Teil 2 - «Basis»
Die klassische Medizin und die Naturheilkunde kennen und benutzen den Begriff «Basistherapie» in einem anderen Sinne als die Tiefenpsychologische Basis-Therapie. Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Ein Diabetiker erhält zur Stabilisierung seines Blutzuckers ein Medikament, das er regelmäßig einnehmen muß, oder er spritzt regelmäßig Insulin. Das ist die spezielle Therapie. Gleichzeitig muß er aber eine strenge Diät einhalten, die zuckerfrei ist und nur ein ganz bestimmtes Maß an Kohlenhydraten enthält. Ohne diese Basistherapie bleibt die spezielle Therapie wirkungslos. «Basistherapie» meint in der Medizin also ein «basales», ein grundlegendes therapeutisches Vorgehen, das Voraussetzung für weitergehende Maßnahmen ist. In der Tiefenpsychologischen Basis-Therapie verwenden wir den Basisbegriff völlig anders, was sich schon in der anderen, der getrennten Schreibweise (mit Bindestrich) zeigt. Sie besagt, daß sich die Therapie auf die «biologische und die lebensgeschichtliche Basis» als ihre Behandlungsobjekte richtet.
3. Die biologische Basis
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1) Genetischer Code und biologische Programme
Die biologische Basis umfaßt alle Erbanlagen, also den «genetischen Code» und die «biologischen Programme», die Teil unseres genetischen Codes sind. Einer näheren Erklärung bedürfen zunächst die Begriffe «Ätiologie» und «biologische Programme».
Unter Ätiologie müssen wir den ersten Anstoß zu einem Erkrankungsprozeß überhaupt verstehen. Der kann, wie gesagt, weit zurückliegen, er kann, und das ist sehr viel häufiger der Fall, als die meisten Menschen ahnen, sogar lange vor der Geburt liegen, bei der Geburt selbst geschehen sein oder in der ersten Zeit danach — zu einer Zeit also, in der das Kind sehr störbar und äußerst verletzbar ist.
Ich weiß aus vielfältiger Erfahrung, daß diese Tatsache gern übersehen wird, weil sie bei vielen Menschen Schuldgefühle erzeugt, besonders bei den Eltern, aber auch bei Medizinern. Die hohe Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit des noch ungeborenen Kindes wurde ja in der Medizin noch bis vor wenigen Jahren systematisch geleugnet.
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Ich werde niemals mehr die ein Leben lang anhaltenden Schrecken und Schmerzen meines Patienten Winfried vergessen, der bei jeder Erwähnung von Operationen und blutigen Unfällen ruckartig über seiner rechten Hüfte einknickte, panische Ängste und Schmerzen in der Leiste bekam. Sie konnten erst gelöst werden, als er leiblich-seelisch-geistig erinnerte und verarbeiten konnte, daß er unmittelbar nach seiner Geburt — ohne Narkose, auch ohne örtliche Betäubung! — wegen eines im Leistenkanal steckengebliebenen Hodens operiert worden war.
Ich weiß sowohl aus der Erfahrung wie auch aus der Literatur, daß es noch vor wenigen Jahrzehnten üblich war, Säuglinge ohne Betäubung, ohne Anästhesie zu operieren — mit der Begründung, den kindlichen Organismus vor der Belastung durch die Anästhesie bewahren zu wollen, aber auch in der irrigen Annahme, die Kinder würden den Schmerz weniger wahrnehmen als Erwachsene.
Mir ist bekannt, daß es auch heute noch Mediziner gibt, die diese irrige Meinung vertreten! Sie sind inzwischen erfreulicherweise zur Ausnahme geworden. Das gilt leider nicht für noch ungeborene Kinder. Die Meinung, sie würden keinen Schmerz empfinden können, weil das Nervensystem noch nicht weit genug entwickelt sei und keine entsprechenden Reaktionen wahrzunehmen sind, herrscht offensichtlich heute noch vor.
Meine Patientin Astrid, 25 Jahre alt, über die ich später noch ausführlicher berichten werde, hat in der Regressions-Therapie starke Schmerzen an ihrer linken Bauchseite, die mit sehr großen Angstgefühlen, ja mit Panik verbunden sind. Als es ihr gelingt, sich diesen Gefühlen ungebremst zu überlassen, erlebt sie, daß ihr im dritten Schwangerschaftsmonat an dieser Stelle eine Gewebeprobe entnommen wird. Sie «sieht», auf dem Wege der «endogenen Wahrnehmung», mit der wir uns später noch ausführlich beschäftigen, das Instrument, mit dem die Biopsie vorgenommen wird, und beschreibt es mir, auch den Mechanismus, mit dem die Probe entnommen und durch ein dünnes Rohr herausbefördert wird. Nach der Therapiesitzung zeichnet sie es genau auf. Ein solches Instrument hat sie «in natura» noch nie gesehen. Sie hat lange damit zu tun, die erfühlten Schmerzen und Ängste zu verarbeiten, die ihr Leben bis heute belastet haben.
Die Pathogenese, also die mit den üblichen medizinischen Mitteln feststellbare Entwicklung einer manifesten Erkrankung, setzt oft erst sehr viel später ein. Zwischen der Ätiologie eines Erkrankungsprozesses und seinem sichtbaren Ausbruch können sogar Jahrzehnte liegen. Warum das so ist, werden wir verstehen, wenn wir uns mit den tiefenpsychologischen Aspekten der TBT beschäftigen.
Die «biologischen Programme» sind Teil des genetischen Codes — Teil jener allgemeinen Erbanlagen, die allen Menschen in gleicher Weise zueigen sind.
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Sie umfassen keineswegs nur jene körperlichen Merkmale, an denen wir ablesen können, daß jemand ein Mensch ist und kein Affe oder irgend ein anderes Tier, sondern auch die Tatsache, daß wir eine mit Gefühlen und Erwartungen ausgestattete Seele und ein mit der Fähigkeit zur Steuerung unseres Lebens ausgestatteter Geist sind. Das macht erst verständlich, daß und warum es überhaupt zu schwerwiegenden pränatalen (vorgeburtlichen), perinatalen (geburtsbedingten) und postnatalen (nachgeburtlichen) Verletzungen mit weitreichenden Folgen kommen kann. Das Kind empfindet nämlich seine «biologischen Programme» vor, während und noch lange Zeit nach seiner Geburt als konkrete körperliche, seelische und geistige Erwartungen an den Leib seiner Mutter, an seine Eltern insgesamt, an die weitere Umwelt und die Gesellschaft, in die es hineingeboren wird. Es spürt sehr deutlich, wie seine Lebensbedingungen in der jeweiligen Entwicklungsphase sein müssen und ob diese seine Erwartungen erfüllt werden oder nicht.
Daß das Kind ohne bewußtes Dazutun der Mutter in ihrem Leib wenigstens einigermaßen sicher ist, verdanken wir den differenzierten Informationen der entsprechenden genetischen Codes, den «biologischen Programmen», mit denen Mutter und Kind, harmonisch aufeinander abgestimmt, ausgerüstet sind.
Ei- und Samenzelle bringen bei der Zeugung gewöhnlich bereits ein gewisses Potential an körperlichen, psychischen und geistigen Belastungen aus der jeweiligen Familiengeschichte mit. Nicht immer haben diese Belastungen Krankheitswert. Wenn sie jedoch einen solchen haben, dann sind die gespeicherten Informationen, wie wir später noch sehen werden, der Kognitiv-Energetischen Diagnose (KED) zugänglich und in vielen Fällen auch therapeutisch korrigierbar.
Bei der Zeugung und dem anschließenden Vorgang der Befruchtung laufen im Mutterleib viele hoch komplizierte Vorgänge ab. Ein ganz besonders faszinierendes Moment bei der Befruchtung, das sich in vielen Therapien widerspiegelt, aber auch bereits gefilmt wurde, besteht darin, daß sich das Ei ganz offensichtlich das Spermium, mit dem es sich vereinigen will, selbst aussucht und sich ihm gezielt öffnet. Das setzt natürlich ein erhebliches Maß an Wahrnehmungsfähigkeit des noch unbefruchteten Eis voraus, die beim Spermium nicht in gleich hohem Maße vorhanden zu sein scheint. All die verschiedenartigen Vorgänge bei der Befruchtung und in der ersten Zeit danach können jedoch von der Mutter nicht bewußt wahrgenommen und gesteuert, sehr wohl aber negativ beeinflußt werden — z.B. durch gesundheitliche Störungen in ihrem Organismus, durch Rauchen, durch Alkohol, durch Verkrampfungen, durch gefühlsmäßige Ablehnung des Partners, durch Angst vor einer möglichen Schwangerschaft usw.
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Die genannten Störungen und noch weitere sind es, welche die Entwicklung des neu entstehenden und sich entfaltenden Lebewesens bereits an der Wurzel des Lebens ernsthaft gefährden und im späteren Leben schwerwiegende Erkrankungsprozesse nach sich ziehen können.
Das im Mutterleib heranwachsende Kind ist so hoch sensibel, wie wir uns das als Erwachsene meist gar nicht mehr vorstellen können. Es bekommt z.B. alle Gefühlsschwankungen der Mutter mit, weil es in seinem Empfinden von ihr kaum unterschieden ist. Es reagiert mit Angst und Rückzug gegen zu starke Belastungen bei übermäßigen Anstrengungen der Mutter. Aber auch bestimmte Erkrankungen der Mutter, z.B. eine Grippe, können erhebliche Schäden hinterlassen.
Je nach dem Grad der Belastungen können diese vom Kind allerdings nicht mehr aufgefangen, nicht mehr verarbeitet werden und hinterlassen dann dauerhafte Schäden. Das gilt vor allem für solche physischen und psychischen Verletzungen, durch die das Leben des Kindes infrage gestellt oder akut gefährdet wird, etwa durch eine diskutierte oder gar versuchte Abtreibung. Aber auch durch Probleme beim Geburtsgeschehen, z.B. durch eine zu lange Dauer, durch Sauerstoffnot, durch die Strangulation bei einer Nabelschnurumwicklung, durch eine willkürliche Einleitung, durch Zange und Saugglocke, auch durch Schnittentbindung (sog. Kaiserschnitt), werden die biologischen Programme so empfindlich gestört, daß das Kind eine akute Lebensbedrohung empfindet, die sich sein ganzes Leben lang auswirkt.
Vorgeburtlich und nachgeburtlich wirken sich vor allem Kontaktmangel, bewußte und unterschwellige feindselige Gefühle der Mutter und der Umwelt traumatisierend auf das Kind aus. Von einem Mangel an Körperkontakt muß postnatal (nachgeburtlich) bereits dann gesprochen werden, wenn das Kind unmittelbar nach der Geburt, aus welchem Grunde auch immer, von seiner Mutter getrennt wird. In den ersten Stunden nach der Geburt, besonders intensiv in der ersten halben Stunde, finden zwischen Mutter und Kind intensive Prägungsvorgänge statt, die über das spätere gegenseitige Verstehen entscheiden. Auch diese Vorgänge gehören in den Bereich der lebensbestimmenden «biologischen Programme», die nur allzu oft gestört werden und dann lebenslange Gefühle, nicht geliebt zu werden, nicht liebenswert zu sein, und die Disposition zu chronischen und malignen Erkrankungen hinterlassen.
2) Prägungen
«Prägungen» gehören sowohl in den Bereich der «biologischen» wie der «lebensgeschichtlichen» Basis. Ihr biologischer Anteil besteht darin, daß sie in jedem Fall stattfinden, weil sie zum genetischen Code gehören. Ihr lebensgeschichtlicher Anteil beruht auf der jeweiligen konkreten Situation, in der sie stattfinden.
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Wenn z.B. das eben geborene Kind nicht, wie es das diesbezügliche biologische Programm verlangt, sofort, spätestens nach der Abnabelung, auf den Bauch der Mutter oder wenigstens in ihren Arm gelegt wird, sondern ihr erst viel später «gezeigt» wird, dann hat dieser unbiologische lebensgeschichtliche Umstand bereits zu einer gegenseitigen (!) Fehlprägung geführt — auf Seiten des Kindes zu der grundlegenden Empfindung: «Ich habe keine Mutter», und auf Seiten der Mutter: «Ich habe kein Kind».
Natürlich «weiß» die Mutter, von ihrem Verstand her, daß sie ein Kind geboren hat, und das Kind «weiß» natürlich, daß es eine Mutter hat. Aber dieses Wissen reicht nicht aus, um die durch die Trennung entstandenen unterschwelligen Fremdheitsgefühle auszulöschen. Die Mütter empfinden diesen Kindern gegenüber oft unerklärliche Schuldgefühle, und die Kinder kämpfen entweder um die verlorene Nähe der Mutter durch intensives Klammern, oder sie drücken ihr durch die Trennung entstandenes Fremdheitsgefühl durch anhaltende Distanz aus.
In den meisten psychotherapeutischen Schulen, außer in der «Primärtherapie» von Arthur Janov, gelten Fehlprägungen als unkorrigierbar. Das ist verständlich, weil sich die wenigsten Therapeuten mit der biologischen Basis beschäftigen. Die Tiefenpsychologische Basis-Therapie, die in ihren therapeutischen Bemühungen direkt auf die biologische und lebensgeschichtliche Basis abzielt, ist in der Lage, solche Fehlprägungen grundlegend zu korrigieren. Das gilt auch für jene Fehlprägungen, die wir «Homosexualität» nennen. Dabei wirken der Vorgang der «Prägung» und der vorgeburtlich entstehende «Abwehrmechanismus der Identifikation» zusammen. Darüber werde ich mich erst später näher äußern. Warum und wie eine Korrektur von Fehlprägungen überhaupt möglich ist, werden wir im Abschnitt «Tiefenpsychologisch» besprechen.
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4. Die lebensgeschichtliche Basis
Die «lebensgeschichtliche Basis» umfaßt alle frühen «Prägungen», die vorgeburtliche Zeit, das Geburtsgeschehen und das erste Jahr nach der Geburt, also auch alle Verletzungen und Schädigungen, die in dieser Zeit geschehen bzw. geschehen sind. Weil sie bei Neurosen und Psychosen, bei sogenannten psychosomatischen und chronischen Erkrankungen, aber auch bei vielen malignen («bösartigen») Prozessen meist die «Ätiologie» (die tiefste Ursache) bilden, bezeichnen wir diese Geschehnisse im Vergleich zu den oft erst sehr viel später sichtbar werdenden manifesten (offensichtlichen) Krankheitserscheinungen als «primär».
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1) Vorgeburtliche Verletzungen (pränatale Traumata) und Verletzungen im Zusammenhang mit dem Geburtsgeschehen (perinatale Traumata)
Damit werden wir uns anhand von mehreren Fallbeispielen konkret befassen, so daß wir uns hier zunächst kurz fassen können.
Es gibt unendlich viele mögliche belastende Situationen, die bei Embryo und Fötus zu schwerwiegenden pränatalen Traumatisierungen (vorgeburtlichen Verletzungen) führen können. In Teil VII werde ich allein 20 verschiedene Fälle beschreiben, die alle eines gemeinsam haben: sie hängen mit der Einstellung der Eltern, besonders der Mütter, zu dem im Mutterleib heranwachsenden Kind zusammen. Deshalb will ich mich an dieser Stelle auf ein kurzes Beispiel einer pränatalen und perinatalen Schädigung beschränken, das nicht mit der grundsätzlichen Einstellung der Mutter zu ihrem Kind zusammenhängt, sondern einen anderen Hintergrund hat.
Wolfgang ist von den Eltern, die einen kleinen Bauernhof betreiben, freudig erwartet. Während der Schwangerschaft kommt es zu zwei folgenschweren Unfällen, die bei dem Fötus einen beträchtlichen Schaden hinterlassen, der weder von der Mutter erkannt werden kann noch von einem Arzt hätte erkannt und behandelt werden können. Der erste Unfall ereignet sich bei einer Motorradfahrt der Eltern. In einer steilen, abwärtsgeneigten Kurve rutscht das Motorrad auf Streusand aus der Bahn und schlägt um. Beide Eltern fallen zu Boden. Das Motorrad schlägt mit dem hinteren Schutzblech und dem Gepäckträger gegen den Bauch der Mutter.
Da der Aufprall dort zwar ein Hämatom (Bluterguß) und einen Riß in der Haut, jedoch relativ rasch abklingende Schmerzen hinterläßt, beruhigt sich die Mutter bald wieder und geht erst einen Monat später zu einer Routineuntersuchung zum Arzt. Sie befürchtet keinen Schaden für ihr Kind, und der Arzt, dem sie von dem Unfall erzählt, untersucht sie gründlich und beruhigt die Mutter. Für das Kind ist jedoch ein ganz beträchtlicher Schaden eingetreten: Die linke Kopfseite des Fötus, besonders das linke Ohr, ist stark getroffen worden. Das Kind erleidet dabei eine schwere Gehirnerschütterung und einen Schock. Auch die linke Schulter und die Lendenwirbelsäule sind von dem heftigen Stoß betroffen. Der zweite Brustwirbel und das Nasenbein sind gebrochen. Außerdem hat sich das Kind so sehr in seiner Nabelschnur verfangen, daß es am Hals und an den Beinen umwickelt ist, wodurch es zusätzlich zu Durchblutungsstörungen kommt.
Wolfgang kann sich nicht mehr richtig bewegen. Er fühlt sich wie ein «verschnürtes Paket». Die Schocksymptomatik tritt noch einmal auf und verstärkt die massiven Ängste des Kindes, als die Mutter kurze Zeit später beim Absteigen von einem Traktor mit dem Bauch anstößt. Außerdem kommt es gegen Ende der Schwangerschaft zu einer unphysiologischen Drehung in die Geburtslage, d.h. der Kopf liegt zwar unten, jedoch nicht direkt vor dem (späteren) Ausgang, sondern schräg. Durch die Schräglage und die Nabelschnurumwicklung wird die Geburt des Kindes wesentlich erschwert. Das linke Ohr wird beim Durchtritt durch das kleine Becken zusätzlich gequetscht, und die Nabelschnur stranguliert das Kind bis zur Bewußtlosigkeit. Als Spätfolge dieser Ereignisse tritt im Alter von ca. 30 Jahren ein Hörsturz mit nachfolgendem Tinnitus auf, der den Patienten schließlich zur Behandlung in unser Therapiezentrum führt.
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Nabelschnurumwicklungen mit Strangulation bei der Geburt stellen ein sehr häufiges pränatales und perinatales traumatisches Ereignis dar. Die Patientin Corinna hat die dabei auftretenden Wahrnehmungen und Gefühle einmal ungefähr so ausgedrückt: «Ich wollte unbedingt zum Leben kommen. Aber mit jedem Zentimeter, um den ich dem Ausgang näher kam, näherte ich mich dem Tod. Es war schrecklich: Leben und Tod verschwammen ineinander. Ich hatte keine Chance». Die Drehung in die Geburtslage, die normalerweise zwischen dem 6. und dem 8. Schwangerschaftsmonat stattfindet, ist vorgeburtlich ein recht kritischer Punkt, bei dem es unter bestimmten Belastungen leicht zu Nabelschnurumwicklungen kommen kann.
Viele Menschen, die mit einer Nabelschnurumwicklung geboren worden sind, haben davon keine Ahnung — auch ihre Mütter nicht! In diesen Fällen ist von den Ärzten oder Hebammen die Nabelschnur blitzschnell abgewickelt und den Müttern davon keine Mitteilung gemacht worden. Eine Kinderkrankenschwester, die in einer Entbindungsklinik tätig ist, teilte mir mit, daß es dem Klinikpersonal nicht erlaubt sei, den Müttern davon Kenntnis zu geben. Wäre ich bei der Geburt meiner Tochter Anna-Katharina nicht selbst anwesend gewesen, so wäre es meiner Frau auch nicht anders ergangen.
Was während einer Geburt wirklich geschehen ist, kann nur die mit der Therapie verbundene Selbstdiagnose mit Hilfe der «endogenen Wahrnehmung» (siehe Kap. 18!) exakt aufdecken. Allerdings gibt es im Alltagsleben vieler Menschen deutliche Hinweise, die dem Therapeuten den Schluß nahelegen, daß bei der Geburt dieser Menschen eine Strangulation durch die Nabelschnur eine Rolle gespielt haben könnte, wenn sie z.B. berichten, daß sie am Hals besonders empfindlich sind, keine Rollkragenpullis oder hochgeschlossene Hemden und Kleider tragen können, ohne Erstickungsgefühle zu bekommen. Wenn sich der Therapeut beim «Psycho-dynamischen Erstinterview» eingehender mit den Ängsten und Phantasien solcher Patienten beschäftigt, so kann er oft feststellen, daß die Erstickungsängste von Klaustrophobien (Einschließungsängsten) begleitet sind. Das sind dann ganz besonders deutliche Hinweise auf eine Nabelschnur-Strangulation bei der Geburt der betroffenen Patienten.
In unserer westlichen Zivilisation sind die meisten Geburten immer noch eine traumatisierende Belastung für die Kinder, auch dann, wenn sie (angeblich) «normal» verlaufen. Was wir für «normal» zu halten gewohnt sind, entspricht nämlich keineswegs immer den «biologischen Programmen» von Geburt und widerspricht damit sowohl den Gefühlen der Mütter wie besonders denen der Kinder. Was aber den biologischen Programmen widerspricht, wird als schädigende Verletzung erlebt und hinterläßt beim Kind in jedem Fall ein ungelöstes, ein verdrängtes Trauma.
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Der vielleicht noch harmloseste belastende Umstand besteht darin, daß es kaum Krankenhäuser oder andere Entbindungsstationen gibt, in denen es üblich ist, die Mütter vor der Entbindung mit den Räumlichkeiten, in denen sie und ihr Kind die Geburt erleben werden, früh genug und ausreichend vertraut zu machen. Die Folge davon ist, daß sich die Mütter, und mit ihnen ihre Kinder, unvertraut, ja fremd fühlen. Das setzt sich dann meist nach der Geburt bei der Einweisung in ein unvertrautes Zimmer fort. Wenn wir bedenken, daß in der ersten Zeit nach der Geburt eine intensive gegenseitige Prägung zwischen Mutter und Kind stattfindet, was wir bereits erörtert haben, so werden wir diesen Umstand doch wohl nicht ganz so nebensächlich finden können, denn das Kind nimmt die Fremdheitsgefühle der Mutter ungefiltert auf und integriert sie in sein eigenes Raumempfinden.
Um beträchtliche Grade schlimmer ist die Tatsache zu bewerten, daß es immer noch Ärzte gibt, die darauf bestehen, die Frauen im Liegen zu entbinden. Wer nur ein wenig mit der Physiologie des weiblichen Körpers vertraut ist, weiß, daß die Scheide schräg nach oben gerichtet ist, so daß sich das Kind bei dieser Lage beim Austritt aus dem letzten Teil des Geburtskanals entgegen der Schwerkraft bewegen muß. Da die meisten Mütter bei der Geburt nicht gern flach liegen, heben sie gewöhnlich ihren Oberkörper an. Dadurch kommt es für das Kind zu einer noch schwierigeren Geburtssituation. Der Ethologe (Verhaltensforscher) Stiefenhövel hat zu diesem unphysiologischen Umstand sarkastisch bemerkt, daß das Liegen der Mutter bei der Entbindung «die zweitdümmste Gebärposition nach dem Kopfstand» sei. Aus meinen vieljährigen Erfahrungen mit den Geburten meiner Patienten und aus eigener Geburtserfahrung kann ich dieser Bemerkung nur zustimmen.
Natürlich weiß ich und schätze es sehr hoch ein, daß es mehr und mehr Frauen gibt, die sich, oft genug gegen den Widerstand von Ärzten und Kliniken, eine «natürliche» Entbindung erkämpfen. Das Problem liegt aber wohl eher darin, daß die meisten Frauen, vor allem auf dem Lande, selbst noch nicht wach genug sind, die inzwischen vorhandenen Gelegenheiten zu nutzen. Immerhin ist ein Anfang gemacht, und auch ich bin der Meinung, daß «ein bißchen» eben doch ein bißchen mehr ist als gar nichts.
Aus der «natürlichen» Entbindung sollte man allerdings auch keine «Ideologie» machen! Eine meiner ehemaligen Patientinnen, die ein sehr enges Becken hatte und obendrein zu Verkrampfungen neigte, bestand auf einer «natürlichen» Geburt — gegen den ausdrücklichen Rat der Ärzte, das Kind mit einer Schnittentbindung zu gebären. Wäre sie damals noch meine Patientin gewesen, so hätte ich den Rat der Ärzte unbedingt unterstützt. Die Folge ihrer ideologischen Einstellung war schrecklich: Das Kind wurde mit einer so erheblichen Kopfquetschung geboren, daß es stark behindert war und bald starb.
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Für den Kopf des Kindes ist der Weg durch den Geburtskanal ein ganz besonders kritischer Punkt. Wenn wir von der vorgeburtlichen Normallage ausgehen, bei der der Kopf des Kindes unten liegt, mit der Nase zur Wirbelsäule der Mutter oder nach vorn, so muß sich der Kopf beim Eintritt ins kleine Becken um 90 Grad nach rechts oder nach links drehen, um das kleine Becken durchwandern zu können. Bei der Passage zwischen den harten Beckenknochen hindurch kommt es in sehr vielen Fällen zu erheblichen Kopfquetschungen mit vielerlei Folgen: Epilepsien, spastischen Lähmungen, Druck auf die Ohren mit nachfolgenden Innenohr-Erkrankungen, Schulter-Arm-Syndromen, Gelenkproblemen im ganzen Körper, zu Knochenbrüchen, aber auch zu Muskelrissen, zu Quetschungen und Zerrungen, die oft gar nicht erkannt werden, im späteren Leben aber als allgemeine «rheumatische» Körperschmerzen die Lebensqualität beträchtlich herabsetzen können.
Eine besonders auffällige Folge dieser Geburtsproblematik sind Haß und Wut! Da diese Gefühlsäußerungen in unserer Erziehung jedoch sehr schnell unterdrückt werden, suchen sich Haß und Wut später Ziele, die in der Gesellschaft als «legitim» anerkannt werden. David Wasdell hat sich in seinem Buch «Die pränatalen und perinatalen Wurzeln von Religion und Krieg» intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt.
Ob grundsätzlich jede Geburt traumatisch ist, ob man pauschal von «dem Geburtstrauma» sprechen kann, ist immer noch eine umstrittene Frage. Ich neige persönlich zu der Ansicht, daß die Geburt nicht zwangsläufig traumatisch ist, vor allem dann nicht, wenn die Geburt lange genug vorbereitet und mit bestimmten geburtsbegleitenden Entspannungstechniken für eine sanfte Weitung des Geburtskanals gesorgt wird. Zu nennen sind in erster Linie die «Haptonomie» nach Frans Veldman, die Anwendung von «ZILGREI» und die Leboyer-Methode.
In der Tiefenpsychologischen Basis-Therapie jedoch haben wir ständig mit den Folgen traumatischer Geburten zu tun. Auffällig ist, daß die wenigsten Menschen überhaupt ahnen, daß ein Großteil ihrer gesundheitlichen Probleme eine Folge ihrer vorgeburtlichen Zeit und ihrer traumatischen Geburt ist. Auch die Patienten, die zu mir in Therapie kommen, ahnen anfangs nicht das Gewicht ihrer pränatalen und perinatalen Probleme. Die Verdrängung vorgeburtlicher und geburtsbedingter Schädigungen funktioniert in unserer Gesellschaft erstaunlich perfekt!
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2) Verletzungen im ersten Jahr nach der Geburt (postnatale Traumata)
Wir haben uns bereits kurz mit dem biologischen Programm der Prägung beschäftigt, das in der ersten Zeit unmittelbar nach der Geburt eine so wichtige Rolle für das gegenseitige Verhältnis zwischen Mutter und Kind spielt. Darüber hinaus macht sich natürlich die Haltung, die die Mutter bereits vor der Geburt ihrem Kind gegenüber hatte, auch postnatal (nachgeburtlich) bemerkbar, vor allem dann, wenn sie z.B. die Ablehnung ihres Kindes aufrecht erhält. Das wird uns das erste der folgenden Beispiele zeigen. Die Situation kann sich aber auch genau entgegengesetzt entwickeln, wenn die Mutter z.B. ihrem Kind in der vorgeburtlichen Zeit gefühlsmäßig viel näher ist als nach der Geburt. Die Folgen davon wird uns das zweite Beispiel zeigen.
1. Esther litt (neben Tinnitus und Morbus Meniere, Erkrankungen, auf die ich hier nicht näher eingehen will, die uns später aber noch ausführlich beschäftigen werden) an schweren Depressionen und an einer Tollenallergie. Sie war ein unerwünschtes, «lediges» Kind. Die Mutter hatte mit Hilfe eines Krankenpflegers, der sich in «privater Praxis» als «Engelmacher» betätigte, einen massiven doch erfolglosen Abtreibungsversuch unternommen. Nach dieser lebensbedrohlichen Attacke fühlte sich Esther im Mutterleib unendlich einsam. Diese grundlegende Situation des Kindes, bedingt durch die ablehnende Einstellung seiner Mutter, änderte sich auch nicht nach der Geburt. Das Kind wurde bei Sonnenschein mit dem Kinderwagen in den Garten «abgeschoben» und dort stundenlang alleingelassen. Die spätere Pollenallergie stellte eine verdrängte Erinnerung an die ungeliebte Zeit des Abgeschobenseins im Garten dar. Jedesmal wenn die Gräserpollen flogen, brachen die alten Einsamkeits- und Verlassenheitsgefühle wieder auf und führten zu den unangenehmen allergischen Reaktionen. Als diese Zusammenhänge aufgedeckt und aufgearbeitet waren, verschwand die Tollenallergie folgenlos.
2. Das Beispiel Benjamin zeigt, wie ungemein wichtig die unmittelbare Erstprägung nach der Geburt ist. Die Schwangerschaft war insgesamt recht positiv verlaufen, die Geburt jedoch sehr anstrengend, vor allem auch für die Mutter. Diese war so geschwächt, daß sie sofort danach einschlief und das Kind erst am nächsten Tag in einem Abstand von 20 Stunden zu sehen bekam. Das anfängliche Sehnen des Kindes nach der Mutter erstickte nach 1 bis 2 Stunden in einem Verdrängungsprozeß, wobei das Sehnen seines Inhalts und Zieles entleert wurde. Diese unwiederbringliche Verletzung des biologischen Programms, zusammen mit späteren Vernachlässigungs-Traumen, führten Benjamin in die Isolation bis hin zur Psychose, die im frühen Erwachsenenalter infolge einer Trennungssituation ausbrach. Nach zwei längeren Aufenthalten in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken kam er schließlich zur Behandlung in unser Therapiezentrum, um die Fehlprägung durch Wiederherstellung der ursprünglichen biologischen Programme zu korrigieren.
3) Spätere unverarbeitete Verletzungen (spätere Traumata mit Schock und/oder Gehirnerschütterung)
Wir kehren noch einmal zum Begriff «primär» zurück und beschäftigen uns damit, was er über die pränatalen, perinatalen und postnatalen Traumata (die vorgeburtlichen, geburtsbedingten und nachgeburtlichen Schädigungen) hinaus noch umfaßt. Die Bezeichnung einer Schädigung als «primär» sagt nämlich nichts aus über deren tatsächliches Alter.
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Ein «primärer» Schaden kann zeitlich sehr weit zurückliegen — so ist das auch in sehr vielen Fällen —, er kann aber auch noch ganz jung sein, kann der jüngsten Vergangenheit angehören. «Primär» bedeutet in jedem Fall, daß das ursprüngliche Trauma seinem Gewicht nach nicht mehr voll wahrgenommen wird, daß es, zumindest zum Teil, verdrängt ist. Die gegenwärtig vorhandenen Symptome bzw. manifesten Erkrankungserscheinungen sind dem ursprünglichen Trauma gegenüber «sekundär». Oft werden sie von den Betroffenen damit auch gar nicht mehr in Verbindung gebracht. Dazu will ich Ihnen ein Beispiel erzählen:
Vor etwa zehn Jahren kam Frau K., die mehr als ein Jahr zuvor durch einen Auffahrunfall, bei dem sie das «Opfer» gewesen war, ein Schleudertrauma in der Halswirbelsäule und einen Schock erlitten hatte, zu mir zu einer ZILGREI-Behandlung (ZILGREI ist ein orthopädisches Therapie System, das in unserem Therapiezentrum gern durchgeführt wird, weil es mit der TBT gewisse Gemeinsamkeiten aufweist). Auch die Brustwirbelsäule der Patientin war - durch den Gurt - bei dem Unfall in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Behandlung im Unfallkrankenhaus war erfolgreich gewesen. Aber nach einem längeren symptomfreien Intervall waren sehr lästige Symptome wieder aufgetreten: Schmerzen im Kopf, Schmerzen und Verspannungen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule, Nackensteife und erhebliche Bewegungseinschränkungen. Da röntgenologisch keine anatomischen Veränderungen mehr nachweisbar waren, weigerte sich die gegnerische Versicherung verständlicherweise, eine neuerliche orthopädische und physiotherapeutische Behandlung zu bezahlen.
Aus ganzheitstherapeutischer Sicht handelte es sich bei diesen Spätfolgen des Schleudertraumas um Erinnerungs-Symptome, in denen der erlebte und verdrängte psychophysische Schock und die panikartige Angst festgehalten worden waren. In dem beschriebenen Fall konnte die Symptomatik von der Patientin endgültig aufgegeben werden, als das traumatische Geschehen (der Auffahr-Unfall mit seinen Folgen) emotional voll wiedererlebt und danach die zurückgekehrte Symptomatik aufgelöst wurde. Da das der gegnerischen Versicherung einsichtig gemacht werden konnte, erklärte sie sich zur Übernahme der Therapiekosten bereit.
Dieses Beispiel zeigt eine ganz neue, überaus wichtige therapeutische Dimension der Tiefenpsychologischen Basis-Therapie auf. Sie ist nämlich bestens dazu geeignet, «primäre» Schädigungen auch der Gegenwart, die mit einem Schock und/oder mit einer Gehirnerschütterung verbunden waren (im Schock und bei einer Gehirnerschütterung findet immer eine massive Verdrängung statt!) aufzulösen und deren Folgen zu heilen, die z.B. im Zusammenhang stehen mit überlebten Verkehrsunfällen aller Art, mit Vergewaltigungen, sexuellem Mißbrauch von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, miterlebten Einbrüchen, Terroranschlägen, Folterungen usw.
Diese Ereignisse werden nämlich nur ganz selten wirklich verarbeitet, sondern meist sofort zu verdrängen bzw. mit Sedativa (beruhigend wirkenden Medikamenten) zuzudecken versucht, wodurch ihre Auflösung erst recht verhindert wird.
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