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Am Meer, am wüsten, nächtlichen Meer

Steht ein Jüngling-Mann,

Die Brust voller Wehmut, das Haupt voll Zweifel,

Und mit düstern Lippen fragt er die Wogen:

»O löst mir das Rätsel des Lebens,
Das qualvoll uralte Rätsel,
Worüber schon manche Häupter gegrübelt,
Häupter in Hieroglyphenmützen.
Häupter im Turban und schwarzem Barett,
Perückenhäupter und tausend andre
Arme, schwitzende Menschenhäupter -
Sag mir, was bedeutet der Mensch?
Woher ist er kommen? Wo geht er hin?
Wer wohnt dort oben auf goldenen Sternen?«

Es murmeln die Wogen ihr ewges Gemurmel,

Es wehet der Wind, es fliehen die Wolken,

Es blinken die Sterne, gleichgültig und kalt,

Und ein Narr wartet auf Antwort.

Heinrich Heine - Aus dem Buch der Lieder,
Die Nordsee - Zweiter Zyklus 1825-261

 

 

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Mich befiel stets ein Unbehagen, als ich Anfang der 70er-Jahre in Diskussionen mit dem revolutionären Streben nach Erneuerung konfrontiert war, das in der Folge der 68er-Bewegung viele junge Menschen, wie mich auch, ergriffen hatte. Damals sammelten sich die ersten »Aussteiger« in Gruppen Gleichgesinnter, die man heute intentionale - bewusst eingegangene - Gemeinschaften nennt. Die »Kommune 1«(148) - das konnte es allerdings nicht gewesen sein. Es gab doch tiefere Gründe für Gemeinschaft als nur die spektakuläre Sprengung den Menschen verkrüppelnder Moralvorstellungen, so nötig dies zweifellos war. Jenseits der verbindlichen gesell­schaft­lichen Normen musste es noch eine Verbindlichkeit aus sich heraus geben. Eine intrinsische, von innen her kommende Verbindlichkeit, die zu uns Menschen selbst gehört und uns zu dem macht, was wir sind: soziale, mit allem verbundene Wesen.

Zu jener Zeit hatte ich mir geschworen, keine Musik mehr zu schreiben, es sei denn für Menschen, mit denen mich mehr verbände als nur das Tätigsein in derselben Branche. Das wiederholte Erlebnis, dass eine Komposition von mir erstaufgeführt wurde - kleinere Stücke für wenige Spieler - und die ausführenden Musiker schon wieder bei Pils und Skat saßen, während mir vor der Bühne im Saal noch Komplimente gemacht wurden, aus denen mir neben einer gewissen Berührtheit der furchtbare Brodem kollegialer Höflichkeitslügen entgegenwallte, kotzte mich an. Eines Abends dann, auf einem späten Heimweg, hatte ich gespürt, wie sich in mir das Bild einer vielleicht glänzenden Karriere als Sinfonienschreiber vom Herzen ablöste und wie ein flatternder Kauz in den hohen Nachthimmel entschwand. Ich war nicht für diesen Markt gebaut. Meine Musik passte nicht zur Reproduktion. Sie war flüssiger, flüchtiger und zugleich um vieles »irdischer« als das, was auf dem Notenpapier zu Köpfen und Hälsen und Balken und - damals modern - reinem Gekrakel gerann. Ich hörte in mir große Werke, die jeweils nur einmal erklangen, genau jetzt, und nie wieder in Zukunft. Bei aller berufsbedingten Eitelkeit war ich nicht ausreichend in mich selbst verliebt, um dieses sichere Gefühl gewaltsam verdrängen zu können, nur um dem Bild zu entsprechen, das andere, Lehrer, Kommilitonen, »bedeutende« Förderer, auf mich projizierten.

Wie auch? War etwas dran an meinem beginnenden Verstehen von Verbundenheit, dann musste die Musik eine fließende, ja fluide Qualität haben.

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Keine Nabelschnur sollte sie an mein Ego ketten. Sie sollte frei sein von mir, nicht mein Baby, meins, meins. Mir wurde wichtig und klar: Der nächste Moment ist mir ganz und gar unbekannt. Das Neue ist jenes vollkommen unbekannte Land, in das wir nur deshalb so unverzagt hineintrampeln, weil unser sinnliches Gehirn es schafft, den nächsten Moment mit dem soeben vergangenen zu verbinden. Es gaukelt uns eine Kontinuität vor, die uns die Mühe der permanenten Achtsamkeit erspart. Ohne diese permanente Achtsamkeit kann man zwar seinen alltäglichen Verrichtungen nachgehen - zum bloßen Ausführen des Gewohnten muss mir das Herz nicht so klopfen wie bei der Erkenntnis, vor einem nie da gewesenen Moment des Alles oder Nichts zu stehen. Aber wenn dieser Augenblick da ist - und genau das passiert, wenn man es wagt, sich der Musik anzudienen, ihr aus der omnipotenten Fülle des Nichts in das einmalige und ausschließliche Jetzt des Erklingens zu verhelfen -, dann muss die Achtsamkeit in jede Instanz meines Daseins einziehen und alles von der Bühne bitten, was bequem, erfahren, vorauswissend, gelernt, routiniert ist. Wie sonst könnte sich das Nichtmanifeste, das aus der Musik durch alle gemeinsam hörenden Gehirne, Herzen und Seelen flutet, als sakrale Erschütterung, als heitere Medizin, als zur Ekstase treibende Raserei, als ewig tröstende Weisheit in die Wirklichkeit des Augenblicks ergießen?

Ein zu hoher Anspruch? Ich fürchte, wenn wir uns nicht an solchem Erleben messen, für das wir Menschen gerade geschaffen sind, ja, das uns überhaupt erst als den »zweimal weisen« Menschen149 definiert, wird ein gutes Leben nicht gelingen. Freilich kann solch reiches Erleben nicht wie eine gleichmäßig leuchtende Glühbirne anhalten. Es schwingt zwischen vielen Polen, denn es liegt ja nicht außerhalb der Natur, sondern ist identisch mit ihr, die nichts Statisches kennt. Doch in meiner Behauptung, dass wir nach dem Kollaps mit viel weniger viel besser leben werden, steckt die Erfahrung, dass das Gelingen solchen Verbundenseins jedes materielle Vergnügen derart weit übersteigt, dass das »Besser« gar keines anderen Beweises bedarf.

Ich beendete äußerlich die Laufbahn eines Komponisten und begann, mich der gewaltigen Komposition des ganzen Lebens mitschöpfend zur Verfügung zu stellen.

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Auf der anderen Seite wehrte ich mich gegen die Klassifizierung als »Aussteiger«. Von wo nach wohin denn? Höchstens als »Andersmacher« hätte ich mich bezeichnen lassen. Aber was tat ich wirklich so anderes, dass es die Einordnung unter solchem Etikett rechtfertigte? War ich Gandhi? War eine von uns Mutter Teresa? Mir blieb rätselhaft, wie »wir« - was alle »Aussteigenden« propagierten - ohne verstehende Interaktion mit dem Mainstream diesen bewegen wollten.

Mit Schaudern erinnere ich mich an David Spanglers »Revelation: The Birth of a New Age«, das gefeierte Buch aus dem schottischen Findhorn150, das den nichtlinken, nichtmarxistischen Flügel der »Alternativ«-Bewegung praktisch geschlossen ins erleuchtete Wassermann-Zeitalter hinüberspülte.151 Es war ein Jahr vor den »Grenzen des Wachstums« erschienen, und ich bekam es früh in die Hände, als ich mit meinem engsten Jugendfreund, einem einzigartig begabten Meistertöpfer, die damals noch kleine, sagenhaft feenumgeisterte Findhorn-Gemeinschaft auf dem Caravan Park am Morey Firth besuchte.

Das Buch stellte in seiner kalten Verachtung des Alten eine Art faschistische Verheißung in den Raum: Die große Reinigung der Erde, die unmittelbar bevorstand, würde alle Bösen, Alten, Regierenden, New-Age-Unwilligen hinwegfegen. Und wie es Lot in der Bibel beim Untergang von Sodom und Gomorrha aufgetragen wurde, so sollten auch die Adeptinnen und Adepten des Neuen Zeitalters sich nicht umdrehen, keinem Untergehenden die Hand reichen, sondern unverwandt das Alte verlassen und sich auf eine völlig neue, selbstverständlich hierarchische Ordnung in einer Art neuen Gottesgesellschaft einstellen.

Die dem Alten anhaftenden Menschen, die wegen ihres Unvermögens, das Neue zu begrüßen, zu vergehen hätten - dazu gehörten übrigens auch die Naturvölker, die Spangler spirituell nicht ausreichend entwicklungsfähig zu sein schienen -, bekämen durch die himmlischen Hierarchien eine zweite Chance, indem sie einst in eine höhere Kultur hinein wiedergeboren würden. - Bis heute sind solche menschenverachtenden Vorstellungen, die ihre Wurzeln in Helena Blavatskys verschwur-belter, aus Dutzenden Werken zeitgenössischer Okkultisten zusammengetragener »theosophischer« Geheimlehre152 haben- und die einerseits rassistischen Ideen Nahrung gab, merkwürdigerweise aber auch epochale Künstler wie Hermann Hesse, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Gustav Mahler oder Alexander Skrjabin beein-

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flusste153 -, in »alternativen« Kreisen en vogue, weil kaum jemand die Ideengeschichte kennt oder sich gar selbstkritisch damit befasst. Viele suchende Menschen gehen ihnen noch immer auf den Leim, weil es die internationale Alternativ-Subkultur nicht geschafft hat, sich aus derlei Projektionen ihrer narzisstisch gekränkten Prophetinnen und Propheten zu befreien.

Ich selbst wollte mich keinem Lager zuordnen. Noch längst war ich nicht so weit, das Gebrodel aus widersprüchlichsten Ideen, Forderungen, Fantastereien, Selbstversuchen und neuen Überzeugungen zu überblicken. Eine Frage aber bewegte mich stärker als alle anderen: Sollte es wirklich genügen, durch bloßes andersartiges Da-Sein den Hauptstrom der Gesellschaft so zu irritieren, dass er schließlich in »unsere« - heute: »lebensfördernde« - Richtung umschwenken würde? Hätten wir damals schon die Forschung zum unrealistischen Optimismus gekannt, es wäre nicht nur leichter gewesen, pragmatisch auf wirksame Lösungen zuzusteuern. Auch die Kommunikation über unsere Ziele hätte ganz anders, effektiver, aufgebaut sein können.

Die Entgegnung, die ich mir zurechtgelegt hatte, sollte mich jemand einen »Aussteiger« schimpfen, war durchaus gewagt, denn ihre Konsequenzen waren mir noch nicht in aller Klarheit bewusst: »Nein, wir sind Einsteiger! Wir steigen aus dem Mitmachen, Nachmachen aus. Wir werden uns einmischen, sagen, was wir für falsch halten, tun, was wir für richtig halten, ausprobieren, wie es anders gehen könnte, um unsere Erkenntnisse in den öffentlichen Diskurs zurückzuspiegeln und so unseren Beitrag zur Evolution der Gesellschaft zu leisten. Wir steigen ein, indem wir politisch werden - und zwar auf eine Weise, die sich ganz von der üblichen Politik entfernt. Wir wollen keine Partei, keine Hierarchien, kein Machtgerangel, keine Lobby.« Unsere Vorbilder waren egalitäre Gemeinschaften, von denen Geschichte und Ethnologie Kunde gaben: Urchristen, Quäker, Amish People, Six Nations154, Völker mit Clanstrukturen. Die immanent patriarchalischen Strukturen vieler jener Modelle konnten wir erst später erkennen, als uns die wachsende Erfahrung gelingender Gemeinschaft das Verwerfen historischer Lebensmodelle nahelegte und uns näher an das Prinzip einer »mütterlichen« Lebenshaltung heranführte.

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So trotzten wir der Gesellschaft - mit vielen Widersprüchen in der Praxis - an ihren Rändern bescheidene Räume des guten Lebens ab, die Friederike Habermann viel, viel später im Titel ihres 2009 erschienenen Buchs »Halbinseln gegen den Strom« nannte.155 Damit traf sie den Nagel auf den Kopf: Nicht Inseln konnten wir besiedeln. Unauflöslich waren die Bindungen an den Kontinent der rundum versorgten und uns versorgenden Gesellschaft, und im besten Fall machten wir nur kleine Landzungen, die in den Ozean des Unbekannten hinausragten, urbar. Aus heutiger Sicht waren es zwar durchaus die ersten »Vorposten des Neuen«, wie Mathias Greffrath jene intentionalen Gemeinschaften einschätzt, »auf denen Produktionsweisen und Lebensformen ausprobiert und entwickelt werden, die auf eine veränderte Gesellschaft hinarbeiten und von denen Boote mit neuen Denk- und Handlungsweisen auf den Ozean des institutionalisierten Irrsinns ausfahren, mit dem Ziel, die Seehoheit zu erringen«.156 Doch brauchten wir geraume Zeit, um zu erkennen, bis in welche feinsten Winkel sogar unserer frei geglaubten Selbstversorgung hinein der megatechnische Pharao sein Nervengeflecht bereits ausgedehnt hatte. Wir hielten die Zeit der Parolen für überholt, die in den 6oer-Jahren vor allem mit der Farbe Rot und der gereckten Faust in Schwarz verbunden waren. Wir wollten den vielen Konjunktiven »man sollte«, »wir könnten«, »wenn wir XYZ hätten« endlich Taten folgen lassen.
Auch ich, ja.

Ich war mit Freunden aufs Land gezogen - wir hatten uns ein Jahr zuvor, 1976, in München gefunden. Heute ist unsere Großfamilie die wohl älteste intentionale Gemeinschaft in Deutschland, deren Gründerinnen und Gründer - mit weiteren Menschen in mittlerweile vier Generationen - nach wie vor unverändert zusammenleben, ein Wunder.157

In den ersten Jahren unserer Gemeinschaft erprobten wir das Neue am eigenen Leib, an der eigenen Seele. Ja, wir trugen Selbstgestricktes, Selbstgenähtes. Ja, wir drechselten selber die Kirschholzknöpfe für unsere selbst bestickten Leinenkleider und Seidenwesten. Ja, wir säten und pflanzten nach Maria Thuns Mondkalender158, und ja, wir lasen die Prophezeiungen der bayerischen Hellseher, die den Zusammenbruch »des Systems« oder den Dritten Weltkrieg noch vor der Jahrtausendwende voraussagten.

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Wir quetschten unser Müsli selber, nachdem wir die ersten jungen Bauern ausfindig gemacht hatten, die ohne Ackerchemie wirtschaften wollten. Ja, wir gehörten zu den Pionieren der damals noch Naturkostbewegung genannten Marktnische, deren Produkte heute als »bio« im Supermarkt reüssieren. Und ja, wir waren so sehr mit den Konsequenzen unseres neuen, gemeinschaftlichen Lebens beschäftigt, dass uns der ökonomische Vorlauf für die Zutaten zum Selbstgemachten, unsere unauflösbare Abhängigkeit von den fatalen Auswirkungen des gut gemeinten Fortschrittsglaubens unserer Väter erst nach und nach dämmerte, spätestens dann, als die globale Wirklichkeit mit dem Unfall von Tschernobyl auf immer ein Loch in die Mitte unserer Lebensbegründung riss.

Doch in alles verändernder Konsequenz erkannten, erfuhren und erlebten wir die tieferen Wahrheiten in unseren Beziehungen - zu uns selbst, untereinander und vor allem zu unseren Kindern. So wie wir das Besitzdenken in unseren persönlichen Liebesbeziehungen auflösen mussten, um unseren ehelichen Schwüren, dem jeweils anderen getreu zur Seite zu stehen, bis dass der Tod uns scheidet, völlig neue und nachhaltig freudvoll lebbare Bedeutung zu geben, so lernten wir wirklich, dass unsere Kinder »nicht unsere Kinder sind«.

»Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. [...] Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken, denn sie haben ihre eigenen Gedanken. Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen, denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen. Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen. Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.«159

Ja, diese Weisheit des libanesisch-amerikanischen Malers, Philosophen und Dichters Khalil Gibran hing auch bei uns irgendwo am Kühlschrank. - Viel wichtiger als dieser doch recht sentimentale Spruch aber wurde für mich und meine intentionale Familie - und das bis auf den heutigen Tag - ein unscheinbares, kleines Goldrähmchen, das in unserem Wohnzimmer hängt und in dem in französischer Sprache zu lesen ist: »La mesure de l'amour, c'est d'aimer sans me-sure.« Das Maß der Liebe ist Liebe ohne Maß. Wahlweise dem Augustinus von Hippo, dem Bernhard von Clairveaux oder dem Franz von Sales zugeschrieben, ist dieser Satz durch alle Zeiten, Welten und Kulturen richtig und lebensleitend. -

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Was hat diese Erzählung mit der Post-Kollaps-Gesellschaft zu tun? Das alles ist 40, 30 Jahre her. Und doch: Wie viele Menschen, nicht nur junge, begegnen mir heute, für die diese Dinge ganz neu sind, die heute genauso wie wir vor vier Jahrzehnten beginnen, sich auf die Suche nach der Wahrheit in ihrem Leben zu machen, für die unsere Erfahrungen, unsere Erkenntnisse wie Geschichten aus Tausendundeiner Nacht klingen. Manche Begegnung wirkt wie ein Deja-vu-Erlebnis, so gleichen sich die Fragen, Probleme, Wünsche, Träume, Ängste. Als hätte sich die Welt nicht weiterbewegt. Gut, wir hatten seinerzeit kein Smartphone und fuhren nicht mit dem Hybridauto vor. Wir hatten ein modern-oranges Telefon mit Wählscheibe, und Briefe schrieben wir noch mit der Hand, nur offizielle auf der Schreibmaschine. - Anderen Gemeinschaftspionieren mag es ähnlich gehen. Die vielen Angebote an - ja nun - »Einsteiger«, Gemeinschaft kennenzulernen, können wohl nur den Grund haben, dass es verdammt lang dauert, jedenfalls länger als 40 Jahre, bis soziale Innovation als Ferment die ganze Gesellschaft durchdringt und transformiert.

Was erwartet uns also? Wie wird sich die Transformation vollziehen, die schneller über uns hereinbrechen wird, als sie natürlicherweise Entfaltungszeit brauchte? Welchen Weg wird der Kollaps nehmen, und was muss am »entscheidenden Wendepunkt« vorbereitet sein, wenn wir zu einem guten Leben der ganzen planetaren Gemeinschaft - oder wenigstens eines erheblichen Teils davon - genesen wollen? Wovon werden wir unabänderlich Abschied nehmen müssen? Wen wird es betreffen? Was werden wir gewinnen? Und welche Praxis, die heute schon ein wenig sturmerprobt ist, können wir mitnehmen in eine Zukunft des Wenigeren und des Besseren? Und - vielleicht die wichtigste Frage: Wer sind wir überhaupt - und wie viele -, dass wir uns einbilden könnten, auf uns käme es an?

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