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7. Grundriß  für ein ökologisches Steuersystem

Ferst-2002

 

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Der ökologische Umbau des Steuersystems markiert einen zentralen Meilenstein für die ökologische Zeitenwende. Produkte, für die viel Energie aufgewendet werden muß bzw. für die viel Rohstoff verbraucht wird, kosten dann künftig mehr. Im Gegenzug werden immer weniger herkömmliche Steuern vom Staat eingezogen. Diese Umgestaltung erfolgt in langfristig vorhersehbaren Schritten. Dies ermöglicht jedem, sich darauf einzustellen.

Bei einer ökologischen Steuerreform kann es nicht nur darum gehen, in der bisherigen Staatsfinanzierung einen kleinen Ökosteuersektor zu eröffnen, sondern ungefähr 80 Prozent aller Einnahmen des Staates sollten aus ökologisch positionierten Steuern resultieren. Der Rest ist vorwiegend als soziales Regulativ anzusetzen. Eigentum und Geldbesitz, so sich dies in einer Hand übermäßig konzentriert, müssen weit mehr besteuert werden als bisher, mit dem lang­fristigen Ziel, die gegenwärtig bestehende extreme soziale Stufung der Gesellschaft allmählich aufzuheben. 

Ohne diesen Schritt, ohne den konsequenten Versuch zu mehr sozialer Balance, verschärfen ökologische Steuern die Gegensätze zwischen armen, bemittelteren und superreichen Schichten der Bevölkerung; und bauen darüber gesellschaftlichen Sprengstoff auf. Faktor Zehn ist nur mit einer soliden sozialen Rahmenplanung möglich, was aber nicht heißt, daß der heutige Sozialstaat weiter auf dem Rücken künftiger Generationen lasten darf - weder als finanzieller Schuldenberg noch als ökologische Zerstörung.

Die Haupteinnahmequellen des Staates konzentrieren sich derzeit auf die Besteuerung der Arbeit. Das geschieht direkt durch die Lohnsteuern, indirekt z.B. durch die Mehrwertsteuer. Beide Posten zusammen stellen einen erheblichen Teil der Staatseinnahmen. Sie sind Lenkungssteuern und verteuern als solche den Faktor Arbeit. So lohnt es sich finanziell nicht, eine Vielzahl technischer Geräte bei einem Schaden noch reparieren zu lassen. Das neu gekaufte Gerät ist billiger. Wird aber der Naturverbrauch deutlich teurer, rentiert sich manche Arbeit wieder, die vorher als gänzlich unökonomisch erschien. Parallel dazu sind viel längere Produktgarantien als heute erforderlich. In der Regel ist es für die Ökologie günstiger, nicht immer mehr Arbeitskräfte durch technische Infra­struktur zu ersetzen. Die Belastung von Rohstoffen und Energie ist die antreibende Motorik für eine ökosoziale Effizienzrevolution.

Wie das Beispiel Dänemark zeigt, kann eine ökologische Steuerreform auch innerhalb der jetzigen gesellschaftlichen Grenzen viel bewirken. Der Anteil der grünen Steuern betrug 1998 bereits 15 Prozent des gesamten Staatsaufkommens. Zwischen 1993 und 1997 sank die Arbeitslosigkeit in Dänemark von 12 auf 8 Prozent, und die sozialökologische Effizienz gewinnt erste Konturen.58

Offenbar gehen Ökosteuern und konventionelle Wirtschaftsdaten besser zusammen, als manch pessimistische Stimmungsmache (behauptet --d-2014); wird in seiner jetzigen Fassung keineswegs ausreichend sein, um uns vor der ökologischen Krise zu retten. 

Insofern ist es erforderlich, beständig über diesen Horizont hinaus­zudenken und auch Überlegungen kenntlich zu halten, die andeuten, wie wir über die unmittelbar möglichen Schritte hinausgehen können, auch wenn sie noch weit entfernt von realisierbarem Handeln liegen. 


Innerhalb eines Anpassungszeitraumes von 10 bis 15 Jahren sollten zunächst die Lohnsteuern zugunsten von Ökosteuern in Schrittfolgen abgelöst werden, mit einigen wenigen Ausnahmen. Weitere Steuerposten müßten folgen. Die Ökosteuern wären vorrangig als Rohstoffsteuern einzuführen, etwa für Kohle, Erdöl, Erdgas, Erze usw. Eine ergänzende Energiesteuer käme hinzu, die in ihrer Konstitution jedoch erneuerbare Energien substantiell fördert und Kernkraft z.B. per Gefährdungsaufschlag abblockt, sofern sie noch nicht aus dem Rennen ist.

Außer den Rohstoff- und Energiesteuern müßten Spezialsteuern, z.B. für Fleisch und zumindest im gewerblichen Bereich für Stickstoffdünger, für Boden­versiegelung und Abfälle, erhoben werden. Sie sollen den Verbrauch bzw. bei letzterem das Aufkommen substantiell reduzieren. Die Fleischsteuer wäre so zu erheben, daß unwürdige Massentierhaltung gegenüber artgerechter Haltung deutlich benachteiligt wird und alsbald aufgegeben werden muß. Wer sich überwiegend vegetarisch ernährt, wird künftig nicht nur gesünder leben, sondern auch weniger Geld für die Nahrungsmittel ausgeben müssen. Ohnehin steht natürlich generell die Frage, wie ethisch unser Betrieb von Schlachthäusern ist, mal ganz abgesehen vom speziellen Sadismus, den wir den Tieren antun und der sofort unterlassen werden könnte.

Zur Zeit gibt es in Deutschland ca. 50 verschiedene Steueraufkommen für den Staat. Bei den meisten handelt es sich um Bagatellgrößen. Sie sind auf ihre Lenkungsrolle zu überprüfen. Überflüssige Ministeuern sollten generell entfallen, viel unnötiger bürokratischer Wust verschwände so. Etwa eine Tabaksteuer ist aber zweifellos nach wie vor angebracht. Übrig bleiben sollte auch ein Stumpf der Mehrwertsteuer, und zwar als Luxussteuer. Sie würde auf Prodiil te erhoben, die für den üblichen Lebensalltag nicht erforderlich sind und zudem besondere Umweltlasten nach sich ziehen.

Um eine Einkommensumschichtung zuungunsten der weniger Verdienenden zu vermeiden, könnte eine regulierende Lohnsteuer beibehalten werden. Diese setzt erst bei ca. 3.000 DM Nettoeinkommen ein und steigt dann exponentiell an. Ein solches Herangehen als ökologische Sozialpolitik auszubauen, um die generelle Schieflage zwischen Oben und Unten in der Bundesrepublik zu mildern, wäre ein überaus vernünftiges Herangehen für eine ökosoziale Politik. Späterhin könnte diese Konstellation ausgebaut werden als ein Standbein sozialer Fairneß, die das Extremgefälle im Einkommen der Menschen systematisch abbauen hilft.

Der weitgehende Wegfall der Lohnsteuern bedeutet auch, daß der Lohnsteuerjahresausgleich, der ohnehin mit einer unnötigen Belästigung der Menschen verbunden ist, entfiele. Viele nutzen ihn nicht, so daß der Fiskus dadurch im Schnitt noch mal etliche hundert Mark pro Kopf im Jahr einstreichen kann. Eine solche Praxis, die darauf spekuliert, daß der einzelne seine Ansprüche aus verschiedenen Gründen nicht geltend macht, ist nicht sehr überzeugend. Zudem kommen ohne eine Hilfestellung durch Vereine die meisten damit gar nicht zurecht. 

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Die Wirkungen des Ausgleichs sind außerdem sehr widersprüchlich. Am Ende bedeutet das aber, dieses Finanzpotential muß in die neuen Ökosteuern ebenfalls einfließen und darf keine stille Reserve des Finanzministeriums werden, sondern muß denen zugute kommen, die sich umweltgerecht verhalten.

Viele Menschen müßten durch die Ökosteuern aber Einbußen hinnehmen, da ihre Geldmittel nicht durch wegfallende Steuerbeträge kompensiert werden. Ein Sozialausgleich muß beim BaföG, dem Arbeitslosengeld, der Arbeitslosenhilfe, der Rente und Sozialhilfe sowie beim Kindergeld automatisch eingerechnet werden. Er muß so gestaltet sein, daß kein schleichender Sozialabbau entsteht, da diese Gruppen ohnehin eher benachteiligt sind. Zu berücksichtigen ist auch, die Belastungen der ökologischen Verteuerung treffen Wenigverdienende und das untere Mittelfeld besonders stark im Verhältnis zum Einkommen.

Es kann bei den Reformvorschlägen, wie bereits vermerkt, nicht nur um eine reine Ökosteuerdebatte gehen, letztlich muß der Finanzierungsmodus des Staates in der gesamten Anlage verändert werden. Daraus resultierend wird auch der Verteilungsschlüssel der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu zu bestimmen sein. Die ganze Struktur des Steuersystems muß weitgehend vereinfacht werden, jedenfalls überall, wo dies möglich ist. Besonders wichtig ist auch, wie die Steueraufkommen der Unternehmen neu geregelt werden können. Die enormen Senkungen der letzten Jahre, die die astronomische Staatsverschuldung beschleunigten, können keinen ökologischen Standort Deutschland fördern. Zu prüfen wäre, wie die unternehmens­bezogenen Steuern in ökologische Leitplanken umgewandelt werden könnten. Die Besteuerung von Gewinn, Eigentum und spekulativen Finanzströmen dürfte aber trotzdem ein besonderes Gewicht erlangen.

Sicher kann man auch die Beiträge zur Sozialversicherung in eine ökologische Besteuerung umwandeln, aus der dann die Kranken-, Renten-, Arbeitslosenkasse u.a. gespeist werden. Die rot-grüne Regierung nach Kohl wählte einen Weg in diese Richtung. Für den Anteil, den die Werktätigen an den Sozialbeiträgen zu zahlen haben, ist dies weitgehend unproblematisch. Natürlich verschwinden damit nicht die Schwierigkeiten künftiger Rentenentwicklung.

Beim Anteil, den die Unternehmen für die Sozialversicherung zu leisten haben, muß jedoch gefragt werden, ob beim allgemeinen Überwälzen etwa der Rohstoff- und Energiesteuern von den Unternehmen auf die Verbraucherpreise nicht auch Lasten der aus dem Arbeitgeberanteil stammenden Kosten einfach auf den Rücken der Allgemeinheit abgeladen werden. Dieselbe Entwicklung könnte sich bei der Abschaffung der Mehrwertsteuern einstellen. Das würde sicher jeden Unternehmer begeistern, wenn man auf diese Weise Kostenballast abwerfen könnte. Einstweilen hat das sehr schnell dort seine Grenzen, wo die Konkurrenz der verschiedenen Betriebe der Preisspirale nach oben Einhalt gebietet. Dennoch muß man die Entwicklung in diesem Bereich sehr aufmerksam beobachten und gegebenenfalls gegensteuern. 

Überdies sehen wir an der praktischen Einführung von Ökosteuern eine Vielzahl von Ausnahmen greifen, bei denen die Industrie von den Lasten der Ökosteuern befreit wird. So allerdings verwandelt sich das Ganze in eine versteckte Subventionsaktion. Nicht daß man Übergangs fristen völlig ausschließen muß, nur kann es nicht sein, daß ohne Not fast überall Ausnahmeregelungen geschaffen werden, wie zu Beginn der Schröder-Regierung.

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Ganz sang- und klanglos sollte sich die Unternehmerschaft jedoch nicht aus der Finanzierung der Sozialversicherung verabschieden. Bei steigenden Sozial­versicherungsausgaben müßte die Unternehmensseite nach wie vor berücksichtigt werden. Da die meisten Ökosteuern unmittelbar bei der Industrie ansetzen sollten, ist diese Maßgabe nicht allzu kompliziert. Das neue ökologische Steuersystem verlangt ohnehin, daß man sich von alten sozialen Kampflinien verabschiedet. 

Das Problem der paritätisch zu zahlenden Sozialversicherung wird sich dann verlagern in den Bereich - wo setzen die ökologischen Steuern an? Das ist unvermeidlich, und die Gewerkschaften müssen sich auf diese neue Situation einstellen. Günstiger wäre es aber gewesen, den ökologischen Finanzumbau im steuerlichen Bereich zu beginnen. Die Nebenwirkungen sind bei den Lohnsteuern einfach besser kalkulierbar. Auch in Dänemark startete man mit der ökologischen Steuerreform bei den Lohnsteuern als Ausgleichsfaktor. Das schließt aber nicht aus, in einem fortsetzenden Schritt die Sozial­versicherungs­systeme einzubeziehen. 

Die staatlichen Subventionen bzw. Fördergelder sind ebenfalls in Gänze auf ihre strategische Wirkung hin zu untersuchen. In der Regel müssen sie auf sinnvolle Felder verlegt werden, soweit der Staatshaushalt nicht von Subventionen entlastet werden sollte. Das setzt aber oft auch eine vorhergehende arbeitsmarktpolitische Strukturänderung voraus. Wenn man z.B. die Subventionen für Steinkohle im Schnellgang wegkappt, ohne daß regional anderer Erwerb befördert wird, dann produziert man eine Arbeitslosenrate, die auch mit Arbeitszeitverkürzung u.a. nicht wieder ins Lot kommt. Völlig aberwitzig ist es allerdings, daß Ende der neunziger Jahre immer noch Bergarbeiter ausgebildet wurden. 

Die Staatsausgaben dürfen in einer ökologischen Ordnung auch nicht mehr die heurigen Ausmaße annehmen, die zu gigantischen Anteilen künftigen Jahrgängen bzw. künftigen Generationen aufgebürdet werden. In diesem Bereich steht ohnehin eine generelle Revision an, bei der eine neue Konstellation entstehen muß, die ständig sinkende Staatshaushalte zur Folge hat. Vielleicht wird das Lügenspiel mit der Verschuldung aber auch erst nach einer großen Inflation mit einer Währungsreform beendet. Fakt bleibt: Der Staat ist finanziell bankrott. Jeder, der analog mit fremdem Geld umgehen würde, müßte längst mit "gesiebter Luft" vorlieb nehmen. Nur die verantwortlichen Politiker laufen noch frei herum.

Ein Nebeneffekt der Ökosteuern tritt erst nach und nach auf und kommt in einer späten Phase zu wachsendem Einfluß. Sie sind prinzipiell darauf angelegt zu schrumpfen. Erst so erfüllen sie auch ihren wichtigsten Zweck, die Stoff- und Energieströme zu reduzieren. Das heißt, es muß nach einer längeren Laufzeit überprüft werden, wie der stete erwünschte Ausfall an Steuerabgaben ausgeglichen werden kann. Für mindestens die ersten zwei, drei Jahrzehnte ist dies durch eine jeweilig differenzierte Erhöhung der Ökosteuern unkompliziert zu erreichen. Dabei würde die Aufkommensneutralität nicht verletzt, bzw. anders ausgedrückt, die Steuerlast für die Menschen erhöht sich nicht. 

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Der ökologische Innovationsdruck auf die Industrie verstärkt sich dabei selbstverständlich, und manches Produkt wird aus guten Gründen nicht mehr hergestellt werden. Um die heutige Industriepraxis und materielle Lebensweise um den Faktor Zehn zu dematerialisieren, kann es sich später sogar als notwendig erweisen, daß bei sinkender Wirtschaftskapazität der prozentuale Steueranteil am Gesamtvolumen des Volkseinkommens zeitweilig steigt. Soweit wie möglich sollte aber eine solche Entwicklung vermieden werden. Auf einen solchen Weg würden wir insbesondere geraten, wenn zu spät auf ökologische Rettungspolitik umgepolt wird.

In diesem Zusammenhang ist der Ansatz zu kritisieren, einen Teil der Ökosteuereinnahmen für ökologische Umbaumaßnahmen zu verwenden, also diese mit Steuererhöhungen zu bezahlen. Praktisch erledigte sich diese Vorstellung z.B. bei den Bündnisgrünen zwar einstweilen im Koalitionsbetrieb, dennoch kann die Idee jederzeit in mutierter Form wieder auftauchen.

Die Subventionen für Wirtschaftswachstum, Forschung, Strukturregulierung u.a. belaufen sich für 1997 in der Bundesrepublik auf 415 Milliarden Mark.59) In einer Schätzung für 1995 geht das Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel von 298 Milliarden Mark an staatlichen Subventionen in der Bundesrepublik aus.60 (Die große Differenz innerhalb von zwei Jahren ergibt sich vermutlich auch aus unterschiedlichen Basisannahmen) Auf dieser Ebene werden ganz große Umsteuerungen notwendig sein, und aus diesen Töpfen müssen auch die Finanzen kommen für den ökologischen Umbau, sonst haben wir nachher die Situation: Atomtechnologie oder andere antiquierte Entwicklungswege werden gleichermaßen wie ökologische Zukunftstechnologien subventioniert, vorhandenes Geld verpulvert man aus allen Rohren, als ob man damit nichts sinnvolleres anstellen könnte.

Sicher ist das Grundproblem, die Leute wählen sich meist konventionelle Mehrheiten an die Macht, ob die CDU oder die SPD in einer Koalition regiert, macht dabei offenbar bisher nur recht wenig Unterschied, und wenn man alternative Möglichkeiten nicht finanziell zusätzlich aufsattelt, dann sind sie gleich aus dem Rennen. Das wäre ein Argument gegen die Aufkommensneutralität der ökologischen Steuerreform, das man erst mal akzeptieren müßte, was aber die prinzipiellen Bedenken nicht aus dem Weg räumen kann. Natürlich hat man im Bereich der Aufkommensneutralität auch Spielräume, die z.B. entstehen, wenn das Drei-Liter-Auto gekauft werden kann. 

Das Benzin kostet zwar innerhalb einiger Jahre dann fünf Mark, aber durch den geringen Verbrauch bezahlt der Bürger im Prinzip beinahe weniger wie früher für den Kraftstoff, behält aber die Vorteile durch die größtenteils abgeschaffte Lohnsteuer. Da könnte man sagen, ein Teil dieses doch sehr großen finanziellen Gewinns für den Bürger würde man, wenn die Zeit dafür herangekommen ist, zusätzlich beim Besteuern einnehmen. Aber Vorstellungen, wie sie auch bei der PDS auftauchen,61) Ökosteuern auf den ganzen übrigen Steuerberg aufzusetzen, also der Gesellschaft noch mal fünf oder gar zehn Prozent mehr Steuerlast aufzubürden, um ökologischen Umbau finanzieren zu können, das sollte man sich wirklich abschminken.

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Eine andere Sache wäre es, wenn man von den neuen Steuereinnahmen die Preise im öffentlichen Personenverkehr, also Bahn und Bus, fördert. So bekämen die Bürger die Gelder über die billigere Fahrkarte ins eigene Portemonnaie zurück. Solche Kreisläufe sind selbstverständlich sehr sinnvoll, hier im konkreten Fall muß man natürlich nur aufpassen, daß die Verkehrsunternehmen durch Fahrpreiserhöhungen diese Subventionen nicht als Pufferzone ausnutzen und hinterher nichts gewonnen ist. Die Subventionen müssen also an stabile, besser aber sinkende Preise der Verkehrsunternehmen gebunden sein.

Man könnte z.B. der Bahn-AG sagen: Wir wollen in mehreren Schritten eine Halbierung des Preisniveaus erreichen. Dazu ist es notwendig, die Spirale der Preiserhöhungen zu stoppen, und die Bahn-AG müßte einen Eigenanteil leisten. Sie hätte z.B. vertraglich geregelt auf zwanzig Prozent des Fahrpreises zu verzichten, und der Staat legt noch mal dreißig Prozent aus der Ökosteuer dazu, wodurch die Verluste mit dem Fahrgastzugewinn mehr als ausgeglichen würden, insbesondere auch bei steigenden Benzinpreisen. Und man muß gewiß nicht bei einer Halbierung der Bahnpreise stehenbleiben. 1997 sind z.B. in Dänemark die Kosten im öffentlichen Verkehr um 10 Prozent durch die Ökosteuer reduziert worden.

Am Anfang mag es eine untergeordnete Rolle spielen, doch es ist wichtig für den weiteren Verlauf: Zwar werden die Ökosteuern an anderer Stelle rückerstattet. Sie wirken auf eine Verteuerung für Produktionsgänge hin, die hohe Umweltlasten verursachen. Wenn jedoch andere Länder diesen Zug nicht mitgehen, wobei man sagen muß, Deutschland bewegt sich in Sachen Ökosteuern bislang nicht gerade als Vorreiter in der Welt, dann entsteht z.B. das Problem, daß Produkte, die bei uns eine hohe Besteuerung erhalten, von anderen Ländern auf unserem Markt viel billiger angeboten werden können und damit hierzulande die entsprechenden Wirtschaftszweige ausbluten. Das geschieht natürlich erst, wenn ökologische Steuern zu einem gewichtigen Faktor in der Staatsfinanzierung aufsteigen. 

Mit verschiedenen indirekten Zöllen könnten die gravierendsten Auswirkungen meist abgefedert werden. Der fortschreitende EU-Prozeß erschwert diesen Weg allerdings, wenn es aber gar nicht anders geht, dann müssen auf jeden Fall Korrekturen an den Verträgen zur europäischen Union vorgenommen werden. Nach den EU-Regeln dürfte etwa auch der vorgeschlagene Wegfall der Mehrwertsteuern nicht vorgenommen werden.

Einen indirekten Zoll stellt aber die Erhöhung der Mineralölsteuern dar. Wer Waren in Deutschland verkaufen will, nimmt längere Transportwege in Kauf und wird dadurch in besonderer Weise belastet. Deshalb ist es wichtig, daß gerade die Mineralölsteuern Jahr für Jahr langfrisdg vorhersehbar angehoben werden. Die vielkritisierten Spritkosten von 5 DM pro Liter sind dabei am Ende unausweichlich, zumal sie zunächst eine Autogeneration hervorrufen, die mit sehr geringem Spritverbrauch fahren. Dadurch reicht der reelle Preis im Grunde an diesen Betrag gar nicht heran, wie eben schon angedeutet. Wer künftig statt z.B. 9 Liter nur noch 3 Liter verbraucht auf hundert Kilometer, bezahlt dann kaum mehr als heute. Der reelle Vergleichspreis läge bei 1,67 DM pro Liter. Langfristig muß man aber von jeder Art privaten Autoverkehrs wegkommen. 5 DM pro Liter sind also eher ein Zwischenstand.

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Die ökologische Steuerreform kann Handelsprobleme nach sich ziehen. Geringere Einfuhren an nicht erneuerbaren Rohstoffen zwingen die betreffenden Exportländer, über niedrigere Preise mehr abzusetzen. Ein dämpfender Einfluß geht zwar von den Schwellenländern aus. Er muß jedoch nicht längerfristig anhalten. Eine erhöhende Anpassung grüner Steuern wird dann erforderlich, aber auch andere Maßnahmen sind denkbar, um die Wirkung der Steuerreform im eigenen Land nicht durch Preisverfall zu schwächen. Einfuhrquoten oder, anders ausgedrückt, eine Mengenbegrenzung der eingeführten Rohstoffe, wie öfter behauptet, kann den Preisverfall nicht abwenden. 

Zudem bekommen wir die Schwierigkeit, daß bei einer künstlichen Inflation sich kein Ausgleich der Ökobelastungen mit anderen Steuern vornehmen läßt und der angestrebte Umbau der Finanzierungsstrukturen des Staates blockiert bleibt. Auch ergeben sich bei der Mengenreduzierung unkalkulierbare Preisentwicklungen. Überschaubare Steigerungen bei den Preisen sind aber wichtig, um für die ökologische Steuerreform langfristig Akzeptanz in der Bevölkerung zu sichern.

Viele arme Länder sind auf die Rohstoffexporte angewiesen, nicht zuletzt, um die Schuldendienste zu tilgen. So schadet eine erfolgreiche Ökosteuer in den Industrieländern am Ende den Ärmsten im Süden, indem dort mögliche Fortschritte zusätzlich eingeschränkt werden. Sicher treffen die Gewinnverluste zuerst die Eliten, aber die werden es schon verstehen, wenigstens einen Teil der Lasten über verschiedene Kanäle auf die Bevölkerung abzuwälzen. So muß also ein Ausgleichsfond für solche Einschnitte von den reichen Ländern bereit gehalten werden. Er sollte integral mit bestehenden Hilfen verbunden werden. Die Mittel sind in überdimensionierten Großprojekten, wie z.B. Staudämmen, fehlgeleitet. Viel wichtiger ist die Förderung regionaler Subsistenz und Infrastruktur, die die Abhängigkeit vom Weltmarkt zurückdrängt.

Langfristig stellt das neue ökologische Steuersystem ein zentrales Planungselement für die Begrenzungsordnung dar. Jedoch wenn es darum geht, die industrielle Megamaschine Schritt für Schritt zurückzubauen und einen hocheffektiven industriellen Restsektor, kombiniert mit leistungsfähiger Regional- und Subsistenzwirtschaft, zu etablieren, dann ergeben sich dafür Koordinierungschwierigkeiten, sofern nur auf das marktwirtschaftliche Element der Ökosteuer zurückgegriffen wird.

Umfassende gesellschaftliche Rahmenplanung wird erforderlich. Um das bildlicher klar zu umreißen: 

Der Betrieb X produziert eine bestimmte Produktpalette. Durch die neue Steuerstruktur wird für den Betreiber des Werkes diese Produktion zum Verlust­geschäft. Er macht den Laden dicht. Damit entsteht eine ganze Kette an Fehlstellen in der Wirtschaft, die immer mehr unkalkulierbare Produktions­ausfälle nach sich ziehen. Das Ganze bekommt immer irrationalere Formen.

Eine koordinierte Umstrukturierung und Auflösung kann jedoch innerhalb des bestehenden Wirtschaftsrechts nicht gelingen. Eine Dreigliederung der Verfügungs­macht auf den wirtschaftlichen Organismus könnte hier die bisherige Praxis ablösen. Auf jeden Fall braucht der Staat größere Eingriffsrechte, die jedoch parlamentarisch kontrollierbar sein müssen, durch Kompetenz abgesichert sind und ohne Seilschaften funktionieren. Es sei nur erinnert, die Treuhand führte einen ganzen Troß zwielichtiger Gestalten mit an Bord. Um Mißverständnisse zu vermeiden: Es geht zunächst um partielle Eingriffe, die auf das Nötige beschränkt sind, nicht darum, dem Bäcker zu zeigen, wie Brötchen gebacken werden.

Alternative Produktionssysteme sowie regionale Kleinwirtschaft müssen erst mal stehen, bevor die überholten Wirtschaftsformen mit Hilfe von Steuern und anderen staatlichen Eingriffen endgültig zurückgebaut werden können. Dabei bedarf es eines gleitenden Übergangs von einem Zustand in den anderen.

Andererseits müssen gegenüber den bestehenden Unternehmerrechten die Rechte der Arbeitnehmer erweitert werden, damit Entscheidungen nicht "treuhandmäßig" abgewickelt werden. Jedoch dürfen auf der anderen Seite betriebliche Sonderinteressen auch nicht zur Blockade ökologischer Umgestaltung führen. 

Auf lange Sicht sind allerdings neue polit-ökonomische Gestaltungsformen erforderlich; jenseits möchtegern-sozialistischer Apologetik und privat-wirt­schaftlichem Idealismus. Darauf kommen wir im Abschnitt zur ökotopianischen Zukunfts­gesellschaft noch einmal ausführlich zurück.

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 Marko Ferst - Wege zur ökologischen Zeitenwende - 2002