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Die Tektonik des Verderbens

Rudolf Bahro 1992 im Gespräch mit Arno Bammé 


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1) Bammé:  Ihr neuestes Buch* enthält das Protokoll einer Diskussion an der Berliner Humboldt-Universität, in deren Verlauf ein Teilnehmer argumentiert, man müsse sich, um die Welt vor der Zerstörung zu bewahren, vor allem mit Ökonomie und Politik befassen, man müsse die Ökonomie in den Vordergrund der Analyse rücken. Und Sie haben daraufhin geantwortet, daß Sie der Ökonomie, ohne sie ignorieren zu wollen, nicht mehr den Vorrang im Weltverständnis zukommen lassen, den sie bislang innehatte.

In Ihrem Brief vom 16.7.1991, den Sie mir geschrieben haben, steht, daß die Beschäftigung mit Ökonomie, selbst mit "alternativer", keinen Ausweg aus unserer Zivilisationskrise eröffnet. Und Sie äußern die Befürchtung, daß wir mit unserem Projekt einer Sache "kritische" Energie zuführen, die man sterben lassen sollte, einer Sache, die sich selbst überlebt und ihre Legitimität schon lange verloren hat.

Ich möchte beide Äußerungen zum Anlaß nehmen für unsere erste Frage, in der es um die Stellung der Ökonomie geht, einmal als Wissenschaft, zum anderen als gesellschaftliches Subsystem. Bei Marx war ja die Kritik der politischen Ökonomie noch Gesellschaftstheorie in einem emphatischen2) Sinn, mit dem Anspruch, Gesellschaft zu erklären, Gesellschaft konstituierende Mechanismen zu kritisieren.

Meine Frage lautet: Warum hat die ökonomische Theorie einen solch emphatischen Stellenwert Ihrer Ansicht nach heute nicht mehr? Erklärt sie wenigstens noch, etwa im Sinne Luhmanns, ein gesellschaft­liches Subsystem, eines unter mehreren anderen?

Bahro:  Ich wüßte nicht, wem ich ferner stünde als Luhmann.


2) Oder anders formuliert: Wie müßte man heute Gesellschaft erklären, mit dem Anspruch von Marx, um Fehlentwicklungen kritisieren und, darauf aufbauend, begründet Alternativen entwickeln zu können? Spielt Ökonomie dabei noch eine solch bedeutende Rolle, wie sie zum Beispiel Ernest Mandel ihr nach wie vor einräumt?  

Bahro: Vielleicht ist ja das, was wir mit europäischem Hintergrund Zivilisation nennen, hauptsächlich eine einzige Fehlentwicklung? Ich glaube, daß unsere Schwierigkeit mit der Ökonomie, mit der Bedeutung, die wir ihr zukommen lassen, historischen Charakters ist. Der Platz, den Marx der Ökonomie im System der Gesellschafts­wissenschaften zuweist, zuweisen konnte, in dem er das Besondere der kapitalistischen Produktions­weise auf den Punkt brachte, dieser Platz kommt ihr nur im Kapitalismus zu.

Daß man überhaupt auf den Gedanken kommen konnte, Gesellschaft primär aus ihrer Ökonomie heraus zu verstehen, darin drückt sich für mich geradezu schlaglichtartig die Perversion der europäischen Formation aus, ich könnte auch sagen, die Perversion des Patriarchats in Europa.

*   Rückkehr, 1991, siehe Anmerkung 1 

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Jede ursprüngliche Gesellschaft versteht sich selbst vom Bewußtsein her. Geschichte ist Psycho­dynamik. Das hat Marx auch einmal so gesehen, 1844 in den Pariser Manuskripten, auch später noch, wo er Biene und Baumeister vergleicht. Alles, was Kultur ist — Kultur jetzt verstanden in einem sehr, sehr weiten Sinne, zu der ich auch die Ökonomie dazuzählen würde, den Staat usw. — all das ist ja durch den Kopf des Menschen hindurchgegangen, also nur sekundär materiell.

Weil ich nicht mehr Rationalist bin, spreche ich heute lieber von menschlicher Psyche als vom Kopf. Denn es ist unser ganzer Körper, der denkt, zumindestens ist er maßgeblich daran beteiligt. All das, wie gesagt, ist ein Ausfluß unserer menschlichen Existenz. Wie man auf den Gedanken kommen kann, das auf Ökonomie zu reduzieren und zum grundlegenden Erklärungsansatz zu machen, das hängt sicher mit dem gigantischen Ausmaß an Entfremdung zusammen, dem sich der Mensch in seiner Geschichte in zuvor nicht gekannter Weise unterworfen hat. Indem sich Marx so intensiv darauf einläßt, nach der verlorenen Revolution von 1848, wird er zwar nicht der Ökonom der Bourgeoisie, das heißt, der Kapitalisten, des Kapitals im Sinne einer Klasse, aber er wird zum Ökonomen der kapitalistischen Formation, und, weit wichtiger, er stellt etwas in den Mittelpunkt, was gerade nicht über diese Formation hinausführt.

Marx steht auf dem Boden der europäischen Zivilisation, einer Zivilisation, die zu einem von weit her vorbestimmten Zeitpunkt kapitalistisch wird. An ihr ist etwas problematisch von Anbeginn, und das hat viel mit ihrer formativen Periode zu tun. Engels sah da eine "Produktionsweise" des Raubes und des Krieges, politisch ausgedrückt sehr bezeichnend in dem Begriff "militärische Demokratie".

Ich will einmal versuchen, mich dem spezifisch Kapitalistischen von Grund her anzunähern, am Beispiel der Inder mit ihrer Kasteneinteilung, und zwar idealtypisch genommen: Wir haben da die Sudras als die Leute, die die Arbeit machen, weiter die Vaisyas, Kaufleute, dann die Ksatryas, Krieger, Politiker bis hinauf zum König, schließlich die Priester, die Brahmanen. In dieser Einteilung steckt, abgesehen von der Subsumtion der Individuen unter Kasten, eine Anthropologie. Die Wahrheit, die darin zum Ausdruck kommt, ist, daß der Mensch eigentlich die Einheit dieser "Fakultäten" ist.

Er arbeitet, um sein Leben zu reproduzieren. Er ist Ökonom im Sinne des Austauschs von Produkten; das ist ihm mit seiner Arbeitsteilung gegeben. Er ist politisch, muß mit dem Gemeinwesen umgehen; die Gründe, daß er Krieg führt, kommen früh hinzu. Und schließlich ist dieses ganze Geflecht geistlich eingehängt und verankert. Die geistliche Ebene, die Ebene der Brahmanen, dient — wie schlecht auch immer — der Vermittlung des gesellschaftlichen Zusammenhangs mit der Natur, mit dem kosmischen Ganzen. Und nun Europa: Kulturell gesehen, bedeutet es eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes, wenn diese Einheit der Funktionen verloren geht, wenn später der Mantel des ohnehin schon nicht mehr gesalbten Königs auf die Kaufmannsschultern fällt und das Ganze nun von dort aus regiert wird.

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In den alten, den archaischen Zeiten war Ökonomie, war Produktion noch nicht so mit Hybris3) identisch wie das der Fall wird, wenn die innere Souveränität auf die Verwertungsinteressen übergeht. Dann können Hunderttausende von Tonnen irgendeines Zeugs produziert werden, ohne die Große Natur zu fragen. Paracelsus hatte gelehrt: "Die Dosis macht das Gift". In hunderttausenden von Tonnen ist die harmloseste Chemikalie Gift. Das heißt, sie stört das Naturgleichgewicht. 

Wenn die Steuerung des gesellschaftlichen Ganzen auf die Verwertungsebene übergeht und die konfuzianischen Versuche der Selbstkontrolle der Macht, also durch irgendein patriarchales Ethos, auch noch ausfallen, dann muß es zwangsläufig zu einer solchen Entfesselung kommen, wie sie in Europa erfolgt ist. Der westliche Freiheitsbegriff ist im Grunde genommen eine Ableitung des machtorientierten Geldvermehrungs­unter­nehmertums. Er birgt in sich das Grundgeheimnis und die Wurzel der Katastrophe. Wir haben es hier mit einer Verzerrung im gesellschaftlichen Wesen des Menschen zu tun.

Ich glaube schon, daß innerhalb der Ökonomie gegenwärtig Zweige im Entstehen begriffen sind, die sich mit der Korrektur dieser Entwicklung befassen, aber die sind völlig marginalisiert, und keine Spezialdisziplin kann es als solche bringen, sich in den kulturell verlorenen Zusammenhang wieder einzufügen, ihn für ihr Teil neu zu schaffen, zu regenerieren. Das grundlegende Werk, das ich kennengelernt habe, mühsam englisch lesend, weil nicht übersetzt, ist von Georgescu-Roegen.

Das Spannende ist ja, daß Georgescu-Roegen zwei Argumentationslinien verfolgt. Bekannt geworden ist er durch sein zweites Buch: "Entropy Law and the Economic Process". Das ist aber nicht eigentlich der Ausgangspunkt seiner Argumentation gewesen. Seine grundlegende Aussage ist, daß die kapitalistische Formation, wo immer sie hinkommt, die bäuerliche Mehrheit der Menschheit vergewaltigt. In dieser These hat er seine Balkanerfahrungen verarbeitet, die Auswirkungen des Frühkapitalismus in Rumänien. Ein Physiker, der Ökonom geworden ist, hat hier Vorgänge theoretisch antizipiert4), die sich dann massenhaft ereignet haben, nach dem zweiten Weltkrieg, in der Dritten Welt.

Irgendeine Kompradorenklasse5), meistens Bürokraten, gar nicht mal so sehr Kapitalisten, muß, um ihre air conditioned Büros zu bauen und ihren Mercedes zu kaufen, die Bauern enteignen und deren Subsistenz­wirtschaft vernichten.

Georgescu-Roegen bestand auf der Selbstverständlichkeit, daß erweiterte Reproduktion auf einer endlichen Erde ein in sich selbst verrücktes Konzept ist, ein Konzept, das die Menschheitsgeschichte unerhört verkürzen muß. Er hat gesehen, was es ökologisch bedeutet, daß die bäuerliche Formation, die ja viel älter als die feudale ist, durch die kapitalistische, die keine Begrenzung kennt, vernichtet wird.

Die Kapitalakkumulation bedeutet erst einmal, daß der sekundäre Sektor, also das industriell produzierende und verarbeitende Gewerbe, die Führung übernimmt gegenüber dem primären Sektor, der Land- und Forstwirtschaft, und zwar in einem parasitären Sinne. Dann kommt der "tertiäre"6) Sektor (das Reich der weißen Kittel) in Führung. Heute feiern wir nun den Vergnügungsbereich aller Arten als "quartären" Sektor. Ich habe deshalb in meiner "Logik der Rettung" den Menschen als Top-Parasiten bezeichnet. Zwar gibt es auch eine, abstrakt gesehen, gleichfalls parasitäre natürliche Hierarchie auf Mineralbasis von den Pflanzen über die Tiere zum Menschen, aber das ist zunächst ein negentropischer Prozeß.

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Dabei wird etwas aufgebaut, das, was wir heute Gaia nennen, das System "belebte Erde". Der Mensch aber, indem er sich von der Erde losreißt in seinem auf subjektiven Geist gestützten praktischen Vulgär­materialismus, verkehrt diesen Aufbauprozeß und produziert sich schließlich via exponentieller Entropie aus der Welt hinaus.

Die Alternatividee, um diesen Trend zu brechen, kommt von den Frauen, und sie ist alternativ insofern, als sie von vornherein lebensweltlich im ursprünglichen Sinne konzipiert, also nur "unter ferner liefen" auch ökonomische Theorie ist. Sie ist keine Theorie, die von zwecks Geldvermehrung erzeugten Waren handelt, sondern sie handelt von der Überwindung dieser Art Warenproduktion. In ihrer Arbeit "Was haben die Hühner mit dem Dollar zu tun?" beschreibt Claudia von Werlhof, die zunächst die Bauernfrage ähnlich sieht wie Georgescu-Roegen, am Beispiel Mittel- und Südamerikas, daß die Subsistenzproduktion der Frauen die sozialstrukturelle Voraussetzung ist, um die Männer kapitalistisch ausbeuten zu können, nicht nur als Lohnarbeiter, sondern auf durchaus unterschiedliche Weise.

Dem Kapital stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, Menschen von sich abhängig zu machen, aber alle setzen die subsistenzorientierte Tätigkeit der Frauen voraus. Genetisch ist die Subsistenz­produktion an die Strukturen vorpatriarchaler Völker gebunden. Wie fundamental sie ist, wird daran deutlich, daß die Subsistenz auch dann noch funktioniert, wenn man die Männer kapitalistisch aus ihr abzieht. Freilich wird beim Übergang zur Marktproduktion auf dem Boden, von dem sich die Familie ernährt, leicht der eigene Mann zum ökonomisch ärgsten Feind der Frau und der Kinder.

Um zu Geld zu kommen, nachdem schon die Bank dazwischen sitzt, muß man cash crops anbauen statt Lebensmittel. Im Ergebnis stellt sich heraus, man kann von zehn Hektar Erde nicht mehr leben, wo man vorher, unter subsistenz-wirtschaflichen Bedingungen, mit einem Hektar überleben konnte. Die kapitalistische Formation zerschlägt die beiden sozialen Rückverbindungen zur Natur, die in den Bauern und den Frauen bestehen. Subsistenzproduktion wird zwar nicht abgeschafft, sondern immer wieder neu produziert, weil das Kapital Peripherien braucht, die noch nicht durchkapitalisiert sind, also neuen Stoff, sei es Erde, seien es Menschen, seien es Kolonien, aber eben in depravierter7) Form. Es passiert das, was Marx für das indische Dorf im neunzehnten Jahrhundert beschrieben hat. Durch die englische Baumwoll­verarbeitung wurde die weibliche Hälfte der dörflichen Produktion, die textile, zerstört, und dadurch der originale Organismus ganz aus dem Gleichgewicht geworfen.

 

3)  Gut, das mag so sein bis zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt. Es gab immer die Peripherie, also das, was wir das Außen nennen, und die war notwendig zur Stabilisierung des kapitalistischen Systems. Das kann man bei Rosa Luxemburg nachlesen. Nun aber sind wir fast schon in der historischen Situation, daß es dieses Außen kaum noch gibt. Wir haben, zumindestens potentiell, die Weltgesellschaft, und die ist durchkapitalisiert.

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Das heißt, das Kapital hat dieses Außen langsam aufgesogen, und die Frage ist: Wenn ein Außen im klassischen Sinn nicht mehr existiert, zur Stabilisierung des kapitalistischen Systems aber gleichwohl notwendig ist, müßte dann nicht dieses Außen, von der Peripherie nach innen geholt, jetzt im System selbst wirksam sein, und wie wären die dadurch entstehenden Widersprüche dann zu formulieren?

Bahro:  Genau das ist der Punkt, den ich bei den "Bielefelderinnen" anfangs nicht verstanden habe, damals, als ich die ersten Aufsätze las. Es ist die Frage, wie lange die innere Reproduktion von Subsistenz, und insbesondere in den reichen Ländern mit "Zweidrittel-Gesellschaft", noch stabilisiert, ob da nicht eine postkapitalistische Kultur auftaucht. Claudia von Werlhof, Maria Mies und Veronika Bennholdt-Thomsen sind von Beginn an davon ausgegangen, daß es dieses Außen nicht mehr gibt, daß die Widersprüchlichkeit im System stattfindet. Da ist allerdings die Tatsache, daß Lohnarbeit insgesamt nur einen Bruchteil (etwa zehn Prozent) der insgesamt verausgabten Arbeit ausmacht. Ich habe das anfangs deshalb nicht verstanden, weil ich dachte, der Rest ist zwar subsumiert, aber nicht integriert, es gehe immer noch um eine andere Formation. In ihrem neuen Buch hat es Claudia von Werlhof am konzisesten8) entwickelt. Sie geht davon aus, daß der Kapitalismus, um zu überleben, sich seine Peripherie selbst produziert.

Entscheidend ist, Subsistenz nicht ökonomistisch, sondern ähnlich wie bei Ivan Illich am Alltagsleben orientiert, zu verstehen. Nehmen wir ein Beispiel: Ich nähe meiner Tochter einen Knopf ans Kleidchen. Das dauert seine Zeit, aber werde ich rechnen? Oder ich treffe mich abends mit Freunden. Der Zeitraum dafür muß verfügbar sein, eingebettet in die tatsächlichen Lebenszusammenhänge, das ist Subsistenz, und dazu gehört natürlich auch Ökonomie im engeren Sinne, im Sinne der Produktions- und Austauschverhältnisse in und zwischen Gemeinwesen. Im Gegensatz zu den üblichen ökonomistischen Verkürzungen zielt Subsistenz auf das Ganze der Lebenszusammenhänge. Man könnte sich ein schöneres Wort wünschen, jedenfalls ist der Begriff lebensweltlich gemeint.

In Ostdeutschland haben wir jetzt eine Situation, die Subsistenzwirtschaft begünstigt, weil der interne Kolonialismus die Hälfte der Bevölkerung dort aus der Arbeit wirft und zweitens das Land freisetzt. In Brandenburg, mit der Bodenwertklasse 25 oder 30, ist kein Landwirt auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig. Man kann höchstens noch Bauland verhökern rund um Berlin. Die Gebäude, die die Genossenschaften hatten, sind größtenteils "moralisch verschlissen", ebenso die Werkzeuge und Maschinen. Das stellt den Fiskus vor die Frage, ob er die Bevölkerung für die nächsten zehn oder zwanzig Jahre einfach bloß alimentieren will, so daß die Leute bei Aldi einkaufen können.

Und ob er ABM- und Qualifizierungsmaßnahmen für nichts und wieder nichts finanziert — denn High-Tech-Investitionen sind teuer und lösen die Arbeitsmarktprobleme natürlich nicht. Oder ob es nicht sinnvoller ist, diese Gelder so zu investieren, daß zwar nicht direkt profitable Geschäfte daraus werden, aber doch vielleicht sich selbst versorgende, selbsttragende Lebenszusammenhänge herauskommen. In dieser Frage bin ich einig geworden mit Kurt Biedenkopf. Er vertritt von sich aus die Idee der kleinen Lebenskreise. Natürlich hat er zugleich den politischen Auftrag, Sachsen zu "sanieren". Aber er ist bereit, alternative Projekte zu prüfen und durch Anschubfinanzierung zu unterstützen, wenn sie selbsttragend zu werden versprechen.

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Es geht darum, die "doppelt freie Lohnarbeit" wieder abzuschaffen, nach vorwärts sozusagen, jedenfalls den Menschen wieder mit der Erde und den Werkzeugen zu verbinden. Der Staat kann in der ökologischen Krise der kapitalistischen Formation die alte Enteignung revidieren helfen, etwas wie ein Recht auf Allmende, wie indirekt auch immer, wiederherstellen. Da gibt es also einen ganz praktischen Zugang zu dem Konzept der Claudia von Werlhof. Darüber stehen wir in Diskussion miteinander.

4) Bammé: Ist das nicht ein Widerspruch zu dem, was Sie mir damals geschrieben haben? Sie äußerten Vorbehalte, weil Ihnen unser Projekt5) als ökonomisches in seiner Kritik nicht radikal genug formuliert ist. Auf der anderen Seite haben Sie im Rahmen der Biedenkopfinitiative jetzt subsistenz-wirtschaftliche Thesen formuliert, die in ein zwar alternatives, aber doch immerhin ökonomisches Projekt übergehen.10) Worin besteht da der Unterschied?  

Bahro:  Gegenstand von politischer Ökonomie ist konventionell vor allem die kapitalistische Waren­produktion, und alle sonstige Ökonomie wird von dort her als historisch rückständig analysiert und abgeleitet. Demgegenüber hat Claudia von Werlhof einen übergreifenden Begriff, wonach sich Geldwirtschaft, Patriarchat und Staat von früh an zu einem einzigen äußerst dynamischen Korhplex verschränken. Ein Konzept, das mir sehr zugänglich ist, hatte ich doch die Verhältnisse der vertikalen Arbeitsteilung und des Staates als die ältesten herrschaftlichen aufgefaßt. Sind die einmal gegeben, haben wir es dann auch bald mit der Geldwirtschaft zu tun, selbst im alten China, wo von Kapitalismus noch gar keine Rede sein kann.

Auch in den europäischen Formationen scheint das ein ziemlich dichter Zusammenhang zu sein, so daß wir Mühe haben, überhaupt zu begreifen, warum die Griechen nicht zum Kapitalismus durchgebrochen sind. Denn es gab bei ihnen ja schon so etwas wie kapitalistische Formen. Na gut, die Sklaverei stand dem entgegen. Sie fußte noch auf sozialen Bedingungen, die mit dem eigenen und fremden Stamm zu tun hatten. Aber sonst war alles schon da, ein riesiger Zusammenhang, den George Thomson und Sohn-Rethel unter dem Thema der Ersten Philosophen und der Realabstraktion Geld diskutieren.

Subsistenzwirtschaft heute — da geht es darum, diese historische Herausdifferenzierung auf gewinn­orientierte Ökonomie hin wieder ein Stück weit zurückzunehmen. Natürlich nicht total. Wenn wir noch einmal an der Katastrophe vorbeikommen, dann bleibt das Ökonomische natürlich ein notwendiger Gesichtspunkt. Aber die Ökonomie ist von untergeordneter Bedeutung, weder ist sie ein dominantes Subsystem noch Leitwissenschaft. Meine von Ihnen erwähnten Thesen sind eine Art Denkschrift an Biedenkopf, auch in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident, der über Fonds zu entscheiden und das vor der politischen Klasse zu rechtfertigen hat. Der weiche Kern, die Prinzipien einer neuen Kultur und die Frage, wie eine solche kommunitäre Praxis aussehen würde, steht innen.

Worauf das hinausläuft, ist so etwas wie weltliches Kloster, jetzt ohne Katholizität gedacht. Und Leute, die Klöster gegründet haben, die haben am Anfang zumeist noch selber Kohl angebaut, so wenig das der Zweck war, zu dem sie da zusammenkamen, waren also unter anderem auch Ökonomen.

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Anmerkung, Bammé: Das ist verständlich. Aber über diese subkutane11) Strategie hinaus gibt es von Ihrer Seite durchaus eine theoretische Affinität12) zu dem, was Kurt Biedenkopf geschrieben hat. In der "Logik der Rettung" setzen Sie sich sehr präzise damit auseinander und nehmen ihn, wie mir scheint, als einen der Wenigen im bürgerlichen Lager ernst in dem, was er sagt.  

Bahro: Ja sicher. Und auch der Dresdener Staatssekretär für Landwirtschaft, Hermann Kroll-Schlüter, mit dem ich mich jetzt getroffen habe, der mußte nicht dazu verdonnert werden, mit mir über diese Sache zu reden. Dieselbe Einstellung nehme ich von dem sächsischen Finanzminister Milbradt an. Die beiden kommen aus einem langjährigen Arbeitszusammenhang mit Biedenkopf, in dem die Idee der kleinen Lebenskreise seit fünfzehn Jahren mitläuft.

Anmerkung, Bammé  Überhaupt fällt mir auf, daß Sie nach einem allgemeinen Erklärungsmuster unserer gegenwärtigen Misere suchen, einem Rahmen, der Sachverhalte bezeichnet und auf den Begriff bringt, ein Unterfangen, das sich in anderen Theorieentwürfen fast zeitgleich, wenn auch oft in anderer Diktion und mit anderen Schwer­punktsetzungen, wiederfinden läßt. Sie rekonstruieren die menschliche Geschichte als psycho­dynamischen Prozeß, um zu den Wurzeln dessen, was wir auf der Erscheinungsebene als drohende Katastrophe wahrnehmen, vorzudringen. Die Symptome unseres Weltzustandes belegen Sie mit dem Begriff des Exterminismus: die Menschheit sei auf dem Wege, sich selbst auszurotten.  

Bahro

Ja. Vielleicht zunächst ein paar Worte zur Vergleichbarkeit verschiedener Theorieansätze, die versuchen, dem gegenwärtigen Phänomen des Exterminismus begrifflich gerecht zu werden. In der "Rückkehr" habe ich drei nebeneinandergestellt. Anhand dieses Schemas, das drei Betrachtungsweisen vergleicht, will ich versuchen, unser Problem plausibel zu machen. Zunächst gibt es die Ebene der Erscheinungen. 

Galtung spricht hier relativ wertfrei von den Produkten, den Ergebnissen eines strukturellen Zusammenhangs, seien es Brötchen oder Atombomben. Ich nenne das, den negativen Aspekt akzentuierend, die Symptome der Selbstausrottung. 

Bei Heidegger gibt es verschiedene Kategorien, die die Erscheinungsebene unserer Zivilisationskrise bezeichnen, Vernutzung, Berechnung unter anderem. In puncto Entfremdung und Historizität des Denkens gibt es zwischen Heidegger und Marx erstaunliche Parallelen. Um sie zu erkennen, kommt es mir darauf an, von der Ebene der Bezeichnungen und Bewertungen loszukommen und das Augenmerk auf das Bezeichnete, das heißt auf jene Sachverhalte, um die es geht, zu richten.

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Sodann gibt es die Ebene der gesellschaftlichen Vermittlung. Galtung akzentuiert ihr Funktionelles. Deswegen verwendet er hier den abstrakteren Begriff des Prozesses. Ich hingegen spreche von Industriesystem und Kapitalbewegung. Galtung denkt hier auch das politische System mit. Er versteht unter Prozessen die ganze Art und Weise, wie die Megamaschine technisch, ökonomisch und politisch funktioniert. De facto ist Politik heute eine dienstbare Unterfunktion der Megamaschine. Heideggers Denken konzentriert sich, was diese Analyseebene angeht, auf das Problem der Technik, allerdings in einem umfassenden Sinn, der Geld und Politik mit einschließt.

Er hält die Technik, das heißt unsere Obsession am "uns Zustellen" von Gegenständen, für die umfassendste Kategorie, die es erlaubt, alles zusammenzudenken, was ich unter Megamaschine, Kapitaldynamik, europäischer Kosmologie, ja selbst Patriarchat abhandle. Im Gegensatz zu mir geht er nicht den Weg von der Oberfläche, von der Erscheinungsebene zu den tieferen, inneren Problemschichten. Er denkt direkt von der dritten Ebene ausgehend, also von der elementarsten philosophischen Problematik her, und kommt auf diesem Wege zur Technik als Ausfluß einer geistigen Grundentscheidung (nämlich für nutzbares "Seiendes" statt für "Seinserfahrung").

 

Parallelogramm einiger Struktur-Tektoniken

 

Galtung

Bahro

Heidegger

1. Erscheinungsebene

Produkte, Ergebnisse

Symptome (der Selbstausrottung)

Vernutzung, Berechnung

2. Gesellschaftliche
Vermittlung

Soziale Prozesse 

Industriesystem, Kapitaldynamik, Politik

Technik (im weiteren Sinne)

3. Tiefenstrukturen

Kulturelle Selbstverständlichkeiten bezüglich Raum, Zeit, Wissen, Naturverhältnis, Mensch-Mensch-Verhältnis, Transzendenz ("Gott", "Tao")

Europäische Kosmologie, Patriarchat, menschlicher Gattungscharakter

Griechische Verkehrung des Verhältnisses von Sein und Seiendem; "Gestell" statt "Geviert"

 

Die dritte Ebene nenne ich in Anlehnung an Galtung die Ebene der "Tiefstrukturen", aus denen sich bei ihm die vermittelnden Prozesse steuern und zu den Resultaten und Produkten wie Umweltnutzung und -zerstörung führen. Das Hauptcharakteristikum der Galtungschen "Tiefstrukturen" ist, daß es sich dabei um unhinterfragte Selbstverständlichkeiten handelt.

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Galtung hebt sechs Dimensionen hervor: Raum, Zeit und Wissen, die Verhältnisse zwischen Mensch und Natur, Mensch und Mensch, Mensch und Gott (Transzendenz). Heidegger geht als Philosoph unmittelbar von dieser Ebene der Tiefenstrukturen aus, freilich nicht in der Galtungschen Einteilung. Meinerseits siedle ich hier auf dieser Ebene die Frage nach dem Menschen selbst an, also die nach der conditio humana als der tiefsten Ursachenschicht. Was ich als europäische Kosmologie und als Patriarchat bezeichne, fällt bei Galtung unter die "Tiefstruktur". Es tritt zwar nicht als selbständige Strukturebene in Erscheinung, aber er sagt zum Beispiel explizit, grundsätzlich stehe in der westlichen Kosmologie der Mann über der Frau, das Weibliche sei in dieser Weitsicht untergeordnet und werde nicht gewahrt.

Heidegger setzt sich auf der Ebene der Tiefenstrukturen vornehmlich mit der europäischen Kosmologie auseinander, und zwar von den Griechen her. Das patriarchalische Prinzip reflektiert er kaum, obwohl der Weg, den er dabei zurücklegt, mehr und mehr in die Richtung eines "weiblichen", empfängnishaften Denkens führt. In allen Denksystemen, mit denen er sich auseinandersetzt, hat die "weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts" (Engels) ihre Spuren hinterlassen, aber seine Aufmerksamkeit geht daran vorbei. Gleichwohl ordnet er die Modi des Verhaltens, die Daseinsweisen des erkennenden Menschen, etwa in der Kategorie der Besinnung, de facto so an, daß dem "weiblichen" Element ein Übergewicht zukommt.

Was mich an Heidegger fasziniert, ist folgendes: Indem er die Grundpositionen der griechischen Philosophie und damit der griechischen Art und Weise, in der Welt zu sein, analysiert und ihre Selbst­verständ­lichkeiten zerstört, gewinnt er eine Offenheit der Weltsicht, die es uns ermöglicht in eine Korrespondenz einzutreten mit dem Geist von Zen bzw. Tao. Im Grunde genommen ist Heideggers ganzes späteres Werk nach "Sein und Zeit" eine anhaltende Meditation zur Überwindung der Selbstverständlichkeiten abendländischen Denkens, eine Meditation, die durch die Destruktion der überkommenen griechisch-abendländischen Grundmuster der Philosophie den Raum freimacht für einen neuen Anfang.

Mit dem Beginn der Massenproduktion im alten Griechenland läutet sich die "Ökonomie der Zeit" ein. Der Übergang zur Massenproduktion, der Übergang zur Philosophie, in dem Sinn wie Heidegger sie als schon seinsabgewandt kritisiert, und der Übergang zur Geldwirtschaft — das ist alles ein und derselbe Prozeß. Wo das Seiende, insbesondere als Produziertes, dem Sein gegenüber eine Vorrangstellung einnimmt, etabliert sich die Herrschaft der Realabstraktionen. Massenproduzierte Trinkbecher oder Ziegel sind Realabstraktionen. Hinter ihnen muß ein allgemeiner Begriff des Bechers und des Ziegels stehen. Sie mögen zwar noch nicht das Gemeinwesen beherrschen, aber spätestens mit dem Geld tritt eine Realabstraktion in Erscheinung, die dahin tendiert, sich das Gemeinwesen, seine Sitten und Gebräuche, zu unterwerfen. Es stellt sich ein anderer Bezug des Menschen zur Welt ein. Feststellen, Sicherstellen, Herausstellen, Herstellen, alle diese Begriffe kennzeichnen seitdem immer mehr den großmächtigen Umgang des Menschen mit der Natur. Das Entbergen der Wahrheit ist nun nicht mehr ein Vorgang wechselseitiger, mythisch vermittelter Ein- und Abstimmung, sondern eine Herausforderung der Welt.

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Dieses herausfordernd herrschaftliche "Stellen der Natur" als eines Gegners macht Heidegger am Übergang fest von den Vorsokratikern zu Sokrates und Platon, einem Übergang, der natürlich Entwicklungssprünge in der allgemeinen gesellschaftlichen Praxis der Polis wiederspiegelt. "Gestell" ist das Wort, das Heidegger prägte, um dieses vielfältige "Stellen der Natur" als neuzeitliches Wesen der Technik zu charakterisieren. In dem "Gestell" verborgen sieht er eine grundlegendere seinsgeschichtliche Struktur, die er "Geviert" nennt. In den frühesten Zuständen der Geschichte steckt das große Geheimnis, der Hintergrund, der Ursprung der abendländischen Entwicklung, der zwar vergessen und verlassen ist, aber seine grundlegende Gültigkeit nicht verloren hat. Vom Ursprung her wirkt im Wesen der Technik als dem "Gestell" verborgen das "Geviert", und es erscheint möglich, daß sich mit dessen vier Momenten Himmel und Erde, Göttliche und Sterbliche - eine neue Gestalt der Kultur vorbereitet.

Die Parallelen zum Tao Te King sind erstaunlich. Das "Geviert" und die Ordnung im Tao Te King sind beide am Gegenpol des objektbeherrschenden Subjektivismus angesiedelt, bei dem sich alles um das Ich statt um das Ewigdauernde dreht. Nur durch Besinnung, durch Meditation, die den Weg frei macht, zu sehen, was uns da hat und treibt, was uns in unseren Verhaltensweisen beherrscht, kann uns das Sein, so Heidegger, neu zugesprochen werden, neu im Sinne von anders, im Sinne eines anderen Anfangs. Das menschliche Sein, sofern es überhaupt noch eine Geschichte vor sich hat, wird mit einer neuen Bewußtseinsverfassung einhergehen. Sie wird sich in den tiefsten Gründen unserer Existenz ereignen, wird die Selbstverständlichkeiten unserer Kultur redefinieren, Selbstverständlichkeiten, die in der Frühzeit am klarsten zutage liegen. Um von dort aus neu zu begreifen, was es eigentlich ist, das mit uns heute durchgeht, ist Heidegger in die frühe griechische Philosophie eingetaucht.

 

Bammé: Auch wenn Japan, der "westlichste" Vorposten Asiens, Heideggersches Denken mit Sympathie zur Kenntnis genommen hat, den Bezug zu Zen halte ich für begründungspflichtig.

Bahro

Es ist eine Wahrnehmungsfrage. Lesen Sie irgendwelche fünfzig Seiten Heidegger über einen Vorsokratiker, sagen wir Heraklit — und legen Sie z.B. Ernst Schwarz' "historisch-materialistische" Übersetzung des Tao Te King daneben — Sie werden es sehen. Was wir letztlich brauchen, ist eine raum-, zeit- und ich-freie Verfassung in dem Sinne, daß uns die Kategorien, in denen wir denken, nicht mehr besitzen, sondern Momente unserer Existenz sind, Momente, die uns nicht mehr beherrschen.

Die Korrespondenz dieser Einsicht zu Zen bzw. Tao ist ganz erheblich, also zu dem, was dort in den Übungen passiert. Es brauchte eine Praxis der Entkrampfung, weil wir, wie Wilhelm Reich gezeigt hat, bis in die Physiologie hinein verpanzert sind. Auch unsere Begriffe sind Teil dieses Krampfsystems. Zu beklagen ist dabei nicht, daß es sie überhaupt gibt, sondern wie sie in einer rationalistischen Kultur funktionieren. Wir werden zum Götzendiener unserer eigenen Abstraktionen. Das aufzulösen, dazu gibt insbesondere Jean Gebser Übungswege an.

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Auch er ist ganz unabsichtlich "asiatisch". Er geht, in europäischem Geist nachvollziehbar, einen Schritt über die Verfassung unserer klassischen Philosophie hinaus, sie im Hegeischen Sinne aufhebend. Rationalität wird nicht verworfen. Sie behält durchaus ihren Platz, verliert aber ihre Dominanz. Descartes ist umgekehrt, nämlich unterdrückerisch, mit seiner Unterwelt umgegangen. Friedrich Heer hat das ja sehr schön gezeigt in seinem "Wagnis der schöpferischen Vernunft": wie wir uns abgeschottet haben gegen die Verunsicherungen, die der "Teufel" für uns bereit hält, wenn wir, gut christlich, die Natur und die Frau nicht mögen. 

Bammé

In der Persönlichkeit Newtons ist diese Widersprüchlichkeit ebenfalls sehr schön nachvollziehbar als innerer Kampf zwischen rationaler und okkulter Weltsicht. Ich stimme Ihnen darin zu, daß der Mensch über verschiedene Möglichkeiten, die Welt zu sehen, sie sich anzueignen, verfügt. Diese Möglichkeiten hat er schon immer gehabt. Als Sozialwissenschaftler interessiert mich die Frage, warum werden einige Möglichkeiten in einer bestimmten sozialhistorischen Situation relevant, andere aber nicht? Warum wird zu einem bestimmten Zeitpunkt genau das und nichts anderes realisiert? Warum wird gerade Newtons rationaler Persönlichkeitsanteil zum gesellschaftlichen Durchschnittscharakter? Warum passiert das nicht tausend Jahre früher oder fünfhundert Jahre später? Sie hatten zu Beginn unseres Gesprächs erwähnt, Sie wundern sich, daß die alten Griechen nicht gleich zum Kapitalismus durchgebrochen sind. Das ist um so verwunderlicher, als es ja tatsächlich eine tiefgreifende Affinität zwischen bürgerlicher Kultur und altem Griechentum gibt.

Bahro

Der Kaufmann ist der Schlüssel. Seine Position ist das Bindeglied zwischen beidem, natürlich vor dem Hintergrund aus der historischen Tiefe verwandter Stammesdispositionen, also Abläufen in der spezifischen Gestaltung des Gattungscharakters.

Bammé: An Ihren Ausführungen fasziniert mich, daß Sie weggehen von der eigentlichen Ökonomie als zentralem Formungsmechanismus unserer heutigen Sozial- und Charakterstruktur und auf die abendländische Dimension, die das hat, hinweisen, ohne gleich anthropologisch zu werden. Vieles, sagen Sie, gibt es bei den Griechen schon. Und Sie beschreiben das auch, und das ist auch nachvollziehbar. Was mir aber ein bißchen fehlt, ist die Klärung der Ursachen. Warum ist das bei den alten Griechen passiert? Warum nicht vorher, warum nicht später? Sie argumentieren mit dem Patriarchat, mit den Frauen. Sie argumentieren mit den Griechen. Welchen Stellenwert hat der Ansatz Sohn-Rethels für Sie?

Bahro: Wegen der Ursachen müßten wir, wie eben angedeutet, vergleichende indogermanische Stammes­geschichte betreiben und etwa die Matriarchatsforschungen von Heide Göttner-Abendroth hernehmen. Liest man z.B. das, so wird spannend, was Ursachen sind, genauer gesagt, sozusagen "letzte" Ursachen.

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Die sozialen, die Sie im Auge haben, — bei Göttner-Abendroth sind es gravierende geo-soziale: die Austrocknung Zentralasiens treibt zu Völkerwanderung, also bei bereits besetzter Erde zu Krieg, also zu Patriarchalisierung der Kultur — scheinen entscheidend zu sein. Aber wofür?

Für die Differenzierung von gattungsmäßigen Dispositionen, Anlagen. Aber diese selbst sind die gewichtigere Ursache. Es ist sehr viel vorausgesetzt, damit diejenigen Ursachen, nach denen Sie vor allem fragen, diese Resultate hervorbringen. Wir pflegen hier — Carl Amery meint, pseudomaterialistisch, indem wir sozusagen die "Materialität" des Menschen nicht ernst nehmen — die Gewichtung zu verkehren. Das ICH z.B. muß nicht nur angelegt, sondern in einem frühen psychohistorischen Prozeß herausgekommen sein, ehe Geld eine archaische Sozialstruktur zerstören kann.

In der Frage der Geldabstraktion beziehe ich mich durchaus auf Sohn-Rethel, auch auf George Thomson und R.W Müller. Ich halt's allerdings nicht für so zentral. Abgesehen von dem antikommunistischen Trauma, das Wittfogel mit sich herumtrug, glaube ich, daß er in seiner "Orientalischen Despotie" den im Vergleich zu Sohn-Rethel elementareren soziologischen Zugang hat, wenn er der Frage nachgeht, ob und wann historisch die Sozialstruktur den Kaufmann freigibt, wann nun wiederum die sozialhistorischen Bedingungen dafür entstehen, daß bestimmte Erfahrungen überhaupt gemacht werden können. Klar, in dem Maße, wie in der Antike von der kaufmännischen Seeherrschaft her Gemeinwesen umstrukturiert werden, entstehen die Bedingungen dafür, daß die dabei gemachten Erfahrungen der Vergleichbarkeit und des Warentausches verallgemeinerbar werden.

Solange der Warentausch noch an den Ort und der Ort wiederum an die Gens13) gebunden bleibt, kann es zu einem solchen Typus von Verallgemeinerung nicht kommen. Das heißt vor allem, es kommt nicht zu jener gesellschaftlichen Bedeutsamkeit, die für die weitere historische Entwicklung prägend wurde. Die chinesische Ökonomie zum Beispiel hat zur gleichen Zeit wie die griechische ebenso mit Geld gearbeitet. Bloß, immer wieder wurden die Ergebnisse der Akkumulation politisch geschleift. Und alle paar hundert Jahre gab's einen Aufstand von unten; darin hat sich sozusagen der ursprüngliche Kern der Gesellschaft, gestützt auf die einfachsten, die ältesten Gerechtigkeitsvorstellungen, gegen die oben, die sich anmaßten, das Gemeinwesen zu repräsentieren und auszubeuten, durchgesetzt. Kein Klima für die Emanzipation des Kaufmanns auf einem Felde, das noch von der Spannung her zwischen Volk und Führung im Stamm geprägt war.

Also, die sozialen Verhältnisse wirken formativ mit, aber als Momente eines Zirkels von Ursachen. Und die größere oder vielmehr grundlegendere Bedeutung kommt meiner Ansicht nach eben doch der gattungs­mäßigen Psychodynamik des Geschehens zu. Denken Sie zum Beispiel daran, daß es ein paar hundert spanischen Desperados gelungen ist, das aztekische Großreich zu vernichten. Gegen die rücksichtslose, abstraktivistische Psychologie der weißen Räuber waren die in ihrem eigenen Milieu mächtigen Medizinmänner der Azteken machtlos. In Wirklichkeit müßte unsere Frage immer erst einmal lauten: Wie werden bestimmte soziale Verhältnisse möglich?

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Das menschliche Bewußtsein ist naturwüchsig, ich vulgarisiere jetzt, das Bewußtsein eines Herdentieres. Das ist schon wahr. Insofern ist Soziologie von Anfang an in eine solche Betrachtung eingeschlossen. Aber sie muß sich grundlegend vom Bewußtsein her, von der Psychodynamik her entfalten. Die Institutionen, die sozialen Verhältnisse sind lediglich Ableitungen davon. Je mehr materielle Macht in ihnen institutionalisiert ist, desto mehr Erstarrung gibt es, desto weniger beeinflußbar werden die sozialen Verhältnisse, desto mehr gerät der lebendige Geist; die Psyche, in ihre Abhängigkeit.

Das ist ganz unbestritten und hinlänglich als Entfremdung beschrieben worden. Der Faustkeil besetzt wenig Zellen im Kopf, Gesellschaft als Megamaschine hingegen kann den ganzen Kopf zu ihrem Funktionär machen. Aber Entfremdung sagt eben, daß all das, sonst ist der Begriff sinnlos, Sekundäreffekte sind, die erst nachträglich ihre Übermacht gewinnen. Herrschaft der toten Arbeit, sagt Marx; ich ziehe es vor, verallgemeinernd von der Herrschaft des toten Geistes zu sprechen. Das ist, so gesehen, gar nicht weniger materialistisch. Allerdings finde ich diese ganze Entgegensetzung von materialistisch und idealistisch unsinnig. Wenn man bloß das Wort nimmt, ohne seine Theorie dazu, so hat Lenin recht: das Bewußtsein ist die stärkste objektive Realität. Es ist das Bewußtsein, das den Menschen prägt und mit dem er Geschichte macht. Die Sozialstruktur ist sozusagen bloß eine erste und die Technosphäre, die Produktionssphäre, eine zweite Ausstülpung davon.

Lassen Sie mich, um diesen Zusammenhang systematischer zu entwickeln, auf meine "Logik der Rettung" zurückgreifen. Nehmen wir unten stehende Graphik zum Ausgangspunkt der Überlegungen. Ich habe darin eine aufsteigende Linie von "N" nach "I" gezeichnet, die das menschliche Bewußtsein in seiner historischen Entwicklung wiedergeben soll, und zwar unter dem Gesichtspunkt, das sich in ihm das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse bündelt. Insofern dieser Ensembleaspekt, bei mir anders als bei Marx unter psychologischem Blickwinkel betrachtet, im Vordergrund steht, bewegen wir uns im Bereich der Sozialpsychologie bzw. der sozialen Tiefenpsychologie. Auf der Linie von "N" nach "I" hebe ich fünf Punkte hervor unter der Fragestellung: In welcher Weise institutionalisiert sich das menschliche Bewußtsein im historischen und, weiter zurück, im naturhistorischen Prozeß der Menschwerdung?

Mit "N" meine ich die Natur in ihrem intelligiblen Aspekt, der im Menschen zu seinem selbstreflexiven Höhepunkt kommt, also die Naturkraft menschlichen Bewußtseins, wie es mit unserem Großhirn als Organ gegeben ist. Sozial artikuliert es sich zunächst archaisch. Der Mensch fühlt sich mit dem kosmischen Zusammenhang zu dieser Zeit noch so verbunden, wie das für kleine Kinder charakteristisch ist. Für das archaische Bewußtsein ist die Welt, das Leben noch wohl geregelt. Die Menschen haben sich damals noch nicht radikal von älteren Bewußtseinsformen abgestoßen, wie es zum Beispiel am Ausgang des Mittelalters geschah, als die Hexen verbrannt wurden, um eine ältere, offenbar stabile Schicht menschlichen Bewußtseins zu verdammen, vor der die Mönche Angst hatten. Demgegenüber hat die Stammesgesellschaft, etwa der Indianer, noch bis in entwickeltere Zustände hinein ein Gefühl für die tiefere Wahrheit ihres kosmischen Zusammenhangs bewahrt.

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Das war bereits ein reflektiertes Bewußtsein, reicht also hinauf bis zu dem Punkt, den ich mit "B" bezeichnet habe, obwohl wir dazu neigen, es abzuwerten, indem wir es bei "U" dem Un- und Unterbewußten zuordnen. Das tun wir deshalb, weil wir es rückwirkend, von unserem rationalistischen Vorurteil her, betrachten. In der Aufstiegsrichtung genommen, bedeutet es eine wesentliche Stufe der Bewußtseins­entwicklung von außerordentlicher Stabilität.

Weil uns der Aufstieg zum Bewußtsein eine besondere Identität verschafft, indem er uns der Natur gegenüberstellt gibt es zwischen "N" und "U" schon früh einen ersten Einschnitt, der uns von dem Naturzusammenhang abtrennt. Auf dieser Ebene gibt es außer der archaischen Komponente bereits auch magische und mythische Vorstellungen, die zumindestens ausschnittweise auf Weltbeherrschung gerichtet sind. Das ist Heideggers Thema. Im Gegensatz zur Moderne hat diese Möglichkeit aber damals die Geschichte noch nicht negativ bestimmt.

Mit der größeren Komplexität des entwickelten Stammeswesens wird die Steuerung bewußter, jetzt schon im Sinne dessen, was wir dann später Vernunft nennen. Das meiste davon existiert in Form von Priesterwissen. Allerdings gibt es eine lange Auseinandersetzung darum, etwa im Tao Te King, ob diese Aufgabe von einem Weisen wahrgenommen wird, der noch in der Lage ist, das Ganze, den kleinen Kreis in der Skizze, intuitiv-vernünftig zu integrieren, oder von Priestern, die herrschaftlich mit den sozialen Widersprüchen umgehen. Und hier, zwischen "B" und "U", kommt es dann zu einem weiteren, viel tieferen Einschnitt. Eine abgesonderte Elite wacht sehr interessiert darüber, daß alles stabil bleibt, daß Macht und Einfluß gewahrt bleiben. Der Weg dahin ist nicht das Ergebnis einer Planung oder Verschwörung, sondern das passiert zunächst naturwüchsig. Erst später kommt mehr repressive Strategie ins Spiel, um die sozialen Spannungen und die Ungleichgewichte zwischen Mensch und Natur zu bewältigen, werden die Widersprüche bewußter und machen andere Formen der Reflexion notwendig.

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In dem kleinen Kreis der Skizze ist all das, was Institution ist ("i"), der Rat, das, was der Schamane und der Häuptling zu sagen haben, die Einteilung der Geschlechter, der Austausch der Tätigkeiten usw., diesem archaischen Bewußtseinsprozeß untergeordnet. Es ist offenbar, daß die soziale Struktur, soweit von sozial überhaupt schon gesprochen werden kann, psychisch bedingt und geschaffen ist. Auch die Wirtschaft ("w"), also das, was produziert wird, wie man mit den Tieren umgeht usw., ist rituell geregelt. Institutionen und Wirtschaft sind Teilbereiche, Teilaspekte des Ganzen. Innerhalb des kleinen Kreises der Skizze sind die mit dem ersten und zweiten Einschnitt angedeuteten sozialen Probleme in der Regel noch zu bewältigen. Sozialpsychologisch gesehen, setzt sich die Naturentfremdung noch nicht als Konstante durch, die Konfrontation des sozialen Logos mit dem Bios fixiert sich noch nicht. Was die Bäume und Tiere sagen, wie die Flüsse sich äußern, ist wichtiger, einfach auch im Zeitplan der Menschen, als das, was die Werkzeuge verlangen. In der Wahrnehmung, in der Repräsentanz im Gehirn dominiert noch nicht das Werkzeug, solange es ein Angelhaken oder ein Wurfspieß ist.

Anders bei uns heute. Wenn ich eine Universität absolviere und dann zehn Jahre in der Industrie arbeite, dann hat sich mein Gehirn ungefähr dreißig Jahre lang mit Wissen auseinandergesetzt, das sich auf Künstliches, Unnatürliches, manchmal direkt auf Widernatürliches bezieht. Im Verlauf der historischen Entwicklung konzentriert sich der Geist immer mehr auf strategische Überlegungen, die nicht mehr auf die Natur gerichtet sind, sondern auf das andere Hirntier, auf die Fremden, die nicht zum eigenen Stamm gehören.

Wenn an den Grenzen des eigenen Stammes immer häufiger ein Fremder zu sehen ist, wenn es zu kriegerischen Verwicklungen kommt, dann muß, um mithalten zu können, um nicht schon technisch zu unterliegen, das Werkzeugsystem geschärft werden. Man muß auch studieren, was die Fremden machen. Auf solchen Wegen wird ein immer größerer geistig-sozialer Zusammenhang aus der Natur herausgelöst, durch den Verstand geleitet und zu einem Werkzeug gemacht. Der Stamm wandelt sich schließlich zur Gesellschaft.

Wenn diese dann in die Stadt eingezogen ist und wie im Gilgamesch-Epos die Mauer von Uruk lobt, so sind wir nicht mehr weit von der athenischen Weisheit entfernt, daß Staatsgeschäfte und Philosophie die einzig würdigen Beschäftigungen für den Mann der Polis sind. Das Philosophieren richtet sich auf die Polis. Der Geist ist nicht mehr auf die große Natur gerichtet, sondern auf die große Stadt. Man beginnt, wie im Gilgamesch-Epos geschildert, die Naturgeister zu erschlagen. Der Geist, der die Zedern im Libanon hütet, ist dem Zugriff auf die Ressourcen im Wege. Zugleich wendet sich das Bewußtsein von der Natur ab und der sozialen Frage, der innergesellschaftlichen Kampfarena zu. Die schützende Mauer, gegen konkurrierende Feinde errichtet, trennt das Gemeinwesen auch von der Natur. Gleichzeitig beginnen sich die Institutionen und die wirtschaftlichen Aktivitäten, die ursprünglich Aspekte des allgemeinen Bewußtseins­prozesses waren, mehr und mehr zu verselbständigen.

Daß wirtschaftliche Interessen, wie bei uns, stärker als die allgemeinen sind, war etwas vom Ursprung her völlig Unerlaubtes, eine Perversion. In meiner Skizze steht für die Moderne alles Bewußtsein in der großen Ellipse, die ich die Megamaschine nenne. Die Wirtschaft, ursprünglich "w", steht nun als "W" über dem Bewußtsein, dem lebendigen Geist. Die Institutionen, ursprünglich "i", gehorchen nun als "I" dem ökonomischen Prozeß.

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Wenn der Aufstieg des Bewußtseins geschehen, der Weg, den ich geschildert habe, gegangen ist, dann nimmt der Einschnitt dort, wo die Ellipse ihre Grenze hat, eine neue Qualität an. Alle Rückverbindungen sind nun abgeschnitten. Wir schlagen unser eigenes Archaisches, unser eigenes Unbewußtes, unsere ganze psychophysische Lebensenergie gedanklich und faktisch der "objektiven" Natur zu. Einschließlich der Wissenschaft ist das Bewußtsein völlig dem Dienst der Megamaschine unterworfen.

Die Wirtschaft und die Institutionen schreiben dem lebendigen Geist vor, wie er funktionieren soll. Die dreißig Lebensjahre, von denen ich sprach, sind dazu da, daß wir qualifizierte Funktionäre werden, um diesen Selbstlauf der Multiplikation von immer mehr Sachen, immer mehr Wissen, immer mehr Geld fortzuzeugen. Darum, diese verheerende Abspaltung des Bewußtseins von der Natur in uns und außer uns zu überwinden, kümmern wir uns nicht. Wenden wir unsere Energie, etwa infolge der ökologischen Krise, einem der zahllosen Krebsgeschwüre zu, die innerhalb der großen Ellipse in Erscheinung treten, um etwas zu ändern, ohne das Grundproblem des Abgespaltenseins, der Entfremdung zu berühren, so spielen wir mit im vorgeschriebenen Text. Wenn wir unsere Energien hauptsächlich dort einsetzen, wo unter dem Druck der Trägheitskräfte die Dämme brechen und wo die wissenschaftlich-industrielle Beschleunigung die materiellen Lasten herumwirbelt, dann plazieren wir uns selbst in die Todeszone. Ich will nicht sagen, daß man sich um die Symptome gar nicht kümmern soll, denn es hängt wirklich alles mit allem zusammen. Aber die Kraft ist massenhaft verschwendet, nährt und legitimiert gar noch den großen Drachen, solange wir sie nicht hauptsächlich darauf konzentrieren, diesen Spalt zwischen unserem lebendigen Geist und der Natur zu überwinden.

 

Bammé: Es gibt Theorien, es gibt Denker oder Philosophien oder Religionen, vereinzelt, die in sich völlig konsistent sind, die aber im Zeitpunkt ihres Entstehens keine soziale Tragweite bekommen. Für mich ist Gotthard Günther ein schönes Beispiel dafür. Er hat sich an Hegel abgearbeitet, hat versucht, eine mehrwertige Logik zu entwickeln. Und die Fachkollegen haben mehrheitlich gesagt, ach Gott, das ist ein Spinner. Es gab eine kleinere Diskussion um ihn in den sechziger Jahren. Das war's dann schon. Und plötzlich wird dieser Mensch aktuell, weil wir Computer haben, die ihre Grenze finden in der zweiwertigen Logik, nach der sie funktionieren. Plötzlich wird das ein zentraler Denker, wahrscheinlich einer der zentralen dieses Jahrhunderts überhaupt. Seine Auseinandersetzung mit Heidegger, mit östlichen Religionen ähnelt in vielem dem, was Sie sagen, aber seine Zielrichtung ist natürlich eine technologische. Er interpretiert die Technologieentwicklung nicht als eine Verengung und Bedrohung des menschlichen Daseins und will auch nicht zurück zu Hegel und zu den östlichen Denkern. Vielmehr fordert er das genaue Gegenteil: eine komplexere Technologie. Das hat er sich ausgedacht vor fünfzig Jahren. Es gibt andere Beispiele, die noch länger zurückliegen, Leonardo da Vincis technische Konstruktionsentwürfe zum Beispiel, die damals überhaupt keine soziale Bedeutung erlangten.

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Jetzt sind die Verhältnisse anders, und plötzlich heißt es, ein genialer Mensch, das hat der damals schon alles gewußt. Ich bin sicher, der Mensch mit all seinen Möglichkeiten hat im Prinzip alles schon mal gedacht, aber nur selten bekommt es eine soziale Relevanz. Plötzlich jedoch entstehen soziohistorische Konstellationen, in denen man sich dieser vorgedachten Sachen erinnert, und sie erhalten eine Bedeutung, die sie vorher nie hatten.

Bahro: Aber das paßt völlig in den Hegelschen Grundgedanken, daß über die Objektivierung der an sich seiende Geist nachher zu sich kommt. Das ist die mittlere Phase, die Objektivierung. Klar, im Grunde genommen könnte Günther natürlich sagen, Hegel hat am absoluten Wissen partizipiert, er ist ein Stück weit durch diese ganze Sache durch. Und was Wunder, wenn wir das heute wiederfinden, in dem Augenblick, wo's noch einmal durch die Objektivität hindurchgeht. Ich glaube, der Punkt von Hegel her gesehen, was den praktischen Materialismus betrifft ist einfach, daß wir uns in der Objektivität totlaufen. Die europäische Entwicklung, seit der Renaissance, ist ein Ersaufen in der Objektivität, in dieser Phase der Realisierung des subjektiven Geistes im Materiellen. Die Megamaschine hat uns.

Daß wir — im Sinne Heideggers — Techniker sind, heißt ja zunächst nichts anderes, als daß der Mensch kulturschaffend ist. Die Frage ist, ob heute noch "konviviale" Werkzeuge möglich sind. Wir versuchen, mit Milliardenbeträgen schwere Atomtechnologien zu entwickeln und bauen für ebenfalls Milliardenbeträge unterirdische Tunnel, damit die Elementarteilchen hochenergisch aufs Target treffen. Wenn wir nur ein Drittel dieser Mittel und dieser Intelligenz darauf verwenden würden, "die Hacke zu automatisieren", also intelligent den Boden zu bebauen, könnte ich mir vorstellen, daß dreihundert oder fünfhundert Leute eine Subsistenzwirtschaft zustandebringen, bei der sie wieder so wenig arbeiten müssen wie manche glücklichen Stämme in grauer Vorzeit, die eine gut wachsende Natur vorfanden.

 

Bammé: Das ist eine Denkfigur, die finden Sie heute auch schon bei Technikern und Ingenieuren. Die können sich fürchterlich darüber aufregen, daß wir nach wie vor Atomkraftwerke bauen, aber es nicht schaffen, einen Auspuff für's Auto rostfrei hinzukriegen, was technisch ja durchaus möglich wäre.

Bahro: Na gut, aber das Problem liegt tiefer. Es geht nicht einmal darum, ob der Mensch Auto fahren soll oder nicht. Das geht ohnehin irgendwann nicht mehr bei zehn Milliarden Menschen auf der Erde. Das Problem ist, finde ich, bei Dschuang Dsi grundlegend und endgültig formuliert: Der Meister lehnt es ab, den Göpel zu benutzen, um Wasser aus dem Brunnen heraufzuholen, weil: er weiß schon, wohin das führt.

 

Bammé: Das ist Heideggers Thema.

Bahro: Da ist schon ein Mißtrauen dem Menschen als Techniker gegenüber, ein erstes Mißtrauen in die Fähigkeit des Menschen, eine Entwicklung, die er in Gang setzt, in Grenzen zu halten.

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Bammé: Darin besteht der historische Unterschied. Der eine, Dschuang Dsi, lehnt es aus prophylaktischen Gründen ab, Technik überhaupt zu benutzen, weil er schon ahnt, wohin das führt, und der andere, Heidegger, sieht, was passiert ist und resigniert: Nur ein Gott kann uns noch retten, der Mensch schafft es nicht mehr.

Bahro: Weder blickt Dschuang Dsi skeptisch vorwärts. Auch seine Parabel blickt schon angesichts geschehener zivilisatorischer Katastrophe zurück. Noch bedeutet Heideggers dem Menschen seinen rettenden Gott entgegenstellender Satz diese Resignation. Ja, "der Mensch, wie er nun mal ist", schafft es nicht mehr. Aber in jenem rettenden Gott überstiege gerade der Mensch sich selbst. Was ist "ein Gott"? Hölderlins kommender Gott, was ist das? 

Julian Jaynes, ein Amerikaner, hat ein aufschlußreiches Buch geschrieben über den "Ursprung des Bewußtseins im Zusammenbruch der bikameralen Psyche". Er entwickelt das Thema am Beispiel akustischer Halluzinationen, wie sie typisch waren für die Griechen der Ilias. Er argumentiert, daß es die Athene für den Achilles wirklich gab, und zwar in der Weise, daß sozusagen die rechte in die linke Gehirnhälfte hinein sprach, also eine Art Realhalluzination. Achill will den Agamemnon erschlagen, weil der ihm die Briseis weggenommen hat. Athenes Stimme fällt ihm in den Arm. Achill zögert, er hört, das darf ich nicht, obwohl ich so sehr recht habe in meinem Zorn. Aber er befolgt den Rat der Göttin. 

Wenn Heidegger nun sagt, allein ein Gott könne uns noch retten, dann ließe sich das durchaus in diesem Sinne als Metapher lesen, daß die Rettung nicht einfach erdacht wird, sondern daß sich um dieser Rettung willen in unserer Bewußtseinsverfassung etwas Neues ereignen muß. Wir müssen etwas Neues halluzinieren, etwas, das historisch durchaus jenseits des Rationalismus, nicht vor ihm, sein kann. Die deutsche Frühromantik hat nach einer "neuen Mythologie der Vernunft" gefragt.

Ich habe es Ihnen schon geschrieben und ich kann es nicht oft genug wiederholen: Geschichte ist Psychodynamik. Die Logik der Selbstausrottung, die uns unabweisbar zu vernichten droht, ist ein Gebrechen der menschlichen Seele, besonders ihrer Geist-Fakultät. Unsere selbstmörderischen Mittel, unsere technischen und sozialen Strukturen haben ihre Wurzeln in uns selber. Sie sind nicht erster Natur. Beton ist nicht in dem Sinne materiell wie Fels es ist. Es ist alles Kultur, von uns geschaffene zweite Natur, woran wir scheitern. 

Es ist das Unbewältigte unserer menschlichen, unserer psychischen Existenz. Daß das Sein, vor allem das gesellschaftliche Sein unser Bewußtsein bestimmt, daß wir das Ensemble dieser Verhältnisse sind, wie Marx einst lehrte, ist empirisch nur allzu wahr. Es ist die Wahrheit unseres Untergangs. Es ist, philosophisch gefaßt, der Rahmen der Selbstausrottungslogik. Es lehrt uns, ja zu sagen zu jener Dialektik von Produktivkräften und Produktions­verhältnissen, die uns die Freiheit materiell begründen sollte, statt dessen aber die Megamaschine gebracht hat. Der materielle Lebensprozeß als Praxis des Sachenmachens, von dem wir unser Dasein immer abhängiger rückbestimmen lassen, ist die Todesspirale. 

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Der Mensch, bloß "wie er nun mal ist", mit dieser suchtartigen materiellen Interessiertheit als Mitte seiner empirischen Existenz, ist verloren. Wenn wir das nicht begreifen, gibt es keine Rettung.

Wer ahnte inzwischen nicht, daß die Ursache hinter den Ursachen mit einer Ambivalenz in unserer natürlichen Konstitution, unserer damit korrespondierenden sozialen Psyche und Organisation zusammenhängt? Wahrscheinlich ist die Wahrheit so ärgerlich einfach und immer wieder von Weisen, Propheten, Heiligen, Dichtern ausgesprochen, von pessimistischen Konservativen und vom konservativen Volksmund wiedergekaut worden, daß wir uns nicht trauen, sie anzunehmen, zumal wir die Konsequenzen fürchten: Die ökologische Krise ist vor allem eine Krankheit des menschlichen Geistes, dieser im Rahmen unserer gesamten Psychodynamik gesehen. Deshalb müssen wir das Verhängnis in uns selbst aufsuchen, ohne unseren vornehmsten Teil zu schonen, jene faustische Unersättlichkeit und Hungerleiderei nach dem Unerreichlichen.

Von der Ebene der exterministischen Symptome an abwärts, wie sie so zahlreich heute beschrieben werden auf einer mehr phänomenologischen Ebene, lassen sich fünf weitere Strukturen ausmachen, die in der Logik der Selbstausrottung untereinander liegen, analog zu geologischen Formationen, in deren Aufbau ein Schub von unten nach oben wirkt. Jede höhere Schicht in dieser Tektonik der Selbstzerstörungsursachen ist ein Ausdruck, eine Modulation, eine Spezialisierung, ein Transformationsergebnis der je tieferen. Zusammen bilden sie das Getriebe der Todesspirale, das Getriebe des rationalistischen Dämons. 

Für mich stellt es, wie gesagt, Formation um Formation in erster Linie eine subjektive Kraft, eine Bewußtseinsgestalt dar. Daß sie sich zunächst in sozialer und dann mehr und mehr auch in technischer Form manifestiert, ist sekundär. Dieses Getriebe ist einerseits Geschichte. Die einzelnen Formationen traten historisch nacheinander ans Licht. Andererseits sind seine Elemente innen wie außen hier und jetzt präsent. Wir alle reproduzieren sie mehr oder weniger intensiv täglich. Die Tektonik des Verderbens, die Logik der Selbstausrottung stellt sich mir in folgendem Schema dar: 

 

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Wenn man das Schema als Spirale zeichnet, auf eine Perspektive der Rettung, auf eine Antwort aus dem Genotyp hin, der sich mit dem Exterminismus selbst unter Druck setzt, so ergibt sich folgendes Bild:

Natürlich geht insbesondere der Genotyp immer wieder neu in den formativen Vorgang ein, so daß sich im Grunde folgende Bewegung ergibt:

Edward P. Thompsons Satz von der "zunehmenden Bestimmtheit des exterministischen Prozesses", von der "letzten Disfunktion der Menschheit, ihrer totalen Selbstzerstörung" kennzeichnet die gegenwärtige Situation insgesamt. Mit der Verbreitung der Industriezivilisation hat die Zahl der Verdammten und Verelendeten weltweit unglaublich zugenommen. In der bisherigen Geschichte hat es nie so viele Opfer von Hunger, Krankheit, vorzeitigem Tod gegeben wie heute. Nicht nur ihre Zahl, auch ihr Anteil an der Menschheit insgesamt wächst. In dem damit untrennbar verbundenen militärischen und wirtschaftlichen Vormarsch sind wir dabei, das nichtmenschliche Leben, die Biosphäre, die uns hervorgebracht hat, in irreversibler Weise zu schädigen. Wollte man die Exterminismus-These in Begriffen von Marx reformulieren, so könnte man sagen, daß das Verhältnis zwischen Produktiv- und Destruktivkräften sich völlig verkehrt hat.

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Wie andere auch, die die Geschichte der Zivilisation überblickten, hatte Marx die Blutspur gesehen, die sich durch sie hindurchzieht, und daß "die Kultur Wüsten hinter sich zurückläßt." Aber in Mesopotamien haben sie 1.500 Jahre gebraucht, um das Land zu versalzen. Die destruktive Seite gab es immer, seit der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur betreibt. Doch heute sind wir gezwungen, apokalyptisch zu denken, nicht aus Kulturpessimismus als Ideologie, sondern weil sie überhand genommen hat. Der Exterminismus ist sowohl letzte Auswirkung als auch Inbegriff unserer Destruktivität, um deren Tiefenstaffelung wir wissen müssen.

Unterhalb der exterministischen Symptome ist die moderne, die industrielle Megamaschine die erste, immer noch oberflächliche Wesensschicht in der Geologie der Ursachen. In Anlehnung an Heidegger ist darauf zu insistieren, daß das Industriesystem keineswegs identisch ist mit dem traditionellen Verständnis von Werkzeug- und Maschinengebrauch zur Arbeitsverkürzung und -erleichterung. Es ist mehr als ein bloßes Kompositum aus Anlagen, Kommunikationen, Institutionen.

Tatsächlich ist es identisch mit der Industriegesellschaft. Es ist die Integration all der menschlichen Kräfte und Tätigkeiten, die ja die eigentliche Substanz seiner Erscheinungsformen sind. Was einst für die Maschinerie einer einzelnen Fabrik galt, daß der Arbeiter zu ihrem untergeordneten Bestandteil wird, das gilt jetzt für den Bürger der industrialistischen Gesellschaft. Der einzelne Mensch ist zerteilt nach ihren Unterfunktionen. Er gehört ihr als Fernsehzuschauer, der in den Einschaltquoten mitgezählt wird, nicht weniger an denn als Monteur. Und selbst noch der Großbankier ist Diener und Funktionär der Kapitalströme und ihrer Gesetzmäßigkeiten. Die Megamaschine hat unseren gesamten Alltag nach ihren verschiedenen Aspekten aufgeteilt. Freie Bewußtseinsanteile, die es wohl gibt, existieren von ihr aus gesehen nur wie die bedeutungslos gewordenen Götter Epikurs: in den "Intermundien", den für das System nicht relevanten "Zwischenwelten". Für den Notstandsfall der ganzen Maschine sind sie schon vorerfaßt. Diese Maschine ist das direkte Subjekt des Exterminismus. Noch ist die Kolonialisierung der individuellen Existenz nicht dicht, aber das Prinzip ist zuverlässig installiert und bloße Umbauten können daran nichts ändern.

Die Kapitaldynamik ist das nächste Glied in der Ursachenkette des Exterminismus. Sie liegt zweifellos dichter an seinen Wurzeln, aber auch sie ist nicht der letzte, ursprüngliche Antrieb. Das vergißt allzuleicht, wer alles auf den Kapitalismus schiebt, als hätte der nicht auch erst einmal entstehen müssen und bedürfte nicht seinerseits der Erklärung. Doch ist das Kapital nach wie vor das mächtigste Triebrad der Expansion. Das Industriesystem ist kapitalistisches Industriesystem. Die Megamaschine ist kapitalgetrieben. Gestützt auf die Realabstraktion des Geldes hat der Kaufmann die Verlagerung des Schwerpunktes von konkreten auf abstrakte Werte, von der Steuerung des sozialen Ganzen durch überlieferte Autorität auf die Vermittlung der Synthese durch individualistische Konkurrenz eingeleitet. Die erste industrielle Revolution, die die exterministische Tendenz schon enthielt, ist der Niederschlag einer Entfesselung gewesen.

War die Moderne von der Renaissance her auf menschliche Emanzipation angelegt, so erweist sie sich heute tatsächlich vor allem als eine Emanzipation des Geldes bzw. des Geldbesitzers von allen Rücksichten, die in traditionellen Gesellschaften der Plusmacherei, etwa in Form des Zinsverbotes, entgegenstanden.

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Heute sind selbst die Kaufleute der Maschine subsumiert. Während das Mana wie das Schwert in der Regel traditionell ordnungsgebunden blieb, hat sich das Kapital von seiner dienenden Rolle freizumachen gesucht, und in beiden europäischen Kulturanläufen, dem antiken und dem abendländischen, ist es ihm auch gelungen. Mehr noch! Der Geist des Kapitalismus, die Geldabstraktion scheint ausschlaggebend für die Art unserer Rationalität und Wissenschaft, ihres objektbeherrschenden und manipulierenden Charakters zu sein. Münzen, bits, Begriffe, Individuen, Arbeitskräfte, Atome, Quanten aller Art — all unsere Welt- und Verhaltensmodelle stehen unter der Vorherrschaft dieser abstrakten Einheiten, die sich alle bis ins schlecht Unendliche massieren lassen. Wir sind der Geldwirtschaft und ihren Konsequenzen viel tiefer verhaftet, als sich nach unserer Bereitschaft zur Kapitalismuskritik erwarten ließe. Der Geist des Kapitalismus ist formativ für unsere Kultur.

Doch auch das losgelassene Kapital ist, wie bereits angedeutet, nicht die Endursache des Exterminismus. Es ist eine Erfindung, die zuerst die alten Griechen gemacht haben und dann, nicht der Kontinuität von ein bißchen Warenproduktion zuliebe, sondern wegen tiefgehender Verwandtschaft der Stammesdisposition, erneut die neuzeitlichen Europäer. Die Renaissance hat nur so intensiv daran anknüpfen können, weil das Abendland an dieselbe Schwelle gelangt war: nicht aufgrund der römischen Tradition, die spielte nur mit, sondern vor allem autochthon14).

Die Geschichte hat später, indem sich ihr Epizentrum immer mehr zu den Rom-fernsten, nordwestlichsten Europäern verschob, deutlich gemacht, daß ein ganz bestimmter völkischer Impuls in dem industriellen Durchbruch steckt: nicht eine besondere technische und wissenschaftliche Begabung, sondern ein besonderer Typus von psychischer Energetik und von entsprechendem geistigen Zugriff auf die Welt. Gewiß hat der voll entfaltete Kapitalismus den asozialen, egoistischen Individualismus forciert, mit dem unsere Zivilisation wie keine andere glänzt.

Aber das ist ein Sekundäreffekt. Tatsächlich geht es darum, zu begreifen, warum ausgerechnet die Nordwest-Europäer diese äußerst expansionistische, kapitalistische Produktionsweise hervorgebracht haben. Johan Galtung hat die Kosmologien der heute dominierenden Zivilisationen strukturalistisch verglichen. Mit Kosmologie ist jene kollektive Tiefenpsychologie, jene unbewußte Grundeinstellung zur Welt gemeint, die sich in den kulturellen Verhaltensmustern verwirklicht. Der westliche Mensch, der homo occidentalis, bekommt dann folgende Charakteristik zugeschrieben: Er setzt sich selbst als zentral, die anderen an die Peripherie. Die Initiative geht vom Zentrum aus und bezieht sich expansiv auf die fernsten Grenzen des sozialen und natürlichen Kosmos. Der Kaum wird also scharf perspektivisch vom Interesse des eigenwilligen Subjekts aus geordnet. Die Zeit verläuft in eine Richtung. Entwicklung ist Fortschritt vom Niederen zum Höheren, und der Ablauf ist dramatisch. Das Wissen ergreift die Welt, indem es einige wenige, möglichst mächtige Parameter abfragt, um möglichst alles auf ein einziges Axiom, irgendeine "einheitliche Feldtheorie" zurückzuführen. Wir konstruieren binär wie ein Computer und deduktiv.

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Wir lieben den theoretischen Pyramidenbau auf einen einzigen Punkt hin, etwa die Ware als Tauschwert in der Politischen Ökonomie. Der Mensch steht über der Natur als ihr Beherrscher. Die Sozialstrukturen, die Beziehungen zwischen den Menschen, sind vertikal und individualistisch, so daß wölfische Konkurrenz die Norm ist. Im transpersonalen Bereich ist Gott autokratisch, eifersüchtig und dualistisch über der Welt und dem Menschen, als Über-Ich unser großer Spiegel, vor dem wir zwischen Allmacht- und Ohnmachtempfinden schwanken. 

Der homo occidentalis ist Welteroberer par excellence, ist homo conquistador. Die europäische Volkspsychologie läßt sich zurückverfolgen in ihrer Anwendung bis in die olympische Konkurrenz der Griechen und noch weiter bis zu dem von Homer überlieferten Motto, "immer der Erste zu sein und vorzustreben den anderen", um welches Gebiet, um welchen Gegenstand der Konkurrenz es sich auch handle. Wie schon die Griechen so hatten auch die Germanen aus ihren Wanderzeiten eine spezifische kosmologische Disposition mitgebracht, die dem Kapitalismus zugute kam, ja gewissermaßen zu ihm führen mußte. Wir haben die ökonomische Formation, die um das Geld rotiert, geschaffen. Doch indem er sich so vordrängt, verbirgt der Kapitalismus nur allzu leicht die Tatsache, daß wir wenig Aussicht haben, diese objektive Struktur loszuwerden, solange wir ihre subjektive Disposition bloß als Folge betrachten. Das westliche Ich als der Träger dieser europäischen Kosmologie und des daraus geschaffenen Weißen Imperiums rund um die Welt hat einen fundamentaleren Stellenwert in der Logik der Selbstausrottung als das kapitalistische Werkzeug. Vom schöpferischen Herrn zum subalternen Knecht der Megamaschine geworden, bleibt es doch deren eigentliches Subjekt.

Aber auch diese Ursachenebene bedarf vertiefender Ergänzung. Nicht nur vom Menschen allgemein, sondern zugespitzt vom Mann muß die Rede sein, wenn es um die Logik der Selbstausrottung geht. Wohl nicht der Tausch, aber Krieg, Handel und Piraterie, Geld und Kapital, Staat und Kirche, rationalistische Wissenschaft und Technik sind männliche Erfindungen und Veranstaltungen. Keine Amazone, keine Marketenderin, keine Königin, keine Heilige, keine Curie kann dagegen zeugen. Die Rollen sind vorgeschrieben und vorverteilt, die Frauen dabei mitspielen können. Der Geist und die Methode sind männlichen Wesens. All unsere gesellschaftlichen Einrichtungen und Technostrukturen sind das Resultat von ein paar tausend Jahren Entwicklung, in denen die Balance zwischen weiblichem und männlichem Weltverhalten bei der Gestaltung der Kultur gefehlt hat. Mit Mann und Frau standen die Welt des Logos und der Götter hier, des Bios und des Eros dort, entzweit einander gegenüber. Der Mann hat der Gesellschaft Schritt für Schritt andere Schwerpunkte, ein anderes Zentrum gegeben als die Reproduktion des Lebens und die Beherrschung des nahen Lebensraumes, um die die mutterrechtliche Sippe kreiste.

Mag sein, daß der Mann die Frau ursprünglich gar nicht des Ihrigen beraubt und enteignet hat, daß er seine Macht um Tätigkeitsbereiche und mit Kräften aufbaute, mit denen sich die Frauen nicht befaßten. Mag auch sein, daß der rationalistische Dämon auf der kompensatorischen Machtpolitik des verängstigten männlichen Ichs beruht. Am Ende jedenfalls sind die Frauen so oder so zur ersten Peripherie der Zivilisation herabgesunken.

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Das Patriarchat als Bewußtseinsverfassung ist eine sehr fundamentale, aber immer noch nicht die letzte, tiefste Ebene in der "Geologie" des Exterminismus. Mit dem Patriarchat bricht der Mensch aus der zyklischen Verlaufsform seiner "Vorgeschichte" aus. Der Mann bzw. das Männliche fungiert vorübergehend als privilegiertes Organ der Gattung. Im Patriarchat überlappen sich Geschichte und Anthropologie. Wie der Mensch über das Tier, siegt der Mann über die Frau. Wenn dieser zweite Sieg schon eine ungeheuer folgenreiche Tatsache ist, die in alle höheren exterministischen Strukturen tragend hineinwirkt, fundamentaler noch ist der erste Sieg, die conditio humana selbst: Der Mensch, Mann und Frau, siegt über das Tier, macht sich die Erde Untertan, indem er sich auf die geistige Seite verlegt. Es ist in der menschlichen Natur, in der gesamten Art und Weise, wie der Mensch funktioniert, wie er mit seiner Ausstattung in den Weltzusammenhang hineingestellt ist, ein Verhängnis angelegt und nicht erst in spezifisch bösen Verhaltensweisen. Indem der Mensch handelt, kommt diese Ambivalenz zum Tragen, absichtlich oder unabsichtlich. Nur wer schläft, sündigt nicht. Sobald wir wach sind, müssen wir bewußt sein, nicht nur um die beabsichtigten, sondern auch um die unbeabsichtigten Folgen unseres Handelns zu bedenken.

Katastrophen, die der Mensch verursacht, hängen nicht mit dem Tier in ihm zusammen, sondern mit der Dynamik der Großhirnprozesse und ihrer zunehmenden Objektivierung in Sprache, Sozialstruktur, Staat usw. Um dem Fluch, dauernd aufmerksam sein zu müssen, zu entgehen, sind die ältesten Weisen zu dem Schluß gekommen, am besten wäre es, wir werden nichts oder doch so wenig wie möglich tun. Tatsächlich hat der Mensch zwei Möglichkeiten, dem durch sein Großhirn verursachten Dilemma zu entrinnen. Entweder müssen wir allesamt Yogis werden, fähig und bereit, sobald wir wach sind, voll bewußt zu sein. Oder wir müssen uns solche Institutionen schaffen, eine solche Kultur einrichten, die uns von der Notwendigkeit dieser Daueraufmerksamkeit, dieser Hellwachheit entlastet.

Selbstverständlich liegt das Problem in der Gesamtverfassung unserer Gattung, nicht im Großhirn für sich. Es ist aber die Natur des Menschen, dieses übergewichtige Organ zu besitzen. Der Geist war von Anfang an ein kompensatorisches Machtinstrument und wir mußten die Flucht nach vorn antreten. Wir stehen unter Aktionszwang, und so sind Kultur und Zivilisation zu einem Prozeß wachsender Aufrüstung gegen alle Risiken des Lebens geworden. Die Stufen dieser Pyramide der Selbstausrottung, die sich die Menschheit auf ihrem Weg installiert, lauten: Mann, Weißes Imperium, Kapital, Megamaschine. Die Basis aber all dessen ist die conditio humana selbst. Die exterministischen Tendenzen lassen sich nur von hier aus unter Kontrolle nehmen. Am Ursprung ist das Gehirn Organ des fühlenden Körpers. Zugleich ist in ihm angelegt, Geist, der sich materiell verselbständigen kann, zu produzieren, also die Hauptaktivität der jeweils den Kulturprozeß bestimmenden, führenden Kräfte auf abgehobene Ebenen zu verlagern und von deren Sekundärinteressen her die primären zu vergewaltigen und auszubeuten.

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Das ist übrigens Luhmanns eigentliches Thema. Der Gruppengeist ist die eine massenhafte objektive Manifestation des menschlichen Geistes. Er stützt sich, und das legt die weitere Entwicklung fest, auf Symbole und Sprache. Aus dieser Sphäre erst und sehr spät arbeitet sich, ungleichzeitig und besonders in Krisenzeiten lange noch rückfallbereit, allmählich das reflexive, selbstbewußte Ich geschichtlich heraus.

Das Resultat, der Geist, ist empirisch unfrei, bestimmt durch Phylogenese und Geschichte, Ontogenese und Sozialisation. Schon gar nicht kann er frei werden durch Unterdrückung seiner Gewordenheiten. Alles deutet darauf hin, daß er bislang nicht fertig wird mit Traumatisierungen, die zur Folge haben, daß ihm die Welt nicht freundlich oder wenigstens neutral, sondern gefährlich bis feindlich erscheint. Das ist das unvollendete Thema der Psychoanalyse. 

All das läßt sich zusammenfassen zu drei evolutionär grundlegenden Faktoren, mit denen wir gewohnheitsmäßig so identifiziert sind, daß wir sie gar nicht hinterfragen, die uns aber mit dem zunehmenden Gattungserfolg immer gefährlicher werden: der projektive Charakter des Bewußtseins, der anthropozentrische Charakter des Bewußtseins und der egozentrische Charakter des Bewußtseins. 

Das Gehirn macht uns zur mächtigsten besonderen Ursache im Maßstab der ganzen Erdoberfläche und ihrer Atmosphäre. Diese Macht aber wird nicht von den allgemeinen Interessen der irdischen Evolution und des Erhalts ihrer Ergebnisse geleitet, obwohl wir alles das mit unserer globalen Praxis berühren, sondern von unseren unmittelbaren, kurzfristigen Interessen und Willenszielen. Diese anthropozentrische, egozentrische Ausrichtung ist normal gerade unter dem Gesichtspunkt, daß sie sich genau entlang dieses unmittelbaren Zwecks entwickelt hat, uns als Selbstbehauptungsinstrument zu dienen. Aber in dieser Machtposition die Sophokles schon zum Thema machte, als wir noch keinen Bruchteil unserer heutigen Reichweite und Störkapazität besaßen, mit denen wir um unserer menschlichen Interessen willen eine planetarische Praxis betreiben — kann es nicht gut gehen, wenn sie aus dem Parallelogramm der Ich-Kräfte heraus gesteuert wird. Das Ich erweist sich dann nicht nur spirituell als Gefängnis, sondern materiell als eine Rüstung, die den Helden mit in die Tiefe zieht.

 

Bammé
In der "Rückkehr" stellen Sie drei Theoriegebäude nebeneinander: das von Heidegger, das von Galtung und Ihr eigenes. Wir haben vorhin davon gesprochen. Sie wollen zeigen, daß unser Verfallensein an die Technik, die Gefahr des Exterminismus, in ganz unterschiedlichen Theorieansätzen ähnlich gedeutet wird. Mich hat daran fasziniert, daß eigentlich in allen drei Versuchen, unsere gegenwärtige Situation auf den Begriff zu bringen, anthropologisierende gegenüber historisierenden Betrachtungsweisen an Boden gewinnen. Für einen Sozialwissenschaftler kündigen sich in einer solchen Begriffsverschiebung gesellschaftliche Umbrüche an: die überlieferten Kategorien treffen in weiten Bereichen die gesellschaftliche Realität nicht mehr, die Theorie löst sich von den aktuellen Problemkonstellationen ab und nimmt Zuflucht zu den langen Zeithorizonten, der Mensch an sich, das Abendland seit den alten Griechen, fernöstliche Mythen etc. Hält die Theorie die Realität nicht mehr aus?

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Die Kritik der politischen Ökonomie wäre ein Gegenbeispiel. Sie erklärt nur einen ganz kurzen Abschnitt menschlicher Geschichte, die bürgerliche Gesellschaft, den aber richtig. Allerdings, ihre Erklärungskraft stößt heute an eine historische Grenze. Scheinbar konnte die bürgerliche Gesellschaft soziologisch angemessen mit ökonomischen Kategorien erklärt werden, weil und solange sie ihre Synthese, ihre Vergesellschaftungsfunktion tatsächlich über ökonomische Mechanismen, den Markt, realisiert hat. Das geht offensichtlich in die Brüche. Verteilungskonflikte, Klassenkampf, all das wird zwar noch über die klassischen Mechanismen gespielt, aber Baudrillard zum Beispiel sagt, das seien historisch überlebte Rückzugsgefechte, verkommen zu bloßen Simulationen. Die Ökonomie sei am Ende, heißt es.

Anders Heidegger. Er sagt, unsere Gegenwart wird bestimmt durch die Technologie. Technologie ist Metaphysik mit anderen Mitteln. Sie fängt an bei den alten Griechen, auf Basis einer zweiwertigen Logik, ja/nein, entweder/oder, ein Dazwischen oder ein Drittes gibt es nicht. Und das wird durchgespielt in Europa, Feudalismus, Kapitalismus und jetzt die technologische Zivilisation. Die Technologie ist das Basissystem, auf dem sich die Weltgesellschaft erhebt, in der dann, das ist die Kehrseite der Medaille, postmoderne Unübersichtlichkeiten, kommunikative Lebenswelten, regionale Lebenskreise entstehen können. Weil Vergesellschaftungs­zwänge, die die Menschen bislang an sich selber vollziehen mußten, zunehmend von Informations- und Kommunikations­technologien realisiert werden, entstehen plötzlich Freiräume, in Ansätzen das, was Marx das Reich der Freiheit nannte. Die Frage ist: Was machen wir mit diesen Freiräumen? Werden sie konsumistisch vereinnahmt, reden die Leute über Belangloses? Oder entwerfen sie gesellschaftliche "Zukünfte", engagieren sich in Umwelt- und Sozialfragen?

Bahro
Erst einmal würde ich sagen, daß das, was Marx hinreichend erklären konnte, nur eine Modulation tieferliegender Strukturen war. Ich meine damit erkenntnistheoretisch Folgendes: Wenn wir in der bürgerlichen Gesellschaft sind und wir stoßen in einer bestimmten Situation, etwa der Verteidigung einer Dissertation, zusammen und Sie stellen da, was weiß ich, einundzwanzig Thesen auf, und ich lese die und denke, oh ja, ja, ja, ja, ja, und dann komme ich an die siebzehnte These und da bin ich völlig anderer Meinung und dann lege ich antagonistisch los. Das ist aber nur ein kleiner Teil der ganzen, viel umfassenderen Sache, um die es eigentlich gehen sollte. Das Ganze wird hier sozusagen auf das Besondere hin orientiert, auf ein Besonderes, wo sich Individuen unterscheiden, wo sich Theorien unterscheiden. Dabei ist das Ganze das Ewigdauernde. Wenn für einen Moment lang die historische Konstellation so ist, daß die tieferen Dilemmata der menschlichen Existenz nicht so in den Vordergrund treten oder sich in einem Bereich artikulieren, der historisch neu hinzukommt, dann sieht es so aus, als wenn dieser Bereich das Ganze wäre, und wir analysieren das und nichts anderes. Marx hat das mit der bürgerlichen Gesellschaft gemacht, und er hat hundert Jahre lang recht gehabt. Aber was er analysiert hat, ist letztlich nur ein Epiphänomen
15) gewesen. Mir ist das aufgefallen am Beispiel Roms.

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Die Marxschen Klassenkampftheorien gelten zum Beispiel für das Rom der Republik, ein Rom, das noch nicht Weltreich ist, das Rom der Patrizier, Plebejer und Sklaven. Der Spartacusaufstand ist nicht der Anfang, sondern das Ende dieser Formation. Die immanenten Klassenkämpfe hatten deren Aufstieg gekennzeichnet. Sie haben die Formation nicht gesprengt, sondern im Gegenteil gerade entwickelt. Von solchen Entwicklungsbereichen ausgehend, wird dann theoretisiert. Das gilt dann auch als aktuell. Der Weise hingegen will nicht hauptsächlich Neues sagen. Er stellt in den Vordergrund, was immer schon ist. Anders in der Wissenschaft. Hier geht es um Neuigkeiten, um Prioritätsstreitigkeiten. Das ist das eine. In diesem Sinne, glaube ich, hat Marx das Grundlegende mit der Zeit immer mehr aus den Augen verloren. Er hat es sozusagen mit dem Einzug ins Britische Museum vergessen. Er weiß noch darum in den Frühschriften. In der Deutschen Ideologie steht, abwehrend allerdings schon, geschrieben, der Mensch ist die Grundlage aller kulturellen Äußerungen.

Und das andere, die Sache mit den Freiräumen, da glaube ich nicht, daß systeminterne Freiräume zur Befreiung führen, eher zur Dekadenz. Ins römische Bad führen sie, zumindestens zunächst einmal. Es ist die Krise, die Erschöpfung, die neue Entwicklungen einleitet. Also wenn Augustus da ist, also mit Augustus ist schon Romulus Augustulus sozusagen da. Das heißt, da entwickelt sich, da wächst nichts mehr. Da breitet sich dann diese hellenistische Kultur aus. Damit kündigt sich an, was danach kommt. Das Christentum ist die Auflösung der römischen Welt.

Von nun ab passieren ganz andere Dinge, vergleichbar jenen, die Baudrillard für die Jetztzeit skizziert. Die Sklaverei existiert zwar noch, aber die Römer beginnen eine große Juristerei aufzubauen, die die Sklaven fast schon zu Proletariern macht, zu armen Mitbürgern. Du sollst die nicht totschlagen, heißt es jetzt. Ich denke mir, der Zustand, in den wir jetzt hineingeraten sind, kann, wenn man etwas Rettendes sucht, eigentlich nicht unzweckmäßiger beschrieben werden als bei Gorz. Der beschreibt diesen Zustand in solch einem nachholindividualistischen Kurzschluß.

Gramsci würde sagen, er ist der organische Ideologe von Imperialproletariern, die einen Jahreswagen beziehen. Sicher, immer trifft eine solche Beschreibung wie die von Gorz gebotene auch ein Stück Wirklichkeit ... Anthropologie nun ist die Hinwendung zur menschlichen Wirklichkeit vom Grund her und auf ihr Ganzes hin. Es ist schon so wie Marx formuliert: Der Mensch ist die Grundlage seiner Produktion. Produziert er die Apokalypse, liegt der Rückschluß nahe auf ihren "Täter", wie umgekehrt die apokalyptische Aussage auf der Fähigkeit bestimmter Leute beruht, tiefer in die menschliche Substanz hineinzusehen.

Da war eine Wahrnehmung, die über den Menschen das Ganze, den Kosmos, in den Blick nahm. Damit umzugehen, das ist uns wieder aufgegeben. Und plötzlich stellen wir fest, das wir so, wie wir damit umgehen, schon verdammt arme Würstchen sind. Der Kessel wird explodieren. Das sieht der Weise. Und sieht in sich selbst hinein und weiß, wieviel Machtgier in ihm gesteckt hat, mindestens soviel gibt er sich noch zu, nämlich soweit er's jeweils erkannt hat für früher, jetzt ist er ja ein Stück weiter und wird erst nächstes Jahr sehen, was dieses Jahr seine Schranke war ... Von dort her kann man die Apokalypse voraussagen, bloß daß es jetzt kein kontemplatives Problem mehr ist; es ist zu offensichtlich, daß wir sie real produzieren.

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Bammé: Der Ärger, den man als Sozialwissenschaftler mit der Schulphilosophie hin und wieder hat, ist diese jegliche, neue Erkenntnis tötende Standardformulierung, daß alles schon einmal gesagt worden sei. X finde man bei den Griechen schon, Y bei Fichte und Schelling. Und das stimmt ja auch. Das steht tatsächlich dort. Trotzdem, denke ich, muß es einen Unterschied geben zwischen philosophischen Allgemeinplätzen und einer konkreten Analyse unserer heutigen Situation. Für mich wäre spannend, wie diese grundsätzlich anthropologischen Einsichten, die die Weisen, die Philosophen, jetzt nicht die Schulphilosophie, haben, bezogen werden können auf eine konkrete historisch-soziale Situation also etwa in der Art, wie Marx das im "Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte" macht. Weil, sonst wär's ja einfach. Da könnte ja jeder Philosoph, der sein Grundstudium absolviert hat, sagen, ja, das steht schon bei Aristoteles, oder das haben die alten Inder schon gewußt. Das spannende Moment, das ist ja wirklich der sozialwissenschaftliche Fortschritt bei Marx gegenüber philosophischen Allgemeinplätzen, ist, daß er sich um's konkrete Hier und Jetzt kümmert.

Bahro: Und was genau ist das Konkrete? Was ist konkret in solchen Umbruchzeiten? Die Praxis, die aus Rom hinaus geführt hat damals, war nicht im Geist des "Achtzehnten Brumaire" faßbar, war nicht hauptsächlich soziologisch oder ökonomisch beschreibbar, dominiert hat etwas ganz Anderes. Sie haben da nicht erweitert reproduziert, der Reingewinn hat sie nicht interessiert, die christlichen Gemeinden in ihrem Austausch untereinander. Was sie wollten, war, Zeit frei zu haben, um sich auf das Reich Gottes vorzubereiten. Das war es, was aus Rom hinausführte. Dieses "Reich" wird bekanntlich "innen" verortet, meint also vor allem eine andere Bewußtseinsverfassung. Und ich denke, wenn man den Begriff der Praxis darin ernst nimmt, daß der Mensch die Grundlage aller seiner kulturellen Äußerungen ist, dann ist doch die Praxis in erster Linie eine Sache des Geistes oder, besser, der Psyche. Die Zen-Meister sagen, ein Meister ist wie ein Tischler, nur daß er nicht mit Holz umgeht, sondern mit Geist. Er weiß bestimmte Sachen, aber er sagt dir nicht, so und so ist das, und formuliert dir den Satz und du sollst den dann lernen, sondern er sagt, mache die und die Übungen. Ich werde darauf achten, daß du sie richtig machst in dem Sinne, wie wir es vereinbart haben. Du willst dieselben Erfahrungen machen, von denen ich dir erzählt habe. Wenn du diese Erfahrungen machen willst, dann kann ich dir sagen, du mußt die und die Übung machen. Und dann setzen sie sich hinterher im Kreis zusammen, und die Schüler erzählen die Erfahrungen, die sie gemacht haben. Und wenn die Erfahrungen von denen des Meisters abweichen, dann fragt der Meister weiter, um zu erfahren, wie der Schüler geübt hat, im einzelnen, und er weiß auch die genauen Fragen, um das herauszubekommen. Und dann sagt er ihm, also an der und der Stelle hast du die Sache nicht laufen lassen wie vereinbart, sondern du hast das und das gemacht, du wolltest zum Beispiel dieses, und jenes war dir wahrscheinlich im Wege. Versuch's noch mal.

Ich denke, auf diese Weise kann es gelingen, sich von Konzepten zu befreien, in denen der vergangene Weltzustand geronnen ist. Das geht bis in die eigene Physiologie hinein.

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Ansatzweise habe ich das selber erfahren, in verschiedenen Übungen. Leider habe ich zu wenige gemacht. Plötzlich aus einer bestimmten Verfassung heraus, findet man Sachen, die einem vorher sehr viel bedeutet haben, nicht mehr so wichtig. Man beachtet sie zwar noch, aber nimmt sie nicht mehr so wichtig. Sie verlieren sozusagen an Energie. Sie rücken an die dritte, vierte oder fünfte Stelle - zunächst vielleicht bloß in der Wahrnehmung, noch gar nicht in der eigenen Existenz. Ich bin gegenwärtig ziemlich zerrissen, weil ich in Berlin arbeite, Frau, Kind und Kommune aber hier habe. Das ist nicht leicht. Die Kleine ist erst drei.

Bammé   

Da kenne ich einige, denen es so geht. In bestimmten Berufssparten ist das schon ein Normal­zustand, vor allem wenn sowohl die Frau als auch der Mann berufstätig sind und beide Spaß an ihrer Arbeit haben.  

Bahro

Ja, aber es ist eine böse Geschichte. Das gehört zu dem zu überwindenden Weltzustand, darüber bin ich mir völlig im klaren. Es ist für den Arbeitszusammenhang in Berlin nicht gut: Ich müßte ganz dort sein. Und es ist für die kleine Hannah und für die Frau und für die Kommune hier nicht gut: Ich müßte ganz hier sein.

Bammé

Theorien, in denen die gegenwärtigen Widersprüche und Ungerechtigkeiten artikuliert werden, bewegen sich weniger auf der Ebene traditioneller Klassenkampfstrategien, sondern eher auf einer allgemeineren des Überlebens der Gattung Mensch. Die innerabendländische Klassenauseinandersetzung als zentrales Konfliktmoment hat sich stark relativiert durch den an Bedeutung zunehmenden Nord-Süd-Konflikt.  

Bahro

Das Abendland ist, wenn wir überhaupt von Klassen reden, nahezu eine einzige herrschende Klasse. Und ich füge hinzu, in Bezug auf Sozialhilfeempfänger, arme Burgfräuleins hat's immer gegeben, auch im Mittelalter, beim Feudaladel, also das wäre kein Gegenargument zu meiner Charakterisierung der Gesamtsituation, in einer Zeit, in der wir rund um die Erde touren und es selbst mit Arbeitslosenhilfe noch schaffen, auf die Inseln zu fliegen. Nicht alle, es fallen schon einige heraus. Aber insgesamt ist das, was man die Zweidrittel-Gesellschaft nennt, ist das, was in den Metropolen passiert, konstitutives Moment des Gesamtparasitismus an der Natur und an der übrigen Menschheit. So gesehen, wird der gewerkschaftliche Kampf in den Metropolen immer unverschämter, weniger, was die Kumpels betrifft, bei ihnen ist sozusagen noch unmittelbarer Lebensvollzug vorhanden, ich brauche ne' Mark mehr, und so, aber was da an Apparat vorhanden ist, der das trimmt, und die linken gewerkschaftlichen Ideologien dazu, das ist wirklich unverschämt. Wenn Mitterand als sozialistischer Kaiser aller Franzosen möglichst viel Kriegsmaterial in die Dritte Welt verkaufen will, ist das für mich der Gipfel der Verkommenheit.

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Bammé

In dieser Hinsicht hat Baudrillard sicher recht. Traditionelle Verteilungskonflikte vorkommen zur Simulation und werden zynisch. Kommen wir zum gegenwärtig alles beherrschenden Thema, zum Gegensatz von Plan und Markt. Der Markt habe weltweit gesiegt, die Planwirtschaft habe sich historisch verabschiedet, wird gesagt. Wie soll Ihrer Meinung nach eine zukünftige Ökonomie aussehen, die sozial- und umweltverträglich ist?

Bahro

Ja, vordergründig alles beherrschend, aber das ganze Gerede über den Markt ist pure Ideologie. Im Kapitalismus von heute wird effektiver geplant, als es im Osten der Fall war. Das Problem ist für mich verhältnismäßig einfach zu formulieren. Von den Grenzen her, von der Notwendigkeit, Grenzen zu setzen, und von meiner mittelfristigen Perspektive her wäre es wünschenswert, ein rettendes Regiment einzusetzen. Insofern muß Planung her, und zwar eine Planung nicht der Proportionalitäten, also wieviel Toilettenpapier und wieviel Klosettbrillen müssen produziert werden, sondern eine Planung, die die Investitionen in Wissenschaft, Technik und Produktion reglementiert in Richtung auf Abbau der schweren Material- und Energieverbräuche.

Wir müssen uns bis auf die Naturverträglichkeit zurückrationieren. Naturale Kennziffern müssen her. Wenn das wirklich machbar wäre über finanzielle Kennziffern, also die naturalen Verbrauche über Steuern in den Griff zu kriegen, hätte ich überhaupt nichts dagegen einzuwenden. Ein ökonomischer Mechanismus ist unabdingbar, realistischerweise, aber er darf nicht das Kriterium sein, nach dem die Richtung des gesellschaftlichen Prozesses festgelegt wird. Deshalb müßte, wenn man den Ressourcenverbrauch über finanzielle Kennziffern steuern will, nicht von irgendwelchen subjektivistischen Höchstwerten ausgegangen werden, sondern der Verbrauch wäre von Grund auf zu besteuern, das heißt, zu verteuern.

Allerdings, denke ich, immanent-ökonomische Maßnahmen reichen nicht aus. Das ökonomische System wird sich ohne Schwierigkeiten an solche neuen Existenzbedingungen adaptieren und alle Maßnahmen rekupierieren, für sich erobern, sei es über Konkurrenz, Inflation etc. Da die Bodenpreise für alle steigen, nimmt die Betonfläche zu, egal wie teuer das wird. Mit anderen Worten: Ohne existentielle Eingriffe wird sich Grundlegendes nicht ändern. Die ökonomischen Mechanismen mögen dann anders funktionieren, wenn erst einmal existentielle Zwänge die weitere gesellschaftliche Entwicklung bestimmen, wenn es also nicht mehr des Staatsanwalts bedarf, um im Betrieb die Erzeugung bestimmter Produkte unmöglich zu machen, weil das Grummeln im Bauch der Belegschaft und weil die Zahl der Verräter zu groß ist, die es im eigenen Hause gibt, Verräter im Dienste des Naturgleichgewichts, im Dienste der Wirklichkeit.

Bammé

Allen ist klar, so geht es nicht weiter, es muß etwas geschehen.16) Zwei Möglichkeiten werden genannt: Entweder die Katastrophe muß erst einmal eintreten, damit die Menschen willens sind, auch tatsächlich etwas zu verändern. Oder es muß ein Subjekt der Geschichte her, das den Primat der Politik gegenüber der Ökonomie durchsetzt, das politische Rahmenbedingungen gegenüber der Ökonomie verbindlich vorgibt. Die Frage ist immer nur: Wer macht das?

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Bahro

Daß die Katastrophe passiert, dafür brauchen wir uns nichts einfallen zu lassen. Die kommt automatisch. Insofern ist die erste Möglichkeit kein echtes Thema. Das wirkliche Thema lautet: Subjekt der Geschichte. Und da bin ich nun ziemlich sicher, daß sich das nicht klassenmäßig formiert. Vielmehr wird es darum gehen müssen, die Sonderinteressen kurz zu halten. Ich bin mir ziemlich sicher, daß in diesem Diskussions­zusammenhang das Totalitarismus­argument der große subjektivistische, individualistische, egoistische Abwehrmechanismus der reichen Intelligentsja sein wird.

Und ich bin mir noch sicherer, daß der reale Totalitarismus gerade dann am meisten droht, wenn wir den Katastrophenkurs einfach beibehalten. Dafür, daß das Notstandsregiment eintritt, dafür brauchen wir nichts zu tun. Das kommt von ganz allein. Deswegen müssen wir historische Subjektivität riskieren. Nur so läßt sich wenigstens denken, daß wir etwas verhüten können. Meine Formel lautet, zum Entsetzen und Schrecken der Lehrstuhlinhaber, der Journalisten usw., es muß eine politische Sphäre her, die stärker ist als die der Ökonomie. In der Subjektivität der Gesellschaft muß der Kapitalismus an die zweite Stelle rücken.

Diese Art von Freiheit, die — zumindestens empirisch — mit dem Exterminismus verheiratet ist, der Freiheits­begriff der französischen Revolution, das ist historisch am Ende. Das steht so nicht bei Kant, und nicht bei Voltaire, und nicht bei Diderot, aber empirisch ist das so: der Freiheitsbegriff der französischen Revolution ist mit Extermination verheiratet. Der Freiheitsbegriff hingegen, der in Evangelien steht, ist ein völlig anderer.

Johannes, der sich dem Jesus anschließt, steigt ein Stück weit auf, geistig, Aufstieg zur Freiheit, Hegelsch gedacht. Ich sage das jetzt nicht zugunsten des Guru-Prinzips. Das meine ich damit nicht. Die Hegeische Wahrnehmung oder Feststellung, daß Freiheit eigentlich das Müssen des Wahren ist — womit nicht festgelegt ist, wir wissen das Wahre, sondern nur die Richtung; Gebser sagt deshalb auch Wahrnehmung, Wahrgebung, Wahrung, also Begriffe, die ganz der Heideggerschen Diktion analog sind — dem muß der Geist sich wieder verpflichten. 

Das ist etwas ganz anderes, als einen Absolutismus daraus zu machen. Aus den paar hundert Jahren europäischer Geschichte können wir sehen, daß daraus keineswegs unter allen Umständen Diktatur folgt, daß Diktatur, also das Hinweggehen über den Bewußtseinsstand anderer Menschen, kontraproduktiv ist, mindestens kontraproduktiv, wenn nichts Schlimmeres, erst recht für die ökologische Frage, daß das nur die innersozialen Kämpfe anheizt und sogar den Klassenkampf zurückholen kann. Was wirklich verlangt wird ... das ist jetzt schwierig zu formulieren, ich bin mir darüber noch nicht voll im klaren ... es gibt eine Stufenfolge von Bewußtseinsverfassungen und -zuständen, und es ist einfach nicht wahr, daß Demokratie der höchste Begriff politischer Kultur ist. Wenn die Stimmen der Weisen und die Stimmen der Gierhälse, wenn die einfach gleich wiegen, so ist das kulturlos. Das ist eher aus dem Standpunkt der Entfremdung heraus gedacht, eine Vorstellung, die kehrseitig aus dem Despotismus folgt.

Worum es eigentlich ginge, wäre, auf der modernen Stufe unserer Zivilisation zurückzufinden in eine solche Situation, von der Engels gesagt hat, daß jeder moderne Produktionskommandeur den Sippenältesten archaischer Zeiten um seine Autorität nur beneiden könnte, wobei Autorität noch der Einfluß und das Ansehen des Ratgebers ist, Resultat aus dem Kontakt des Ratgebenden mit dem Wahrseienden, mit den Gleichgewichten der Wirklichkeit, ein Gefühl der Richtigkeit. Sobald der Sippenälteste gesprochen hatte, wußten die anderen, ja, das stimmt, im großen und ganzen. Gewiß, da war ein sozialer Mechanismus der Verfestigung mit im Spiel.

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Ich bin nicht gegen die Gewaltenteilung. Instanzen müssen sich korrigieren können. Auch wenn überall Weisheit Platz hat, kann es nur besser sein, sie kontrollieren sich gegenseitig. Weisheit ist nie perfekt und jeder hat sein Stück Egoismus und Machtgier, auch der Weise. Das soll sich auswiegen. 

Aber wir müssen aus diesem minoritären Anteil aufgestiegenen Bewußtseins heraus die Institutionen neu formen.

Es geht nicht darum, den Marktmechanismus jählings abzuschaffen; es geht darum, eine geistige Macht­konzentration herbeizuführen, die so konsensstark ist, daß sie über die Sonderinteressen hinaus geht, daß sie die allgemeinen, die fundamentalen, die langfristigen Notwendigkeiten als unentrinnbar ins Blickfeld nimmt, eine Macht, die den Schwerpunkt verschiebt von der großen Koalition derer, die mehr vom Kuchen haben wollen, hin zu der anderen großen Koalition, die die Welt bewahren will. Dahin umschalten, das halte ich gar nicht für so aussichtslos

In den Umfragen vor der "Wende" war die Erhaltung der Umwelt schon an den ersten Platz der Bedürfnisse gerückt. Wenn's doch begriffen wäre, was das heißt! Wenn nicht im konkreten Fall dann doch ganz andere Ängste und Interessen maßgebend würden! Das lädt sich ja auf. Ich weiß nicht, ob wir noch zurecht kommen. Denn die Konstituierung eines solchen Subjekts, der Prozeß dahin, liegt im Wettlauf mit der Katastrophe.

Bammé:   

Auf jeden Fall ist das eine Diskussion, die viel grundsätzlicher geführt werden muß. Auch das, was uns so selbstverständlich ist, die Gewaltenteilung zum Beispiel, muß völlig neu diskutiert werden.

In diesem Zusammenhang fand ich sehr hilfreich, was Sie in der Logik der Rettung noch einmal abgedruckt haben, die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Ökodiktatur und in der "Rückkehr" auch die Position Galtungs, seine Geschichtsinterpretation Mitteleuropas, und die neuere Diskussion über Nationalsozialismus und Modernisierung, daß das gar nicht zusammengehen muß, Demokratie und Modernisierung, daß das durchaus unterschiedlich gesehen werden kann, daß wir uns da überhaupt erst einmal öffnen müssen für das, was gesellschaftlich der Fall war und, mit Galtung, noch (wieder) möglich ist, weil wir vieles, gerade als Deutsche, als Deutschsprachige, verdrängt, überhaupt nicht aufgearbeitet haben.

Verständlich ist das schon, diese bloß moralischen Abwehrhaltungen, aber es schützt in Krisensituationen nicht vor Wiederholungen oder noch Schlimmerem. Wenn Sie formulieren, Sie wüßten nicht mit Bestimmtheit, wie Sie sich 1933 verhalten hätten, so denke ich, müßte sich das heute eigentlich jeder fragen, wenn er ehrlich wäre. Wenn ich mir Lebensläufe von Leuten anschaue, die damals nationalsozialistisch gewählt haben, Menschen, die vorher völlig integer waren, die von ihrer Herkunft und ihrem Selbstverständnis eher KP hätten wählen müssen, die noch gar nicht so klar entscheiden konnten, worauf das Ganze dann tatsächlich hinauslief ...

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Bahro

Es ist heute nicht einmal mehr sicher, ob es richtiger gewesen wäre, KP zu wählen statt der Nazis. Ich meine damit nicht, daß es richtig war, die Nazis zu wählen. Was ich meine, ist etwas ganz anderes. Ich mache einfach mehr und mehr die Nacherfahrung, daß die Nazi-Bewegung oder die Bewegung auf das Jahr 1933 hin dichter am Stoff war. Das andere Projekt war schon gegessen, das Projekt mit der Unterklasse der Metropolis. Das führt ohnehin bloß zum Cäsarismus. In Rom war es auch so. Die Populären haben Cäsar an die Macht gebracht, und Brutus, Cassius, also die Republikaner, waren die Aristokraten. Wilhelm Reich hat in seiner Massenpsychologie des Faschismus eindrucksvoll erklärt, was da so fürchterlich losging, was die Antriebe waren.

Ich habe mir vergegenwärtigt, was 1913 auf dem Hohen Meissner war. Das war eine Mischung von grün und braun, von Lebensreform und nationalistisch. Natürlich hat die imperialistische Epoche dafür gesorgt daß das Ressentiment, die Totschlägerei, das Braune — daß das in Vorhand kam. Aber wenn man sich einigermaßen sensibilisiert anschaut, worauf das heute hinausläuft, mit der Genmanipulation zum Beispiel, so haben die Nazis Konsequenzen historisch nur vorgezogen.

Ich habe neulich eine Biographie gelesen, über Heydrich, Reinhard Heydrich, der Mozart spielte, als Könner, und Technokrat war, der die Tschechen keineswegs massakrieren wollte. Im Gegenteil, er wollte mit der Sache so umgehen, daß die Tschechen möglichst viel für die Kriegsmaschinerie des Dritten Reichs produzierten, ein faschistischer Technokrat, der die Welt reglementieren wollte mit der Wahrheit, die aus der Maschine kommt. Zu dieser Charakter­struktur kann Musik ganz vorzüglich passen.

Und heute sind sich dieselben Sachen wieder verdammt nahe. Was Sie erzählen über Gotthard Günther, hat damit zu tun. Ich sage das jetzt nicht, um mit Heydrich den Günther totzuschlagen, überhaupt nicht, sondern nur um anzudeuten, daß unter den beiden etwas ist, mit dem man so und so umgehen kann. Wir haben hoffentlich etwas gelernt aus der Geschichte, was den Umgang mit diesem Stoff betrifft. Das ist eigentlich mein Motiv.

Bammé

Sie führen hier in der Eifel Seminare in Form einer Lernwerkstatt durch. Ihre Berliner Seminare sind interdisziplinär besetzt und gut besucht. Gibt es Verständigungs­schwierigkeiten, Sprachprobleme?

Bahro

Nein. Aber wahrscheinlich haben wir jetzt ein Verständigungsproblem. Wahrscheinlich halten Sie mich für ahnungslos, auf welchem Glatteis ich mich bewege, wenn ich sage, bei uns ist Kommunikation so angelegt, daß Übersetzungsprobleme, treten sie auf, fast von selber verschwinden. Sie können solche Seminare, die von ganz anderen Interessen und Zielsetzungen getragen werden, nicht mit Veranstaltungen im Wissenschaftsbetrieb und den dort artikulierten Interessen und Zielsetzungen vergleichen. Inkompatible Diskurse weisen in Wirklichkeit auf die Wesenlosigkeit ihres Stoffes hin, auf ihre Anlage innerhalb dessen, was Heidegger Seinsvergessenheit nennt. Spezialisten haben da Probleme, Menschen, insofern sie bei sich sind, können sich verstehen wie Leute, die im Stamm um das gleiche Feuer sitzen.

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Bammé

Das mag stimmen für ein Seminar, das Sie hier über eine oder zwei Wochen veranstalten. Aber wie sähe es zum Beispiel aus, wenn Sie ein Projekt bekämen in Sachsen, irgend einen Bereich zu rekonstruieren, landwirtschaftlich, und Sie brauchten dazu Limnologen17), Agrarwissenschaftler, meinetwegen auch Soziologen, da hätten Sie doch gleich ganz handfeste Probleme, denn Sie müssen am Schluß ein Projektergebnis vorweisen. Nachher müßte ein saniertes Gebiet vorhanden sein, das Modellcharakter hat, wo der Biedenkopf sagen kann, das ist ein Modell für die Zukunft, das wollen wir jetzt vervielfältigen. In einem solchen Fall bekämen Sie doch sofort handfeste Probleme, Sprachprobleme. Ein solches Projekt hätte doch einen ganz anderen Charakter als ein Reflexionsseminar über eine Woche hier in der Eifel. Wie würden Sie so etwas angehen?

Bahro

Könnte es sein, daß Sprachprobleme gerade nicht "handfest" sind? Ein Projekt, bei dem sich die Dinge so darstellen, würde ich nicht machen. Wären die Spezialisten aus der Ex-DDR und hätten wir uns aufeinander bezogen, fiele gewissermaßen nebenbei hinlänglich "gemeinsamer Zeichenvorrat" mit ab. Aber mein Projekt geht davon aus, daß die Menschen, die Limnologen und was weiß ich wer alles, auch erst einmal menschlich in Kontakt miteinander kommen, von innen heraus. Die Klöster, die Benediktinerklöster, sind ja deshalb etwas geworden, weil sie fünfmal am Tag im Gebet versammelt waren, auch wenn ihre Kirche noch gar nicht stand.

Mir geht es ja nicht um ökologischen Landbau für sich genommen. Es geht überhaupt nicht um Projekte in diesem Sinne, sondern eben um den Neuanfang von menschlicher Gesellschaft, also um die fundamentale Motivation dafür. Ich würde Motivationsforschung betreiben, das heißt, Interviews durchführen (a) mit den Leuten, die das andere Leben wollen und damit anfangen; (b) mit Leuten, wo man eigentlich nicht weiß, warum machen die das nicht auch, die wären eigentlich prädestiniert dazu und machen das nicht, was steht dem entgegen? (c) mit Leuten, in den Dörfern und in der Gegend, die es schwierig finden, sich auf ein postkapitalistisches Milieu einzustellen, und (d) mit Leuten in den Ämtern, mit denen man in diesem Zusammenhang zu tun hat, deren motivationale Einstellung zu der ganzen Sache.

All das, um herauszubekommen: Was zieht Euch dahin und was hält Euch davon ab? Was behindert Eure Initiative? Das will ich machen. Und dann will ich dieses Thema "Subsistenz" bis in die ökonomische Konsequenz hinein verfolgen, hierbei ein bißchen Vermittlungsarbeit leisten, ideologische Dienstleistung. Damit verknüpft sind eigene Beobachtungen in den Projekten, mit der Orientierung, wenn es zu Konflikten kommt, auf der psychologischen Ebene helfen zu können. Angenommen, man hört, wir kommen mit unseren Ideen bei der Verwaltung nicht durch — in Wirklichkeit mag die Frage sein: läßt sich der und der Mann, die und die Frau im institutionellen Bereich gewinnen? Denn wenn es eine gemeinsame persönliche Neigung gibt, relativieren sich Sprachprobleme weitgehend, lassen sich institutionelle Widerstände umgehen; wenn nicht, so wäre zu klären, wo die bessere Einflugschneise ist.

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Wenn es Konflikte gibt? Also wir sitzen hier früh immer in diesem Raum, um acht Uhr, eine Viertelstunde lang erst einmal schweigend, dann ist eine nächste Viertelstunde Befindlichkeitsrunde, so, wie geht's uns heute, damit man weiß, wo wer steht, da wird nichts diskutiert oder so, das hat keine große Erkenntnisbedeutung, außer so gegenseitige Wahrnehmung, dann werden zwei, drei Sachen besprochen, Organisatorisches, wer fährt heute wann mit dem Auto weg, wer muß mitfahren, was müssen wir besorgen, wann steht ein Termin an, wo wir hinfahren müssen, und dann ist Frühstück. Das ist ungefähr von acht bis Viertel nach neun, also das ist so unser Start hier. Wenn's nun Konflikte gibt, dann sitzen vier zusammen, noch zwei mit denen, die den Konflikt haben, und organisieren sich eine Art Austausch, gar nicht professionell; es ist kein Psychologe dabei.

In dieser Richtung würde ich weiter arbeiten. Alles andere ist schlicht eine Frage der Allgemeinbildung. Ich glaube, der größte Teil unserer Verständigungsschwierigkeiten hängt mit falschem Leben zusammen, nicht mit der Schwierigkeit der Worte. Fachsprachen sind Abgrenzungsmechanismen. Wenn sich das von dort her, wie ich's skizziert habe, löst, dann ist auf einmal auch der Spezialist in der Lage, sich verständlich zu machen.

Bammé:   

Fachsprachen haben sicher auch mit Angstabwehr zu tun. Die eigene Disziplin verleiht Sicherheit. Zweifellos. Die Universität als Institution erzeugt solche Verhaltensmuster. Insofern handelt es sich hierbei nicht um triviale Sprachprobleme, sondern um Resultate langjähriger Sozialisationsprozesse, die persönlichkeits­prägend sind.  

Bahro:   

Ja, aber ich würde den Aspekt der Verknüpfung daran hervorheben. Ich bin sicher, und ich habe auch die Erfahrung gemacht, daß all diese Schwierigkeiten sich auf fast nichts reduzieren, sobald man von innen kommt, vom "inneren Oben" her sozusagen. Meditation wäre angesagt, wobei es im einzelnen gar nicht darauf ankommt, nach welchen Praktiken man verfährt. Meditation ist nur ein Mittel, kein Selbstzweck, auch kein Glaube. Es ist eine Technik der Entidentifizierung von dem, was in dem ganzen Begriffsnetz die Spinne ist, das Ich nämlich, also das Selbstinteresse. Wie verhält sich der Spezialist? "Ich gebe nicht zu, daß ich mit Wasser koche, und die anderen haben Gottseidank keine Ahnung von meinem Metier." Wenn das wegfällt, dann handelt es sich nur noch um verschiedene Beschreibungen der einen Wirklichkeit, und wie relativ jede Beschreibung ist, weiß man dann.

 

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Literatur, auf die im Gespräch Bezug genommen wird

 

Abd al-Qadir as-Sufi; Der Pfad der Liebe, Bern und München, 1982

Bahro, Rudolf; Logik der Rettung, Stuttgart und Wien, 1989 
Bahro, Rudolf; Rückkehr, Berlin und Frankfurt am Main, 1991 
Bahro, Rudolf u.a.; Apokalypse oder Geist einer neuen Zeit, Berlin, 1995  

Biedenkopf, Kurt H.; Die neue Sicht der Dinge, München und Zürich, 1985  
Binswanger, Hans Christoph; Geld und Magie, Stuttgart, 1985

Chargaff Erwin; Vorläufiges Ende, Stuttgart, 1990

Deppert, Wolfgang; Zeit, Stuttgart, 1989

Galtung, Johan; Hiderismus, Stalinismus, Reaganismus, Baden-Baden, 1987  
Galtung, Johan; Occidental Cosmology, Development and Developmentalism (hektog-raphiertes Manuskript)  
Gebser, Jean; Ursprung und Gegenwart, München, 1988  
Georgescu-Roegen, Nicholas; Energy and the Economic Myth, New York-Toronto-London, 1976  
Giegerich, Wolfgang; Psychoanalyse der Atombombe, zwei Bände, Zürich, 1988 und 1989  
Göttner-Abendroth, Heide; Das Matriarchat I, Stuttgart, Berlin, Köln, 1988 und 1989  
Gorz, Andre'; Kritik der ökonomischen Vernunft, Berlin, 1989  
Govinda, Anagarika: Buddhistische Reflexionen, Bern und München, 1986  
Grof, Stanislaw; Geburt, Tod und Transzendenz, München, 1985
Günther, Gotthard: Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen Logik, Hamburg, 1978 

Heer, Friedrich; Das Wagnis der schöpferischen Vernunft, Stuttgart, 1977
Heidegger, Martin; Vorträge und Aufsätze, Pfullingen, 1954  
Hempel, Hans-Peter; Heidegger und Zen, Frankfurt am Main, 1987  
Hübner, Kurt; Die Wahrheit des Mythos, München, 1985

Illich, Ivan; Selbstbegrenzung, Reinbek, 1978

Jaynes, Julian; Der Ursprung des Bewußtseins durch den Zusammenbruch der bikameralen Psyche, Reinbek, 1988

Laotse; Tao Te King, Düsseldorf und Köln, 1979 
Laudse (Laotse); Daudedsching, Leipzig, 1970  
Lenin, W.J.; Werke, Band 38, Berlin, 1964  
Luxemburg, Rosa; Gesammelte Werke, Band 4, Berlin, 1974

Marx, Karl; Engels, Friedrich; Werke, Band 4, Berlin, 1959  
Mies, Maria; Patriarchat und Kapital, Fulda, 1990  
Müller, Rudolf Wolfgang; Geist und Geld, Frankfurt am Main und New York, 1977

Neumann, Erich; Ursprungsgeschichte des Bewußtseins, Frankfurt am Main, 1984 

Padrutt, Hanspeter; Der epochale Winter, Zürich, 1990

Rajneesh, Bhagwan Shree: Intelligenz des Herzens, Berlin, 1979 
Richter, Horst Eberhard; Der Gotteskomplex, Reinbek, 1979

Schubart, Walter; Eros und Religion, München, 1978
Sohn-Rethel, Alfred; Geistige und körperliche Arbeit, Frankfurt am Main, 1970

Thompson, Edward P; "Exterminismus" als letztes Stadium der Zivilisation, in: Befreiung 19/20, Berlin, 1980
Thompson, William Irving; Der Fall in die Zeit, Stuttgart, 1985  
Thomson, George; Die ersten Philosophen (Band 2), Berlin, 1961  
Toynbee, Arnold J.; Der Gang der Weltgeschichte, zwei Bände, München, 1979

Vivekananda; Jnana-Yoga. Der Pfad der Erkenntnis, erster Band, Freiburg, 1977

Werlhof, Claudia von; Was haben die Hühner mit dem Dollar zu tun? München, 1991  
Werlhof, Claudia von; Mies, Maria; Bennholdt-Thomsen, Veronika; Frauen, die letzte Kolonie, Reinbek, 1983  
Wilber, Ken; Halbzeit der Evolution, Bern-München-Wien, 1984  
Wittfogel, Karl; Die orientalische Despotie, Frankfurt am Main, 1977

   

Anmerkungen 

1)  "Ihr neuestes Buch" heißt es im Originalinterview   
2)  eindringlich  
3)  Selbstüberhebung, Übermut  
4)  etwas [gedanklich] vorweggenommen  
5)  Der Begriff stammt aus dem Portugiesischen und bezeichnete ursprünglich den chinesischen Vertrauensmann ausländischer, in China ansässiger Handelshäuser im Verkehr mit einheimischen Kaufleuten. 
6)  an dritter Stelle stehende 
7)  in wertgeminderter Form  
8)  am gedrängtesten, am kürzesten  
9)  die Interviewbände  
10)  Gemeint ist die Projektplattform "Über kommunitäre Subsistenzwirtschaft und ihre Startbedingungen in den neuen Bundesländern" vom Herbst 1991. Die Thesen sind abgedruckt in dem Band "Apokalypse oder Geist einer neuen Zeit" von Rudolf Bahro u.a., S. 173-187  
11)  unter der Haut befindlich
12)  Verwandtschaft  
13)  Geschlechterverband, Sippe, Stamm gemeinsamer Herkunft, vater- oder mutterrechtlich organisiert mit exogamen Heiratsvorschriften  
14)  alteingesessen, bodenständig  
15)  Begleiterscheinung
16)  Im Originalinterview steht vor diesem Satz: "Aus den Gesprächen, die ich bisher geführt habe, wird deutlich:". Die Aussage macht nur Sinn im Kontext der anderen Interviews.
17)  Wissenschaftler, die sich mit den Binnengewässern und ihren Organismen befassen 

 

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