rudolf Steiner hat drei künftige menschliche Fähigkeiten beschrieben, die sich in der Zukunft entwickeln werden, zunächst aus den Anlagen der einzelnen Menschen heraus. Diese drei Fähigkeiten werden sich auf jeden Fall entwickeln, nur in welcher Form sie zum Vorschein kommen, daß ist offen.

Die Menschen des Ostens (Rudolf Steiner: „Russlands und des asiatischen Hinterlandes") werden eine instinktive Fähigkeit entwickeln, die mit der Frage der menschlichen Zeugung zusammenhängt. Die Menschen Mitteleuropas (Rudolf Steiner: „der Mittelländer") werden aus Erkenntnissen, die sie aus der Beobachtung von Krankheiten gewinnen werden, in sich eine Fähigkeit des Heilens (in umfassendem Sinne) entwickeln, die möglicherweise die Grundlage für jede gegenwärtige spirituelle Entwicklung in Europa darstellt, und die Menschen des Westens (Rudolf Steiner: die der „britisch sprechenden Bevölkerung") tragen in sich die Fähigkeit, eine spirituelle Technik und den Umgang mit dieser Technik zu entwickeln.2 Rudolf Steiner nennt diese drei Fähigkeiten die eugenetische (Osten), die mechanisch oder materielle (Westen) und die hygienische okkulte Fähigkeit (Mittelländer).3)

In vielen Berichten und Kommentaren zu den gegenwärtigen Ereignissen werden wir mit Informationen über die menschlichen, politischen und ökonomischen Folgen des Anschlags von New York geradezu überflutet. Das Wort "geistig" taucht nirgendwo auf. Es wird weder von geistigen Folgen und erst recht nicht von geistigen Ursachen der Katastrophe gesprochen. Dabei wäre das gerade jetzt notwendig. 


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Gedanken, die man sich im Hinblicken auf die Entwicklung spiritueller Fähigkeiten machen muß, wirken auf denjenigen, der nicht mit ihnen vertraut ist, oft umständlich und kompliziert. Mancher empfindet sie in der derzeitigen Situation vielleicht sogar als überflüssig. Oft erzeugen sie sogar Aggressionen. Das ist auch hier möglich. Wie wichtig diese sich im geistigen Hintergrund abspielenden Vorgänge sind, möchte ich an einem Beispiel deutlich machen. Rudolf Steiner führt nämlich das Folgende aus, daß man schon mit einer gewissen inneren Ruhe und Gelassenheit wird durchdenken müssen.

"Nun gibt es Hindernisse für die Entwicklung dieser Fähigkeiten; und die sind mannigfaltiger Art, und ihre Wirksamkeit ist eigentlich eine recht komplizierte. So ist zum Beispiel gerade für den Menschen der Mittelländer und der Ostländer ein bedeutsames Hindernis, die Fähigkeiten, die da kommen sollen, namentlich wissentlich zu entwickeln, wenn starke Antipathien gegen die Menschen des Westens in ihnen spielen, wenn diese Dinge nicht objektiv betrachtet werden können. Das ist ein Hindernis für die Entwicklung dieser Fähigkeiten." 

Also, ein Amerikahaß, selbst oder gerade auch ein unbewußter, würde die Entwicklung der hygienisch-okkulten Fähigkeit hemmen. Weiter Rudolf Steiner: "Gefördert werden die materiellen okkulten Anlagen gerade zum Beispiel durch jene Stimmung, welche in Amerika die sogenannte 'Kreuzzugsstimmung' ist. Diese besteht darin, daß Amerika berufen sei, Freiheit und Recht, und ich weiß schon nicht, was der schönen Dinge alle sind, über die ganze Erde zu bringen. Die Leute glauben das selbstverständlich. Hier ist nicht die Rede von irgendwelchen Anschuldigungen. Die Leute glauben, daß sie einen Kreuzzug machen. Aber gerade darin, daß man das Unrichtige glaubt, liegt die Unterstützung nach einer gewissen Richtung hin. Würde man bewußt das Unrichtige sagen, dann würde man diese Unterstützung nicht haben.

So ist auf der einen Seite dasjenige, was jetzt geschieht, unendlich förderlich, auf der andern Seite hinderlich gerade der Entwicklung derjenigen Fähigkeiten, von denen man sagen muß, daß sie heute bei den meisten Menschen noch latent sind, daß sie sich aber gegen die Zukunft hin entwickeln wollen, und daß sie tief eingreifen werden in die soziale Struktur der Menschen der Zukunft."4

Das bedeutet also, zusammengefaßt, die amerikanische Bevölkerung braucht die Illusion der Kreuzzugs­stimmung, die auf der anderen Seite möglicherweise Verheerendes anrichten kann. Die Menschen Europas schädigen die Entwicklung ihrer spirituellen Fähigkeiten durch einen Antiamerikanismus.

Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß wir aus diesem Grunde zu vollständigen Anhängern der amerikanischen Kreuzzugsstimmung werden müssen. Wir, also auch unsere Politiker, haben die Aufgabe, die Folgen der amerikanischen Kreuzzugsstimmung so weit abzudämmen, daß diese so wenig wie möglich schädlich wirksam werden können. (Die noch viel komplizierteren Vorgänge der Entwicklung der genannten Fähigkeiten können an dieser Stelle nicht beschrieben werden).


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Wie schwierig es ist und auch in den nächsten Monaten (und vielleicht Jahren) angesichts der Entwicklung der Verhältnisse seine bewußtseinsmäßige Klarheit aufrecht zu erhalten, mögen allein die Meldungen von heute (16.09.01) zeigen: Die Hamburger Morgenpost titelt Ihre Ausgabe vom Montag, den 17.09.01 mit der Überschrift: "Jene, die Krieg gegen die USA führen, haben Ihre eigene Zerstörung gewählt".

 

Wie dramatisch ist die Situation nun wirklich?

Der Journalist und Ostasienforscher Peter Scholl-Latour kann es sich aus seiner Altersgelassenheit heraus leisten, dies deutlich zum Ausdruck zu bringen. Im Gespräch mit Michel Friedman sagte er unter anderem, man solle sich klar darüber sein, daß die USA seit 1945 keinen einzigen Krieg gewonnen haben und daß sich schon die Rote Armee in Afghanistan, sollte dieses Land als Ziel für einen Militärschlag in Frage kommen, die Zähne ausgebissen hätten. "In Afghanistan ist bereits alles zerstört. Es gibt dort keine Ziele mehr", so Scholl-Latour. Die bundesdeutschen Politiker der Regierung und der Opposition bezeichnete er als der Situation nicht gewachsen. Auf die Frage, was auf uns zukäme, meinte er: Schreckliches. Aber kaum jemand könne dies sehen oder wolle dies wahrhaben. In einem anderen Interview weist Scholl-Latour auf die instabile innere Situation Pakistans hin und meint, die Amerikaner seinen jetzt gerade dabei, Pakistan vollständig zu destabilisieren. 

Es mehren sich in den USA die Stimmen, die zur Besinnung aufrufen. So schreibt der US-Philosoph Richard Rurt in einer Sonderausgabe von "Die Zeit": "Jedesmal, wenn die Vereinigten Staaten Krieg geführt haben, haben die Bürgerrechte gelitten. Er bezweifelt auch die ehrliche Information der Bush-Administration: "In den kommenden Monaten sollten wir mit sehr viel mehr Lügen rechnen und mit der [...] Verfolgung derer, die diese Lügen aufzudecken versuchen." Weiter meint Rurt: "Der 'militärisch-industrielle Komplex' wird noch mehr Macht erhalten."

Der amerikanische Schriftsteller Norman Mailer fordert ein Umdenken in den USA. Die Amerikaner sollten "endlich lernen, weshalb so viele Menschen ihr Land verabscheuen, so Mailer in der "Welt am Sonntag". Zitat Mailer: "Wir drängen in fremde Länder ein und bestehen darauf, unsere Eßgewohnheiten dort zu etablieren, zum Beispiel McDonald's. Wir errichten unsere Wolkenkratzer, bis die schäbigste Hauptstadt der Welt ebenfalls einen Ring von Wolkenkratzern um ihre Flughäfen herum hat. [...] Bis Amerika den Schaden begreift, den es anrichtet, indem es darauf besteht, daß der amerikanische, auf Profit ausgerichtete 'way of life' nicht notwendigerweise zu allen Ländern paßt, werden wir die meist gehaßte Nation der Erde sein!"

Experten sind sich sicher, daß Osama bin Laden Atomwaffen besitzt. Der Geheimdienstexperte Yosef Bodansky behauptet in seinem Buch "Der Mann, der Amerika den Krieg erklärte", daß Bin Laden im Jahre 1993 bis zu 20 Kernwaffen von Pakistan gekauft habe, darunter Bomben geringer Sprengkraft, sogenannte "Kofferbomben".

Auf das Buch von Oswald Spengler "Der Untergang des Abendlandes" habe ich bereits hingewiesen. Es scheint, das Ende der Spaßkultur ist erreicht. Wird Oswald Spengler jetzt recht bekommen?


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"War against Terror" – Sind die Menschenrechte am Ende?

Mein 16jähriger Sohn Johannes fragte beim Lesen der Nachrichtenüberschrift des amerikanischen Senders CNN "War against Terror": "Für wen soll man da sein?"
Krieg gegen Terror – eine zweideutige Formulierung.

Verdrängungsmechanismen sind ein Mechanismus, der das Ego schützen soll. Auf Dauer isoliert die Verdrängung jedoch das Ego mehr und mehr. Man braucht nicht viel von Psychologie wissen, um das einzusehen. Der Egoismus ist die Grundlage der westlichen Zivilisation. Der Egoismus mit seinen Verdrängungs­mechanismen verweigert sich der Betrachtung tiefer liegender Ursachen. Die Furcht tut ein übriges.

Es war in verschiedensten Diskussionen in den Medien zu erleben, daß die Frage nach den Ursachen der Terrorismus in den Hintergrund gedrängt wird. Am 18.09.01 wurde Karsten Voigt (SPD) in der Sendung "Talk im Turm" (ntv) nach diesen Ursachen befragt. Er antwortete etwa: "Um diese Frage zu beantworten, gehen wir zunächst einen Schritt zurück". In seiner Antwort ging er auf die Frage dann nicht ein. 

In einer Gesprächsrunde am 19.09.01 wies Peter Scholl-Latour darauf hin, daß die Sicherheitsdiskussion z.B. den Flugverkehr betreffend eigentlich keinen Boden habe. Man bräuchte gar keine Waffen, um zu töten, so Scholl-Latour, denn jeder Kämpfer habe gelernt, mit der Handkante zu töten. In der gleichen Sendung wurde auf die Frage, die ebenfalls von Scholl-Latour gestellt wurde, weshalb Menschen überhaupt zu Terroristen werden, nicht beantwortet. - Das alles kann man als äußerst problematisch erleben, ohne damit den Anschlägen ihren abscheulichen Charakter absprechen zu müssen.

In der FAZ vom 19.09.01 schreibt Henning Ritter: "Der Angriff auf das World Trade Center und das Pentagon hat die Politik der globalen Durchsetzung der Menschenrechte ins Reich der Utopien versetzt. Nicht daß man die Überzeugungen aufgegeben hätte, die zu dieser Politik inspirierten, doch eine solche Politik setzt die weltweite Überlegenheit der Vereinigten Staaten voraus., die in diesem Augenblick durch eine zwingende Symbolik in Frage gestellt worden war. Vor allem aber verträgt sich eine Politik der Menschenrechte nicht mit jenen Maßnahmen, deren sich die amerikanische Allianz gegen den Terrorismus bedienen muß. War bisher die Durchsetzung der Menschenrechte das Argument des Westens für Interventionen, so ist nun das Argument der Bekämpfung des Terrorismus an deren Stelle getreten."

Wer sich seit längerem mit der Geisteswissenschaft beschäftigt, der weiß, daß schon seit längerem Hinweise darauf gab, daß eine Zeit kommen wird, in der Umstände herrschen werden, die von den Menschen nicht gelöst werden können. Diese Zeit scheint jetzt, betrachtet man die gegenwärtigen explosiven weltweiten Verhältnisse, gekommen zu sein. Eine interessante Vorausschau verfaßte der russische Religionsphilosoph Wladimir Solowjoff in seiner "Kurzen Erzählung vom Antichrist".5)


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Es wird eine Gestalt auftreten, die dann diese Probleme lösen wird und die zum Weltherrscher über alle Religionen und Länder hinweg ernannt werden wird. Steuert die heutige Entwicklung auf diese Vision zu? Schon die nächsten Wochen und Monate werden dies deutlich zeigen.

 

Christlich?

Peter Scholl-Latour wies in der Gesprächsrunde im WDR vom 10.09.01 darauf hin, daß von einem "Kreuzzug" der Amerikaner keine Rede sein könne. Zunächst gehe es nach Aussage der Amerikaner gar nicht um eine religiöse Auseinandersetzung. Weiter stünden sich die Kreuzritter und Muslime des Mittelalters viel näher, als der säkularisierte Westen dem Islam, wenn man schon in religiösen Kategorien denken wolle.

Die anwesende Hannoveraner Bischöfin Käßmann, wurde per Telefon von einer Zuschauerin gefragt, ob sie George Bush für einen Christen halte. Sie wolle das nicht beurteilen, war die Antwort.

Von den westlichen Politikern wurde immer wieder betont, es handele sich bei der Reaktion des Westen nicht um "Rache". Zum Teil sprechen dieselben Politiker aber von "Vergeltung". Wo da der Unterschied liegen soll, bleibt unklar.

Frau Bischöfin Käßmann bestritt mit dem Hinweis auf die derzeit vollen Kirchen vehement die Aussage Scholl-Latours, der Westen sei säkularisiert.

Niemand kann bestreiten, daß natur wissenschaftliche und ökonomische Welt- und Menschenbilder die Leitlinien der westlichen Welt bilden. Das christliche Weltbild spielt nur eine untergeordnete Rolle. Auch das mag das westliche Ego nur ungern eingestehen, wenn überhaupt.

Christliche Grundsätze: Du sollst deine Feinde lieben! Liebe deinen Nächsten als dich selbst! Und vieles mehr. Die Weltlage ist komplex. Wer aber diese und andere Grundsätze als "Träumereien" bezeichnet, bezeichne das Christentum als Träumerei. Er sollte sich auch das eingestehen.

 

Die Befreiung der Arbeit als Lösung der soziale Frage?

Im Hintergrund der Weltproblematik steht das, was man die "soziale Frage" nennt. Es zeigt sich schon jetzt, daß die Furcht vor der "Globalisierung von oben", die für viele so aussieht, als wenn sie nur den Wohlhabenden ihre Pfründe sichern soll, nicht unberechtigt ist. Das World Trade Center war nicht, wie es heute bezeichnet wird, das Symbol der westlichen Welt, sondern "das Symbol der globalen Zivilisation" (Ritter in der FAZ). Die "Allianz gegen den internationalen Terrorismus" wird voraussichtlich zu einer "Allianz für Globalisierung" werden. Die Sicherheitsmaßnahmen, die nun im Kampf gegen den Terrorismus entwickelt und eingesetzt werden, bieten in Zukunft eine gute Voraussetzung der Sicherheitssysteme, die die Globalisierung zu überwachen in der Lage sein sollen.


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Afghanistan ist völlig verarmt. Ohne die Hilfe von westlichen Hilfsorganisationen wären die Menschen dort längst verhungert. Jetzt, nach dem Abzug der Helfer, wird der Vorrat an Reis, Brot, Wasser und Salz (etwas anderes gibt es sowieso nicht mehr) noch für drei Wochen reichen, so die Meldungen. Eine Millionenflucht wird nach dem möglichen Angriff der Amerikaner einsetzen. Sie selbst sprechen selbst von einem "gigantischen Militärschlag". Der Name, den sie der Aktion gegen den weltweiten Terror gegeben haben lautet: "Infinite Justice". Für das Wort "infinite" gibt es im Deutschen eine Reihe von Übersetzungs­möglichkeiten: unendlich, unbegrenzt, endlos, unerschöpflich. In den Nachrichten wurde "Infinite Justice" mit "unbegrenzter Gerechtigkeit" übersetzt. Auf jeden Fall erinnert der Name an das biblische "Jüngste Gericht", der Endzeit vor dem Wiedererscheinen Christi.

Die ökonomischen Fähigkeiten der Amerikaner sind bewundernswert. Vor 30 Jahren hieß es, sie seien wie keine andere Nation in der Lage, für Verteilung von Nahrungsmitteln und anderen Produkten zu sorgen. Als etwas zynisches Beispiel hieß es, sie seien in der Lage, auch dem letzten Soldaten in Vietnam noch die Cola-Dose in die Hand zu drücken. Diese Fähigkeit wäre im Sinne der ganzen Menschheit zu nutzen (nicht unbedingt mit Cola) – eine große zukünftige Aufgabe für die Amerikaner.

Ist es nun angesichts dieser Verhältnisse eine Illusion, was Rudolf Steiner als "einzige Lösung der sozialen Frage" bezeichnete?

"[...] Ich habe Ihnen einiges vorgetragen von den Lösungen der sozialen Frage, denn jene Dreigliederung der sozialen Ordnung, von der ich Ihnen gesprochen habe, die löst die Ware von der Arbeitskraft ab, so daß die Menschen i n der Zukunft nur Ware, nur äußeres Erzeugnis, nur vom Menschen Abgesondertes kaufen und verkaufen werden, daß aber der Mensch [...] aus Bruderliebe für den anderen Menschen arbeiten wird.
Es mag ein weiter Weg sein, um das zu erreichen, doch nichts wird die soziale Frage lösen als einzig und allein dieses. Und wer heute nicht daran glaubt, daß es nur so kommen müsse in der Weltordnung, der gleicht dem, der zur Zeit des entstehenden Christentums gesagt hätte: 'Sklaven muß es immer geben'. So, wie ein solcher dazumal unrecht gehabt hätte, so hat heute derjenige unrecht, der da sagt: Arbeit muß immer bezahlt werden. [...]
Heute können sich die gescheitesten Menschen nicht denken, daß man eine soziale Struktur haben kann, in der die Arbeit noch ganz andere Geltung hat, als wenn sie "bezahlt" wird. Natürlich wird dann aus der Arbeit ein Produkt hervorgehen, aber das Produkt wird das einzig und allein zu Kaufende und zu Verkaufende sein. Das wird sozial die Menschen erlösen."
6)

 

Es klingt fast wie Hohn, angesichts der Zeitereignisse hier die Abkopplung des Lohnes von der Arbeit zu thematisieren. Jedoch muß einem die Dimension klar werden, die ein solcher Schritt bedeuten würde, sollten sich Möglichkeiten ergeben, in mehreren Ländern zugleich diese Reste der Sklaverei zu beseitigen. Freiheit ist immer die Freiheit des einzelnen. Somit muß auch beim Einzelnen mit der Befreiung begonnen werden.


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Ich muß allerdings zugeben, daß der utopische Charakter eines solchen Schrittes mir völlig bewußt ist, was jedoch nicht an dieser Idee, sondern an den derzeitigen Verhältnissen liegt. Aber das ist die Realität. Die Verhältnisse bewegen sich heute eher in der entgegengesetzten Richtung, was, wenn auch nicht gutzuheißen, so doch zu akzeptieren ist. Somit muß man wohl sagen, daß weder in der westlichen, noch in der östlichen Welt eine solche Idee heute zu verwirklichen ist. Was bliebe von der sozialen Dreigliederung von der sozialen Dreigliederung überhaupt noch übrig, wenn man heute versuchen würde, sie, den Verhältnissen angepaßt, anzuwenden?

Wird jedoch weiterhin ein Großteil der Menschheit in Armut belassen, so wird sich die angespannte Situation nicht wirklich ändern; da hilft auch der Einsatz von Militär und Polizei nichts.

Die von Rudolf Steiner als einzige Lösung der sozialen Frage bezeichnete Abkopplung von Arbeit und Einkommen trifft genau auf den Punkt des egoistischen Charakters von Arbeit und Bezahlung, der heute allerorten üblich ist und der den Menschen, die nicht die nötige Bezahlung für ihre Arbeit oder sogar gar keine Arbeit erhalten, die Lebensgrundlage entzieht. Millionen von Menschen, darunter auch Millionen Kinder, leben in diesen Verhältnissen. Alle Menschen wissen das. Die Ohnmacht scheint grenzenlos: "infinite".

 

"Gnadenjahre"

Ein anthroposophischer Musikwissenschaftler bezeichnete die Jahre von 1945 bis 1950 einmal in einem Vortrag als "Gnadenjahre", in denen ein kultureller Neuanfang im umfassenden Sinne möglich gewesen wäre. Diese Jahre seien verschlafen worden.

Wider wurde die Kultur auf den egoistischen industriellen Komplex aufgebaut, der schon seit 1871 Deutschland beherrscht, völlig unabhängig von der jeweiligen politischen Orientierung. Nimmt man es mit der Kennzeichnung der fünf Gnadenjahre nicht so genau, so können wir gewissermaßen sogar die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts als Gnadenjahre bezeichnen, die uns zur geistigen Vorbereitung auf die jetzt kommenden Ereignisse zur Verfügung gestanden haben. Gesellschaftlich und individuell. Haben wir diese Jahre, gesellschaftlich und individuell, genutzt? Es wird sich nun schon sehr bald herausstellen.

 

Die Frauen in Afghanistan und die Globalisierung

Kritische Stimmen zur Globalisierung waren von Anfang an deutlich vernehmbar. Das Buch "Die Globalisierungsfalle" von Hans-Peter Martin und Harald Schumann7 ist eines der Standardwerke, die auf die Probleme der neuen Ökonomie hingewiesen haben. Die FLENSBURGER HEFTE brachten 1997 eine Ausgabe unter dem Titel "Die Welt im Umbruch. Globalisierung und Kampf aller gegen alle" heraus, in denen sachliche Kritik u.a. Hans-Peter Martin, Michael Steiner und andere ihre Bedenken zum Ausdruck brachten. In Deutschland gibt es Gruppierungen wie ATTAC und die mit ATTAC zusammenarbeitende "Sand in the Wheels", die sachliche Kritik an der Politik der Globalisierung formulieren.


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Die neue Welt des e-commerce wird, auch im Zusammenhang mit den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon, von John Rifkin, einem amerikanischen Gesellschaftskritiker kritisiert: Falls die negativen Entwicklungen der Globalisierung nicht korrigiert würden, befürchtet er eine Zunahme des Extremismus weltweit. Die Quellen des Hasses gegen die USA müßten genau analysiert werden.

Die Gegengewichte zu den neuen ökonomischen Entwicklungen funktionieren nicht Der portugiesische Literaturnobelpreisträger Josè Saramago meint, daß "ausnahmslos alle Religionen" nie dazu gedient hätten, die "Menschen einander näher zu bringen und den Frieden zu mehren". In einem Beitrag in der FAZ schreibt er weiter, daß die Religionen vielmehr "der Grund für unendliches Leid, für Massenmorde und ungeheuerliche physische und psychische Gewalt, die zu den dunkelsten Kapiteln der elenden Geschichte der Menschheit" seien. Gegenstimmen meinen, das läge nicht an den Religionen, sondern an dessen Fehlinterpretationen.

"Islamische und westliche Autoren haben 'verzerrte Gottesbilder', aber auch negative Folgen der Globalisierung als Ursachen für den ihrer Einschätzung nach möglicherweise noch wachsenden Extremismus in der Welt genannt", so die Schleswig-Holsteinische Landeszeitung am 22.09.01.

Viele Fakten sind längst bekannt: daß die Schere zwischen Arm und Reich, nicht nur in anderen Teilen der Welt, sondern auch bei uns in Mitteleuropa, immer größer wird, daß der Bildungsstand in Mitteleuropa dramatisch sinkt (nach Auskunft der Weltbildungsorganisation UNESCO können 4 Millionen Deutsche nicht oder nur mangelhaft lesen oder schreiben. In den alten Bundesländern sollen es allein 3 Millionen Erwachsene sein, was etwa 5% der Bevölkerung ausmacht), daß die Religion und überhaupt das gesamte Geistesleben der westlichen Welt am Zusammenbrechen ist. Letzteres wollen viele nicht wahrhaben, aber ich sage es deutlich: wie sollten diejenigen, die bereits keinen Begriff von Geistesleben mehr haben, den Verlust des Geisteslebens bemerken?

"Warum gibt es kein Geistesleben in Deutschland?" fragte der österreichische Künstler und Historiker Friedrich Heer bereits im Jahre 1978!8  Das nicht nur in Deutschland fehlende Geistesleben bewirkt, daß die Entwicklung der Bewußtseine der Menschen mit der ökonomischen Entwicklung nicht mehr Schritt halten können. Sie werden buchstäblich überrollt, auch wenn die überhaupt in irgendeiner Form in den Genuß der Vorzüge des e-commerce kommen.

Rudolf Steiner führte von den verschiedensten Gesichtspunkten aus, daß sich die Menschheit gegenwärtig in einer Zeit befindet, daß er das "Zeitalter der Bewußtseinsseele" nannte. Über diesen Begriff ist bisher viel zu wenig gearbeitet worden. Steiner meinte, daß die englischsprechende Weltbevölkerung aus ihren Anlagen heraus diese Bewußtseinsseele quasi mit der Muttermilch einsaugen würde, dagegen der Mitteleuropäer, der die Bewußtseinsseele in sich zur Entfaltung bringen möchte, dazu


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erzogen werden bzw. sich selbst dazu erziehen müsse. Aus diesem Aspekt heraus ist die Tendenz der Amerikaner, sich in der Welt zu engagieren, absolut positiv zu verstehen.

Nur benötigen sie, wie alle anderen Teile der Menschheit auch, Hilfe und Korrekturen. Und das eigentlich als allerletztes auf militärischem, vielmehr auf geistigem Feld. Bewußtseinsseele entwickeln, daß heißt, sehr verkürzt ausgedrückt, sich darüber klar zu sein, daß es auf der ganzen Welt nichts gibt, was nicht interessant ist und was mich nichts angeht. Positiv gesagt: Restlos alles auf der Welt ist für jeden Menschen von Bedeutung! Dostojewski hat es auf seine Weise so ausgedrückt: Jeder ist an allem schuld. 

 

Zur Lage der Frauen in Afghanistan

Jahrelang haben wir weggeschaut. Jetzt, wo es gelegen kommt, Emotionen gegen die Taliban zu schüren, bringen die Medien Berichte über Afghanistan. Und die Berichte sind erschütternd. Informationen hätten aber auch schon vorher jedem Einzelnen zur Verfügung gestanden.

Besonders furchtbar sind die Berichte über die Frauen (und damit auch über die Kinder!) in Afghanistan. In dem von der westlichen Völkergemeinschaft finanzierten Kabuler Fußballstadion finden keine Fußballspiele, sondern Erschießungen von sogenannten Ehebrechern und Ehebrecherinnen statt. Vor Zehntausenden von Zuschauern. In einem Interview wurde der afghanische Außenminister gefragt, warum die Regierung so etwas tut. Seine Antwort lautete: Das Stadion sei zu freudigen Ereignissen erbaut und die Erschießung unmoralischer Menschen sei ein freudiges Ereignis. Und wenn das dem Westen nicht passe, dann könne er den Afghanen ja eine Hinrichtungsstätte finanzieren.

Frauen in Afghanistan dürfen nicht mit Männern zusammenarbeiten und umgekehrt. Frauen dürfen eigentlich gar nicht arbeiten. Das führt dazu, daß viele Tausend Frauen in Kabul überhaupt kein Einkommen haben und betteln müssen, um ihre Kinder und sich selbst zu ernähren. Ernähren, das bedeutet: täglich ein wenig Reis, Salz, Wasser und Brot zu haben.

"Blaue Kinder": so heißen Kinder, die in den Wintermonaten im Freien in den Armen ihrer Mütter erfrieren.

Das geheime Frauennetzwerk RAWA, das in Kabul unter Lebensgefahr heimlich eine Schule betreibt, in der auch Mädchen über 12 Jahren noch lernen können (das ist unter Androhung schwerer Strafen für alle Beteiligten streng verboten), gab bekannt, daß mehr als 1/3 der Bevölkerung Afghanistans nicht mehr in der Lage sei, sich selbst zu ernähren.

Die jetzt abgereisten westlichen Hilfsorganisationen gaben vorgestern (20.09.01) bekannt, daß die knappen Lebensmittel in Afghanistan noch für 2 bis 3 Wochen reichen würden. Dann gäbe es nichts mehr.


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Die englische Journalistin afghanischer Abstammung Saira Shah hat kürzlich unter schwierigsten Bedingungen einen Film über ihre alte Heimat gedreht. Mehrfach geriet sie bei den Dreharbeiten in Lebensgefahr. Sie besuchte die Frauen von RAWA und erfuhr von dem schrecklichen Leid der Bevölkerung, besonders der Frauen. "Eine vom Wahn regierte Welt" nennt sie die Zustände in dem von den Taliban regierten Land. Die Regierung schlachtet das eigene Volk ab oder läßt es verhungern.

Das alles sind Fakten, die hier nicht deshalb genannt werden, um einen Militärschlag gegen Afghanistan emotionell zu rechtfertigen, der bei Verfassen dieses Artikels nach Auskunft der Nachrichten unmittelbar bevorstand. Aber es muß das Ausmaß der katastrophalen und hochbrisanten Situation deutlich werden. 

In Rahmen eines Themenabends "Afghanistan" auf dem Fernsehsender ARTE am 20.09.01 wurde berichtet, daß einer im Ausland lebenden Afghanin, die mit ihrer Freundin in Kabul über Satellitentelefon kommunizierte, von dieser gesagt wurde: "Es ist besser, eine amerikanische Bombe fällt auf uns, als daß wir so weiterleben müssen wie bisher." Diese Erfahrung bestätigte eine in Paris lebende Afghanin, die auch Kontakte in ihre alte Heimat aufrechterhalten hat.

Es wurde an diesem Abend in ARTE ein afghanisches Mädchen gezeigt, sie ist etwa 12 bis 14 Jahre alt, der alle Fingerkuppen abgeschnitten worden waren, weil sie Nagellack benutzt hatte.

 

Arundhati Roy – eine Stimme aus Indien

„Eine Koalition der Supermächte schließt nun einen Ring um Afghanistan, eines der ärmsten Länder der Welt, dessen Taliban-Regierung Osama bin Laden Unterschlupf gewährt. Das einzige, was in Afghanistan noch zerstört werden könnte, sind die Menschen. (Darunter eine halbe Million verkrüppelter Waisenkinder. Es wird berichtet, dass es zu wildem Gedrängel der Humpelnden kommt, wenn über entlegenen, unzugänglichen Dörfern Prothesen abgeworfen werden.) Die afghanische Wirtschaft ist ruiniert. Aus Bauernhöfen sind Massengräber geworden. Das Land ist übersät mit Landminen – nach jüngsten Schätzungen zehn Millionen. Eine Million Menschen sind aus Furcht vor einem amerikanischen Angriff zur pakistanischen Grenze geflohen. Es gibt keine Nahrungsmittel mehr, Hilfsorganisationen mussten das Land verlassen, und nach Berichten der BBC steht eine der schlimmsten humanitären Katastrophen der jüngsten Zeit bevor." So schreibt die indische Journalistin Arundhati Roy in der FAZ vom 28.09.01 in ihrem Artikel „Wut ist der Schlüssel". Arundhati Roy meint: „Die Zeichen stehen auf Krieg. Was gesagt werden muß, muß rasch gesagt werden." Und so stellt sie Fragen:

„Bevor Amerika das Steuer der „internationalen Allianz gegen den Terror" übernimmt, bevor es andere Länder auffordert (und zwingt), sich an seiner nachgerade göttlichen Mission – der ursprüngliche Name der Operation lautete „Grenzenlose Gerechtigkeit" – aktiv zu beteiligen, sollten vielleicht ein paar Dinge geklärt werden. 


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Führt Amerika Krieg gegen den Terror in Amerika oder gegen den Terror ganz allgemein? Was genau wird gerächt? Der tragische Verlust von fast siebentausend Menschenleben, die Vernichtung von vierhundertfünfzigtausend Quadratmetern Bürofläche in Manhattan, die Zerstörung eines Flügels des Pentagon, der Verlust von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen, der Bankrott einiger Fluggesellschaften und der Absturz der New Yorker Börse? Oder geht es um mehr?"

Und sie erinnert daran, dass die frühere Außenministerin Madeleine Albright auf die Frage, was sie dazu sage, dass 500.000 irakische Kinder infolge des amerikanischen Wirtschaftsembargos gestorben seien, antwortete, dies sei eine sehr schwere Entscheidung, doch der Preis sei, alles in allem, nicht zu hoch gewesen. 

Arundhati Roy weiter: „Die Sanktionen gegen den Irak sind übrigens immer noch in Kraft, und noch immer sterben Kinder. Genau darum geht es: Um die willkürliche Unterscheidung zwischen Zivilisation und Barbarei, zwischen „Ermordung unschuldiger Menschen" oder „Krieg der Kulturen" und „Kollateralschäden"." 

Gegenüber den Taliban schreibt sie: „Die Taliban errichteten ein Terrorregime, dessen erstes Opfer die eigene Bevölkerung war, vor allem Frauen. Angesichts der Menschenrechtsverletzungen der Taliban spricht wenig dafür, dass sich das Regime durch Kriegsdrohungen einschüchtern ließe oder einlenken wird, um die Gefahr für die Zivilbevölkerung abzuwenden."

Die labile Situation Pakistans im gegenwärtigen Konflikt und die möglichen Folgen eines amerikanischen Militäreinsatzes ausgehend von Pakistanischem Boden vergleicht sie mit der Situation anderer Länder in der Dritten Welt wie folgt: „Jedes Land der dritten Welt mit einer schwachen Wirtschaft und einem unruhigen sozialen Fundament müsste wissen, dass eine Einladung an eine Supermacht wie die Vereinigten Staaten (ganz gleich, ob die Amerikaner für länger bleiben oder nur kurz vorbeischauen wollen) fast so ist, als würde ein Autofahrer darum bitten, ihm einen Stein in die Windschutzscheibe zu werfen."

Arundhati Roys Fazit: „Präsident Bush kann die Welt ebenso wenig „von Übeltätern befreien", wie er sie mit Heiligen bevölkern kann.

 

Die soziale Frage

Und nun noch ein Wort, daß uns, wenn das Bisherige noch nicht reicht, aus unserer "Spaßkultur" zu reißen vermag. Ein französischer Journalist sagte, wie beiläufig: Angesichts der furchtbaren Verhältnisse in Afghanistan und anderen Ländern des Nahen, Fernen und Mittleren Ostens möchte er doch noch eines hinzustellen. Er möchte nur ein Wort sagen: Afrika. Dort versinkt derzeit nahezu ein ganzer Kontinent im totalen Chaos. 

Und das, was ich hier jetzt erwähnt habe, ist nicht einmal ein Wassertropfen des unendlichen Leides, daß es auf der Welt derzeit gibt. Der bereits zitierte Rifkin sagt: "Wir reden hier enthusiastisch von Globalisierung, ecommerce und der Telekommunikations­revolution, während ein Drittel der Weltbevölkerung keine Elektrizität hat und 850 Millionen Menschen unterernährt sind." 


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Rudolf Steiner hat bereits im Jahr 1919 darauf hingewiesen, daß die Fortsetzung der materialistischen Weltkultur in den Seelen der Menschen fürchterliche Zerstörungskräfte freisetzen würde. Die Seele, die geboren werden, und hier gerade auch spirituelle Seelen, die bestehende materialistische Kultur nur so empfinden können, daß sie aus der Welt geschafft werden müßte: "Man kann sagen: Unter den Mächten, welche hingearbeitet haben in der Menschheitsentwicklung, wenn auch aus einer tiefen Tragik heraus, nach der Vernichtung der ins immer Materiellere hineinschwimmenden Kultur, unter diesen Kräften sind die Sehnsuchten der Kinder [...].

Sie haben nicht erscheinen wollen in einer Welt, die die Fortsetzung darbietet von dem, was vorher war."9 Steiner beschreibt die Kraft, die aus spirituell begründeter Enttäuschung in vielen Kindern mehr und mehr zum Vorschein kommen wird, wie folgt:

"Man kann diese Kraft ausdrücken als die Sehnsucht, hinwegzuwischen dasjenige, was sich allmählich auf der Erde angehäuft hat. Natürlich können solche Kräfte, die in einer solchen intensiven Weise nach einer gewissen Richtung hin wirken, da sie in Diskrepanz kommen mit anderen Kräften, [...] in dieser oder jener Richtung benützt werden. [...] Da haben Sie eine der Kräfte, welche die Vernichtung dieses materialistischer und materialistischer werdenden Zeitalters anstrebt."9)

Richtet sich der Angriff gegen das World Trade Center wirklich gegen die "Freiheit"? Er richtet sich zumindest auch gegen die vom Primat der Ökonomie bestimmte materialistische Welt. Beim Schreiben eines solchen Satzes kommt mir die Frage, ob der Schreiber eines solchen Satzes jetzt nicht bereits in den Verdacht gerät, eine terroristische Vereinigung ideologisch zu unterstützen. Unstreitig ist die gegenwärtige Bedrohung der Freiheit.

Der Name, den die Amerikaner dem Krieg gegen den Terrorismus gegeben haben, "Infinite Justice", ist bereits in die Kritik geraten: "Es waren amerikanische Muslime, die befremdet darauf aufmerksam machten, daß nur Allah grenzenlos gerecht sei und sein könne, nicht aber schon auf Erden die Armee der Vereinigten Staaten. Noch in der Freitagnacht begann die Suche nach einem neuen Codenamen." (FAZ, 22.09.01)

Es gibt Zeiten, in denen Entwicklungen eine Richtung gegeben werden kann. Irgendwann ist diese Zeit abgelaufen und die Walze der Konsequenzen beginnt zu rollen. Dann kann zunächst nur noch Schadensbegrenzung betrieben werden. Zunächst heißt, möglicher­weise über Jahre und Jahrzehnte.

 

 

E n d e  

 


 

Anmerkungen:

1. Rudolf Steiner: Gegenwärtiges und Vergangenes im Menschengeiste. GA 167, Dornach 1962, Vortrag vom 16.05.1916, S.243 fff.

2. Siehe dazu: John Worrell Keely: Fotos und Baupläne seiner Erfindungen. CDROM. Mit Texten von Keely über das seinen Erfindungen zu Grunde liegende Prinzip und einem einleitenden Aufsatz von Arfst Wagner. Erhältlich über: Lohengrin-Verlag; Mühlenberg 12; D-25782 Tellingstedt.

3. Siehe dazu: Wolfgang Weirauch: Die drei okkulten Fähigkeiten. In: FLENSBURGER HEFTE 61: "Die Hintergründe vo n 666". Flensburg 1998.

4. Rudolf Steiner: Die soziale Grundforderung unserer Zeit – In geänderter Zeitlage. GA 186, Dornach 1979, Vortrag vom 01.12.1918.

5. Wladimir Solowjoff: Kurze Erzählung vom Antichrist. Rendsburg 1988. Erstmals erschienen im Jahre 1900.

6. Rudolf Steiner: Die soziale Grundforderung unserer Zeit. GA 186, Dornach 1979, Vortrag vom 21.12.1918, S.312.

7. Martin, Hans-Peter/ Schumann, Harald: Die Globalisierungsfalle. Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand. Reinbek 1996.

8. Friedrich Heer: Warum gibt es kein Geistesleben in Deutschland? München 1978. 

9. Rudolf Steiner: Vergangenheits- und Zukunftsimpulse im sozialen Geschehen. GA 190, Dornach 1980, Vortrag vom 23.03.1919. (Vorstehender Artikel ist ein Abdruck aus dem Heft Nr. 74/2001 der: Flensburger Hefte)

 


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