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Der holonome Ansatz: Neue Prinzipien und neue Perspektiven

 

 

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In den letzten drei Jahrzehnten haben wichtige Entwicklungen in der Mathematik, der Lasertechnologie, der Holographie, der Quantenphysik und der Gehirnforschung zur Entdeckung neuer Prinzipien geführt, die für die moderne Bewußtseinsforschung und für die Wissenschaft im allgemeinen von großer Tragweite sind.

Es handelt sich hierbei um die sogenannten holonomen oder holographischen bzw. Hologramm-Prinzipien. Sie bieten faszinierende Alternativen zum konventionellen Verständnis der Beziehungen zwischen dem Ganzen und seinen Teilen. Am besten lassen sie sich am Speichern, Reaktivieren und Kombinieren von Informationen mit Hilfe der Technik der optischen Holographie demonstrieren.

Ich möchte aber an dieser Stelle gleich betonen, daß es noch zu früh ist, um — wie bereits in der Vergangenheit geschehen — von der »holonomen Theorie des Universums und des Gehirns« sprechen zu können. Gegenwärtig haben wir es lediglich mit einem Mosaik aus wichtigen und höchst interessanten Daten und Theorien aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen zu tun, die noch nicht in einem umfassenden theoretischen Rahmen integriert worden sind. Der holonome Ansatz aber, der den Schwerpunkt auf die Interferenz von vibrierenden Mustern statt auf mechanische Interaktion und auf die Information statt auf die Substanz legt, ist angesichts der modernen wissenschaftlichen Auffassung von der vibrierenden Natur des Universums sehr vielversprechend.

Die neuen Einsichten sind anwendbar auf so grundlegende Probleme wie die ordnenden und organisierenden Prinzipien der Realität und des Zentralnervensystems, die Verteilung von Informationen im Kosmos und im Gehirn, die Natur des Gedächtnisses, die Mechanismen der Wahrnehmung sowie die Beziehungen zwischen dem Ganzen und seinen Teilen.

Der moderne holonome Ansatz zum Verständnis des Universums hat seine historischen Vorläufer in den spirituellen Philosophien des alten Indien und des alten China sowie in der Monadologie des großen deutschen Philosophen und Mathematikers Gottfried Wilhelm Leibniz (113). Die Transzendierung der konventionellen Unterscheidung zwischen dem Ganzen und den Teilen — einer der wichtigsten Beiträge des holonomen Modells — ist auch ein wesentliches Merkmal verschiedener Formen der philosophia perennis.

Ein schönes Beispiel zur Veranschaulichung des holonomen Prinzips ist die poetische Beschreibung des Halsschmucks des vedischen Gottes Indra. Im Avatamsaka-Sutra heißt es: »Im Himmel Indras, so sagt man, hängt ein Netzwerk von Perlen so angeordnet, daß du beim Anblick einer Perle alle anderen in dieser widergespiegelt siehst. Genauso ist jeder Gegenstand in der Welt nicht bloß er selbst, sondern ein Teil jedes anderen, er ist in Wirklichkeit alles andere.« Und Sir Charles Eliot (35), der diese Textstelle zitiert, fügt hinzu: »In jedem Staubkörnchen sind Buddhas ohne Zahl vorhanden.«

Ein entsprechendes Bild aus der alten chinesischen Tradition findet sich in der Hwa Yen-Schule der buddhistischen Philosophie, einer ganzheitlichen Anschauung des Universums, die wohl eine der tiefsten Einsichten verkörpert, die der menschliche Geist jemals hervorgebracht hat.21) Die Kaiserin Wu, der es nicht gelang, die komplizierten Schriften der Hwa Yen-Schule zu begreifen, bat Fa Tsang, einen der Begründer dieser Schule, ihr eine praktische und einfache Demonstration der wechselseitigen Abhängigkeit im Kosmos zu geben.

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Fa Tsang hing zunächst eine brennende Kerze an die Decke eines Raumes, dessen Inneres vollständig mit Spiegeln ausgestattet war, um die Beziehung des Einen zu dem Vielen zu demonstrieren. Dann plazierte er in die Mitte des Raums einen kleinen Kristall. Er zeigte ihr, wie sich alles rundherum in diesem Kristall widerspiegelte, und veranschaulichte damit, wie in der letzten Wirklichkeit das unendlich Kleine das unendlich Große und das unendlich Große das unendlich Kleine enthielt, ohne sich zu behindern. Nach dieser Demonstration beklagte sich Fa Tsang darüber, daß dieses statische Modell nicht in der Lage wäre, die ständige, vieldimensionale Bewegung im Universum und die unbehinderte gegenseitige Durchdringung von Zeit und Ewigkeit sowie von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft widerzuspiegeln (45).

In der Jaina-Tradition wird das holonome Weltverständnis in einer höchst anspruchsvollen Weise kultiviert. Nach der jainistischen Kosmologie besteht die phänomenale Welt aus einem unendlich komplexen System von Illusionen getäuschter Bewußtseinseinheiten oder Shivas, die in Materie in unterschiedlichen Stadien des kosmischen Zyklus gefangen sind. Dieses Denkmodell verbindet das Bewußtsein und den Shiva-Begriff nicht nur mit menschlichen oder tierischen Formen, sondern auch mit Pflanzen und anorganischen Objekten bzw. Prozessen.

Die Monaden der Leibnizschen Philosophie (113) haben viele Merkmale der jainistischen Shivas. Alles Wissen über das gesamte Universum kann aus den Informationen über eine einzige Monade erschlossen werden. Es ist in diesem Zusammenhang interessant, daß von Leibniz auch der Begründer des mathematischen Verfahrens war, das zur Entwicklung der Holographie beitrug. Die Technik der Holographie kann als höchst eindrucksvolle Veranschaulichung der Prinzipien des holonomen Ansatzes dienen. Es scheint deshalb angebracht, unsere Diskussion mit einer Beschreibung ihrer grundlegenden technologischen Prinzipien zu beginnen.

Die Holographie ist ein Photographieverfahren ohne Anwendung von Linsen, mit dem man dreidimensionale, ungewöhnlich wirklichkeitsgetreue Abbilder von materiellen Gegenständen herstellen kann. Die mathematischen Prinzipien dieser revolutionären Technik wurden von dem britischen Wissenschaftler Dennis Gabor gegen Ende der vierziger Jahre entwickelt. 1971 erhielt Gabor für seine Leistungen den Nobelpreis. Die Hologramme und die Holographie beruhen nicht auf den Prinzipien der geometrischen Optik, in denen sich das Licht aus diskreten Teilchen oder Photonen zusammensetzt.

Die holographische Methode baut vielmehr auf dem Prinzip der Übereinanderschichtung und auf Interferenzmustern des Lichts auf. Sie setzt voraus, daß das Licht als ein Wellenphänomen begriffen wird. Die geometrisch-optischen Prinzipien gelten bei verschiedenen optischen Instrumenten, etwa beim Fernrohr, beim Mikroskop oder beim Photoapparat. Diese nutzen das von den Gegenständen reflektierte Licht und seine Intensitäten, nicht seine Phase. In der mechanischen Optik gibt es keine Vorrichtung für das Aufzeichnen der Interferenzmuster.

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Die Technik der Holographie: Ein Laserstrahl wird durch einen halbversilberten Spiegel geteilt. Ein Teil (der Arbeitsstrahl) geht durch den Spiegel hindurch und wird auf das zu photographierende Objekt gerichtet. Dort wird er von ihm reflektiert und erreicht die photographische Platte. Der andere Teil (Vergleichsstrahl) wird direkt auf die Platte reflektiert. Wenn sich die beiden Laserstrahlen wieder vereinigen, wird das Interferenzmuster in der Filmschicht festgehalten. Die spätere Illumination dieses aufgezeichneten Interferenzmusters erzeugt ein dreidimensionales Abbild des photographierten Gegenstands.

Genau das aber macht das Wesentliche der Holographie aus, die auf der Interferenz eines reinen monochromatischen und kohärenten Lichts (Licht einer einzigen Wellenlänge) basiert. In der eigentlichen Technik der Holographie wird ein Laserstrahl geteilt und mit Hilfe zweier Spiegel auf das zu photographierende Objekt geworfen (siehe Abbildung). Das resultierende Interferenzmuster wird auf einer photographischen Platte festgehalten. Die nachfolgende Illumination dieser Platte mit Laserlicht ermöglicht eine dreidimensionale Abbildung des ursprünglichen Gegenstands.

Die holographischen Bilder haben viele Eigenschaften, die sie als die denkbar besten Modelle für psychedelische Phänomene und andere Erlebnisse in außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen erscheinen lassen. Sie ermöglichen die Veranschaulichung vieler formaler Merkmale von LSD-Visionen wie auch verschiedener wichtiger Aspekte ihres Inhalts. Die rekonstruierten Bilder sind dreidimensional und von einer lebendigen Wirklichkeitsnähe, die der alltäglichen Wahrnehmung der materiellen Welt nahekommt oder ihr sogar ebenbürtig ist. Im Gegensatz zu den Bildern in der heutigen Kinematographie ist die Dreidimensionalität holographischer Bilder nicht lediglich vorgetäuscht. Sie haben echte räumliche Merkmale, einschließlich einer echten Parallaxe.22) Sie ermöglichen die selektive Konzentration der Aufmerksamkeit auf verschiedene Ebenen und eine Wahrnehmung innerer Strukturen durch transparente Medien.

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Durch eine Veränderung des Brennpunkts läßt sich die Wahrnehmungstiefe beeinflussen und man kann nach Belieben verschiedene Teile des Sichtfeldes verschwimmen lassen oder schärfer machen. So gibt es beispielsweise heutzutage verfeinerte holographische Techniken, bei denen man Filme mit mikroskopisch feiner Körnung verwendet. Mit diesen kann man ein Hologramm von einem Blatt herstellen, an dem man durch die Änderung der Einstellung an einem Mikroskop die Zellstruktur studieren kann.

 

Eine Eigenschaft, die für Modellvorstellungen von der Welt psychedelischer und mystischer Phänomene besondere Relevanz besitzt, ist die unglaubliche Kapazität für die Speicherung von Informationen. In der Filmschicht, die in der herkömmlichen Photographie nur für ein Bild geeignet ist, können bis zu mehrere hundert Bilder festgehalten werden. Durch aufeinanderfolgende Aufnahmen kann ein Bild mit zwei Personen oder einer ganzen Gruppe gemacht werden, wobei man jedesmal den Aufnahmewinkel beibehalten oder ihn leicht verändern kann.

Im ersteren Fall erzeugt die nachfolgende Illumination des entwickelten Films ein zusammengesetztes oder verdichtetes Bild der betreffenden zwei Personen oder der Gruppe (etwa aller Mitarbeiter eines wissenschaftlichen Instituts oder aller Mitglieder einer Fußballmannschaft). Auf gleichem Raum stellt dieses Bild keinen von ihnen in seiner Besonderheit und alle gleichzeitig dar.

Diese echt zusammengesetzten Bilder sind ein außerordentlich treffendes Modell für einen bestimmten Typus transpersonaler Erlebnisse, nämlich für archetypische Vorstellungen etwa vom kosmischen Menschen, von der Frau, der Mutter, dem Vater, dem oder der Geliebten, dem Trickster, dem Narren, dem Märtyrer, oder für verallgemeinerte Visionen von einem Volk oder einem Berufsstand, etwa für Visionen von dem Juden oder dem Wissenschaftler. Ein ähnlicher Mechanismus scheint in einem anderen Phänomen, das man häufig in psychedelischen Sitzungen beobachten kann, wirksam zu sein, nämlich im Erlebnis der Verwandlung von Personen oder Dingen in der Umgebung.

So können der Therapeut oder die Therapeutin gleichzeitig als solche selbst oder als Vater, Mutter, Henker, Richter, Teufel, alle Männer oder alle Frauen zugleich wahrgenommen werden. Das Behandlungszimmer kann in seiner alltäglichen Form und zwischendurch immer wieder als Harem, Renaissanceschloß, mittelalterliches Verlies, Todeszelle oder als Hütte auf einer Südseeinsel erscheinen. Werden holographische Bilder aus verschiedenen Winkeln aufgenommen, so können alle Aufnahmen durch Wiederherstellung der ursprünglichen Aufnahmebedingungen der Reihe nach einzeln aus derselben Filmschicht herausgeholt werden. Dies veranschaulicht einen anderen Aspekt visionärer Erlebnisse, nämlich daß im gleichen Wahrnehmungsfeld zahllose Bilder wie durch Zauberei rasch hintereinander entstehen und wieder vergehen können. Die einzelnen holographischen Abbildungen können als getrennt voneinander wahrgenommen werden, doch sind sie gleichzeitig wesentliche Bestandteile einer sehr viel breiteren, undifferenzierten Matrix von Interferenzmustern des Lichts, aus denen sie ursprünglich hervorgingen.

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Diese Tatsache läßt sich als ein elegantes Modell für andere Arten oder Aspekte transpersonalen Erlebens verwenden. Die holographischen Bilder können so aufgenommen werden, daß die im einzelnen abgebildeten Gegenstände oder Personen verschiedenen Raum einnehmen, wie etwa in Simultanaufnahmen eines Paares oder einer Gruppe von Menschen. In diesem Fall zeigt sie das Hologramm als zwei voneinander getrennte Individuen oder als eine Gruppe von Leuten. Jeder aber, der mit den Prinzipien der Holographie vertraut ist, weiß, daß sie auch als ein vollkommen undifferenziertes Lichtfeld gesehen werden können, das durch bestimmte Interferenzmuster die Illusion der Getrenntheit erzeugt. Eben diese Relativität von Getrenntheit und Einheit, vom Teil und dem Ganzen ist für die mystische und psychedelische Erfahrung wesentlich. Es läßt sich nur schwer ein idealeres Modell und pädagogisches Hilfsmittel als die Holographie vorstellen, um diesen sonst unverständlichen und paradoxen Aspekt außergewöhnlicher Bewußt-seinszustände zu verdeutlichen.

Die interessantesten Eigenschaften von Hologrammen sind wohl die, die sich auf das »Gedächtnis« und die Reaktivierung gespeicherter Informationen beziehen. In vermischten Hologrammen ist das Gedächtnis mehr oder weniger gleichmäßig verteilt. Jeder kleine Teil, der groß genug ist, um das gesamte Muster der Lichtbrechung zu enthalten, enthält auch die Informationen über die Gesamtgestalt. Je kleiner der Teil des Hologramms ist, der für die Wiederherstellung des Bildes verwendet wird, desto schwächer ist auch das Auflösungsvermögen bzw. desto höher das Rauschverhältnis, doch die Gesamteigenschaften des Ganzen werden beibehalten. Die holographische Technik ermöglicht auch die künstliche Herstellung von Bildern nicht existierender Objekte durch Kombinieren verschiedener Einzelinputs. Dieser Mechanismus könnte für die zahlreichen Kombinationen und symbolischen Variationen des unbewußten Materials, die man in psychedelischen Sitzungen und Träumen beobachten kann, verantwortlich sein.

Die Merkmale der Speicherung und Reaktivierung von Informationen in holographischen Systemen eröffnen auch interessante neue Möglichkeiten der Interpretation bestimmter wichtiger Aspekte des psychedelischen Erlebens oder bestimmter Phänomene in der Freudschen Psychoanalyse. Sie könnten die Tatsache erklären, daß jede individuelle psychische Gestalt - sei es eine Vision, eine Phantasie, ein psychosomatisches Symptom oder ein Gedanke - enorm viel über die Persönlichkeit des oder der Betreffenden aussagt. Die freien Assoziationen und die analytische Arbeit in Verbindung mit jedem winzigen Detail des Erlebens können somit erstaunlich viele Informationen über den betreffenden Menschen zutage bringen. Eine andere Beobachtung, die im Zusammenhang mit dieser Eigenschaft holographischer Systeme stehen kann, ist die Tatsache, daß eine bestimmte unbewußte Gestalt eventuell in vielen symbolischen Variationen und Verkleidungen auftritt, ehe sie schließlich ohne jede Verzerrung bewußt wird.

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Das Phänomen des verteilten Gedächtnisses läßt vielleicht auch am besten die Tatsache verstehen, daß Personen unter LSD-Einwirkung in bestimmten Bewußt-seinszuständen Zugang zu Informationen über beinahe jeden Aspekt des Universums haben. Der holographische Ansatz ermöglicht auch sich vorzustellen, wie die durch das Gehirn vermittelten Informationen in jeder seiner Zellen enthalten sind, oder wie die genetischen Informationen über den gesamten Organismus in jeder einzelnen Körperzelle gespeichert werden.

In einem Modell vom Universum, in dem — wie im Modell der mechanistischen Wissenschaft — der Schwerpunkt auf Substanz und Quantität ruht, unterscheidet sich ein Teil vom Ganzen in offenkundiger und absoluter Weise. In einem Modell hingegen, das das Universum als ein System von Schwingungen darstellt und in dem der Aspekt der Information statt der der Substanz hervorgehoben wird, gilt diese Unterscheidung nicht mehr. Dieser radikale Umschwung, der sich einstellt, wenn man das Schwergewicht von der Substanz auf die Information verlagert, kann am menschlichen Körper verdeutlicht werden. Obwohl jede Zelle des Körpers nur ein ganz gewöhnlicher Teil von ihm ist, besitzt sie über den genetischen Kode den Zugang zu allen Informationen über ihn. Es läßt sich vorstellen, daß in ähnlicher Weise alle Informationen über das Universum anhand eines jeden seiner Teile gewonnen werden können. Die Demonstration dessen, wie elegant sich der scheinbar absolute Unterschied zwischen dem Teil und dem Ganzen auflöst, ist vermutlich der wichtigste Einzelbeitrag des holographischen Modells zur Theorie der modernen Bewußtseinsforschung. Die geschilderten Parallelen zwischen der Holographie und den psychedelischen Erfahrungen sind höchst bemerkenswert, insbesondere wenn man bedenkt, daß sich diese Technologie noch in ihren Anfangsstadien befindet. Man vermag kaum vorherzusagen, wie weit sich ihre Entwicklung in naher Zukunft auswirken wird. Zwar sind die Probleme in Verbindung mit einer dreidimensionalen holographischen Kinematographie und Fernsehtechnik beträchtlich, doch liegt ihre Lösung durchaus im Bereich des Möglichen. Ein anderes eindrucksvolles Anwendungsgebiet der Holographie, das sich noch im Anfangsstadium befindet, ist das Erkennen von Buchstaben, Mustern und Symbolen sowie das Übersetzen von einer Symbolsprache in eine andere.

Das Hologramm ist in seiner Funktion als theoretisches Modell für das Verständnis des Wesens der Ganzheit zwar extrem nützlich, doch hält es lediglich auf statische Weise eine Bewegung komplexer elektromagnetischer Felder fest. Dies verdeckt gewisse wichtige Eigenschaften und Möglichkeiten der Holographie. In Wirklichkeit ist die Bewegung der Lichtwellen (und anderer Schwingungsphänomene) überall vorhanden und breitet sich im Prinzip über das gesamte Universum von Raum und Zeit aus. Diese Felder unterliegen quantenmechanischen Gesetzen und implizieren die Eigenschaften der Diskontinuität und Nichtlokalität. Die Gesamtheit aller Schwingungsprozesse geht daher weit über das hinaus, was sich der wissenschaftlichen Beobachtung offenbart.

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Neuere revolutionäre Entdeckungen des argentinisch-italienischen Forschers Hugo Zucarelli übertrugen das holographische Modell auch auf die Welt akustischer Phänomene. Zucarelli wurde schon früh in seinem Leben von den Problemen beeindruckt, die in Verbindung mit der Fähigkeit verschiedener Organismen standen, Geräusche mit ihren akustischen Wahrnehmungsorganen zu lokalisieren. Durch eine sorgfältige Untersuchung und Analyse der Mechanismen, mit denen verschiedene Spezies im Stammbaum der Evolution die Geräuschquellen genau identifizieren können, kam er zu dem Schluß, daß die bestehenden Modellvorstellungen vom Hören wichtige Eigenschaften der akustischen Wahrnehmung beim Menschen nicht zu erklären vermochten.

Die Tatsache, daß Menschen die Quelle von Geräuschen ohne Kopfbewegungen oder Verstellungen des Ohrs ausmachen können, legte die Vermutung nahe, daß der Vergleich zwischen den Intensitäten der akustischen Reizung des rechten und des linken Ohrs nicht der Mechanismus für die menschlichen Fähigkeiten in diesem Bereich war. Dazu kam, daß Menschen, die auf einer Seite kein Hörvermögen mehr besitzen, immer noch Geräusche lokalisieren können. Um alle Merkmale des räumlichen Hörens angemessen zu erklären, mußte man also postulieren, daß die akustische Wahrnehmung beim Menschen holographischen Prinzipien unterworfen ist. Das machte die Annahme erforderlich, daß das menschliche Ohr sowohl Sender- als auch Empfängerfunktion hat.

Durch wirklichkeitsgetreue Nachahmung dieser Mechanismen beim Aufnehmen von Geräuschen entwickelte Zucarelli die Technologie des holophonen Klangs. Holophone Aufnahmen vermögen die akustische Wirklichkeit mit all ihren räumlichen Eigenschaften in einem Maß zu reproduzieren, daß es ohne ständige visuelle Kontrolle praktisch unmöglich ist, zwischen der Wahrnehmung der aufgenommenen Phänomene und den tatsächlichen Geschehnissen in der dreidimensionalen Welt zu unterscheiden. Außerdem bewirkt das Hören holophoner Aufnahmen von Ereignissen, die andere Sinne stimulieren, in der Regel Synäs-thesien, d. h. die entsprechenden Wahrnehmungen in anderen Sinnesbereichen. So weckt das Geräusch einer sich öffnenden und schließenden Schere dicht über der Kopfhaut den realistischen Eindruck, daß einem die Haare geschnitten werden. Das Summen eines elektrischen Haartrockners kann die Empfindung verursachen, daß heiße Luft durch die Haare geblasen wird. Hört man jemanden, der ein Streichholz anzündet, dann vermeint man deutlich den verbrannten Schwefel zu riechen, und mit der Stimme einer Frau, die einem etwas ins Ohr flüstert, glaubt man auch ihren Atem wahrzunehmen.

Die Technik des holophonen Klangs hat ohne Zweifel tiefgehende Auswirkungen auf viele Bereiche des menschlichen Lebens. Sie revolutionierte nicht nur das Verständnis der Physiologie und Pathologie des Hörens, sondern eröffnet auch ungeahnte Anwendungsmöglichkeiten in Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, im Rahmen der Massenmedien und der Unterhaltungsindustrie, in der Kunst, in Religion, Philosophie und vielen anderen Gebieten.

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Die geschilderten außergewöhnlichen Wirkungen der holophonen Technologie werfen auch ein völlig neues Licht auf die Tatsache, daß dem Klang in verschiedenen spirituellen Philosophien und mystischen Schulen eine große Bedeutung beigemessen wird. Die in alten indischen Philosophien angenommene wesentliche Rolle des kosmischen Lauts OM bei der Erschaffung der Welt, die tiefe Verbindung zwischen verschiedenen akustischen Schwingungen und den einzelnen Chakras im Tantra- und Kundalini-Yoga, die mystischen und magischen Eigenschaften, die den Lauten im hebräischen und ägyptischen Alphabet zugeschrieben werden, die Verwendung von Klängen als heilige Maßnahme im Schamanismus und in Heilungszeremonien von Naturvölkern sowie als hochwirksames Mittel zur Vermittlung der Erfahrung anderer Wirklichkeiten - all dies sind nur einige wenige Beispiele für die übergeordnete Funktion, die der Klang in der Geschichte der Religionen innehat. Die Entdeckung des holophonen Klangs ist somit ein wichtiger Beitrag zu einem sich abzeichnenden Paradigma, das die Kluft zwischen moderner Wissenschaft und alter Weisheit überbrückt.

Die Möglichkeiten der Holographie und Holophonie mögen zwar faszinierend sein, doch sollte man sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht hinreißen lassen und sie wahllos und im allzu wörtlichen Sinn auf die Bewußtseinsforschung übertragen. Schließlich können Hologramme und holophone Aufnahmen nur bestimmte wesentliche Aspekte von Ereignissen in der materiellen Welt kopieren, wohingegen das Spektrum transpersonaler Erlebnisse viele Phänomene umfaßt, die zweifellos aktive Kreationen der Psyche sind und nicht einfach Replikationen von existierenden Objekten und Ereignissen oder ihren Abkömmlingen und Neukombinationen. Außerdem gibt es in außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen bestimmte Phänomene, die gegenwärtig nicht direkt vom holonomen Modell abgeleitet werden können, wenn auch einige von ihnen in der Form der Synästhe-sien, die durch holophonen Klang verursacht werden, auftreten. Dazu gehören das Empfinden von Temperaturwechsel und körperlichen Schmerzen, Empfindungen des Tastsinns, die Wahrnehmung verschiedener Gerüche und Geschmäk-ker, verschiedene emotionale Merkmale u. a.

Im Falle der optischen Holographie existieren die holographischen Bilder, das Lichtfeld, dem sie entstammen, sowie der Film, der sie reproduziert, auf der gleichen Realitätsebene. Bei normalem Bewußtsein können sie alle gleichzeitig wahrgenommen oder entdeckt werden. Entsprechend sind unter normalen Bewußtseinsbedingungen auch sämtliche Elemente eines holophonen Systems unseren Sinnen und Instrumenten zugänglich.

David Böhm, ein prominenter theoretischer Physiker, der früher Mitarbeiter von Albert Einstein war und grundlegende Texte über die Relativitätstheorie sowie die Quantenmechanik verfaßt hat, stellte ein revolutionäres Modell des Universums auf, das die holonomen Prinzipien in Bereiche ausweitet, die sich gegenwärtig nicht direkt beobachten und wissenschaftlich untersuchen lassen.

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Um die Kopfzerbrechen bereitenden Paradoxien der modernen Physik zu lösen, erweckte Böhm die Theorie der verborgenen Variablen, die von so bedeutenden Physikern wie Heisenberg und von Neumann schon lange als widerlegt betrachtet worden war, zu neuem Leben. Die sich daraus ergebende Sicht der Realität macht eine weitgehende Umformulierung der grundlegenden philosophischen Annahmen der westlichen Wissenschaft notwendig.23)

Böhm stellt die Realität im allgemeinen und das Bewußtsein im besonderen als ein ungebrochenes und zusammenhängendes Ganzes dar, das sich in einem niemals endenden Prozeß der Veränderung befindet, den er »holomovement« (wörtlich: Ganzbewegung) nennt. Die Welt ist in einem ständigen Fluß, und stabile Strukturen jeglicher Art sind nichts anderes als Abstraktionen. Jedes beschreibbare Objekt, jede Einheit oder jedes Ereignis leiten sich von einem undefinierbaren und unbekannten Ganzen ab.

Die Phänomene, die wir direkt mit unseren Sinnen und mit Hilfe wissenschaftlicher Instrumente wahrnehmen — also die gesamte Welt, die von der mechanistischen Wissenschaft untersucht wird —, ist nur ein Bruchstück der Wirklichkeit, nämlich die entfaltete bzw. ausgefaltete (explicate) Ordnung. Sie stellt eine Sonderform dar, die in einer umfassenderen Existenzform enthalten ist und aus ihr hervorgeht. Diese wird als eingefaltete potentielle (implicate) Ordnung bezeichnet.

In dieser »impliziten« Ordnung sind Raum und Zeit nicht mehr die maßgeblichen Faktoren, die die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen verschiedenen Elementen bzw. ihre Unabhängigkeit bestimmen. Verschiedene Aspekte der Existenz stehen in einem sinnvollen Zusammenhang mit dem Ganzen und sind nicht einfach isolierte Bausteine, sondern erfüllen bestimmte Funktionen im Hinblick auf einen Endzweck. Das Bild vom Universum, das hier gezeichnet wird, hat Ähnlichkeit mit einem lebenden Organismus, dessen Organe, Gewebe und Zellen nur in Beziehung zum Ganzen begriffen werden können. Böhm hat seine Theorie in erster Linie im Hinblick auf dringliche Probleme der Physik entworfen, doch hat sie revolutionäre Implikationen nicht nur für das Verständnis der physikalischen Realität, sondern des Phänomens des Lebens, des Bewußtseins und der Funktion von Wissenschaft und Wissen im allgemeinen. Nach Böhms Theorie läßt sich das Leben nicht mit toter Materie erklären oder daraus ableiten. Andererseits kann man keine scharfe und absolute Trennung zwischen beiden vornehmen. Sowohl das Leben als auch die tote Materie haben ihren gemeinsamen Ursprung ini »holomovement«. Die tote Materie bildet ein relativ autonomes Unterganzes, in dem das Leben »implizit« enthalten ist, sich aber nicht bedeutsam manifestiert.

Im Gegensatz zu den Idealisten und Materialisten meint Böhm, daß Materie und Bewußtsein sich nicht aufeinander zurückführen lassen. Beide sind Abstraktionen der impliziten Ordnung, die ihre gemeinsame Grundlage bildet, und stellen somit eine untrennbare Einheit dar. Entsprechend sind das Wissen über die Wirklichkeit im allgemeinen und die Wissenschaft im besonderen Abstraktionen

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des einen großen Flusses. Sie sind nicht Reflexionen über die Realität und von ihr unabhängige Beschreibungen, sondern ein wesentlicher Teil des »holomove-ment«. Das Denken hat zwei wichtige Aspekte: auf sich allein gestellt ist es mechanisch und bezieht seine im allgemeinen unangemessene und irrelevante Ordnung vom Gedächtnis. Es kann aber auch direkt auf die Intelligenz reagieren, die ein freies, unabhängiges und nicht schon beeinflußtes Element ist, das im »holomovement« seinen Ursprung hat. Wahrnehmung und Wissen, einschließlich der wissenschaftlichen Theorien, sind Ergebnisse kreativer Aktivitäten, die sich mit künstlerischen Schaffensprozessen vergleichen lassen, aber nicht objektive Widerspiegelungen einer unabhängig existierenden Realität. Die wahre Realität ist unmeßbar, und echte Einsichten stellen gerade das Unmeßbare als das Wesentliche der Realität heraus.

Die begriffliche Zerstückelung der Welt, die für die mechanistische Wissenschaft charakteristisch ist, droht einen Zustand schwerer Disharmonie zu schaffen und hat gefährliche Folgen. Sie neigt nicht nur dazu, zu trennen, was untrennbar ist, sondern auch zu vereinigen, was sich nicht vereinigen läßt, und damit artifizielle Strukturen hervorzubringen, etwa nationale, ökonomische, politische und religiöse Gruppen. Sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was anders ist und was nicht, bedeutet über alles verwirrt zu sein. Das unausweichliche Resultat sind emotionale, ökonomische, politische und ökologische Krisen. Böhm wies auch darauf hin, daß diese theoretische Zerstückelung durch die Struktur unserer Sprache gefördert wird, die eine Trennung in Subjekt, Verb und Objekt vollzieht. Er legte den Grundstein zu einer neuen Sprache, dem »rheomode« (Rheomodus). Diese Sprache macht es unmöglich, beobachtbare Tatsachen mit Hilfe isoliert existierender Dinge, die ihrem Wesen nach statischer Natur sind, zu erklären, und beschreibt die Welt in einem Zustand des Fließens, also als einen dynamischen Prozeß.

Nach Böhms Ansicht ist die gegenwärtige Situation der westlichen Wissenschaft auf das Engste mit der Verwendung optischer Linsen verknüpft. Die Erfindung von Linsen ermöglichte eine Ausweitung wissenschaftlicher Forschungen über die klassische Ordnung hinaus in die Bereiche von Objekten, die für das unbewaffnete Auge zu klein, zu groß, zu weit entfernt oder in zu rascher Bewegung sind. Der Gebrauch von Linsen verstärkt die Wahrnehmung der verschiedenen Teile eines Gegenstandes und ihrer wechselseitigen Beziehungen. Dies fördert die Tendenz zum analytischen und synthetischen Denken. Einer der wichtigsten Beiträge der Holographie besteht darin, daß sie zu einem unmittelbaren Einblick in die ungeteilte Ganzheit verhilft, die ein wesentliches Merkmal des aus der Quantenmechanik und der Relativitätstheorie hervorgehenden Weltbildes ist. Die modernen Naturgesetze sollten in erster Linie dieses ungebrochene Ganze hervorheben, in dem jedes alles andere impliziert, statt eine Analyse in voneinander getrennte Teile vorzunehmen, wie es der Gebrauch von Linsen nahelegt.

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David Böhm ging vermutlich von allen Physikern am weitesten, als er das Bewußtsein ausdrücklich in seine theoretischen Spekulationen einbezog. Nach Fritjof Capras Ansicht gehören David Böhms Theorie des »holomovement« und Geoffrey Chews »bootstrap«-Philosophie zu den einfallsreichsten und philosophisch tiefgründigsten Ansätzen zum Verständnis der Wirklichkeit. Er weist auf die enge Verwandtschaft zwischen ihnen hin und erwägt die Möglichkeit, daß sie in der Zukunft zu einer umfassenden Theorie physikalischer Phänomene verschmelzen. »Beide Betrachtungsweisen beruhen auf einer Anschauung von der Welt als einem dynamischen Gewebe von Zusammenhängen; beide messen dem Begriff der Ordnung eine zentrale Rolle bei; beide verwenden Matrizen, um Wandel und Umgestaltung darzustellen, sowie die Topologie, um Ordnungskategorien zu klassifizieren« (26).

Kaum vorstellbar ist, wie sich David Böhms Vorstellungen vom Bewußtsein, vom Denken und von der Wahrnehmung in die herkömmlichen mechanistischen Ansätze der Neurophysiologie und Psychologie einfügen könnten. Doch hat es in neuerer Zeit einige revolutionäre Entwicklungen in der Gehirnforschung gegeben , die die Situation erheblich verändert haben. Der Neurochirurg Karl Pribram (157-160) hat ein originelles und einfallsreiches Modell vom Gehirn entworfen, in dem er postuliert, daß bestimmte wesentliche Aspekte von Hirnfunktionen auf holographischen Prinzipien beruhen. Böhms Modell vom Universum und Pribrams Modell vom Gehirn sind zwar noch nicht zu einem umfassenden Paradigma integriert worden, doch weckt die Tatsache große Hoffnungen, daß beide die holographischen Prinzipien hervorheben.

Pribram, der sich durch seine jahrzehntelangen experimentellen Forschungen auf den Gebieten der Neuro­chirurgie und Elektrophysiologie einen besonderen Ruf erworben hatte, sieht die Anfänge seines holographischen Modells in den Untersuchungen seines Lehrers, Karl Lashley. Dieser hatte in zahlreichen Experimenten mit Ratten, in denen er sich mit dem Problem der Lokalisation psychischer und physiologischer Funktionen in verschiedenen Gehirnbereichen befaßte, die Entdeckung gemacht, daß Erinnerungen in jedem Teil der Gehirnrinde gespeichert waren und daß ihre Intensität von der Gesamtheit der intakten kortikalen Zellen abhing.

In seinem Buch Brain Mechanisms and Intelligence (110) vertrat er die Meinung, daß das Feuern von Millionen Neuronen im Gehirn zu stabilen Interferenzmustern führt, die sich über die gesamte Großhirnrinde ausbreiten und die Grundlage für alle Informationen des Wahrnehmungssystems und des Gedächtnisses bilden. Pribram bemühte sich nun, die im Zusammenhang mit dieser Art Experimente auftauchenden theoretischen Probleme zu lösen, und stieß dabei auf bestimmte erstaunliche Eigenschaften optischer Hologramme.

Er gelangte zu der Erkenntnis, daß ein auf holographischen Prinzipien basierendes Modell der Gehirnfunktionen viele seiner scheinbar rätselhaften Eigenschaften erklären könnte, etwa die gewaltige Speicherungskapazität, die Verteilung der gespeicherten Erinnerungen, die Fähigkeit des sensorischen Systems zur bildhaften Vergegenwärtigung früherer Wahrnehmungsinhalte, die Projektion der vorgestellten Wahrnehmungsinhalte weg vom Ort ihrer Speicherung, einige wichtige Aspekte von assoziativen Erinnerungen usw.

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Bei näherem Eindringen in die Materie kam Pribram zu dem Schluß, daß der holographische Prozeß als höchst ernstzunehmendes Erklärungsprinzip für die Neurophysiologie und die Psychologie in Betracht gezogen werden müsse. In seinem Buch Languages of the Brain (157) und in einer Reihe von Aufsätzen formulierte er die grundlegenden Prinzipien eines Modells, das später als das holographische Modell des Gehirns bekannt werden sollte. Nach seinen Forschungen waren die Hologramme, die sich am besten für einen Vergleich eigneten, jene, die in Form der sogenannten Fourierschen Transformationen ausgedrückt werden konnten. Das Fourier-Theorem besagt, daß jedes Muster, wie komplex es auch sei, in einen Satz vollkommen regelmäßiger Sinuswellen zerlegt werden kann. Durch die Anwendung der identischen Transformation können die Wellenmuster wieder in das ursprüngliche Bild zurück überführt werden.

Die holographische Hypothese widerspricht nicht der spezifischen Lokalisation von Funktionen in verschiedenen Systemen des Gehirns. Die Funktionslokalisa-tion hängt weitgehend von Verbindungen zwischen dem Gehirn und peripheren Strukturen ab. Diese bestimmen, was verschlüsselt wird. Die holographische Hypothese bezieht sich auf das Problem der Verbindungen innerhalb eines jeden Systems, die festlegen, wie Ereignisse verschlüsselt werden. Ein anderer interessanter Ansatz zur Lösung des Lokalisationsproblems geht von Dennis Gabors Auffassung aus, daß der Fourier-Bereich durch ein »Fenster«, das die Bandbreite einschränkt, in Informationseinheiten mit der Bezeichnung Logone zerlegt werden kann. Das Fenster läßt sich so anpassen, daß die Informationsverarbeitung manchmal in erster Linie im holographischen Bereich, andere Male wiederum vor allem im Raum-Zeit-Bereich erfolgt. Dies wirft ein interessantes Licht auf das Rätsel, daß Gehirnfunktionen sowohl lokalisiert als auch verteilt erscheinen. Pribrams Hypothese ist eine echte Alternative zu den beiden Modellen von der Funktionsweise des Gehirns, die bis vor kurzem als die einzig möglichen galten, nämlich die Feldtheorie und die Theorie der Merkmalskorrespondenz.

Beide Theorien betonen die Isomorphie. Sie postulieren, daß die Repräsentierung eines Reizes im Zentralnervensystem seine grundlegenden Eigenschaften in der Wirklichkeit widerspiegelt. Nach der Feldtheorie erzeugt die Sinnesreizung Gleichstromfelder, die die gleiche Form wie der Reiz haben. Die Merkmalskorrespondenztheorie besagt, daß eine bestimmte Zelle oder ein bestimmter Zell verband in einzigartiger Weise auf ein bestimmtes Merkmal des Sinnesreizes reagiert. Diese lineare Entsprechung oder Identität zwischen der phänomenalen Erfahrung und ihrer Darstellung im Gehirn fehlt in der holographischen Hypothese, so wie es auch keine lineare Entsprechung zwischen dem bei richtiger Illuminierung des Films entstehenden Bild und der Struktur des Hologramms gibt.

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Die holographische Hypothese zielt nicht darauf ab, alle Probleme der Gehirnphysiologie und der Psychologie zu lösen. Aber schon in ihrem jetzigen Stadium weist sie der zukünftigen Forschung neue und vielversprechende Wege. Überzeugende experimentelle Daten und mathematische Beschreibungen gibt es bisher für die optische und die akustische Wahrnehmung sowie das Körperempfinden.

Pribram sah sich in der Lage, seine holographische Hypothese mit wichtigen Aspekten der Gehirnanatomie und -physiologie in Verbindung zu bringen (159-160). Neben der normalen Übertragung neuronaler Impulse zwischen dem Zentralnervensystem und den peripheren Rezeptoren und Effektoren unterstrich er auch die Bedeutung langsamer Potentialschwankungen zwischen den Synapsen, die auch in der Abwesenheit nervöser Impulse auftreten. Diese gehen von Zellen mit zahlreichen dendritischen Fortsätzen und kurzen oder gar keinen Axonen aus. Während die neuronalen Impulse dem »Alles-oder-Nichts-Prinzip« gehorchen, sind diese langsamen Potentialveränderungen fein abgestuft und werden an den Verbindungsstellen zwischen den Neuronen kontinuierlich stärker und schwächer. Pribram meint, daß diese »parallele Verarbeitung« für die holographische Funktionsweise des Gehirns von großer Wichtigkeit ist. Das Zusammenwirken der beiden genannten Systeme führt zu Wellenphänomenen, die holographischen Prinzipien gehorchen.24)

Die langsamen Potentialschwankungen reagieren sehr fein auf verschiedene Einflüsse. Hier eröffnet sich eine interessante Basis für Spekulationen über die Beziehungen zwischen dem Bewußtsein und den Gehirnmechanismen und auch für theoretische Überlegungen über die psychischen Auswirkungen psychoaktiver Drogen und Medikamente sowie verschiedener bewußtseinsverändernder Techniken ohne die Anwendung von Drogen. Besondere Aufmerksamkeit verdient aus dieser Sicht die Technik der holonomen Integration, bei der Hyperventilation mit Musik und gezielter Körperarbeit kombiniert wird. Eine Besprechung dieser Technik findet sich in einem späteren Abschnitt dieses Buchs. Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang auch die Meditation und das Biofeedback, in denen Gehirnwellen mit niedriger Frequenz eine wichtige Rolle spielen.

 

Wie ich schon früher erwähnte, sind die Theorien von David Böhm und Karl Pribram weit davon entfernt, in ein umfassendes Paradigma integriert zu werden. Selbst wenn eine solche Synthese in Zukunft geleistet würde, könnte der resultierende theoretische Rahmen nicht alle Phänomene, die in der modernen Bewußtseinsforschung beobachtet werden, befriedigend erklären. Pribram und Böhm befassen sich zwar mit Problemen der Psychologie, Philosophie und Religion, doch leiten sie ihre wissenschaftlichen Daten in erster Linie aus den Bereichen der Physik und der Biologie ab, wohingegen in vielen psychedelischen und mystischen Zuständen nichtmaterielle Ebenen der Realität unmittelbar erfahren werden. 

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Der holonome Ansatz lenkt aber zweifellos ein seriöses wissenschaftliches Interesse auf viele transpersonale Phänomene, für die das grobe und schwerfällige mechanistische Paradigma lediglich ein überhebliches Lächeln übrig hat. Solange man sich bemüht, die neuen Untersuchungsergebnisse aus der Bewußtseinsforschung zu Daten aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen in Beziehung zu setzen statt — wie einige entschiedende Verfechter der philosophia perennis — die allgemeine wissenschaftliche Entwicklung vollständig zu ignorieren, kann man sich von den neuen theoretischen Rahmenkonzepten aussichtsreiche Perspektiven erhoffen.

Ich selber ziehe im Hinblick auf die Bewußtseinsforschung Modelle vor, die sich in erster Linie auf Beobachtungen in Disziplinen stützen, die sich mit dem menschlichen Erleben befassen, also auf Beobachtungen aus der Psychologie, der Anthropologie, der Parapsychologie, der Thanatologie, der philosophia perennis u.a. Bei der Ausarbeitung dieser Modelle kann man sich von Entwicklungen in anderen Disziplinen, die damit vereinbar sind und auf solider Grundlage ruhen, inspirieren lassen.

Da eine perfekte Integration verschiedener Ansätze selbst in verschiedenen Bereichen der Physik, die Phänomene auf der gleichen Realitätsebene beschreiben, noch nicht gelungen ist, wäre es absurd, eine vollkommene Synthese von Systemen zu erwarten, die sich auf verschiedene hierarchische Ebenen beziehen. Es läßt sich aber vorstellen, daß bestimmte universelle Prinzipien entdeckt werden, die für verschiedene Bereiche gelten, auch wenn sie in jedem von ihnen in einer spezifischen Form auftreten. Wichtige Beispiele in dieser Beziehung wären etwa Prigogines »Ordnung durch Fluktuation« (161) und Rene Thoms »Katastrophe« (196). Mit diesen Einschränkungen vor Augen können wir uns nun einem Vergleich zwischen verschiedenen Beobachtungen aus der Bewußtseinsforschung und dem holonomen Modell des Universums und des Gehirns zuwenden.

Böhms Konzept von der eingefalteten und der ausgefalteten Ordnung sowie der Gedanke, daß bestimmte wichtige Aspekte der Realität der Erfahrung und wissenschaftlichen Untersuchung unter gewöhnlichen Umständen nicht zugänglich sind, besitzen unmittelbare Relevanz für das Verständnis außergewöhnlicher Bewußtseinszustände. Personen, die verschiedene solcher Bewußtseinszustände erlebt haben - auch gebildete und hochintelligente Wissenschaftler verschiedener Disziplinen -, äußerten häufig, daß sie in verborgene Realitätsbereiche eingedrungen seien, die sie nicht als Fiktion empfanden und die in einem gewissen Sinn in der alltäglichen Realität bereits enthalten und ihr übergeordnet schienen. Der Inhalt dieser »impliziten« oder »eingefalteten« Realität müßte demnach u.a. Elemente aus dem kollektiven Unbewußten, historische Ereignisse, archetypische und mythologische Phänomene sowie Verbindungen zu früheren Inkarnationen beinhalten.25)

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Bisher haben viele traditionell orientierte Psychiater und Psychologen die Manifestationen Jungscher Archetypen als Phantasieprodukte interpretiert, die Abstraktionen tatsächlicher Sinneswahrnehmungen anderer Leute, Tiere, Gegenstände und Ereignisse in der materiellen Welt darstellen oder aus ihnen konstruiert sind. Die Auseinandersetzungen zwischen der Jungschen Psychologie und der vorherrschenden mechanistischen Orientierung im Hinblick auf die Archetypenlehre ist eine moderne Neuauflage der Streitgespräche über die Ideenlehre Piatons, die über Jahrhunderte zwischen den Nominalisten und den Realisten geführt wurden.

Die Nominalisten vertraten die Auffassung, daß die platonischen Ideen lediglich abstrakte »Namen« für Phänomene in der materiellen Welt seien, wohingegen die Realisten ihnen eine eigenständige Existenz auf einer anderen Realitätsebene zuschrieben. In einer erweiterten Version der Holonomie-Theorie könnten die Archetypen als Phänomene sui generis, als kosmische Prinzipien, die in der impliziten Ordnung eingewoben sind, verstanden werden. Der Umstand, daß bestimmte archetypische Visionen so erfolgreich durch die Holographie nachgeahmt werden können, läßt einen tiefen Zusammenhang zwischen archetypischen Gesetzmäßigkeiten und dem Wirken holonomer Prinzipien möglich erscheinen. 

Dies gilt insbesondere für archetypische Formen, die Verallgemeinerungen biologischer, psychologischer oder sozialer Rollen darstellen, etwa die Bilder von der großen oder schrecklichen Mutter bzw. dem großen oder schrecklichen Vater, vom Kind, vom Märtyrer, vom kosmischen Menschen, vom Trickster, vom Tyrannen, von Animus und Anima oder vom Schatten. Die Erlebnis weit kulturell gefärbter Archetypen, etwa verschiedener konkreter Gottheiten und Dämonen, Halbgötter, Helden und mythologischer Themen, könnten als Phänomene der impliziten Ordnung begriffen werden, die eine spezifischere Verbindung zu bestimmten Aspekten der expliziten Ordnung besitzen. Auf jeden Fall aber müssen archetypische Phänomene als Ordnungsprinzipien verstanden werden, die der materiellen Wirklichkeit übergeordnet sind und ihr vorausgehen, nicht aber als deren Abkömmlinge.

Zu den transpersonalen Phänomenen, die sich am leichtesten zu der Holonomie-Theorie in Beziehung setzen lassen, gehören solche, die Elemente aus der »objektiven Realität« einbeziehen, etwa die Identifizierung mit anderen Menschen, Tieren, Pflanzen und anorganischen Aspekten der Realität in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Hier bieten die wesentlichen Merkmale des holonomen Weltverständnisses — die Relativität von Grenzen, die Transzendierung der Aristotelischen Dichotomie zwischen dem Teil und dem Ganzen, die Einfaltung und Verteilung von Informationen im gesamten System — Erklärungsansätze, die höchst vielversprechend sind. Die Tatsache, daß Raum und Zeit im holographischen Bereich ebenfalls eingefaltet sind, wäre demnach sehr gut mit der Beobachtung zu vereinbaren, daß transpersonale Erlebnisse dieser Art nicht durch die üblichen räumlichen oder zeitlichen Grenzen gebunden sind. Alltägliche Erfahrungen der materiellen Welt, die sich mit dem kartesianisch-Newtonschen Modell des Universums voll vereinbaren lassen, wären in diesem Zusammenhang als ein Produkt selektiver und stabilisierter Ausrichtung auf den expliziten oder ausgefalteten Aspekt der Realität zu betrachten.

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Umgekehrt könnten transzendentale Zustände von höchst undifferenziertem, universellem und allumfass­endem Charakter- etwa die erlebnismäßige Identifikation mit dem Absoluten oder dem Nichts — als direkte Erfahrung der impliziten Ordnung oder des »holomovement« in ihrer bzw. seiner Gesamtheit interpretiert werden. Dieses Konzept müßte alle die von der philosophia perennis beschriebenen Ebenen einschließen, nicht lediglich die Ebenen, die für die Beschreibung von physikalischen oder biologischen Phänomenen unmittelbar notwendig erscheinen.

Andere Arten transpersonaler Erlebnisse — etwa die Sakralisierung des Alltagslebens, die Manifestation eines Archetyps in der alltäglichen Realität, die Wahrnehmung des Partners bzw. der Partnerin als Verkörperung des Animus, der Anima oder des Göttlichen — wären dann als Übergangsformen zu betrachten, in denen Elemente aus der expliziten und der impliziten Ordnung kombiniert sind. Alle genannten Beispiele haben einen gemeinsamen Nenner, der für diese Denkweise eine absolut notwendige Voraussetzung ist: die Annahme, daß das Bewußtsein zumindest im Prinzip oder aber immer Zugang zu allen Formen der expliziten und der impliziten Ordnung besitzt.

Das Holonomie-Modell bietet auch vielversprechende Möglichkeiten im Hinblick auf das Verständnis bestimmter extremer paranormaler Phänomene, von denen in der spirituellen Literatur immer wieder die Rede ist, die aber von der mechanistischen Wissenschaft als absurd abgetan werden. Die Psychokinese, die Materialisation und Dematerialisafion, die Levitation und andere übernormale Erscheinungen sowie »Siddhis«, die die Macht des Geistes über die Materie demonstrieren, verdienen in diesem Rahmen das Interesse der Wissenschaft. 

Wenn die grundlegenden Annahmen der Holonomie-Theorie über die explizite und die implizite Ordnung die Realität genügend zutreffend widerspiegeln, dann kann man sich vorstellen, daß bestimmte außergewöhnliche Bewußtseinszustände die direkte Erfahrung der impliziten Ordnung und ein Eingreifen in diese Ordnung vermitteln. Es wäre also demnach möglich, Phänomene der phänomenalen Welt durch Beeinflussung der sie erzeugenden Matrix, die in der impliziten Ordnung enthalten ist, zu modifizieren. Diese Art des Eingreifens wäre für die mechanistische Wissenschaft absolut unvorstellbar, weil es die konventionellen Ursache-Wirkung-Ketten überschreiten würde und nicht mit einer Energieübertragung innerhalb der expliziten Ordnung der Realität, wie wir sie kennen, verbunden wäre.

Alles spricht dafür, daß wir einem bedeutsamen Paradigma Wechsel zustreben. Gegenwärtig haben wir es mit einem reichhaltigen Mosaik aus neuen theoretischen Konzepten zu tun, denen bestimmte allgemeine Merkmale gemeinsam sind, und wir erleben eine radikale Abkehr von den mechanistischen Modellen. Die Synthese und Integration all dieser erstaunlichen neuen Entwicklungen in der Wissenschaft wird eine schwierige und komplexe Aufgabe sein, und es ist die Frage, ob sie überhaupt durchführbar ist.

Auf jeden Fall dürfte ein solches umfassendes Paradigma der Zukunft, das all die verschiedenen Daten aus der Quantenphysik, der Systemtheorie, der Bewußtseinsforschung und der Neurophysiologie sowie die Erkennt­nisse aus den alten und östlichen spirituellen Philosophien, über den Schamanismus sowie über Rituale und Heilpraktiken bei Naturvölkern zu integrieren imstande ist, einander ergänzende Dichotomien auf drei verschiedenen Ebenen darstellen: auf der Ebene des Kosmos, der des Individuums und der des menschlichen Gehirns. Das Universum hätte seine phänomenalen, expliziten oder ausgefalteten Aspekte sowie seine transzendentalen, impliziten oder eingefalteten Aspekte.

Die entsprechende Ergänzung auf der Ebene des Menschen wäre durch das Bild von der biologischen Maschine im kartesianisch-Newtonschen Sinn und durch das eines unbegrenzten Bewußtseinsfeldes gegeben. Eine ähnliche Dichotomie würde sich in der Doppelnatur des Gehirns widerspiegeln, in der die mit einem Digitalrechner vergleichbare Funktionsweise mit der von holonomen Prinzipien bestimmten parallelen Verarbeitungsweise kombiniert ist. Zwar vermag man im Augenblick noch nicht diese Vorstellungen zu festigen und ein in sich stimmiges Modell aufzustellen, doch schon in seinen Anfangsphasen bietet der holonome Ansatz der durch Kontroversen geprägten modernen Bewußtseins­forschung ungeahnte Möglich­keiten.

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