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31 Von Hybriden, Minicats und Kondensstreifen

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Gibt es genügend Biomasse? Der spar- und wundersame Prius. Elektroautos und mit Druckluft betriebene MiniCATs machen Ölmultis Angst vor der kohlenstofffreien Zukunft. Auch die Schifffahrt muss sauber werden. Fluch und Segen der Kondensstreifen.

Was ist es, das da röhren muss, / Ist es wohl ein Motorbus? 
Ja, das stinkende Gebrumm, / Kündet von dem Motorbumm ... 
Dass man derart leben muss: / Cincti Bis Motoribus! 
Domine, defende nos Contra hos motores bos! 
---A.D. Godley, <Der Motorbus>---

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Wie bekommen wir nun unsere Verkehrssysteme kohlenstofffrei? Weil einige Transportarten, zum Beispiel durch die Luft, Energieträger hoher Dichte brauchen (die bei kleinem Volumen also viel Leistung bringen), ist das eine kitzelige Frage. Bislang laufen die Antworten darauf hinaus, aus Biomasse oder anderen erneuerbaren Quellen maßgeschneiderte Brennstoffe zusammenzubrauen, und Kohleunternehmen untersuchen auch die Möglichkeit, maßgeschneiderte Transportbrennstoffe aus Kohle herzustellen.

Bei den erneuerbaren Energien führt Brasilien, denn die Fahrzeugflotte des Landes wird schon zu großen Teilen mit Äthanol aus Zuckerrohr betankt — das in Brasilien besser wächst als irgendwo sonst auf der Welt. In den USA wird Äthanol meist aus Mais hergestellt, aber in den Getreideanbau muss so viel fossiler Brennstoff investiert werden, dass die Verwendung von Mais-Äthanol zu Transportzwecken kaum zu Kohlenstoff-Einsparungen führt. 

Sollte eine höchst effiziente Äthanolquelle — vielleicht Panicum virgatum, so genanntes Switchgrass — kultiviert werden können, müssten die Pflanzen auf 20 Prozent aller landwirtschaftlich nutzbaren Flächen angebaut werden, um die Autos, Schiffe und Flugzeuge der Welt betanken zu können. Die Menschen verbrauchen aber bereits jetzt mehr irdische Ressourcen, als nachhaltig wäre, und diese zusätzliche biologische Produktivität bereitzustellen, dürfte mithin sehr schwer werden.

Trotz solcher Probleme werden beim Verkehr so rasche technische Fortschritte erzielt, dass sich Auswege abzeichnen, und nirgendwo wird das so deutlich wie im japanischen Automobilsektor. Während Unternehmen wie Ford in Wasserstofftechnik investieren und Scharen von Rechtsanwälten zur Durchsetzung höherer Flottenverbräuche losgeschickt haben, haben Toyota und Honda Ingenieure eingestellt, die effizientere Autos entwickeln. Folglich konnten sie eine revolutionäre neue Technik auf den Markt bringen, mit der der Benzinverbrauch halbiert und erstaunlichen zukünftigen Entwicklungen der Weg geebnet wird.10 Bei diesen neuartigen Autos mit Hybridantrieb wird ein Benzinmotor mit einem Elektromotor kombiniert.

 

Den Toyota Prius zu fahren irritiert zunächst, denn nichts röhrt und nichts brummt. Im Gegenteil: Wird der Wagen langsamer oder bleibt er im Stau stehen, geht der 1,5-Liter-Benzinmotor aus und nimmt die Arbeit erst wieder auf, wenn man wieder einiges an Fahrt aufgenommen hat. Währenddessen übernimmt der leise Elektromotor, der mit Strom betrieben wird, welcher teilweise durch das Bremsen gewonnen wird — Energie, die bei einem gewöhnlichen Fahrzeug verpufft. Der Prius hat den Markt im Sturm erobert; mit einer Tankreichweite von rund 1000 Kilometern ist er das mit dem Kohlenstoff am sparsamsten umgehende Auto seiner Größe, und wahrscheinlich wird er das auch noch eine Zeit lang bleiben. Im Vergleich zum Toyota Landcruiser (oder einem der anderen in den USA oder Australien heute so beliebten Allradlern) spart der Prius bis zu 70 Prozent Benzin und CO2-Emissionen. Den gleichen Prozentsatz an Einsparungen halten Wissenschaftler für die Weltwirtschaft bis 2050 erforderlich, wenn der Klimawandel aufgehalten werden soll. Wenn Sie selbst einen wirksamen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leisten wollen, warten Sie nicht auf die Wasserstoffwirtschaft — kaufen Sie ein Hybridauto.

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Wäre eine kohlenstofffreie Netzstromversorgung verwirklicht, würden viele andere Transportoptionen attraktiv. Elektroautos sind seit Jahren auf dem Markt, allein in Frankreich fahren 10.000 davon. In Europa werden sogar noch aufregendere Techniken entwickelt, beispielsweise ein experimentelles Luftdruckauto, das sich die Luxemburger Firma Moteur Development International ausgedacht hat.

Diese Fahrzeuge nutzen dieselbe Tanktechnik wie die mit Methan betriebenen Busse, für die das Gas an Bord komprimiert wird. Bei den geplanten Luftdruckmodellen handelt es sich um die dreisitzigen MiniCATs, die für rund 10.000 Euro verkauft werden sollen, und die sechssitzigen CitiCATs mit Endpreisen um 16 000 Euro. CAT steht für Compressed Air Technology, und beide Modelle sollen bald in Frankreich auf den Markt kommen und wahlweise auch über Hybrid-Benzinmotoren verfügen, um die Reichweite und die Leistung zu verbessern.

Mit einer Spitzengeschwindigkeit von angeblich knapp 120 Stundenkilometern wären sie nicht zu langsam, und mit der vorhandenen Technik sollen Reichweiten von rund 300 Kilometern bei 50 Stundenkilometern Durchschnitts­geschwindigkeit erreicht werden. Die Wiederbefüllung mit komprimierter Luft soll (ausgehend von französischen Strompreisen) bloß 2,50 Euro kosten. Mit einem Industriekompressor dauert das Wiederbefüllen lediglich drei Minuten, mit einem Heimwerkermodell dreieinhalb Stunden. Bedenken Sie dabei, dass dies das Ford-T-Modell der luftdruckbetriebenen Fortbewegung ist und es daher in den nächsten Jahren vielleicht zu deutlichen Verbesserungen kommen wird. Und da nichts verbrannt wird, braucht der Antrieb auch nur alle 50 000 Kilometer einen Ölwechsel, und zugleich ist alles, was aus dem Auspuff kommt, kalte Luft.

Der Nachteil ist bislang, dass die zum Komprimieren der Luft nötige Energie aus dem Stromnetz kommt und letztlich wieder mehr oder weniger CO2-Emissionen in Rechnung zu stellen sind. Stellen Sie sich aber vor, was ein CitiCAT für eine dänische Familie bedeuten könnte. Sie besitzt vielleicht Anteile an einem Windkraftwerk, das ihr Haus mit Elektrizität versorgt, und könnte diese auch benutzen, um Luft für ihr Auto zu komprimieren. Vergleichen Sie dies mit der amerikanischen Durchschnittsfamilie, die, selbst wenn die Wasserstoff- und Nuklearoptionen zum Tragen kämen, noch immer ihre Elektrizität und ihre Energieträger zu Transportzwecken von großen Firmen kaufen würde. Indem wir den Klimawandel bekämpfen, können wir nicht nur den Planeten retten, sondern auch den Weg in eine völlig andere Zukunft ebnen.

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Was ist mit den anderen, immer noch wachsenden Transportsektoren wie beispielsweise dem Schiffs- und Luftverkehr? Eines der schlimmsten Umweltgifte auf der Erde ist das Öl, mit dem Schiffe angetrieben werden. In den letzten paar Jahren hat der internationale Schiffstransport um 50 Prozent zugenommen, was heißt, dass Frachter inzwischen mit die größten Luftverschmutzer sind.11 Das Zeug, das die Maschinen dieser Schiffe antreibt, besteht aus Überresten von der Produktion anderer Treibstoffe und ist so zäh und voller Beimischungen, dass es erst erhitzt werden muss, bevor es überhaupt durch die Rohre des Schiffes fließt. Satellitenüberwachungen zeigen, dass weltweit viele Schifffahrtsstraßen unter semipermanenten Wolkenstreifen liegen, die aus den Partikel-Emissionen der Schiffsschornsteine resultieren. Dieses Problem zu lösen, ist aber relativ einfach; schließlich war noch vor wenig mehr als einem Jahrhundert der Seeverkehr Sache der Windkraft. Mit modernen Wind- und Solartechniken und energieeffizienten Maschinen könnte der Schiffsverkehr bis Mitte dieses Jahrhunderts wieder kohlenstofffrei sein.

Der Luftverkehr erfordert große Mengen Brennstoff hoher Dichte, wie ihn gegenwärtig nur fossile Brennstoffe liefern können. Auch sein Volumen nimmt Jahr für Jahr zu. 1992 war das Fliegen für zwei Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich. Und in den USA, wo bereits zehn Prozent des Brennstoffverbrauchs auf Flugzeuge entfallen, erwartet man, dass sich die Anzahl der Passagiere zwischen 1997 und 2017 verdoppeln wird, was den Luftverkehr zum am schnellsten wachsenden Verursacher von CO2- und Stickstoffoxid-Emissionen des Landes macht.12 Auf der anderen Seite des Atlantiks kommen vielleicht bis 2030 ein Viertel aller CO2-Emissionen des Vereinigten Königreichs aus Flugzeugtriebwerken.13

Flugzeugabgase bestehen aus einem Cocktail von Chemikalien, die partiell in entgegengesetzter Richtung wirken. Moderne Jets fliegen meist am Rand der Troposphäre, wo der Wasserdampf, das Stickstoffoxid und das Schwefeloxid in ihren Abgasen eine ganz eigene Wirkung entfalten. Das Stickstoffoxid kann den Ozongehalt in der Troposphäre und der unteren Stratosphäre anheben, den der oberen Stratosphäre aber senken; das Schwefeldioxid hat abkühlende Wirkung.

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Als wichtigste Emission hat sich aber der Wasserdampf erwiesen, den wir als Kondensstreifen wahrnehmen.14) Unter bestimmten Bedingungen werden aus den Kondensstreifen Zirruswolken. Diese Wolkenart bedeckt rund 30 Prozent des Planeten. Es ist zwar noch nicht sicher, welchen Anteil daran die Kondensstreifen haben, es könnten aber bis zu einem Prozent sein, was sich deutlich auf das Klima auswirken dürfte, weil die Kondensstreifen in den mittleren Breitengraden der Nordhalbkugel konzentriert sind.15 Flögen die Flugzeuge tiefer, könnte man die Bildung von Zirruswolken halbieren und die CO2-Emissionen um vier Prozent senken, während die durchschnittlichen Flugzeiten über Europa um weniger als eine Minute variieren würden.16

Wie weiter oben erwähnt, zeigten sich die möglichen Auswirkungen dieser Wolken auf das Klima im Jahr 2001 zwischen dem 11. und dem 14. September, als die Zivilluftflotte der USA am Boden blieb. Die durchschnittlichen Tagestemperaturen stiegen abrupt um 1 °C, was mit anderen Faktoren nicht zu erklären war. Das lässt den Schluss zu, dass Kondensstreifen die von CO2 verursachte Erwärmung abfedern. Vielleicht müssen wir sie weiter freisetzen, während wir unsere Kohlenstoffmengen reduzieren. Ohnehin scheint es gegenwärtig keine Möglichkeit zu geben, ein Flugzeug mit einem weniger schädlichen Ersatz für fossile Brennstoffe zu betreiben. Solange wir nicht zu den gemütlicheren Tagen der Zeppeline zurückkehren, werden Flugreisen noch CO2-Emissionen verursachen, nachdem andere Sektoren bereits längst zu einer kohlenstofffreien Wirtschaftsweise übergegangen sind.

Transport und Verkehr sind für rund ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Zu Land und zu Wasser können sie leicht so betrieben werden, dass weniger CO2 freigesetzt wird, und die Techniken dafür gibt es bereits oder sie zeichnen sich am Horizont ab. Der Luftverkehr jedoch nimmt schnell zu und wird wahrscheinlich mit nichts anderem als fossilen Energieträgern möglich sein. Glücklicherweise tragen die Kondensstreifen der Jets zum globalen Dimmen bei, sodass es gut sein kann, dass die Jets noch immer fliegen, wenn mit Wind- und Sonnenenergie betriebene Schiffe und Luftdruckautos schon längst das Transportmonopol auf der Erdoberfläche haben.

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32. Die letzte höhere Gewalt? 

Wie viel Spaß hätte ein Sudanese vor Gericht! Neuenglandstaaten legen los – und die Inuit schließen sich an. Die Leute von Shishmaref: Die weltweit ersten Klimavertriebenen. Australien mobbt seine Nachbarn. Tuvaluer handeln vorsichtshalber die Einwanderung nach Neuseeland aus. Was würde ein Richter zu Unterernährung und Malaria sagen? Jeder hat das Recht auf seine Lebensweise – oder vielleicht doch nicht? Die Auslöschung ganzer Nationen: Kein Verbrechen?

Als »höhere Gewalt« wurde definiert, was kein vernünftiger Mensch 
hätte erwarten können. (
A.P. Herbert, <Uncommon Law>, 1935)

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Irgendwann in diesem Jahrhundert wird der Tag kommen, da der menschliche Einfluss auf das Klima alle natürlichen Faktoren übertrifft. Dann werden die Versicherungs­gesellschaften und die Gerichte nicht länger von »höherer Gewalt« sprechen können, weil selbst die Unvernünftigsten von uns die Folgen hätten vorhersehen können. Stattdessen werden die Richter vor der Aufgabe stehen, Schuld und Verantwortung für menschliches Verhalten zuzuweisen, das aus dem neuen Klima resultiert. 

Und das - denke ich - wird alles verändern. 

Stellen Sie sich einen Moment lang vor, dass Sie als Kamelhirte im Sudan leben. Ihr gesamtes Leben lang haben Sie nichts anderes als schlechte Jahre gekannt, und verzweifelt haben Sie Ihre Herde auf das Land der Bauern geführt, mit denen Sie früher Handel trieben und über Eheschließungen verwandt waren; dort trampeln Ihre Tiere jetzt die Ernte nieder und säen Zwietracht.

Jahrzehntelang hat die Welt Ihnen die Schuld gegeben, weil Sie angeblich mit den natürlichen Ressourcen schlecht gewirtschaftet haben, und jetzt klagt Sie die mächtigste Regierung der Welt wegen Völkermords an. Aber dann finden Sie einen positiven Beweis — sofern die Wissenschaft so etwas liefern kann —, dass es nicht mehr regnet, weil die reichsten und mächtigsten Länder unseren großen Luftozean verseucht und damit die Menschen des Sahel unter der Knute des Hungers, der Armut und des Krieges zerrieben haben. Was ist der Preis für diese Ungerechtigkeit?

Wenden Sie dieselbe Frage auf die Arktis an, auf die politisch einflussreichen Farmer Australiens, auf die Küstenbewohner weltweit und auf den Rest des Planeten, und dann werden Sie sehen, dass der Klimawandel eine ganze neue Prozessindustrie gegen die lostreten könnte, die bewusst, aber ohne sich darum zu kümmern, die Welt verdreckt haben.

Die ersten Tropfen der kommenden Sintflut fallen bereits, und nirgendwo tröpfeln sie so schnell wie im Rechtsstreitparadies USA. Im Juli 2003 kündigten drei Neuenglandstaaten an, sie würden die Bundesregierung verklagen — und bis zum Oktober hatten sich zehn Bundesstaaten im Nordosten zusammengeschlossen, um auf dem Rechtsweg die Federal Environment Protection Authority dazu zu zwingen, Maßnahmen gegen CO2 als Umweltgift zu ergreifen. (Das war höchste Zeit, hatte sich doch schon 2001 der Kohlelobbyist und Cheney-Vertraute Quin Shea gebrüstet: »Wir unternehmen jetzt gerade Schritte, um jedes Stück Papier zu revidieren, das die EPA verfasst hat und auf dem sie CO2 als Umweltgift bezeichnen konnte.«17 ) Wie diese Verfahren ausgehen werden, ist unsicher, doch noch ehe darüber entschieden ist, sind bereits andere vielversprechende Klageschriften aufgetaucht.

Es sollte nicht allzu schwer sein, die Schuld für Klimakatastrophen von den Gerichten zuweisen zu lassen, denn es ist möglich abzuschätzen, wie viele zusätzliche Gigatonnen CO2 beispielsweise infolge der Aktivitäten der Global Climate Coalition in die Atmosphäre gelangt sind. Und dementsprechend kann man ausrechnen, wie viel sie zur Erwärmung des Planeten beigetragen haben. Dieser lässt sich eine Auswirkung auf das Klima zuordnen und der wieder eine Dollarzahl. Angesichts der Rechtsstreitigkeiten, in die die Asbest- und Tabakindustrien verwickelt wurden, kann man sich leicht vorstellen, dass die einstigen Mitglieder der Global Climate Coalition mit ähnlichen Prozessen überzogen werden.

Zu einem interessanten Rechtsstreit kam es Ende 2004, als die Inuit wegen der Schäden, die die globale Erwärmung ihrer Kultur und ihren 155.000 Menschen zufügte, die <Inter-American Commission on Human Rights> anriefen. Diese Schäden resultieren aus einem Klimawandel, der sich doppelt so schnell vollzieht wie im globalen Durchschnitt. Nicht nur ihre traditionellen Nahrungsquellen — Robben, Bären und Karibus — verschwinden, auch ihr Land verschwindet in einigen Fällen unter ihren Füßen. 

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Das Dorf Shishmaref in Alaska wird unbewohnbar werden, weil wegen der steigenden Temperaturen die Packeisdecke zurückgeht, der Permafrostboden auftaut und die Küste erodiert.18) Hunderte Quadratmeter Land und mehr als ein Dutzend Häuser hat das Meer bereits verschlungen, und es gibt Pläne, den ganzen Ort umzusiedeln — was 100.000 Dollar pro Einwohner kosten wird.19)

Shishmaref ist ein besonders trauriger Fall. Die Bevölkerung zählt zwar nur 600 Köpfe, aber es gibt die Siedlung seit mindestens 4000 Jahren, und die Bewohner werden wohl die Ersten sein, die vor dem Klimawandel fliehen müssen. Wo sie hingehen werden, ist unklar, denn sie sagen:

Die Arktis wird zu einer gefährdeten Umwelt, weil das Packeis weniger stabil ist, es zu ungewöhnlichen Witterungsverhältnissen kommt, die Vegetationsdecke sich verändert und bestimmte Tiere nicht mehr während der gewohnten Jahreszeiten in den traditionellen Jagdrevieren zu finden sind. Die regionalen Landschaften, das Meer und auch das Eis werden zunehmend unvertraut, die Menschen fühlen sich wie Fremde im eigenen Land.20)

Die Entscheidungen der Menschenrechtskommission, an die sich die Inuit wandten, sind zwar rechtlich nicht bindend, aber ein positives Urteil könnte sie in die Lage versetzen, entweder die US-Regierung vor einem internationalen Gericht oder US-Firmen vor einem Bundesgericht zu verklagen. In beiden Fällen werden sich die Inuit wahrscheinlich sowohl auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als auch auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen, den so genannten UN-Zivilpakt, berufen; die Allgemeinen Menschenrechte legen fest, dass jeder einen Anspruch auf eine Volkszugehörigkeit hat und niemand »willkürlich seines Eigentums beraubt werden« darf; und dem UN-Zivilpakt zufolge darf »in keinem Fall ein Volk seiner Subsistenzmittel beraubt« werden. 

Letztlich wird sich der Prozess um weit mehr als nur das drehen, denn die Veränderungen in der Arktis sind so ungeheuerlich, dass die Inuit vielleicht das erste Volk sein werden, das seine Zivilisation — sein Land und seine Lebensweise — ausgelöscht sehen wird. 

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Der Untergang eines Volkes und seiner Kultur ist etwas Ungeheuerliches, wie der Anthropologe Jon Barnett von der University of Melbourne und sein Kollege Neil Adger betonen: »Weniger als alles Mögliche zu unternehmen, um den Verlust einer souveränen Entität zu verhindern, bedeutet für alle Staaten, die grundlegendste und einflussreichste Norm internationalen Rechts und internationaler Politik zu unterminieren.«21) 

Soweit ich weiß, gibt es noch keinen Ausdruck für die Auslöschung eines souveränen Staates, aber vielleicht müssen wir bald einen erfinden. 

Andere vom Klimawandel unmittelbar bedrohte Menschen leben in den fünf selbständigen Atoll-Ländern. Atolle sind ringförmige Korallenriffe, die eine Lagune umschließen; sie bilden Inseln und Eilande, die den Meeresspiegel durchschnittlich um gerade mal zwei Meter überragen. Kiribati, die Malediven, die Marshall-Inseln, Tokelau und Tuvalu — zusammen Heimat rund einer halben Million Menschen — bestehen ausschließlich aus Atollen.

Wegen der Zerstörung der Korallenriffe, wegen des Ansteigens des Meeresspiegels und der sich intensivierenden Unwetter scheint es unausweichlich, dass diese Länder noch in diesem Jahrhundert zerstört werden. Da sie in so prekärer Lage sind, könnte man sich wundern, warum sie nicht in internationalen Foren zum Klimawandel aktiv sind. Das liegt aber nicht an Faulheit, sondern an Schikanen eines Landes, das zu den schlimmsten CO2-Verursachern gehört: Australien.

Politische Verhandlungen sind zwar oft brutal, aber im Vorfeld von Kyoto benahm sich Australien besonders schändlich. Moralisch am verwerflichsten war, dass die Nachbarn auf den Pazifikinseln gezwungen wurden, ihre Position aufzugeben, die Welt müsse »entschlossene Maßnahmen« gegen den Klimawandel ergreifen. »Wir sind ein kleines Land, und wir hängen so sehr von dem großen ab, dass wir nachgeben mussten«, sagte Bikenibu Paeniu, Premierminister von Tuvalu, nach dem Südpazifik-Kongress, bei dem Australien seine Forderungen auf den Tisch gelegt hatte.

Es muss zu den unverschämtesten in diesem Zusammenhang gemachten Äußerungen gezählt werden, was Dr. Brian Fisher, der oberste Klimawandel-Wirtschafts­berater der australischen Regierung, bei einer Konferenz in London sagte: Es wäre »effizienter«, die kleinen Staaten auf den Pazifikinseln zu evakuieren, statt von der australischen Industrie zu verlangen, ihre Kohlendioxid-Emissionen zu reduzieren.22) Angesichts dieser eiskalten Arroganz beschritten die Tuvaluer den einzig verbliebenen Weg: Sie handelten für die gesamte Bevölkerung Einwanderungsrechte mit Neuseeland für den Fall aus, dass der Klimawandel ernsthafte Folgen zeitigt.23)

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Selbst wo Länder nicht so sehr vom Klimawandel bedroht sind, wird es noch immer große Gewinner und große Verlierer geben. Den momentanen Prognosen zufolge werden zwei Staaten — Kanada und Russland — 90 Prozent der Vorteile einstreichen, die die globale Erwärmung bei den Ernteerträgen bringt, während andere Regionen wie etwa Afrika und Indien viel verlieren werden, obwohl sie nur ein bisschen Erwärmung abbekommen.24

Selbst konservative Untersuchungen sagen eine Verdreifachung der Zahl von Hunger bedrohter Menschen bis 2080 voraus, und solche Veränderungen könnten das Thema Naturrecht in den Mittelpunkt unseres Denkens rücken.25

Auch die Gesundheit bleibt nicht ausgenommen. Wenn sich unser Globus um ein bis zwei Grad erwärmt, wird der Anteil der von Malaria bedrohten Menschen von 45 auf 60 Prozent steigen.26) Was ist dann mit den Leuten, die heute am Rand der Malariagebiete leben und mit Sicherheit davon betroffen sein werden? Nimmt man den steigenden Meeresspiegel hinzu, die sich ändernden Bahnen von Stürmen, Unwetter und Hitzewellen, dann bekommt man ein Gespür dafür, in welchem Umfang rechtliche Schritte in einer Welt ohne höhere Gewalt möglich werden. 

Vielleicht muss in Zukunft ein internationaler Gerichtshof zur Schlichtung solcher Rechtsstreitigkeiten geschaffen werden.

Mit all dem im Hinterkopf ist es schwer, nicht auf die Idee zu kommen, dass jede Lösung der Klimakrise auf den Prinzipien des Naturrechts basieren muss. Wenn demokratische Regierungen sich nicht freiwillig an diese Prinzipien halten, ist es letztlich Aufgabe der Gerichte, sie dazu zu zwingen. In diesem Fall wird das Prinzip, dass »der Verunreiniger zahlt«, am wichtigsten werden, denn das impliziert auch, dass der Verschmutzer das Opfer entschädigen muss.

Vor dem Kyoto-Protokoll hatten alle Individuen das uneingeschränkte Recht, die Atmosphäre mit Treibhausgasen zu verunreinigen. Jetzt haben die Unter­zeichner­nationen nur das international anerkannte Recht, sie in bestimmten Grenzen zu verschmutzen. Was heißt das aber, fragt man sich, für die, die das Protokoll nicht ratifiziert haben? Das ist eine Frage, die vor den Gerichten dieser Welt in Betracht gezogen werden muss.

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Flannery, Tim, Prof., Australien