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Die Wende
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Wir haben's weggetan, sagte sie, wir haben's verbrannt. Wenn du so weitermachst, bringst du uns alle noch ins Unglück, ins Gefängnis, deinen Vater und mich, so was will ich nicht noch einmal sehen.
Gedanken, auf Zettel geschrieben von einem Schüler: Ramsch wird immer ganz rot, vom Hals her, wenn wir Fragen stellen, die er nicht beantworten kann. Ramsch mit den großen Reden in der ersten Stunde: Ich bin ein strikter Gegner der Phraseologie. Da saßen wir ganz still auf unseren Plätzen und dachten sonstwas, aber was er war, wußten wir bald.
Er hieß nicht Ramsch, er hieß Rammler: Geschichte, Geografie, Staatsbürgerkunde.
Und dann diese schwarzen Hefte, jeden abend Eintragungen, niemand durfte wissen, was da aufgeschrieben wurde, niemand durfte wissen, was du denkst, pack alles weg, wenn du aufstehst, nimm alles mit, wenn du weggehst.
Und bei der Armee? Wir werden Ihren Spind kontrollieren, nichts bleibt verborgen, wir finden alles.
Anfälle von Angst, was schreibst du auch auf, jetzt kommen sie und kontrollieren dich, jetzt bist du dran. In einer Nacht habe ich alles zerrissen und ins Klo geworfen, ganz kleine Schnipsel, ein Eimer voll, dann zog ich die Spülung, aber der Abfluß war verstopft, und die Schnipsel schwammen lange oben, Worte und Buchstaben und deine Handschrift im Klobecken: Jetzt kommen sie und holen dich, aber sie kamen nicht.
Danach wollte ich endlich alles aufschreiben, doch die Zeilen wurden kläglich und kurz. Und eine verkorkste Wahrheit ist keine. Angst und Wut, knapp, dürftig und dreimal gewendet, so, als bestünde diese kleine Welt, die du kennst, nur aus Andeutungen und Kontrolleuren. Und wenn die anderen kommen, werden sie verstehen, was du meinst? Bevor sie die Achseln zucken und die Köpfe schütteln und ein kleines Gefühl finden? Das macht dich kaputt und wirft dich zurück, da siehst du die Klobecken und die wachsamen Verlage, was wahr ist, wird zum Kinkerlitzchen, das keiner erkennt, du nicht und niemand. Aber das haben wir jetzt satt.
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Die Anklage
T.: Wir wurden durch die staatliche Leitung der Universität davon in Kenntnis gesetzt, daß in B. eine Veranstaltung durchgeführt wurde, an der du teilgenommen hast. Wir betrachten diese Veranstaltung als einen ernsten und gravierenden politischen Vorfall, der außerordentlich negative Tendenzen zum Ausdruck brachte. Du hast dabei der Universität keinen guten Dienst erwiesen, ganz im Gegenteil, der Partei und der Universität wurde schwerer Schaden zugefügt. Wir sind hier zusammengekommen, um diese Vorkommnisse parteilich aufzuklären. Ich möchte gleich vorweg sagen, daß wir hier nicht mit dem Künstler, sondern mit dem Genossen Fuchs reden. Von Kunst verstehen wir nicht so viel, d. h. wir sind keine Spezialisten. Auf die politische Wirkung deiner literarischen Produkte kommt es uns an.
K.: Dem Rektor wurde von den örtlichen Organen eine Beurteilung der Veranstaltung zugestellt. Schlägt zusammengeheftete Papierbogen auf, offensichtlich ein sechster Durchschlag, das Lesen macht Mühe. Laut Pressemitteilung und Plakatwerbung sollten dort Lieder, Songs, jiddische und spanische Folklore vorgetragen werden. Pause. Spanische Folklore wurde allerdings vermißt. Pause. Alles in allem, ich will mich nicht bei Einzelheiten aufhalten, die sind dir ja hinlänglich bekannt, du warst ja dabei, ich muß aber sagen: Der Inhalt und die Darbietungen waren sehr problematisch, entsprachen nicht der kulturpolitischen Linie, ich muß sagen, ganz und gar nicht, mir liegt zwar nur eine Beschreibung der Veranstaltung vor, aber wenn ich das lese, das ist natürlich sehr bedenklich, sehr destruktiv.
Die Trennung in Künstler und Genosse kann ich nicht akzeptieren, wenn hier mit dem Genossen gesprochen wird, dann auch mit dem Künstler.
T.: Ich habe drei Fragen: 1. Wer war der Initiator? 2. Warum hast du die Partei nicht informiert? 3. Welche Position vertrittst du zum Inhalt und den Auswirkungen dieser Veranstaltung?
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Nach B. wurde ich brieflich vom Kulturbund eingeladen. Alles andere ist aus Presse und Werbung ersichtlich. Zur Frage, warum ich die Partei nicht informierte: Die saß doch mit Vertretern der Bezirksleitung, der Parteizeitung und der Abteilung Kultur beim Rat des Bezirkes im Saal. Außerdem weiß ich, daß am 14.2.1975 in G. auf einer Sitzung beschlossen wurde, B. W., Gerulf Pannach und mir «kein öffentliches Podium» mehr zu geben. Nachdem also bereits auf Vorgefallenes reagiert wurde, behauptet ihr auch noch, nichts davon gewußt zu haben. Das ist doch paradox.
Zum letzten Punkt, was ich zu dieser Veranstaltung sage: Ich habe mitgewirkt und stimme weitgehend mit dem Gesagten und Gesungenen überein, sonst wäre ein gemeinsamer Auftritt dieser Art ohnehin nie zustande gekommen. Ihr erwartet doch nicht etwa, daß ich mich von dieser Veranstaltung und damit von meinen eigenen Taten distanziere, nur weil solch üble Verbote verordnet worden sind. Ihr redet von der kulturpolitischen Linie, die wir verlassen hätten, wenn das die Linie ist, die Verbotslinie besser, dann gute Nacht.
K.: Genosse Fuchs, nur mal eine Frage: Ich kenne dich nicht, erlebe dich heute zum erstenmal, aber ich muß sagen, eines wundert mich - wir sind doch hier in diesem Kreise alles Genossen, du sagst mitunter «Sie», warum denn das?
Herr Professor, ich habe den Eindruck, daß ich hier nicht als Genosse, sondern als Vorgeladener sitze. Wenn ihr mich als Genossen betrachtet, wird es mir schon auffallen, aber es fällt mir ehrlich gesagt schwer, euch als meine Genossen zu betrachten, wenn ich euch reden höre, wenn ich euch so ansehe.
K.: Was Sie da sagen, ist ja interessant. Stutzt. Ach, jetzt geht es mir auch schon so. Winkt ab.
T.: Zurück zu B., du sagst, daß alles in Ordnung war, ich möchte bloß ein paar Titel anführen: «Vertrauensmann», «Erster Mai», «Schiller-Denkmal», das wird alles durch den Dreck gezogen. (Lieder von Gerulf Pannach) . . .
M.: Das mit den roten Hosen .. .
T.: Ach ja, richtig, hier werden Vertreter der Partei und Staatsorgane in unverschämter Weise beleidigt. Brüllt: Das sind Machwerke, ja, Machwerke, wir werden diese Beleidigungen nicht länger zulassen, das kann ich Ihnen sagen. Die Grenze ist erreicht, hier hört der Spaß
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auf und der blutige politische Ernst beginnt. Atempause. In klarer Sprache ausgedrückt stehst du auf drei Fehlpositionen: 1. Du begibst dich auf die Position des Kritikers am Sozialismus, am real existierenden, und begünstigst damit die ideologische Diversion des Gegners, arbeitest ihr in die Hände. 2. Du forderst «Freiheit der Kritik», kritisches Engagieren, du stehst damit auf der Position der «2000 Worte» in der CSSR von 1968 ...
Die ich nicht einmal kenne . . .
T.: Das spielt keine Rolle. Damit hilfst du mit, die Konterrevolution in der DDR vorzubereiten, milde gesagt ist das die Position des Pluralismus. 3. Das ist eine absolut unmarxistische Betrachtungsweise, die Gesellschaft und den Staat so zu betrachten, wie du es tust, das ist eine kritikasterhafte Position, der Sozialismus ist für dich eine Kette von Fehlleistungen. So, das mußte gesagt werden, natürlich gibt es auch Sachen, die auf den ersten Blick ganz gut sind, einige Gedichte, auch bei Pannach, aber.auf die Tendenz, auf die Wirkung, auf das Typische kommt es an, ich meine, auch Himmler war ein guter Klavierspieler . . .
Himmler, wer ist jetzt gemeint, Sie oder ich?
T.: Ich meine das nicht persönlich, nicht in diesem Zusammenhang . . .
In welchem denn?
T.: Man muß euch prinzipiell beurteilen, mehr nicht. Wer solche Lieder macht wie dieser Pannach, dann ist das ein Mensch, bei dem ich ein großes Fragezeichen machen muß. So, du hast die drei Punkte gehört, die deine Fehlpositionen beschreiben, diese Fragen wollen wir jetzt diskutieren.
Welche Fragen denn? Das waren nur Behauptungen, Anschuldigungen und Beleidigungen, welche Fragen sollen denn diskutiert werden? Längere Pause. Wer kennt denn, was ich in B. gelesen habe? Schweigen-Ich, meine jetzt nicht diese halben Mitschriften, vielleicht wäre es gut, das einmal zu hören. Zustimmung.
Ich werde drei kleine Prosastücke lesen: «Das Interesse», «Die Vorladung», «Das Fußballspiel». (K. sucht in seinen Papieren.)
Vielleicht könnten Sie die Originale diesen unleserlichen Durchschlägen zuordnen, dann können Sie besser vergleichen.
K.: Das «Fußballspiel» habe ich hier, aber von den anderen steht hier nichts . . . Lesung der Prosastücke
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Das Interesse
Angesichts unserer hilfreichen Unterstützung. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit. Angesichts der Reinheit unserer Reihen. Angesichts der erdrückenden Beweise.
Die Gesichter gerötet oder blaß und verbissen, die Augen fade und nagend, jedes Wort wird gewogen, jede Geste gesiebt: Und Sie antworten noch und Sie lachen noch und geben uns so zu verstehen, daß Ihnen das alles nichts ausmacht.
Und meine Hände halten nicht mehr still, wollen abwinken, weggehen, ein Ende machen. Jede ungebetene Wahrheit bringt neue Vorladungen, jedem Schrei folgt ein peinliches Schweigen im jeweiligen Hinterzimmer.
Wir sind wachsam, zeigen Sie uns Ihre Gedichte, bevor sie gedruckt werden, bevor sie gelesen werden, bevor sie gehört werden, bevor sie gelobt werden, bevor sie kritisiert werden, bevor sie geschrieben werden. Zeigen Sie uns Ihre Gedanken, Ihre Gefühle interessieren uns sehr, fragen Sie uns, wenn Sie Fragen haben, aber wie kommen Sie denn auf so etwas, auf solche Ansichten, auf solche Abwege, auf solche Kapriolen, wer hat Ihnen das gesagt, wann haben Sie wo etwas gesagt, Sie haben zehn Minuten Zeit, antworten Sie in Stichpunkten, Sie können sich Notizen machen. Bedenken?
Diskutieren Sie nicht, es geht um unsere Sicherheit, unsere Ordnung, unsere Gesellschaftsordnung, kurz: um den Staat. Über gewisse Grundsätze diskutieren wir nicht mehr, die müssen klar sein, sonst ziehen wir alle zur Verantwortung, sonst zeigen wir allen, wer die Macht hat, sonst zeigen wir allen, daß wir alle die Macht haben.
Und meine Hände halten nicht mehr still, kein Grundpfeiler, kein Bollwerk aus Zement und zehn Geboten bringt sie zur Ruhe, der Ausverkauf beginnt, die Phrase verschluckt sich und schlägt zu. Warum hältst du nicht still, was bohrt "da und regt sich? Der verfrühte Versuch vielleicht, einen Ekel loszuwerden, der noch wächst, wie die Akten wachsen, in die du beißen sollst, wenn der Spaß beginnt: Wenn Sie mit dem Termin einverstanden sind, benachrichtigen Sie BITTE MEINE SEKRETÄRIN Tel. 245.
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Die Vorladung
für R. L., meinen Freund
Auf der Strecke bleiben, ausgeschlossen, vor die Versammlungstür gesetzt werden oder erleben, wie einer auf der Strecke bleibt und ausgeschlossen wird.
Vielleicht auf einem Zettel, einem Wisch, lauter Wichtigkeiten: Datum, Uhrzeit und der Vermerk: «unbedingt erscheinen». Eine Vorladung also und du bist der Vorgeladene. Und wenn ein anderer, ein Fremder? Dann wirst du diesen Zettel nie zu Gesicht bekommen und bleibst unbelastet, aber wenn es einen Freund trifft, der dich ansieht, als könntest du ihm sagen, was ihn erwartet und was er getan hat, was dann?
Heute 13 Uhr, weiß er seit Freitag vormittag, heute ist Montag, Zeit genug, um nachzudenken, Zeit genug, es der Familie zu verschweigen, Zeit genug, sich zu ängstigen oder eine Rede vorzubereiten, die man denen dann auf den Tisch knallen wird, wenn . . . und wenn nicht? Wenn sie freundlicher sind als vermutet oder brutaler als erwartet, was dann? Heute 13 Uhr, sagt er mir zwischen Tür und Angel, lächelnd und mit flackernden Augen. Eine Arbeitsgruppe wurde gebildet, um ihn zu bearbeiten, um seinen Fall vorzubereiten, um ihm zu sagen, daß hinter allem System steckt, eine Theorie, ein Gedankengebäude, aus dessen oberstem rechtem Fenster der Klassenfeind lugt: Ob der Staat abstirbt oder nicht, gestärkt werden muß er, alles andere ist nicht in unseren Ämtern gewachsen . . . aber geschrieben steht doch . . . und hätte der Parteitag nicht . . . und dieses Plenum besonders . . . Zweifel, nichts als Zweifel an Gott und der Welt und ihren Beschlüssen ... er nimmt nicht die gesicherte Meinung der Klassiker auf, sondern seine eigene . . . und wessen Meinung vertraten die Klassiker . . . kann sein, er meint es ehrlich, aber das gerade kompliziert den Fall. Heute 13 Uhr. Und Vertrauen, haben Sie denn kein Vertrauen zuuns, das fragen sie allen Ernstes und nicht wie im Märchen, wo der Drachen mit geöffnetem Rachen einen Untergebenen fragt, warum er zittert und kein freudiges Vertrauen zeigt zu Kirche und Staat. Wer kein Vertrau-
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