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2. Wer regierte die Welt - gestern, und wie?

 

 

2.1 Der Aufstieg der Neokonservativen

 

US-Amerikaner bestehen regelmäßig darauf, dass die USA die einzige globale Autorität seien, die der Welt Sicherheit und Wohlstand bringt, dass ohne sie weit verbreitetes Chaos, wirtschaftliche Stagnation und viel häufigere Kriege auf der Welt herrschten. Die Vertreter dieser Haltung betonen, dass die Ordnung der Welt von den militärischen, wirtschaftlichen, diplomatischen und ideologischen Fähigkeiten der USA abhänge (Falk, R., 2014).

Falk erwähnt Michael Mandelbaum als den leidenschaftlichsten Vertreter dieser Position [9]. Kürzlich hat Mandelbaum (2014) dieses Argument wieder unverblümt wiederholt: "Die Vereinigten Staaten alleine sind die de facto-Weltregierung." Von ihrem Hauptquartier in Washington aus wirkend, ist diese Form der Weltregierung in den Augen ihrer Befürworter meta-politisch und selbstlos, was von allen Menschen guten Willens gewürdigt werden sollte, da die USA zu einer besseren Menschheit beitrügen (Kagan, R. 2006). Tatsächlich hat es bisher nur eine Gruppe gegeben, die das Recht auf Weltherrschaft für sich beanspruchte: die Neokonservativen in den USA.

Um die Mitte der 1970er Jahre begann der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zu argumentieren, die Sowjetunion ignoriere bilaterale Verträge und baue im Geheimen ihre Rüstung aus mit dem Ziel, die Vereinigten Staaten anzugreifen. Zusammen mit Paul Wolfowitz vertrat er eine sehr viel härtere Sicht der Sowjetunion und ihrer Absichten, einen Atomkrieg zu führen und zu gewinnen.

Als George H. W. Bush 1976 Direktor der CIA wurde, bestellte er eine Gruppe von sechszehn außenstehenden Experten und gab ihnen die Aufgabe, einen unabhängigen Blick auf die streng geheimen Daten zu werfen, die von den Nachrichtendiensten dazu benutzt wurden, die sowjetischen Streitkräfte einzuschätzen, bekannt als Team B [10]. Deren Beurteilung stellte sich jedoch als durchgehend falsch heraus. Der CIA-Direktor schlussfolgerte, Team B habe "einen Prozess in Gang gesetzt, der zu Manipulationen für Zwecke führe, die nicht der Zuverlässigkeit der Beurteilungen dienten."

Die Neokonservativen hatten ihren ersten großen Erfolg, als Ronald Reagan an die Macht kam und einige ihrer Hardliner mitbrachte. Reagan war der am schlechtesten informierte Präsident, ein alter Mann, der sogar während Sitzungen des Nationalen Sicherheitsrates einnickte und der die Welt vor allem durch die Brille von Hollywoodfilmen wahrnahm:

"Ein Mann mit bescheidenen Kenntnissen und tiefen religiösen Überzeugungen, gab er der Politik wenig Richtung und hatte wenig Interesse oder Verständnis für Details. Reagans uninteressierter Stil und der Mangel an außenpolitischer Erfahrung ließen die Tür offen für Palastintrigen unter seinen Untergebenen, die begierig waren, diese Lücke auszufüllen" (Stone, O., Kuznick, P., 2012:421-4).

Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Regime verloren die Neokonservativen an Einfluss, opponierten aber weiter gegen das außenpolitische Establishment sowohl der republikanischen Bush(Vater)-Administration als auch der demokratischen Nachfolger unter Präsident William Clinton. Ihre größte außenpolitische Sorge war, die Entwicklung eines neuen Rivalen zu verhindern. Der Defense Planning Guidance, ein Dokument, das 1992 vom damaligen Staatssekretär für Verteidigungspolitik Paul Wolfowitz vorbereitet wurde, sagt dazu:

"Unser wichtigstes Ziel ist es zu verhindern, dass ein neuer Rivale entsteht, ob auf dem Territorium der früheren Sowjetunion oder anderswo, der eine ähnliche Bedrohung wie die frühere Sowjetunion darstellt. Diese Überlegung beherrscht die neue regionale Verteidigungsstrategie und verlangt, dass wir jede feindliche Macht zu verhindern suchen, die eine Region dominieren könnte, deren Ressourcen ausreichten, um einen globalen Machtanspruch zu begründen" [11].

1997 tauchte eine Gruppe unter dem Namen Project for a New American Century (PNAC) auf, eine Denkfabrik in Washington, D.C., gegründet von William Kristol und Robert Kagan. Ihr erklärtes Ziel war es, "die globale Führerschaft der USA zu fördern." Im Kern ihres Selbstverständnisses steht die Überzeugung, dass „amerikanische Führerschaft gut für Amerika und gut für die Welt ist"; sie fordert Unterstützung für eine „Reagan'sche Politik militärischer Stärke und moralischer Klarheit." Ihre Mitglieder kamen in zahlreiche hochrangige Positionen und PNAC beeinflusste viele Regierungsmitglieder der George W. Bush-Administration und prägte deren Entwicklung der Verteidigungs- und Außenpolitik.

Wie James Petras (2013) schreibt, war die Wiederaufnahme „direkter imperialer Interventionen, die weder durch Opposition im Kongress noch in der Bevölkerung behindert wurde, in der Zeitspanne 1973-1990 zunächst eher langsam. Sie nahm Fahrt auf in den 1990ern und hob dann richtig ab nach dem 11. September 2001." Der erste militärische Test nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Reiches geschah, als der irakische Präsident Saddam Hussein 1990 in die Kuweit-Falle gelockt wurde. Die aus 28 Nationen bestehende "Koalition der Willigen" war zusammengekauft worden; das irakische Volk wurde mit Krieg überzogen, zunächst mit mörderischen Waffen, dann mit Sanktionen, was bis heute fortdauert.

Am 16. Januar 1998 schrieben Mitglieder der PNAC, darunter Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz und Robert Zoellick, einen offenen Brief an Präsident Clinton und verlangten von ihm, Saddam Hussein aus dem Amt zu vertreiben. Sie argumentierten, Saddam bedrohe die USA und ihre Verbündeten im Mittleren Osten sowie die Ölvorräte der Region, wenn es ihm gelänge, weiterhin Massenvernichtungswaffen anzuhäufen. PNAC unterstützte ebenfalls den Iraq Liberation Act von 1998, den manche als Beweis dafür betrachten, dass die Invasion des Irak von 2003 lange beschlossene Sache gewesen ist (Mackay, N. 2004).

Darüber sollte man nicht vergessen, dass auch der Krieg gegen Afghanistan deutlich vor 9/11 geplant war. Vertreter der USA waren in Verhandlungen mit den Taliban über den Bau einer Ölpipeline vom Kaspischen Meer nach Karatschi, Pakistan, die durch Afghanistan führen sollte, um den Iran zu umgehen. Im Juli 2001 wurde ein deutscher Diplomat zitiert, der berichtete, die Gespräche hätten mit der Ankündigung der USA geendet: "Entweder bedecken wir euch mit einem Teppich aus Gold, wenn ihr tut was wir sagen, oder wir bedecken euch mit einem Bombenteppich." Selbst der voraussichtliche Beginn der Bombardierungen wurde mit Oktober 2001 angekündigt [12]. Das hatte überhaupt nichts mit den Anschlägen des 11. September oder mit Osama bin Laden zu tun (Chossudovsky, M. 2005).

Rebuilding America 's Defenses (September 2000), das am weitesten verbreitete Dokument der PNAC-Gruppe, wurde erarbeitet von Rumsfeld, Cheney, Wolfowitz und Scooter Libby und war der Frage gewidmet, "wie die USA ihre Vorherrschaft bewahren, konkurrierende Mächte in Schach halten und das globale Sicherheitssystem nach den amerikanischen Interessen gestalten können."

Abschnitt V, unter dem Titel "Die dominierende Macht von morgen schaffen", enthält den Satz: "Weiter wird der Transformationsprozess, auch wenn er einen revolutionären Wandel bedeutet, wahrscheinlich lange dauern, wenn nicht ein katastrophales und schicksalhaftes Ereignis eintritt — wie ein neues Pearl Harbor".

Auch wenn dies nicht zwingend impliziert, dass Mitglieder der Bush-Administration die Anschläge von 9/11 mit geplant haben, wurde doch oft argumentiert, dass PNAC-Mitglieder dieses Ereignis nutzten als eben jenes „Pearl Harbour" — als günstige Gelegenheit, ihre lange gehegten Pläne durchzusetzen.

In einer Rede vor dem Commonwealth Club hat 2007 der pensionierte General Wesley Clark ein geheimes Pentagon Memorandum von 2001 (Monate vor den September-Anschlägen) erwähnt, in dem zu lesen war, dass die USA in den nächsten fünf Jahren sieben Länder angreifen wollten, nämlich Irak, Syrien, den Libanon, Libyen, Somalia, den Sudan und Iran, um Kontrolle über ihre natürlichen Ressourcen, allen voran Öl, zu gewinnen und um fabelhafte Gewinnen für die Rüstungs- und die Ölindustrie zu ermöglichen. "Unser Land wurde beherrscht von einer Gruppe Größenwahnsinniger wie Paul Wolfowitz, Dick Cheney, Donald Rumsfeld und anderen, die den Mittleren Osten destabilisieren und Kontrolle über seine Ressourcen gewinnen wollten" [13].

Gegen Ende 2006 bestand PNAC nur noch "aus einem Anrufbeantworter und einer Geister-Webseite", mit "einem einzigen Angestellten zum Aufräumen". 2006 stellte Gary Schmitt, der frühere Geschäftsführer der PNAC und jetzt Stipendiat am American Enterprise Institute und Leiter seines Programms für Fortgeschrittene Strategische Studien, fest, dass PNAC sein „natürliches Ende" erreicht habe [14].

An dessen Stelle hat der unermüdliche neokonservative Falke Robert Kagan die Foreign Policy Initiative gegründet [15].

 

2.2 Regimewechsel

Die strategische Logik der PNAC geht auf den früheren Nationalen Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski (1997) zurück, der schrieb: "Der Welt-Energieverbrauch wird sich in den kommenden zwei oder drei Jahrzehnten gewaltig erhöhen. Schätzungen des amerikanischen Energieministeriums sehen voraus, dass die Weltnachfrage zwischen 1993 und 2015 um mehr als 50 % ansteigen wird, am meisten im Fernen Osten. Der Schub durch die Wirtschaftsentwicklung Asiens verursacht bereits heute massiven Druck auf die Exploration und die Ausbeutung neuer Energieressourcen, und Zentralasien und das Kaspische Becken sind für Gas- und Ölvorräte bekannt, die jene in Kuweit, im Golf von Mexiko oder in der Nordsee weit in den Schatten stellen" (p. 125).

"Dazu sind sie [die zentralasiatischen Republiken] vom Standpunkt der Sicherheit und der historischen Ambitionen von wenigstens drei ihrer unmittelbaren und mächtigen Nachbarn, nämlich Russland, der Türkei und des Iran aus gesehen wichtig, wobei auch China wachsendes politisches Interesse an der Region signalisiert" (p. 124). Diese Analyse des „globalen Schachspiels" war das ideologische Kernstück der Bush Jr.-Administration.

Seit 1991 verfolgten die USA unablässig eine Strategie der Einkreisung Russlands, so wie das auch mit anderen vermuteten Feinden wie China und Iran geschah. Sie brachten zwölf Länder, alle zuvor mit Moskau verbündet, in die NATO. Die Militärmacht USA steht nun direkt an der russischen Grenze. Die aktuelle Krise in der Ukraine ist Teil jenes Nullsummenspiels, das die amerikanische Politik gegenüber Moskau seit dem Ende des Kalten Krieges geprägt hat: Jeder Schaden, der Russland trifft, ist ein amerikanischer Sieg, und alles, das in oder für Russland an Positivem geschieht, ist schlecht für die USA. So sehr diese Realität durch westliche Rhetorik bestritten und in den Medien unterdrück sein mag, so sehr bestimmt sie die Wahrnehmung in Russland, China oder im Iran (siehe z.B. Glazyev, S. ohne Datum).

Unter den Präsidenten Gerald Ford und insbesondere Jimmy Carter konnte man ein langsames imperiales Wiederaufflammen beobachten: verdeckte Unterstützung für bewaffnete Stellvertreter in Südafrika und neoliberale Militärdiktaturen in Lateinamerika.

Die erste umfangreiche imperiale Intervention geschah durch massive Unterstützung der islamistischen Aufstände gegen die säkulare Regierung von Afghanistan und eine Söldnerinvasion in die südlichen Mitgliedsländer der Sowjetunion, die durch Saudi Arabien, Pakistan und die USA finanziert (1979) wurde. Die Sowjetunion reagierte auf diese Provokation durch den Einmarsch in Afghanistan im Dezember 1979.

detopia-2021: Schreibfehler vermutet und korrigiert: Im Original: 1997. Korrigiert: 1979
 wikipedia  Sowjetische_Intervention_in_Afghanistan

Seit dem 11. September 2001 sind die US-Spezialkräfte in jeder nur vorstellbaren Weise verstärkt worden. In den letzten Tagen der Bush-Präsidentschaft waren solche Spezialkräfte in etwa sechzig Ländern überall auf der Welt stationiert - 2013 waren sie in 134 Ländern der Erde tätig. Dieser Zuwachs um 123 % während der Obama-Jahre zeigt, auf welche Weise die USA sich in zunehmenden für die Machterweiterung jenseits ihrer Grenzen engagiert haben. Was Amerikas Elitetruppen weitgehend verdeckt anstellen, geschieht überwiegend abgeschirmt von neugierigen Blicken, von Medienbeobachtung oder von anderen Arten der Überwachung und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit von Racheakten und katastrophalen Reaktionen.

SOCOM ist Berichten zufolge von 33.000 in 2001 auf 72.000 Mann in 2014 angewachsen. Die Finanzierung dieser Kommandoeinheit ist ebenfalls exponentiell gestiegen, von einem Budget von $ 2,3 Milliarden 2001 auf $ 6,9 Milliarden in 2013 ($ 10,4 Milliarden, wenn man zusätzliche Finanzquellen mitrechnet) (Turse, N. 2014).

In der Absicht, überall Regierungen zu installieren, die amerikanischen Wünschen und Interessen gehorsam sind, waren die USA beteiligt und haben beigetragen zum Umsturz zahlreicher ausländischer Regierungen auch ohne offene militärische Intervention. Solche Operationen werden in der Regel der Central Intelligence Agency (CIA) übertragen oder, weniger sichtbar, dem National Endowment for Democracy (NED) (Lopez, A. 2014).

Regimewechsel wird durch den offenen Einsatz amerikanischer Einsatzkräfte versucht, durch die Finanzierung und das Training von Rebellengruppen in diesen Ländern, durch regierungsfeindliche Propaganda, durch Staatsstreiche und andere Aktivitäten [16].

 

Die Kunst des harten oder sanften Regimewechsels ist weit entwickelt und ein wichtiger Teil der US-Außenpolitik seit dem Staatsstreich im Iran in den frühen 1950er Jahren. Ausgehend von Serbien 2000 haben "farbige Revolutionen" sich in den meisten Teilen der früheren Sowjetunion ausgebreitet (erfolglos in Weißrussland), in Myanmar 2007 (erfolglos) und Nordafrika. Die Propaganda ist immer gleich und konzentriert sich auf Schlagwörter wie Demokratie, Menschenrechte, Wohlstand, Recht und Freiheit, während es in Wirklichkeit darum geht, kapitalistisch orientierte Regierungen, Deregulierung und Privatisierung zu installieren, natürliche Ressourcen, Militärbasen und Waffen verkaufe und die Zurückdrängung von möglichen Rivalen zu erlangen (Moglia, J. 2014).

Massenmedien, vor allem Fernsehwerbung und Meinungsforschung werden zusammen mit dem Aufbau revolutionärer Zellen und unerschöpflichen Geldmitteln aus öffentlichen und privaten Quellen genutzt, um Wandlungsprozesse in Gang zu setzen. George Soros' Open Society Fund mit zahlreichen Ablegern und seine Central European University sind anschauliche Beispiele. Ein Dokument, dessen Freigabe kürzlich in einem Freedom of Information Act-Verfahren von der Orient Advisory Group erzwungen wurde, bestätigt, dass das US-Außenministerium überall im Mittleren Osten ähnliche Anstrengungen unternimmt [17].

Ursprünglich entwickelt für Solidarnosc in Polen und die OK'98-Kampagne in der Slowakei [18], ist die Strategie immer weiter perfektioniert und an andere Kontexte angepasst worden. In Serbien entstand daraus, was später die "Bulldozer Revolution" genannt werden sollte und zum Ende der Regierung Milosevic führte. Sie sprang dann über in andere Kontexte, wollte Proteste und Regimewechsel in Georgien, der Ukraine erreichen, war weniger wirksam in Kirgisien.

Der Einsatz dieser Strategie war überall problemlos sichtbar mit der üblichen Abfolge der Ereignisse: unpopuläre Regierung, Fälschung der Wahlen, Demonstrationen auf den Straßen und der politische Tod des amtierenden Präsidenten. Wegen der großen Bedeutung gewaltfreier Aktionen glichen die Aufstände mehr Volksfesten als einer direkten Konfrontation mit den Behörden. Während Regierungen wie die der Russischen Föderation, von Weißrussland oder Usbekistan die Kontrolle ausländisch finanzierter NGOs verschärften, blieben Georgien und die Ukraine in dieser Hinsicht relativ liberal. Beide Länder waren für westliche Einflüsse relativ offen, behielten aber gleichzeitig freundschaftliche Beziehungen zu Moskau. Die Central European University (George Soros) dient der Auswahl der künftigen Eliten in diesen Ländern. Programme zur Unterstützung ukrainischer und georgischer Studierender sind in den USA wie auch in loco gut etabliert. Man kann jede dieser "farbigen Revolutionen" als Teile eines Ringkampfs zwischen Moskau und Washington interpretieren, wobei die EU schüchtern versucht, auch eine Rolle zu spielen (Polese, A. 2011).

Amerikanische Eingriffe in anderen Ländern hatten viele Tausende Ermordete zur Folge (Blum, W. 2004). Operation Gladio, entworfen in Washington und überwacht durch die NATO, hatte ein einziges Ziel: die demokratische Wahl linker Parteien in Europa zu verhindern (Ganser, D. 2005). Operacion Condor (Calloni 2010) benutzte überall in Lateinamerika Terrorregime und Todesschwadronen, um gehorsame Regierungen zu sichern unabhängig davon, wie grausam sie waren (Davies, N.J.S. 2014).

Während ich dies schreibe, sind Operationen für Regimewechsel in Ägypten, Thailand, Venezuela, in Syrien, Lybien, Georgien und in der Ukraine (siehe unten) zu beobachten. Sie alle werden durch sorgfältig geplante Propagandakampagnen vorbereitet und begleitet. In keinem einzigen Fall haben diese Einmischungen zu demokratischen Regierungen geführt. Ganz im Gegenteil ergriff irgendeine korrupte Junta die Macht, die eine kleine Clique lokaler Krimineller zusammen mit ihren Komplizen in den USA bereicherte. Weit verbreitete Armut, soziale Polarisierung und Konflikte sind die regelmäßigen Folgen (Mitchell, G. 2014; Gosztola, K. 2014; Vance, L.M. 2014). Die Außenpolitik der PNAC ist überall ausnahmslos fehlgeschlagen. Statt USA-freundliche und gehorsame Regime zu etablieren, hat sie überall nur zu Chaos, Angst und Feindschaft geführt (Cockburn, P. 2014; Hagopian, J. 2014; Richman, S. 2014; Douglas, J.D. 2014). Die PNAC hat den Sarg gezimmert, in dem die Weltmacht USA beerdigt werden wird.

Ihr größter „Erfolg" war vielleicht, in welchem Ausmaß es ihr gelang, ihre neoliberale Wirtschaftsideologie als die grundlegende politische Philosophie nicht nur in westlichen sondern vor allem in den Transformations­ländern Osteuropas durchzusetzen. Ihr schlimmster Fehler von wahrhaft globalem Ausmaß war die eilfertige Zurückweisung aller Abrüstungs- und Friedensvorschläge, die der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow ab 1986 machte. Noch nicht einmal die Ernsthaftigkeit seiner Vorschläge wurde getestet. Eifrig bemüht, dem globalen Konkurrenten einen tödlichen Schlag zu versetzen, haben sie dazu beigetragen, diesen charismatischen Politiker auszuschalten und an seine Stelle einen pathologischen Alkoholiker, Boris Jelzin, zu setzen.

Zuvorderst verantwortlich dafür waren Richard Perle, Paul Wolfowitz und Dick Cheney, damals Vorstandschef von Halliburton und später Vizepräsident [19]. Dasselbe geschah und geschieht mit Präsident Putins Vorschlägen für vertrauensbildende Maßnahmen und engere Zusammenarbeit, die durch die Obama-Administration sogleich zurückgewiesen wurden und werden.

Wie würde die Menschheit von der enormen Friedensdividende gewonnen haben! Man stelle sich außerdem nur für einen Augenblick vor, die USA hätten auf die Energieprognosen der 1990er Jahre durch die Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien reagiert statt durch Krieg! Die Welt hätte ein anderes Gesicht, Millionen Menschen könnten in Frieden und Wohlstand leben, statt gemordet und ins Elend gestoßen zu werden.

„Warum hat sich die Obama-Administration für diese Außenpolitik entschieden? Der wichtigste Grund ist, dass die genannten Länder dem Kontrollbereich der USA entgleiten und diese Rechtsextremen vor allem daran interessiert sind, sie dorthin zurückzubringen. Schließlich winken den amerikanischen Kapitalisten enorme Profite, wenn ein Land abhängig ist von amerikanischen Krediten, amerikanischen Waffen, Gebrauchsgütern, Nahrungsmitteln etc. Deshalb wird das US-Establishment, jetzt repräsentiert durch die Obama-Administration, Lateinamerika, den Mittleren Osten oder Osteuropa nicht einfach in die Unabhängigkeit oder gar in den Einflussbereich einer konkurrierenden Macht wie Russland entlassen. Es geht einfach um zu viel Profit. Da ist Frieden keine Option" (Cooke, S., 2014).

Die Macht und der Einfluss des militärisch-industriellen Komplexes haben zu außergewöhnlichen Profitraten geführt. "Nach einer neuen Studie von Morgan Stanley sind die Aktien großer Rüstungsbetriebe in den letzten fünfzig Jahren um 27.699% gestiegen, während es für den übrigen Markt 6.777% waren. Alleine in den letzten drei Jahren haben Raytheon ihren Investoren 124%, Northrup Grumman 114% und Lockheed Martin 149% gebracht" (Petras, J. 2014b).

 

2.3 Die Strategie der Spannung

 

Wie hat man erreicht, dass all dies von der amerikanischen Bevölkerung akzeptiert wurde? Die Strategie der Spannung dienst dazu, die öffentliche Meinung zu spalten, zu manipulieren und zu kontrollieren durch Angst, Propaganda, Desinformation, psychologische Kriegführung, Agents provocateurs, terroristische Aktionen „unter falscher Flagge" [20].

Die Strategie hat innerhalb der USA eine besondere Rolle gespielt. Amerikaner, die in den 1950er Jahren aufwuchsen, lebten in ständiger Angst — Angst, dass überall Kommunisten seien, dass Kommunismus so etwas wie eine ansteckende Geisteskrankheit sei, die sich durch Amerika und durch den Rest der Welt ausbreite, Angst, dass die Sowjetunion einen Atomwaffenangriff auf die USA vorhabe. Angst wurde das Schlüsselelement für den Nationalen Sicherheitsstaat. Friedliche Koexistenz mit der Sowjetunion war das allerletzte, was die USA wollten. Sie hätte den ständigen Aufstieg eines dauerhaften militärischen Establishments nicht rechtfertigen können, auch nicht den Betrieb so vieler Militärbasen im Ausland, nicht die CIA, die NSA, verdeckte Operationen, Spionage, Interventionen in anderen Ländern, Staatsstreiche, Morde, Folter, Überwachung oder die Unterstützung von ausländischen Diktaturen (Hornberger, J.G. 2013). Obgleich der Kalte Krieg seit 25 Jahren vorüber ist gibt es Anzeichen dafür, dass die gleiche "Angst vor Russland" nun wiederbelebt werden soll, während gleichzeitig eine neue Angst, die Angst vor dem Feind im Inneren, aufgebaut wird.

In einer Rede vor der National Defense University hat Präsident Obama 2013, beinahe den berüchtigten Senator Joseph McCarthy nachahmend, den Feind wieder in die Nähe geholt als er argumentierte, dass "wir einer wirklichen Bedrohung hier in den Vereinigten Staaten ausgesetzt sind" — durch radikalisierte Individuen, "fehlgeleitete oder entfremdete Menschen — oftmals amerikanische Staatsbürger oder rechtmäßig Ansässige."

Damit legte er nahe, dass wir, um sie zu fangen, unsere Aufmerksamkeit nach innen richten müssen. Damit ist der Vorwand für den Überwachungsstaat geliefert. "Indem man Misstrauen sät, uns unserer Privatheit beraubt, uns unsere Rechte nimmt, uns willkürlichen und irrationalen Regeln unterwirft und uns ständig daran erinnert, dass dies die einzige Alternative zwischen den USA auf der einen Seite und den Tod durch die Hände von Terroristen auf der anderen sei, verbreiten die TSA [die Verkehrssicherheitsbehörde] und solche Leute Angst. Dadurch spielen sie direkt den Terroristen in die Hände."

Die Bomben beim Marathonlauf von Boston am 15. April 2013 liefern ein perfektes Beispiel für solche Fehlleitung von Angst, als die Bostoner Polizei tatsächlich das Kriegsrecht verkündete und die Kontrolle über die Wohnungen der Menschen ergriff. Natürlich waren die Bomben schrecklich (drei Menschen starben, mehr als 260 wurden verletzt), aber nur zwei Tage später geschah etwas ebenfalls Fürchterliches: Eine gigantische Explosion in einer Düngemittelfabrik in Texas tötete vierzehn Menschen und verletzte mehr als 160. Könnten das Terroristen gewesen sein? Saddam Hussein entwickelte doch angeblich Massenvernichtungswaffen - und Condoleezza Rice warnte schon vor einem "Atompilz über Amerika".

Aber während die USA jedes Jahr sieben Milliarden Dollar für die TSA ausgeben und mehr als 58.000 Angestellte dafür sorgen, dass wir nicht zu viel Zahnpasta oder Shampoo in Flugzeuge mitnehmen, beläuft sich das Budget für Arbeits Sicherheit und Gesundheit auf weniger als 600 Millionen jährlich (Ludlow, P. 2014). "Amerikaner leben nun in einer Gesellschaft, in der nahezu jeder jeden ausspäht, in ihm einen potenziellen Terroristen sieht und einer staatlichen und betrieblichen Gesetzlosigkeit unterworfen ist, in der die Arroganz der Macht keine Grenzen mehr kennt" (Giroux, H. 2014). Das National Defense Authorization Act (2012) gibt dem amerikanischen Militär ausdrücklich die Macht, jede Person irgendwo auf der Welt, die des Terrorismus verdächtigt wird, auch innerhalb der USA, zu ergreifen und ins Gefängnis zu stecken, ohne Anklage, ohne Beweise, ohne Gerichtsverfahren.

Die amerikanische Regierung nutzt ihren riesigen Überwachungs- und Datensammelapparat, um politische Dossiers von Personen anzulegen, die als politische Dissidenten in Frage kämen. Politische Opposition wird kriminalisiert (Martin, P. 2014a). Die lange Geschichte der Überwachung von Abweichlern z.B. unter den Programmen COINTELPRO des FBI, MINARET der NSA, der MINERVA Forschungsinitiative des Verteidigungsministeriums wird nun zur technischen Perfektion (Hamm, B. 2010; Martin, P. 2014b; Ahmed, N. 2014; Whitehead, J. 2014) und zur juristischen Konsequenz getrieben: "Inventing Terrorists: The Lawfare of Preemptive Prosecution" (Downs, S., Manley, K. 2014). Die Manipulation von Facebook vom Juli 2014 muss in diesem Licht gesehen werden.

Der Begriff "Nation" ist ein beliebter Auslöser, um eine gedankenlose Reaktion der Massen zu provozieren. George W. Bushs Ansprache zu 9/11 ist ein gutes Beispiel dafür, wie man ein Publikum für die eigene Politik gewinnen kann. Immer wieder betonten seine Worte den Gedanken, dass der Terrorismus dieses Tages ein Angriff auf jeden Amerikaner war. Er begann mit: "Liebe Mitbürger, unsere Lebensweise, ja unsere Freiheit sind angegriffen worden." Er fuhr fort, die psychologische Reaktion darzustellen, auf der seine Politik aufbaute: "...haben uns mit Unglauben, mit schrecklicher Trauer und einer stillen, unbeugsamen Wut erfüllt."

An dieser Stelle führte er den Begriff der Nation ein: "Diese Akte von Massenmord beabsichtigten, unsere Nation in Chaos und Rückzug zu zwingen. Aber sie haben sich geirrt. Unser Land ist stark. Ein großes Volk wurde bewegt, eine große Nation zu verteidigen." "Ich habe unserer Geheimdienste und unserer Sicherheitsbehörden angewiesen, alle Mittel einzusetzen, um die Verantwortlichen zu finden und den Gerichten zuzuführen" (zitiert nach Rozeff, M.S. 2014). Ironischerweise wurde keine einzige Person wegen der Anschläge des 11. September vor Gericht gebracht! Es ist nicht einmal eine ernsthafte Untersuchung durchgeführt worden und festzustellen, was eigentlich wirklich geschehen ist, wer dafür verantwortlich war und warum in der Folge so kolossale Fehler gemacht wurden. Stattdessen setzten die Behörden zusammen mit den Medien auf Patriotismus, ein beliebtes Hilfsmittel, um blinden Konformismus mit der Regierung herzustellen (Sullivan, C. no date; Kimberley, M. 2014; Margolis, E. 2014).

Die Strategie der Spannung wirkt dann am besten, wenn die allgemeine Bildung gering ist (The War on Kids 2014; America 'Dead Last' In Education, 2013) und wo die Medien mehr oder weniger ausnahmslos auf Linie gebracht worden sind [21]. Im Dezember 2013 hat das Pew Research Center eine Studie über Public Views on Human Evolution veröffentlicht; danach sagen "sechs von zehn Amerikanern (60%) dass 'Menschen und andere Lebewesen sich über die Zeit entwickelt haben', während ein Drittel (33%) den Gedanken der Evolution zurückwiesen und sagten, dass 'Menschen und andere Lebewesen in ihrer heutigen Form seit dem Beginn der Zeit existiert haben'" (Pew Research Center 2013).

Was die Medien angeht, so gibt es zwar mehr als 1.400 Tageszeitungen in den USA. Aber es gab keine einzige, keinen einzigen Fernsehsender, die sich klar gegen die amerikanischen Kriege gegen Libyen, Irak, Afghanistan, Jugoslawien, Panama, Grenada oder Vietnam ausgesprochen hätten (Blum, W. 2014; Lobe, J. 2014; Lyngbaek, A. 2014). Niemals zuvor waren die Medien so konzentriert; sechs Medienkonzerne kontrollieren etwa neunzig Prozent all dessen, was Amerikaner lesen, sehen oder hören. Manche arbeiten direkt oder indirekt mit den Geheimdiensten zusammen (Solomon, W. 2014; Bernstein, C. 2014; Leigh, D. 2000). Damit ist die Gehirnwäsche nahezu perfekt.

 

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Hamm, Bernd, Prof. (2014) Das Ende der Demokratie, wie wir sie kennen - Artikel, Essay