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4. Fallstudien

Prof. Bernd Hamm, 2014

 

4.1   Der 11. September - ein nichtaufgeklärtes Verbrechen

 

Das Set of Principles for the Protection and Promotion of Human Rights Through Action to Combat Impunity, welches der UNO-Menschenrechts­kommission am 8. Februar 2005 vorlag, definiert Straffreiheit als "die Unmöglichkeit, de jure oder de facto, Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen - ob in straf-, zivil-, verwaltungs- oder disziplinarrechtlichen Verfahren - weil sie nicht einer Untersuchung unterworfen werden können, die zur Anzeige, zur Untersuchungshaft, zur Anklage und, wenn für schuldig befunden, zu den vorgesehenen Strafen oder zur Wiedergutmachung gegenüber ihren Opfern führen kann" [32].

Es gibt bekanntlich ernsthafte Zweifel am Bericht der offiziellen Untersuchungskommission zum 11. September: Mitglieder der Kommission hatten, ebenso wie ihr Geschäftsführer Philip Zelikow, Interessenkonflikte. Zelikow hatte engere Beziehungen zum Weißen Haus als öffentlich zugegeben und hat versucht, den Abschlußbericht auf eine Weise zu beeinflussen, die die Verantwortung der Bush-Administration möglichst gering erscheinen lassen und ihre Anti-Irak-Politik fördern sollten. Zelikow hatte wenigstens vier private Gespräche mit Karl Rove, dem früheren politischen Direktor des Weißen Hauses, und offenbar zahlreiche Telefongespräche mit Leuten dort. Anwälte des Weißen Hauses versuchten, die Bildung der Kommission zu behindern und störten ihre Arbeit von Beginn an (Shenon, P. 2013).

Die beiden Vorsitzenden der Kommission, Thomas H. Kean und Lee H. Hamilton, glauben, dass die Regierung die Kommission auf eine Weise gebildet hat, die sicher zu ihrem Versagen führen musste. In ihrem Buch Without Precedent: The Inside Story of the 9/11 Commission (Kean, T.H., Hamilton, L.H. 2006) beschreiben sie ihre Erfahrung und nennen eine Reihe von Gründen, die sie zu diesem Schluss veranlassen: die späte Einsetzung der Kommission und der überaus kurze Zeitrahmen, der ihr auferlegt wurde; die ungenügenden Mittel, die anfangs für die Durchführung dieser aufwendigen Untersuchung bewilligt wurden; die vielen Politiker, die die Einsetzung der Kommission ablehnten; ihr fortdauernder Widerstand gegen die Arbeit der Kommission vor allem durch die, die für irgendetwas an den Geschehnissen Vorwürfe erwarteten; Fehlinformationen der Kommission durch mehrere wichtige Regierungsstellen wie das Verteidigungsministerium, NORAD (North American Aerospace Defense Command) und die Luftfahrtbehörde; und die Weigerung mehrerer Behörden, Dokumente und Zeugen zugänglich zu machen.

"Es gab also ausreichend Gründe, weshalb wir scheitern mussten."

Beunruhigt durch die Tatsache, dass so viele Fakten im Zusammenhang mit 9/11 unaufgeklärt geblieben waren, habe ich 2013 etwa ein Dutzend Freunde und Kollegen an amerikanischen Hochschulen gefragt: "Können Sie mir bitte helfen zu verstehen, weshalb angesichts der vorliegenden Beweise niemand die Täter vor Gericht bringt?" Ich erhielt nur eine einzige ernsthafte Antwort, die ich hier anonym zitiere:

"Erstens kann ich nicht sagen, dass ich die offizielle Geschichte glaube, weil es keine sorgfältige wissenschaftliche Untersuchung des Ereignisses durch die Regierung gegeben hat. Die Vorgänge vom 11. September 2001 bieten sich also für alternative Theorien an. Alle Theorien über dieses Ereignis, eingeschlossen der offizielle Bericht, sind per definitionem Verschwörungstheorien, d.h. Erklärungen eines kriminellen Aktes durch den Verweis auf einen Plan, den einen oder mehrere Personen im Geheimen konzipiert haben. Es wäre unverantwortlich, würde man irgendeiner Verschwörungstheorie ohne sorgfältige Würdigung aller Beweise trauen. Ich bleibe in dieser Angelegenheit unwissend.

Zweitens glaube ich nicht, dass die US-Regierung eine sorgfältige wissenschaftliche Untersuchung der Anschläge durchführen wird. Nicht nach der aktuellen Lage der Dinge. Wenn die offizielle Version sich in irgendeinem wichtigen Punkt als falsch herausstellen würde, dann hätte der Krieg gegen den Terror seine Legitimation verloren. Als Begründung für Imperialismus und innere Unterdrückung ist der Krieg gegen den Terror viel zu wichtig als dass sie in diesen schwierigen Zeiten aufgegeben werden könnte. Selbst die Wahrnehmung, dass die Dinge sich vielleicht anders abgespielt haben könnten als die Regierung sagt, würde großen Ärger bedeuten. Deshalb ist die Akte geschlossen. Der Kommissionsbericht ist endgültig. Es wird keine strafrechtliche Untersuchung geben.

Drittens wird jeder in den Vereinigten Staaten, der alternativen Theorien zuneigt, insbesondere im akademischen Bereich, lächerlich gemacht und marginalisiert. Die Leute, die ich kenne, die einige Aspekte der offiziellen Geschichte in Zweifel ziehen, nehmen an, dass angesichts der fast sicheren Tatsache, dass öffentliche Äußerungen dazu wirkungslos bleiben würden, die persönlichen Kosten einer Infragestellung der Regierungstheorie sehr viel größer wären als der öffentliche Nutzen. Die Vereinigten Staaten sind jetzt eine geschlossene und bestrafende Gesellschaft. Die Menschen werden eingeschüchtert. Warum sollte man seine Karriere für nichts riskieren? Keine alternative Theorie würde öffentliche Zugkraft erlangen.

Viertens: Sogar wenn wir die offizielle Geschichte akzeptierten, würden unbestrittene Fakten die sträfliche Nachlässigkeit der Bush-Administration belegen. Dieses Ereignis hätte nicht stattgefunden, wenn die Regierung sich bemüht hätte, es zu verhindern. Aber diese Erkenntnis wird folgenlos bleiben aus Gründen, die ich bereits genannt habe. Bush und seine Mannschaft werden niemals zur Verantwortung gezogen werden für das schlimmste Versagen der Sicherheitsdienste in der amerikanischen Geschichte. Obama macht so weiter, ja er dehnt und weitet die neokonservative Politik seines Vorgängers sogar noch aus. Er hat überhaupt kein Interesse an einer strafrechtlichen Untersuchung dieser kriminellen Nachlässigkeit.

Realistisch gesehen geht daher die Frage, ob sich dies so abgespielt hat wie die Regierung behauptet, an der Sache vorbei. Sie hat sich so abgespielt weil sie sich so abgespielt haben musste. Wie auch immer es geschehen sein mag, sie hätten es benutzt, um die Gesellschaft zu zerstören."

Zur Sicherheit: Es geht hier nicht darum, die Wahrheit über das, was geschah und wie und wer dafür verantwortlich ist herauszufinden. Die Frage ist vielmehr, wer angesichts der zahlreichen Zweifel eine neue Untersuchung verhindert.

"Die Anschläge des 11. September wurden benutzt, um eine institutionelle Revolution zu rechtfertigen, welche dazu gedacht war, einen Prozess der Integration und Koordination aller Machtmittel durch eine Kampagne strategischer Kommunikation auf globaler Ebene zu rechtfertigen. Der Globale Krieg gegen den Terror benötigte ein Krisengefühl, welches mit diesem noch nie dagewesenen Versuch öffentlicher Beeinflussung geschaffen wurde. In der Absicht, die eigenen Ansätze zu verkaufen, hat die US-Regierung sich verlassen auf ein Netzwerk von 'Experten': militärischen Veteranen, hochrangigen Offizieren, professionellen Journalisten und Akademikern, die dazu beitrugen, einen Konsens zu schaffen oder, wie Michel Foucault es ausgedrückt hätte, ein ,Wahrheitsregime', das behauptet, eine bestimmte Interpretation sei richtig und wahr, indem es die Kritiker und die Vertreter abweichender Meinungen ignoriert und diskreditiert" (Gygax, J., Snow, N. 2013).

Viele Aspekte der offiziellen Geschichte von 9/11 sind übrigens durch 'Geständnisse' von Khaled Sheikh Mohammad 'bewiesen' worden, die unter Folter nicht nur seiner selbst, sondern auch seines Sohnes aus ihm herausgepresst wurden [33].

 

4.2 Ukraine - Regimewechsel

 

Über Jahre war das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine von geringer Bedeutung. Viele europäische Politiker, zuerst die deutsche Bundeskanzlerin, zeigten ein geradezu provokatives Desinteresse an der Ukraine. Als freilich im November 2013 Russland bat, an den Verhandlungen teilnehmen zu können, wurde das von der EU brüsk zurückgewiesen.

Während Brüssel auf Zeit spielte, bereiteten die USA den Sturz der Regierung vor. Seit dem Ende des Kalten Krieges haben die USA Russland eingekreist, eine Militärbasis nach der anderen aufgebaut und unablässig neue gesucht, darunter auch in der Ukraine (Parsons, R. 2014). Die Stationierung neuer Waffensysteme in Osteuropa passt zusammen mit dem Plan, Moskau zum Feind zu machen, wie es der ideologische Pate der Obama-Administration, Zbigniew Brzezinski, in der Washington Post vorgeschlagen hatte unmittelbar nachdem eine Gruppe selbsternannter Maidan-Führer die gewählte Regierung aus dem Amt gejagt hatte:

"Der Westen sollte sofort die aktuelle Regierung der Ukraine als legitim anerkennen. Unsicherheiten bezüglich des rechtlichen Status könnten Putin in Versuchung führen, die Krim-Scharade noch einmal zu versuchen ... Inzwischen sollten NATO-Streitkräfte gemäß der Kontingenzplanung in Alarm versetzt werden. Die Bereitschaft zur Verlagerung einiger amerikanischer Luftstreitkräfte nach Europa wäre politisch und militärisch bedeutsam. Wenn der Westen einen Konflikt vermeiden will, sollte es im Kreml keine Unzweideutigkeiten darüber geben, was bei weiteren abenteuerlichen Kraftmeiereien mitten in Europa geschehen wird" (Brzezinski, Z. 2014).

Die USA hatten schon 2004 versucht, die Ukraine mit der von Washington finanzierten "Orangenen Revolution" zu übernehmen. Nach der Staatssekretärin im Außenministerium (und Ehefrau des PNAC-Paten Robert Kagan) Victoria Nuland hat Washington seit diesem Fehlschlag fünf Milliarden Dollar in der Ukraine „investiert", um die Agitation für eine EU-Mitgliedschaft zu schüren [34]. Sie würde die Ukraine für die Plünderung durch westliche Banken und Unternehmen öffnen, aber Washingtons Hauptziel war es, Raketenstationen an der russischen Grenze aufzubauen und Russland seiner Marinebasis am Schwarzen Meer und seiner Rüstungs­industrien im Osten des Landes zu berauben. EU-Mitgliedschaft der Ukraine würde NATO-Mitgliedschaft bedeuten (Roberts, P.C. 2014).

Als Präsident Janukovich am 21. November erklärte, er werde den Assoziierungsvertrag mit der EU nicht unterzeichnen, kam es in den Straßen von Kiew zu Zusammenstößen. Hunderttausende gingen an den Dezemberwochenenden auf die Straßen und auf den Maidanplatz. Damit war die kritische Phase einer Kampagne erreicht, die durch die drei Oppositionsparteien "Vaterland" (Julia Timoschenko, Arseni Jatsenyuk), „Bang" (des durch die deutsche Konrad Adenauer-Stiftung finanzierten Boxweltmeisters Vitali Klitschko) und „Freiheit" (des Svoboda-Anführers und eng mit dem Netzwerk europäischer faschistischer Parteien verbundenen Oleg Tjahnybok) betrieben wurde.

Ihr gemeinsames Ziel war es, den Präsidenten Viktor Janukovich, dessen Partei der Regionen die Wahlen von 2012 gewonnen hatte, aus dem Amt zu jagen. Dann würde Kiews EU-Mitgliedschaft nicht mehr weit sein; und danach könnte sich das Land der Segnungen des Neoliberalismus erfreuen, die Wohltaten des Standard-Privatisierungs-Deregulierungs-Austeritäts-Paketes erhalten und sich Portugal, Irland, Griechenland und Spanien als das verarmte Waisenkind der Familie anschließen. Die stellvertretende Ministerpräsidentin der Krim, Olga Kovitidi, beschrieb die Bedingungen der Vereinbarung mit dem Internationalen Währungsfond, die Kiew bereit war zu akzeptieren, als „räuberisch" (Voice of Russia, 2014).

Seit der Revolte von 2004 waren faschistische Milizen aufgebaut und bezahlt worden, die nun die entstehenden Erhebungen weiter anfachen und Kompromisse verhindern sollten (Svoboda, der Rechte Sektor). Sie riefen zur Gewalt auf und besetzten Provinzregierungen in dem überwiegend landwirtschaftlichen und rechtsgerichteten Westen des Landes. In den westlichen Regionen Lwow, Ternopol, Rovno, Luzk and Iwano-Frankowsk und anderen erstürmten sie Bürogebäude und zwangen die Gouverneure, Rücktrittserklärungen zu unterschreiben.

Während tausende Menschen in Kiew an Protesten gegen die Regierung teilnahmen, bildete eine kleine Gruppe radikaler Kämpfer den Kern der gewaltsamen Zusammenstöße. Nach ihrem Aussehen und ihrem Vorgehen zu urteilen, waren sie bewaffnet, ausgebildet und auf Krieg vorbereitet. Trotz der Kampfanzüge kannten sie sich in Guerillataktik aus. Sie waren gut auf einen Angriff vorbereitet und hatten eine große Auswahl an Nahkampfwaffen.

Die Webseite des National Endowment for Democracy [35] listet 65 Projekte auf, die in den vergangenen Jahren in der Ukraine finanziert worden waren. Ihre Programme verbreiten die grundlegende Philosophie, nach der den Menschen am besten mit freiem Unternehmertum, minimaler Staatsintervention in die Wirtschaft und Opposition gegen Sozialismus in jeder Form am besten gedient sei. Eine freie Marktwirtschaft wird gleichgesetzt mit Demokratie, Reform und Wachstum, und die Segnungen ausländischer Investitionen werden hervorgehoben.

Das NED tut das etwas offener, was die CIA jahrzehntelang verdeckt getan hat, und vermeidet dabei das Stigma, das den verdeckten Operationen der CIA anhaftet. NED bezieht praktisch alle seine Mittel von der US-Regierung. Warum aber war Washington so darauf aus, den Präsidenten Janukovich auszuwechseln, der 2010 legal und demokratisch gewählt worden war und der angesichts der Proteste sogar die Wahlen vorziehen wollte, so dass er hätte abgewählt werden können - und nicht durch einen Mob rausgeworfen?

Janukovich machte am 25. Januar bedeutende Zugeständnisse, darunter eine Amnestie für alle Verhafteten und das Angebot, zwei seiner Gegner zum Premierminister und zum stellvertretenden Premierminister zu ernennen - aber vergeblich. Schlüsselelemente unter den Protestierenden und jene hinter ihnen wollten den Putsch. Der Premierminister der Junta verkündete am 7. März, er habe den NATO-Rat eingeladen, ein Treffen in Kiew zu den jüngsten Entwicklungen im Land abzuhalten. "Ich habe den NATO-Rat eingeladen, Kiew zu besuchen und eine Sitzung hier abzuhalten", sagte Arseny Jatsenyuk während eines Besuchs in Brüssel, wo er mit NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und EU-Vertretern zusammenkam. "Wir glauben, dies wird unsere Zusammenarbeit vertiefen" (Blum, W. 2014).

Zusätzlich zum NED kamen als ausländische Geldgeber das US-Außenministerium, die (vermeintliche) Entwicklungshilfeorganisation US AID, das National Democratic Institute for International Affairs, das International Republican Institute, Freedom House und George Soros' Open Society Institute (Arnes, M. 2014). Sie alle haben seit 1988 regierungskritische Bemühungen in Osteuropa unterstützt. Jede dieser Initiativen ging von einem ausgedehnten Netzwerk studentischer Aktivisten aus. Das bekannteste war Otpor, eine Jugendbewegung, die dazu beitrug, Vojislav Kostunica in Serbien ins Amt zu bringen. In Georgien nannte sich die Bewegung Kmara. In der Ukraine arbeitete sie unter dem griffigen Slogan "Pora" ("Es ist Zeit").

Pora wurde in der Ukraine nach 2004 aufgebaut, um den Regimewechsel zu unterstützen. "Wir haben sie darin unterrichtet, wie man eine Organisation aufbaut, wie man lokale Sektionen gründet, wie man ein Markenzeichen und ein Logo, Symbole und Kernbotschaften entwickelt und benutzt", sagte ein Otpor-Aktivist im US-finanzierten Radio Freies Europa/Radio Freiheit.

"Wir brachten ihnen bei, wie man die Schwächen einer Gesellschaft herausfindet und welches die brennendsten Probleme der Bevölkerung sind." Srdja Popovic, der Gründer und Leiter von Otpor, hatte enge Arbeitsbeziehungen mit der amerikanischen Geheimdienstfirma Stratfor. Er brüstete sich, ein "Miet-Revolutionär" zu sein (Gibson, C, Hörn, S. 2013; Traynor, I. 2004). Viele der Protestaktionen, darunter auch kriminelle Angriffe gegen das Sicherheitspersonal und die Übernahme von Regierungsgebäuden, begleitet von Morden und Gewaltakten gegen viele Menschen, wurden unterstützt, organisiert und geplant unter Mitwirkung der amerikanischen Botschaft und von Vertretern und Politikern der EU, die sich nicht nur in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einmischten, sondern durch die faschistischen Guerillas, die sie herangezogen hatten, auch aggressive Handlungen gegen das Land ausführen ließen. Dazu gehört auch das Massacker in Odessa vom 2. März 2014 [36].

 wikipedia  Ausschreitungen_in_Odessa_am_2._Mai_2014

Schon in der Periode 1992-95 hatte das vom IWF der Ukraine auferlegte Strukturanpassungsprogramm zu einem Rückgang des BSP um sechzig Prozent geführt. Jetzt enthielten die Bedingungen für neue Kredite die Verdoppelung des Gaspreises, die Erhöhung der Gebühren für öffentliche Dienste, die Kürzung von Sozialleistungen und Bildung, die Begrenzung der Löhne und Renten, Entlassungen im öffentlichen Dienst, Investitionsgarantien für ausländische Unternehmen, die Abwertung der Währung und damit die Erhöhung der Importpreise auch für russische Gas, und die Öffnung ukrainischer Vermögenswerte für die Übernahme durch westliche Unternehmen (Burke, M. 2014).

Die Landwirtschaftsflächen der Ukraine werden in die Hände amerikanischer Agrarindustrieller übergehen.

"Für die Ukraine bedeutet das Assoziierungsabkommen mit der EU, dass sie ihre souveränen Aufgaben zur Regulierung des Handels und der auswärtigen Wirtschaftsbeziehungen, technische Standards, und Veterinäre, hygienische und Seucheninspektionen an Brüssel übergeben und ihren Markt für europäische Güter öffnen muss. Die Vereinbarung enthält rund tausend Seiten von EU-Richtlinien, die die Ukraine befolgen muss. Jeder Abschnitt verlangt, dass das Recht der Ukraine in Übereinstimmung mit dem europäischen gebracht wird. Darüber hinaus übernimmt die Ukraine die Verpflichtung, nicht nur gegenwärtige Brüsseler Richtlinien zu befolgen, sondern ebenfalls zukünftige, ohne dass die Ukraine an ihrer Entwicklung mitwirken kann" (Glazyev, S., ohne Datum).

Es war allzu offensichtlich für Präsident Janukovich und seine Parteigänger, dass die Wahlen von 2015 auf dieser Grundlage nicht zu gewinnen sein würden. Die Genehmigung, einen Raketenschild aufzubauen, die ebenfalls im IWF-Paket enthalten ist, stellt eine pure Provokation Russlands dar. Die elf Milliarden Euro, die die EU Kiew anbot, sind kein Zuschuss, sondern ein Kredit. Der ist mit vielen Fallstricken verknüpft, vor allem der Akzeptanz der IWF-Austeritätsplanes.

Wenn pro-russische Kandidaten von der Wahl ferngehalten werden, ist der Anführer der Svoboda, Oleh Tyahnybok, die dominierende politische Kraft in der Ukraine. Er ist auf alle Fälle ein besserer Stimmenfänger als Premierminister Jatsenyuk, dessen Hauptaufgabe es ist, mit dem Westen über Finanzhilfen und das EU-Paket zu verhandeln, und Vitali Klitschko, der inzwischen zum Bürgermeister von Kiew gewählt worden ist.

In Anerkennung des Anhangs von Tyahnbyok haben Mitglieder der Svoboda die Posten des stellvertretenden Premierministers, des Landwirtschaftsministers, des Umweltministers und des Generalstaatsanwalts bekommen. Der Gründer der Sozialnationalistischen Partei wurde Sekretär des Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine. Diese neue aber weiterhin illegale Regierung ist nach den Wünschen der USA gebildet und von westlichen Staatoberhäuptern umschmeichelt worden. Sie hat Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet und die USA um weitreichende Militärhilfe gebeten. Sie hat die Goldreserven des Landes in die Obhut der USA verbracht (Chossudovsky, M. 2014a). Sie hat damit nicht gewartet bis zur Präsidentschaftswahl vom 25. Mai, sondern möglichst schnell vollendete Tatsachen geschaffen.

Nicht nur die Mitglieder der Regierung wurden vom amerikanischen Außenministerium handverlesen, sondern auch Präsident Poroshenko, Oligarch und früher dem State Department eng verbunden (Collins, M. 2014). Die Nationalgarde, überwiegend rekrutiert aus Svoboda und dem Rechten Sektor, untersteht dem Innenministerium, einem Äquivalent zum amerikanischen Ministerium für innere Sicherheit; sie trägt offen ein symbolisiertes Hakenkreuz als ihr Emblem, ebenso wie das Azov Battalion.

"Die amerikanische Bevölkerung weiß nicht, dass ihre Regierung weiterhin einer neo-nazistischen Gruppierung finanzielle Hilfe, Waffen und Ausbildung zukommen lässt. Niemand in Amerika weiß das, weil die Worte „Neo-Nazi" und „faschistisch" im Zusammenhang mit der Ukraine Tabu sind" (Chossudovsky, M. 2014b).

Es ist immer wieder behauptet worden, dass die früher als Blackwater berüchtigte Söldnerfirma in der ukrainischen Stadt Donetsk operiert. Zahlreiche CIA- und FBI-Agenten helfen der Putschregierung dabei, „kriminelle Elemente" im Osten des Landes zu bekämpfen. Der von Präsident Poroshenko vorgelegte angebliche „Friedensplan" war für die pro-russische Seite vor allem deswegen nicht akzeptabel, weil er zwar deren Entwaffnung, nicht ab die der „Streitkräfte" Kiews vorsah.

Worum geht es eigentlich?

In einem Prozess des beständigen Niedergangs der US-Hegemonie ist der Ukrainekonflikt provoziert worden, um eine tiefere Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland zu verhindern. Sollte es gelingen, die russischen Gasexporte in die EU zu stören, dann würde sich die Tür öffnen, amerikanisches Frackinggas nach Europa zu verkaufen. Die Ukraine könnte gar Russland provozieren, zur Unterstützung der russischen Bevölkerung in der Donbas-Region militärisch einzugreifen, und ein Versuch, die Krim wieder zu bekommen, könnte Anlass für eine direkte amerikanisch-russische Konfrontation werden.

Wenn Putin dazu gebracht werden kann, zu ihrer Hilfe zu kommen, dann würde seine sorgfältig vorbereitete Pariah-Rolle eine NATO-gelenkte Guerrilla direkt nach Russland ermöglichen. "Wie die Ruinen von Irak und Afghanistan, so wird die Ukraine zu einem Vergnügungspark für die CIA - persönlich geleitet von CIA-Direktor John Brennan in Kiew, mit Dutzenden von „Spezialeinheiten" von CIA und FBI, die eine 'Sicherheitststruktur' aufbauen, um alle zu verfolgen, die mit dem Februarputsch nicht einverstanden sind" (Pilger, J. 2014).

Auf merkwürdig konforme Weise haben die westlichen Medien eine Interpretation der Ereignisse übernommen, welche die westlichen Provokationen ebenso verschweigt wie die Eigeninteressen des Westens, und Präsident Putin und Russland dämonisiert (Smith, P. 2014). Es ist interessant, dass dies zu einem erheblichen Teil gegen die öffentliche Meinung steht, wie sie in Meinungsumfragen zutage tritt. So sind es denn vor allem westliche Medien, die eine Stimmung wie im Kalten Krieg schüren, und damit in die Hände der neokonservativen Politiker spielen.

Vermutlich müssen der Absturz bzw. der Abschuss der malayischen Passagiermaschine MH17 und der diplomatische Druck, den die US-Regierung noch vor jeder ernsthaften Untersuchung dazu aufgebaut hat, in diesem Zusammenhang gesehen werden.

 

4.3   TISA, TPP und TTIP 

 

1995 ist aus dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) heraus die Welthandelsorganisation (WTO) geschaffen worden. Ihr erstes und wichtigstes Projekt war das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI), das den transnationalen Konzernen weitreichende Rechte gegenüber den Mitgliedsstaaten einräumen sollte.

Nachdem erste Textentwürfe durchgesickert waren und die Entwicklungsländer sich dem Tenor der Verhandlungen widersetzten, wurden die weiteren Gespräche in die OECD, die Organisation der hochindustrialisierten Länder verlegt, um „eine unsachgemäße Politisierung" zu vermeiden. Damit begann eine breite öffentliche Kampagne gegen das MAI, die zunächst zu einem Moratorium, dann 1998 zum Ende der Verhandlungen führte. Das dürfte der größte Erfolg in der Geschichte der Nichtregierungsorganisationen gewesen sein. Allerdings sind seine beabsichtigten Regelungen seither in hunderte bilateraler Handelsverträge eingegangen. Nun wird ein neuer Anlauf gemacht, um großräumige Wirtschaftsabkommen nach den Wünschen der TNCs zu schaffen: Das Trade in Services Agreement (TISA), die Trans-Pacific Partnership (TPP), und die Trans-Atlantic Trade and Investment Partnership (TTIP). Während die Verhandlungen wiederum in größter Geheimhaltung hinter verschlossenen Türen geführt werden, konnten dank WikiLeaks Teile von Textentwürfen öffentlich eingesehen werden.

TISA ist geplant als internationales Handelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und 21 weiteren Ländern. Es soll für etwa siebzig Prozent der globalen Dienstleistungswirtschaft den weltweiten Austausch liberalisieren. In den USA fallen etwa 75% der gesamten Wirtschaftsleistung auf diesen Bereich, in der EU sind es fast 75% der Beschäftigung und des BSP. Die Verhandlungen haben im März 2013 begonnen und die Beteiligten haben bis Ende dieses Jahres ihre Angebote eingereicht.

Im Juni 2014 hat WikiLeaks den Entwurf des Kapitels über Finanzdienstleistungen veröffentlicht. Der Vertrag soll die "Regulierungsprinzipien" auf alle Dienstleistungssektoren ausdehnen, darunter insbesondere auch viele öffentliche (Wasser und Transport, öffentliche Bibliotheken, Theater, Sporteinrichtungen und viele andere). Diese Regeln würden allen ausländischen Anbietern Zugang zum heimischen Markt eröffnen zu Bedingungen, die denen für einheimische Anbieter nicht nachstünden, und würden die Möglichkeit für die Regierungen einschränken, Dienstleistungen zu regulieren, zu kaufen oder selber anzubieten. Damit würde im Kern die Regulierung vieler öffentlicher und privater oder kommerzieller Dienstleistungen nicht mehr im Interesse des Gemeinwohls, sondern vielmehr im Interesse privater ausländischer Unternehmen stehen.

Der Entwurf soll nicht nur während der Verhandlungen geheim gehalten werden, sondern auch noch fünf Jahre nach seinem Inkrafttreten [37].

"Heute, am 13. November 2013, veröffentlicht WikiLeaks den geheimen Entwurf für das gesamte Kapitel Urheberrechte im TPP. TPP ist der bisher größte Wirtschaftsvertrag, er umfasst Länder, die zusammen mehr als vierzig Prozent der Weltwirtschaftsleistung repräsentieren. Das jetzt veröffentlichte Kapitel ist wahrscheinlich das am meisten umstrittene des gesamten Vertrages, weil es weitreichende Auswirkungen in Medizin, im Verlagswesen, für Internetdienste, die bürgerlichen Freiheiten und biologische Patente hat."

TPP ist der Vorläufer des ebenfalls geheimen TTIP zwischen den USA und der EU, für die Präsident Obama im Januar 2013 die Verhandlungen initiiert hatte. Zusammen werden TPP und TTIP mehr als sechzig Prozent der globalen Wirtschaftsleistung abdecken. Beide Verträge schließen China aus. Seit Beginn der TPP-Verhandlungen sind die Gespräche über die einzelnen Kapitel in einem beispiellosen Masse geheim gehalten worden. Der Zugang zu Kapitelentwürfen ist der Öffentlichkeit verwehrt. Schon früher wurde bekannt, dass nur jeweils drei Personen aus jedem beteiligten Land den vollen Verhandlungstext einsehen dürfen, während 600 'Handelsberater' - Lobbyisten, die sich für die Interessen großer amerikanischer Unternehmen wie Chevron, Halliburton, Monsanto und Walmart einsetzen - einen privilegierten Zugang zu entscheidenden Abschnitten des Verhandlungstextes eingeräumt bekommen.

Die Obama-Administration will den TPP im Schnelldurchgang verabschieden, womit der Kongress von der Diskussion und von Änderungen einzelner Textstellen ausgeschlossen würde. Der längste Abschnitt des Kapitels - 'Durchsetzung' - beschreibt im Einzelnen die neuen Maßnahmen mit ihren weitreichenden Auswirkungen auf individuelle Rechte, Bürgerrechte, Verlagswesen, Internetdienste und Datensicherheit sowie auf kreative, intellektuelle, biologische und Umwelt-Gemeingüter.

Zu den vorgeschlagenen besonderen Maßnahmen gehören supranationale Schiedsgerichte, denen auch die nationalen Gerichte unterworfen sein würden, die aber keine Absicherung der Menschenrechte vorsehen. Der Entwurf sieht vor, dass diese Schiedsgerichte Anhörungen im Geheimen durchführen können [38].

Ein Rahmenabkommen war bereits am 30. April 2007 zwischen der EU und den USA unterzeichnet worden. Es sieht die Einrichtung eines Trans-Atlantic Economic Council vor, der die Verhandlungen vorbereiten sollte. Eine High-Level Working Group on Jobs and Growth, geleitet vom US-Handelsbeauftragten Ron Kirk und EU-Handelskommissar Karel de Gucht, wurde beauftragt, den Prozess voranzubringen. Ihre Mitglieder wurden der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt, bis das Corporate Europe Observatory ihre Zugehörigkeit zu Business Europe und der Bertelsmann-Stiftung aufdeckte, die beide einen entschieden neoliberalen Standpunkt vertreten. Keiner hatte ein demokratisches Mandat.

Primär geht es im TTIP um die Abschaffung nicht-tarifärer Handelsbarrieren, um Regeln und Standards. Dies betrifft z.B. die Kennzeichnung genetisch manipulierter Organismen in Lebensmitteln, die in der EU verpflichtend vorgeschrieben ist, nicht aber in den USA. Unternehmen wie Monsanto haben solche Regeln seit langem kritisiert und sich für ihre Abschaffung eingesetzt, damit sie ihr Saatgut und ihre Produkte auch auf dem europäischen Markt verkaufen können. Fracking ist in den USA häufig, aber in der EU verboten, ebenso wie der Import von Frackinggas - am meisten daran interessiert ist Halliburton.

Auf der Agenda steht weiter die Abschaffung von Kontrollen und Beschränkungen des Finanzsektors, wie sie nach der Finanzkrise von 2008 eingeführt worden sind. Hier steht die Lobby der City of London an vorderster Stelle.

TTIP wird heftig von NGOs kritisiert, weil es ohne jede demokratische Teilnahme verhandelt wird. Die Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung, mit denen die Befürworter argumentieren, dürften bestenfalls marginal sein und mehr als überwogen werden durch den Wettlauf nach unten im Unterminieren von Umwelt-, Gesundheits- und Arbeits Standards im einzigen Interesse des Profits der Unternehmen.

Ein besonders kritischer Punkt ist der geplante Investor-State Dispute Settlement, der den Unternehmen ein einseitiges Recht einräumt, Regierungen zu verklagen im Fall, dass sie ihre Profite in Gefahr sehen durch öffentliche Regelungen, während die Staaten keine vergleichbaren Rechte haben sollen.

Dieser Mechanismus würde jeden Rückgriff auf die ordentlichen Gerichte ausschließen. Einmal unterschrieben, würde der Vertrag nur geändert werden können, wenn alle Vertragsparteien dem zustimmen.

Wie schon bei TISA und TPP, so schließen auch die TTIP-Verhandlungen nicht nur die Öffentlichkeit, sondern sogar die Mitglieder nationaler oder des europäischen Parlaments von der Einsicht in die Dokumente aus. Parallel zum Versuch, die Ratifizierung im Schnelldurchgang am US-Kongress vorbei zu beschließen, wird darüber diskutiert, ob nicht die EU-Kommission alleine zuständig sein solle, den abschließend bindenden Vertrag zu unterschreiben.

Die Eile, die die US-Regierung den Verhandlungen aufdrückt, ist leicht zu verstehen: Mit dem Ende der Amtszeit von Obama, mit dem Gasgeschäft zwischen Russland und China, mit ihren Bemühungen, ihre Dollarreserven loszuwerden und mit den neuen Beschlüssen der BRICS, einen eigenen Ersatz für Weltbank und IWF ins Leben zu rufen, und mit dem wachsenden Widerstand der Zivilgesellschaft sind die Abkommen unsicher geworden. Sie dürften die öffentliche Auseinandersetzung kaum überstehen, wenn die Texte einmal offengelegt sind.

Die Geheimhaltung der Verhandlungen trotz der Tatsache, dass die Verträge, einmal verabschiedet, in jedermanns täglichem Leben sich auswirken würden, demonstriert, in welchem Ausmaß die Demokratie bereits Schaden genommen hat.

 

 

5. Schlussfolgerung

 

"Illegitime Autorität ist auf dem Vormarsch und die Demokratie unterwirft sich schrittweise der Seuche neoliberaler Ideologie, so dass immer mehr Aufgaben legitimer Regierungsführung von illegitimen, nicht gewählten, finsteren Agenten und Organisationen wahrgenommen werden. Das ist auf allen Ebenen der Fall, national, regional, international...

Es ist nicht wirklich neu, dass Regierungen seit jeher im Auftrag gewisser Klasseninteressen gehandelt haben, aber es gibt einen Unterschied zu einer Situation, in der es diesen Interessen erlaubt wird, anstelle der gewählten Gesetzgeber und Behörden die Gesetze selber zu schreiben und die Politik selbst zu machen, auch die Haushaltspolitik, die Finanz-, Arbeits-, Sozial- und Umweltpolitik.

Es ist ein Unterschied, wenn man es den Unternehmen bewusst erlaubt, Fehlinformationen und Lügen zu verbreiten und das Recht der Menschen auf Information zu untergraben. Es sind nicht nur ihre Größe, ihr enormer Reichtum und ihr Vermögen, die die transnationalen Unternehmen so gefährlich für die Demokratie machen. Es ist auch ihre Konzentration, ihre Möglichkeit der Beeinflussung und oftmals der Unterwanderung von Regierungen und ihre Fähigkeit, als eine wahrhafte soziale Klasse zu handeln, um ihre kommerziellen Interessen gegen das Gemeinwohl zu verteidigen" (George, S. 2014).

 

Susan George beschreibt damit sehr treffend den Weg, dem unsere westlichen Gesellschaften folgen, allen voran die USA, die anderen etwas langsamer folgend. Er scheint nur in eine Richtung zu gehen und ein Ausbruch hin zur Demokratie ist nicht erkennbar.

Alle drei Fallstudien belegen, bis zu welch erschreckendem Ausmaß der Dunkle Staat unsere politischen Systeme bereits erobert hat, sowohl innenpolitisch als auch international.

Die herrschende Klasse begreift sehr wohl, dass die Hegemonie der USA ihrem Ende zugeht und, unsicher was das für sie selbst bedeuten könnte, scheint besessen von Größenwahn und läuft Amok mit nur noch einem einzigen Ziel: so viel wie möglich in die eigenen Taschen zu stopfen. Sie hat es nicht einmal mehr nötig, auch nur den Anschein zu erwecken, dass sie den Gesetzen folge [39]. Kriegslüsternes Verhalten gegenüber anderen Ländern geht Hand in Hand mit drastisch verschärften sozialen Spannungen und Konflikten im Inneren (Chuckman, J. 2014).

Der amerikanische Exzeptionalismus ist per definitionem die feste Überzeugung von der eigenen Überlegenheit über andere. Diese Haltung ist zutiefst intolerant, anti-demokratisch und unaufgeklärt. Gleichzeitig wird man blind gegen eigene Fehler und Defizite. Daraus folgt das selbst-attribuierte Recht, andere zu belehren, anderen die eigenen Modelle von Moral und sozialer Organisation aufzwingen zu wollen, Macht über andere ausüben, die Rolle des Weltpolizisten spielen zu wollen. Die Vorstellung, Recht sei was wir tun, ist gleichbedeutend mit der Verachtung des internationalen Rechts.

So ist es kein Wunder, wenn andere im Verlauf ihrer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Emanzipation dieses Herr-Knecht-Modell der Machtverteilung nicht mehr hinnehmen. Es gibt einen Aufstand in anderen Teilen der Welt, und er wendet sich manchmal schon ungestüm kritisch gegen „den Westen". Die Welt wird sich Ent-amerikanisieren, wie ein chinesischer Diplomat das einmal ausgedrückt hat - sie ist bereits auf diesem Weg [40].

Washingtons aggressive und provokative Außenpolitik, kurzsichtig, egomanisch und arrogant, zahlt sich nicht aus. Wie man von allem beobachten kann, was am und um den Fortalezza-Gipfel der BRICS geschehen ist, bilden sich neue Allianzen, die eine erste Ahnung einer neuen globalen Machtstruktur erlauben.

Wirklicher und dauerhafter Wandel muss freilich vom Inneren der amerikanischen Gesellschaft ausgehen [41].

 

Ende

 

 

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Hamm, Bernd, Prof. (2014) Das Ende der Demokratie, wie wir sie kennen - Artikel, Essay