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3.  Das Wesen des Schmerzes  

 

 

Erscheinungsformen des Schmerzes 

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Wir sind auf vielerlei Weise verletzbar. Es gibt Schmerzen, die schon vor der endgültigen Entwicklung des Bewußtseins auftreten. Diese Schmerzen können nicht in Begriffe gefaßt werden; sie sind biologischer Art, werden aber dennoch gespeichert. So wird beispielsweise ein Kind, dessen Bedürfnisse nach Berührung und Liebkosung im frühesten Leben nicht gestillt wurden, traumatisiert oder überlastet, obgleich es noch kein Bewußtsein von seinen Bedürfnissen oder deren mangelnder Erfüllung hat.

Ein Kind, daß zur Reinlichkeit oder zum Laufen gezwungen wird, bevor Gehirn und Rückenmark entsprech­end ausgereift sind, wird organisch übermäßig belastet. Es gibt Beweise dafür, daß die Markbildung in den Nervenfaserscheiden (die man als Hinweis auf Funktionsfähigkeit wertet) vor dem zwanzigsten Lebensjahr noch nicht vollständig ist.  

Es kann traumatische Folgen haben, wenn man ein Kind zum Laufen, Werfen, Sprechen und Buchstabieren zwingt, bevor das Gehirn ausgereift ist. Und Trauma bedeutet übermäßige Belastung: es ist etwas, was innerhalb des Reifungsvorgangs nicht verarbeitet werden kann.

Traumen kumulieren. Mit ihrer Zahl steigt der Spiegel übrigbleibender Spannung oder nichtverarbeiteten Schmerzes. Und je höher der Spiegel gespeicherter und ungelöster Schmerzen steigt, desto stärker wird der Grad, den die Verallgemeinerung der Reaktionen erreicht und desto komplexer das symbolische Verhalten. Das bedeutet aber wiederum, daß bei hohem Schmerzpegel nahezu alles eine ängstliche, neurotische Reaktion auslösen kann. Auf diesem Wege wirken auch sehr abliegende Reize auslösend. Ein psychotischer Patient krümmte sich beispielsweise jedesmal, wenn er eine Autohupe hörte, zusammen. Er dachte, es handle sich um ein Signal »ausländischer Feinde«, die gekommen waren, um ihn gefangen­zunehmen.

 

 Überlastung  

Eine der bedeutsamsten Aspekte kortikaler Markscheidenbildung besteht darin, daß dieser Vorgang gerade im neokortikalen Gewebe des Frontallappens relativ spät zum Abschluß kommt. In diesem Hirnteil spielen sich die Vorgänge der Abstraktion und Generalisierung ab. Dieser Reifungsvorgang ist nicht vor dem fünften oder sechsten Lebensjahr abgeschlossen. Erst dann ist ein Kind »begrifflich« verletzbar; Bedeutungen können verletzen und katastrophale Auswirkungen haben. Vor diesem Zeitpunkt kann ein Kind jede Menge von Kränkungen, Demütigungen und Mißhandlungen erleiden, aber es wird jeden Reiz als eine einzelne, gegen es selbst gerichtete Sache behandeln. Ist das Ereignis traumatisierend genug (zum Beispiel eine Vergewaltigung), dann ruft zu diesem Zeitpunkt der Schmerz einen Spaltungsvorgang hervor. Das ist aber nicht der Normalfall. Daß ein Kind nicht so sein darf, wie es ist, vollzieht sich normalerweise allmählich und schrittweise. 

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Es bekommt Schläge, wenn es sich beschmutzt; es muß seine Milch trinken, ob es nun mag oder nicht; man sagt ihm, wie es die Gabel zu halten hat; schimpft, wenn es nackt auf die Straße läuft und so weiter. Eines Tages, wenn das Gehirn in der Lage ist, all die vorher noch getrennten Erfahrungen zu verallgemeinern, wird die Last dieser einzelnen Erfahrungen gleichsam zu einer Bedeutungslast gerinnen — »Sie hassen mich, mein wirkliches Selbst« — und diese Last wird die Verarbeitungsfähigkeiten des Kindes übersteigen und damit den Spaltungsvorgang einleiten. Den vorausgehenden Zustand des Gespaltenseins kann es aber nicht völlig empfinden; es wird reizabhängig. Und das heißt, daß es mit Erfahrungen wieder wie mit einzelnen, unverbundenen Dingen umgeht. So muß es handeln, wenn es überleben und sich von mächtigen Schmerzen fernhalten will.

So hat also die Bedeutung katastrophale Wirkung, die Bedeutung, zu deren Wahrnehmung wir im Alter von fünf Jahren fähig werden. Bedeutung ist eine Verallgemeinerung. Sie stellt gewissermaßen einen Wert für alle angesammelten, vorausgegangenen Angriffe dar. Damit hängt es zusammen, daß so viele von uns im Alter von fünf oder sechs Jahren wirklich neurotisch werden. Wenn man zu einer gespaltenen Existenz- oder Erlebnisweise zurückkehrt, dann weicht man Bedeutungen oder Sinn­zusammen­hängen aus. Und die Persönlichkeit wächst heran und sucht tragischerweise an allen möglichen Orten nach einem Sinn, nur nicht am rechten Ort.

Was ich besonders betonen möchte, ist, daß der Wert, der einem einzelnen Erlebnis zukommt, ausreichend sein kann, um schon vor der Markreifung einen Spaltungsvorgang hervorzurufen. So hinterlassen traumatische Geburten im Organismus Spannung, weil sie als Erlebnis auf keiner Ebene verarbeitet werden können. Dasselbe können Situationen in der Stillzeit bewirken — etwa äußerst grobes, verkrampftes oder unzureichendes Anfassen.

Der Organismus kann auf vielfältige Weise übermäßig belastet werden, manches davon vollzieht sich ziemlich subtil. Eine Patientin wurde von ihren altersschwachsinnigen Großeltern geschlagen, herumgezerrt, gestoßen und nie in Ruhe gelassen. Im Alter von acht Monaten ertrug sie diese Art der Überreizung nicht mehr; da es für sie keinen Weg gab, diese Überreizung auszuschalten, steigerte sich ihre eigene Aktivität anfallsartig. In einer therapeutischen Sitzung, in der sie ein Urerlebnis [ein Primal] hatte, empfand sie den Schmerz dieser Überreizung noch einmal, einen Schmerz, der zu groß war, um von einem Kind bewußt verarbeitet werden zu können.

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Übermäßige Belastung kann sowohl von einem Zuviel wie auch von einem Zuwenig an Berührung herrühren, oder auch von der Bedeutung eines einzelnen Erlebnisses, das, obgleich es an und für sich nicht traumatisierend ist, sozusagen den letzten Tropfen darstellt, durch den dann die Verarbeitungsstörung ausgelöst wird. Nicht jeder bekommt bei übermäßiger Belastung Anfälle. Man wird auf vielerlei Weise unbewußt. Manche Patienten werden lediglich abgestumpft und dumm.

 

Es ist von großer Bedeutung, was die Patienten über ihr Geburtsurerlebnis [Geburtsprimal] berichten. Sie sagen, daß sie unmittelbar davor irgendwie »wissen«, wohindurch sie während eines solchen Erlebnisses gehen, aber sie fühlen sich zu kraftlos, um das, was sie ahnen, abbremsen zu können, und es läuft dann gleichsam auf neurologischer Ebene ab. Das ist ein faszinierender Beweis für ihr gespaltenes Bewußtsein.

Während des Urerlebnisses ist nahezu das ganze Erleben dieser Patienten von der frühkindlichen Erfahrung überwältigt, aber in bewußter Weise. Sie waren vor dem Urerlebnis ebenso überwältigt, aber auf unbewußte Weise; das heißt, sie litten unter unerklärlicher Spannung und Neurose. Das Geburtstrauma wird dem bewußten Erleben zugänglicher, wenn man sich den Weg durch weniger schmerzvolle Urerlebnisse geebnet hat. War die Geburt ernstlich traumatisierend, hatte sie eine große Schmerzenslast zur Folge, dann kann der Organismus dieses Erlebnis erst ertragen, wenn andere Schmerzen beseitigt sind. 

Nicht die Schmerztoleranz wird in der Primärtherapie gefördert und ausgebildet; es wird vielmehr die Gesamtbelastung durch anhaltende Anstrengungen verringert, so daß zunehmend größere Traumen empfunden werden können. So empfanden beispielsweise zwei unserer Patienten gegen Ende ihrer Therapie nochmals den reinen Schmerz des Operiertwerdens; einmal eine Schwangerschaftsunterbrechung und beim anderen eine Blinddarmoperation. Wird die Empfindungsschranke durch eine Droge wie LSD geöffnet, dann strömen die Schmerzen eines ganzen Lebens auf einmal auf das Bewußtsein ein; aber nicht spezifische Urerlebnisse [Primais] sind das Ergebnis, sondern symbolische Vorstellungsinhalte und beziehungsweise oder körperliche Symptome.

Gelegentlich vermag ein Patient erst nach einem völlig körperlichen Urerlebnis etwas von dem zu ahnen, was er durchgemacht hat. Einer der Patienten fühlte über einen Zeitraum von Tagen hinweg zunächst, daß sein Gesäß kalt war, dann fühlten sich seine Knie kühl an, anschließend hatte er kalte Füße und schließlich wurde ihm schwarz vor Augen.

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Er hatte nicht die geringste Vorstellung davon, was er durchmachte; nach zwei Wochen schließlich rückte alles ins rechte Licht — es handelte sich um eine Steißgeburt. Das wurde hinterher auch bei einer Befragung seiner Mutter bestätigt und festgehalten. Die übermäßige Belastung, die in diesem Erlebnis steckte, erzwang, daß es erst bruchstückhaft empfunden werden mußte, bevor es im Ganzen verarbeitet werden konnte.

Es wird immer deutlicher, daß es ohne Belang ist, ob das Bewußtsein durch ein gewöhnliches Betäubungs­mittel, durch die Unvollständigkeit der Markscheidenreifung und damit der Entwicklung des Bewußtseins, oder durch eine Neurose unterdrückt wird. Der Organismus registriert alles gleichermaßen als übermäßige Belastung und produziert eine Spannung, die lebenslänglich anhält, falls der betreffende Schmerz nicht aus dem Zustand der Abspaltung gelöst und verarbeitet wird. Das kann sich recht subtil vollziehen. 

Ein Patient, der vorher psychotisch war, hatte ein Urerlebnis, daß er bei der Geburt von der Nabelschnur stranguliert wurde. Nach anfänglichem Wohlbefinden während des Urerlebnisses wurde er plötzlich traumatisiert. Nachdem er dieses Urerlebnis hinter sich hatte, sagte er, seine Wahnkrankheit (oder die Disposition dazu) habe angefangen, als er »erkannte«, daß er sich in einer Umgebung befand, die feindselig war, und der er nicht trauen konnte. Dieses frühe Erlebnis zuzüglich der Zeit, die er mit seinen Eltern verbrachte, denen er nicht vertrauen konnte, brachten eine Persönlichkeit hervor, die in ihrem Erwachsenenleben auf der Grundlage unbewußter Gefühle reagierte. Er war argwöhnisch und davon überzeugt, niemandem trauen zu können, und keine Erfahrung seines Erwachsenseins vermochte es, ihn von seiner wahnhaften Überzeugung abzubringen.

Die »große Primärszene« fällt auf den Zeitpunkt, an dem ein Kind alles zusammensetzt, oder jedenfalls darangeht, dies zu tun. Der Schmerz der Bedeutung aller vorausgegangenen Erfahrungen führt zu einer Überlastung des Organismus und ruft einen »Zusammenbruch« oder ein Symptom hervor. Letzteres kann in Stottern, Lernstörungen oder einem Tick bestehen; das Symptom ist ein Abflußkanal für übermäßigen Schmerz.

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In einem Buch über Hirnfunktion und Lernschwierigkeiten wird der Begriff der Überlastung erörtert:

»Eine gewisse Anzahl von Kindern bildet Störungen nur dann aus, wenn mehr als ein geistiger Vorgang zur selben Zeit erforderlich ist. In diesem Zusammenhang gewinnt der Begriff der Überlastung an Bedeutung... Eine Dysfunktion des Gehirns senkt die Toleranzgrenze für Informations­verarbeitung. Ein Kind kann Symptome einer Verarbeitungsstörung zeigen, wenn neurosensorische Vermittlungsfunktionen und komplexe integrative Arbeitsweisen verlangt werden; diese Symptome zeigen sich dann als schwaches Gedächtnis, ziellose Bewegungen, geringe Aufmerksamkeit, Enthemmung und in seltenen Fällen als Anfälle. Durch Überlastung kann ein allgemeiner Zusammenbruch der neurologischen Vorgänge verursacht werden, der sich nicht nur darin auswirkt, daß die Lernfähigkeit, sondern auch das gesamte Wohlbefinden, ärztliche Behandlung und Führung eingeschlossen, beeinflußt.«9

 

Ich glaube, daß bei der Primärszene folgendes vor sich geht: alle früheren Zurückweisungen und das Alleingelassenwerden überfluten den Organismus gleichzeitig, da sie Teil des Urgefühls sind. Dieser wird mit der Überflutung nicht fertig und reagiert in vielem so, wie Johnson und Myklebust beschrieben haben — mit ziellosen Bewegungen, geringer Aufmerksamkeit und so weiter. Anstatt sich von der Überlastung zu befreien, muß der neurotische Organismus die Gefühle mit'den dazugehörigen Erinnerungen stückchenweise verarbeiten.

 

Die »Schleusen«-Theorie  

Die »Schleusen«-Theorie von Melzack und Casey hilft uns, den Vorgang der Überlastung neurologisch zu verstehen:

»Die Zellen des mittleren Hirnstamms besitzen die Fähigkeit, den Reizzustrom [input] von räumlich verschiedenen Körperstellen zu summieren... so daß diese Informationen zu Informationen über Intensität umgeformt werden ... bei einem kritischen Intensitätsniveau werden jene Hirnareale aktiviert, die positiven Affekt und Annäherungstendenz fördern. Unterhalb dieses Niveaus aktivieren Ausgangsinformationen [output] jene Hirngebiete, die negativem Affekt und Aversionstrieb zugrunde liegen. Davon ausgehend nehmen wir an, daß die Triebmechanismen, die mit Schmerz verbunden sind, dann aktiviert werden, wenn die somatosensorische Eingabe in das motivational-affektive System eine kritische Schwelle übersteigt.«10) 

 

9)  D. Johnson und H. R. Myklebust, Learning Disabililies, New York, Grune and Stratton, 1967, S. 31.
10)  R. Melzack und K. L. Casey, »The Affective Dimension of Pain«, in Feelings und Emotions, hrsg. von Magda Arnold, New York, Academic Press, 1970, S. 61.

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Das heißt abgekürzt, daß eine zu intensive Reizzufuhr Schmerz bedeutet, und die Schleuse einen weiteren Reizzuwachs blockiert — so daß die Person gezwungen wird, die betreffende Situation zu meiden.

Noch bedeutsamer aber ist, daß die kritische Intensitätsschwelle vom Limbischen System reguliert wird. Tiere trachten nach niedrigen Intensitätsgraden der Erregung limbischer Strukturen, sie »meiden oder versuchen aktiv, hohe Erregungs­intensitäten derselben Hirnfelder tu hemmen.«11

Das steht in Bezug zur Primärtheorie insofern, als es nicht ein einzelnes Geschehnis ist — wie beispielsweise die Abweisung durch einen Freund —, was uns mit Schmerz erfüllt; vielmehr wird die einzelne Begebenheit gerade deshalb abgesperrt und beziehungsweise oder vermieden, weil sie eine Flut alter Impulse, die sich auf Abweisungen beziehen, auslöst. Eine Abweisung unmittelbar zu erfahren, würde nach dem Gesagten bedeuten, daß man dem umfassenden Urgefühl die Schleuse öffnet. Wir halten Urgefühle fern, indem wir jedes daran anklingende Gefühl oder Ereignis abspalten. Wir können eine einzelne, »nicht-traumatisierende« Abweisung, wegen all dessen, was sie aufdecken kann, nicht empfinden.

Das Bild einer Schleuse, die allzu großen Schmerz absperrt, hat in einem Verfahren, das als Elektro­analgesie bekannt ist, Anwendung gefunden. Es wird bei Fällen von chronischem, unbeherrschbarem Schmerz angewandt und bedient sich der Hilfe elektronischer Reizerzeuger, die ins Rückenmark, und zwar ins Gebiet der Hinterhörner, eingepflanzt werden. Der Elektroanalgesie liegt die Hypothese zugrunde, daß in den Hinterhörnern des Rückenmarks spezialisierte aufsteigende oder afferente Nervenfasern verlaufen, die bei Erregung Schmerzimpulse hemmen — demgemäß bewirkt ein Stromstoß aus dem eingepflanzten Stimulator, der über einen Taschensender ausgelöst werden kann, eine Flut hemmender Impulse.

 

11  ibid.

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Das paramediale, aufsteigende System.....

»durchläuft zunächst das entwicklungsgeschichtlich alte limbische Vorderhirn und schafft dann Verknüpfungen innerhalb des alten Säugetiergehirns [Limbisches System], das dem Menschen von den niederen Säugetieren vererbt wurde. Dort, in Regionen, die Erregungen aus den Eingeweiden aufnehmen, gibt es Gedanken und Gefühle — die sich aber nicht unmittelbar sprachlich ausdrücken lassen. Hier liegen auch... die feinen Nervenfasern und bleistiftdicken Nervenbahnen, die das Steuerungssystem bilden, das die Schmerz­wahrnehmung sowohl auf der Ebene der Rückenmarksnerven wie auch der aufsteigenden Faserbahnen beeinflußt.«12) 

 

Das oben Gesagte weist nochmals darauf hin, daß das Limbische System die Funktion hat, Schmerz zu unterdrücken. Die Schleusentheorie ist umstritten, und es gibt eine Reihe von Interpretationen darüber, warum Schmerz verdrängt und unempfindbar wird. Aber weniger als das Postulat von der Existenz aufsteigender, hemmender Nervenbahnen sollte uns wundem, daß das Überflutungsgeschehen allein — der massive Ansturm gleichzeitiger Reize — ausreicht, um den Hemmungsvorgang der im Hippocampus gelegenen Schleuse außer Kraft zu setzen, woraus dann folgt, daß kein Gefühl mehr entsteht. Da der Organismus sich einer Flut von Impulsen nicht anpassen kann, schaltet er sie aus. Diese Impulse müssen, wenn man sie einzeln betrachtet, an sich nicht schmerzvoll sein, werden sie aber mit vielen anderen Impulsen vermengt, dann verwandeln sie sich in Schmerz. So wird, in einer klaren Dialektik, ein Zuviel an Gefühl in seinen Gegensatz verwandelt — in gar kein Gefühl.

Das ist natürlich eine Behauptung der Primärtheorie — Ereignisse in unserer frühen Lebenszeit lösen generell zu viel Gefühl aus. Ein Mensch kann eine Zurechtweisung oder eine Demütigung hinnehmen, aber ein Zuviel davon wird ihn dazu bringen, sich von seinem empfindenden Selbst abzuspalten. Eine psychologisch »tote« Persönlichkeit ist nicht ein Mensch mit wenig Gefühlen, er ist vielmehr jemand mit einem großen Maß verdrängter Gefühle. Jemand, der ohne Reue zu empfinden tötet, ist nicht etwa ein gefühlloser Mensch (töten erfordert sogar gewaltige Gefühle), er ist vielmehr mit Gefühlen überlastet und deshalb verschlossen und unfähig, Gefühle überhaupt zu zeigen — ob Reue oder etwas anderes.

Vielleicht können wir jetzt auch die sogenannte paradoxe Reaktion auf Drogen verstehen — warum beispielsweise überaktiven Kindern hohe Dosen anregender Mittel wie Amphetamine verabreicht werden, um sie zur Ruhe zu bringen; die künstlich gesteigerte Überlastung intensiviert den Verdrängungsvorgang.

 

12  »Pain«, Medical World News, Dez. II, 1970.

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Dieselbe Erklärung gilt auch dafür, daß epileptischen Kindern hohe Amphetamindosen gegeben werden, um ihren Anfällen ein Ende zu machen.

Weitere bestätigende Ergebnisse im Hinblick auf das Limbische System und seine schmerzunterdrückenden Funktionen liefert die Arbeit von Heath an der Tulane University School of Medicine: den Gehirnen mehrerer Dutzend Menschen wurden Elektroden eingepflanzt; die Versuchspersonen litten unter Schmerzen, denen man auf keinerlei Weise beikommen konnte. Heaths Patienten empfanden symptomatische Erleichterung, wenn sie die limbischen Hirngebiete selber stimulierten. Über die Wirkung der limbischen Aktivierung wurde folgendes berichtet: Beseitigung von Depression und Angst, unverzügliches Nachlassen der Schmerzen und erhöhte Wachheit.13 

Melzack schreibt in einer allgemeinen Abhandlung über Schmerz: »Schmerzvolle Reize rufen langanhaltende Veränderungen hervor — das bedeutet, daß es im Nervensystem ein Schmerz->Gedächtnis< gibt... Ergebnisse aus Verhaltensforschung und klinischer Erfahrung weisen darauf hin, daß man das Gedächtnis — einschließlich der fortdauernden Einflüsse durch die Persönlichkeit des einzelnen in Rechnung stellen muß«14 [um das Andauern von Schmerz zu verstehen].

Dieses Material weist darauf hin. daß das frühe Gedächtnis bei vielen Neurotikern blockiert ist, weil jede Erinnerung in das schmerzvolle Grundmuster paßt. Sich an ein Ereignis erinnern, bedeutet, daß mehr Schmerz frei wird. Und umgekehrt bedeutet das Freisetzen von Schmerz, daß Tausende von Erinnerungen entfesselt werden. Vom neurologischen Gesichtspunkt aus gibt es wenig Einwände gegen eine Verdrängung früher Erinnerungen, da bei dem Hirnrindenanteil, der mit dem Gedächtnis zu tun hat, die Markreifung schon früh in der Entwicklung einsetzt. Wir sollten eigentlich fähig sein, uns an frühe Begebenheiten zu erinnern, auch wenn wir die Erinnerung nicht begrifflich fassen können.

Wir müssen klar verstehen, daß unvereinbare Erinnerungen des zugehörigen Schmerzes wegen vor dem Bewußtsein abgeschirmt werden; sobald der Schmerz empfunden wird, werden Beziehungen verstanden, Erinnerungen platzen heraus und Bedeutungen quellen hervor — weit auseinanderliegende Ereignisse werden in einem Zusammenhang gesehen. In einer solchen Situation kann der Betreffende leichter in die Vergangenheit zurückgehen und sich an Geschehnisse in der Wiege und im Laufställchen erinnern. Er wird tiefe Einsichten haben, da es die vergrabenen Gefühle waren, die sein neurotisches Verhalten angetrieben hatten und ihm seine Motivationen verbargen. Fühlen hilft, einen Sinn in all die Dinge zu bringen. Wir wollen jetzt jene Hirnstrukturen, die die Verdrängung oder »Spaltung« vermitteln, genauer betrachten. 

 

13)  R.G. Heath (Hrsg.), The Pole of Pleasure in Behavior, New York, Hoeber, 1964.
14)  Melzack und Casey, op. cit., S. 29.

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4. Grundlagen und Beschreibung des Spaltungsvorgangs

 

 

  Hippocampus und Gedächtnisblockierung  

Wir haben Beschaffenheit und Speicherung schmerzvoller Erinnerungen und die Aufgabe der niedriger gelegenen Hirnzentren erörtert. Wir wissen, daß Neurose durch Abspaltung früher Schmerzen vom bewußten Erleben entsteht. Es ist darauf hingewiesen worden, daß die Spaltung innerhalb des Limbischen Systems eintritt, und es gibt Beweise für die Annahme, daß der Hippocampus in dieser Hinsicht von vorrangiger Wichtigkeit ist.

Der Hippocampus ist eine limbische Struktur, die unter der Rinde des Schläfenhirns liegt. Er verläuft nach hinten, dann wieder nach vom und endet schließlich mit verschiedenen Nervenbahnen unterhalb des grauen Rindengewebes, das zum Frontallappen gehört. Er verläuft also genau vom limbischen Kortex zum Neokortex. Vieles, was wir über seine Funktion wissen, ist aus Angaben über Anfallsleiden wie die psychomotorische Epilepsie gewonnen worden.

Gellhorn hat eine gewichtige Feststellung über die Bedeutung des Hippocampus gemacht, die auf Studien über Anfälle — durch den Hippocampus ausgelöst — bei Tieren beruht: »Die eindrucksvollste Demonstration der neuralen Integration limbischer Strukturen und die potentielle Zweiteilung der Aufgabe des limbischen und des neokortikalen Systems liefert eine Aufzeichnung davon, wie nachwirkende Reflexe, die durch eine elektrische Reizung des Hippocampus ausgelöst wurden, sich ausdehnen. Solche Entladungen neigen dazu, sich rundum auszubreiten und größtenteils vom Limbischen System begrenzt zu werden«.15

 

15  Gellhorn, op. cit.

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Diese Entladungen setzen das Limbische System außer Kraft, und mit Hilfe der Untersuchungen an diesen Tieren kann man die Wirkungen abschätzen, die eintreten, wenn das Limbische System ausfällt. Es mag von Interesse sein, darauf hinzuweisen, daß diese Tiere einen Reaktions­verlust auf Reize und eine pseudokatatone Aktivität aufweisen, die an Schizophrenie erinnern. Das Limbische System kann sowohl teilweise wie auch völlig blockiert sein. Das Ausmaß der Blockierung bestimmt das Ausmaß des symbolischen Verhaltens — und damit die Schwere der Neurose oder Psychose.

Webster und Voneida haben bei Katzenarten im Hippocampus Verletzungen gesetzt und herausgefunden, daß die Katzen weiterhin neue Aufgabestellungen lernten, aber die kurz zuvor erlernten nicht vergessen konnten. Obgleich sie die Katzen durch Futterverweigerung bestraften, blieben die Katzen dabei, alte Aufgaben zu erfüllen, um Futter zu erhalten. Daraus zogen die Untersucher den Schluß, daß der Hippocampus nötig ist, um kurz zuvor erlerntes Verhalten auszulöschen — um die Vergangenheit zu verdrängen.16

Um das Wesen der neurotischen Spaltung zu erfassen, ist es von zentraler Bedeutung, die Arbeitsweise des Hippocampus zu verstehen. Die gegenwärtige Forschung, die auch die Neurophysiologie von LSD und seinem Antagonisten, dem Dämpfungsmittel Chlorpromazin, umfaßt, sorgt für interessante Annahmen über die Beschaffenheit eines Vorgangs, den viele Psychiater seit Freud als etwas äußerst Geheimnisvolles betrachten. Wird der Neokortex, wenn er nicht unter dem Einfluß von Drogen steht, durch sensorischen Reizzuwachs erregt, dann entsteht ein »desynchronisiertes« Muster von Hirnstromwellen (dieses steht im Gegensatz zu dem synchronen Muster, das für den Schlaf kennzeichnend ist). Diese Erregung wird im Hippocampus durch ein anderes Bild gekennzeichnet — einen Theta-Rhythmus, der eng mit dem desynchronisierten Erregungsmuster der Hirnrinde verknüpft ist.

Man hat angenommen, daß der Theta-Rhythmus Ausdruck einer Aktivierung ist, die im Hippocampus entsteht.17 Das bedeutet, daß die Hemmung von Nervenimpulsen (oder die Verdrängung einer gefühlsbeladenen Erinnerung) ein aktiver Prozeß ist.

 

16)  D. Webster und T. J. Voneida, Experimentat Neurology, New York, Academic Press, 1964, S. 170.
17)  C. Pfeiffer und J. R. Smythies, International Review of Newobiology, New York, Academic Press, 1965, S. 79 und 84.

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Mit anderen Worten: manche Nerven und ihre Synapsen [Verbindungsstellen] übertragen Impulse, während andere die Aufgabe haben, die Übertragung zu blockieren oder zu hemmen. Es gibt viel Material, das darauf hinweist, daß es im Hippocampus besonders reichlich hemmende Synapsen gibt. Daher kann man den Hippocampus als eine Hirnstruktur betrachten, die für die Hemmungsvorgänge von Bedeutung ist das heißt, die mit der Verdrängung von Gefühlsimpulsen zu tun hat. Da er die Aufgabe hat, frühe Erinnerungen vom Bewußtsein fernzuhalten, ist er eine Schlüsselstruktur bei der Gestaltung seelischer Störungen.

Werfen wir einen Blick auf die Wirkungen von LSD und Chlorpromazin an den Hirnstrombildern des Neokortex und des Hippocampus. Wir müssen dabei im Auge behalten, daß einige Forschungen mit diesen Bildern im Widerspruch stehen. Und weiterhin unterstelle ich bei der Erörterung der Wirkungen von Drogen auf das EEG-Bild diesen Drogen keine einlinige Wirkung auf die beschriebene Struktur. Veränderungen im Erregungsmuster des Hippocampus können von einer Droge herrühren, die irgendwoanders wirkt, und es gibt eine Kreisschaltung zwischen Frontalhirn und Hippocampus andererseits (vermittelt durch das Septum), die für diesen Rhythmus verantwortlich ist. Ungeachtet dessen möchte ich mich jetzt auf die Funktion des Theta-Rhythmus und nicht auf seinen Ausgangsort konzentrieren.

Chlorpromazin synchronisiert neokortikale Hirnstrombilder und hemmt den Theta-Rhythmus. Kurz gesagt: es ruft ein schlaf­typisches Bild der Aktivität der Hirnrinde hervor, und mit dem »herabgesetzten Fühlen« des Kortex scheint eine verringerte Hemmungstätigkeit des Hippocampus einher zu gehen. Das läßt darauf schließen, daß ein Teil des Antriebs zur Aktivierung (oder Hemmung) des Hippocampus von der Aktivität der Hirnrinde herrührt. LSD wirkt, indem es einen abgeflachten Theta-Rhythmus hervorruft, der mit einem desynchronisierten (erregten) Hirnrindenstrombild verknüpft ist. Das würde bedeuten, daß zu einem Zeitpunkt größter Erregtheit bei einem Menschen, der auf einem LSD-Trip ist, ein Teil seines Gehirns, nämlich der Hippocampus, gerade weniger in Tätigkeit ist.18 Der Theta-Rhythmus ist verschwunden; Gefühle und Erinnerungen, die normalerweise durch hemmende Synapsen des Hippocampus blockiert sind, durchqueren unangefochten das Limbische System und gelangen zu kortikaler oder bewußter Kenntnis.

 

18)  Die Fähigkeit des Limbischen Systems, Schmerz zu unterdrücken, wird durch seine reichliche Versorgung mit Serotonin, einem im Sinne der Hemmung wirkenden Stoff, noch erhöht.

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Im allgemeinen Sprachgebrauch heißt das, der Betreffende ist auf einem »schlechten Trip«. Seine wirklichen Gefühle stellen sich übermäßig intensiviert dar. Das Frontalhirn wird gezwungen, zu empfinden oder zu hemmen. Letzteres ist durch LSD unmöglich geworden, und so gelangt der Schmerz, wenn die Dosis hoch genug ist, unangefochten zum Frontalhirn. Durch die Flut von Urschmerz, der durch die »geöffnete Schleuse« fließt, wird die Hirnrinde zu unnatürlicheren Abwehrmaßnahmen wie psychotische Vorstellungsbildung und/oder psychedelische Reaktionen gezwungen. Die Hirnrinde kann bei niemand anderem als bei sich selbst Hilfe suchen. Wir wollen die LSD-Erfahrung zusammenfassen: weil der Hippocampus außer Betrieb gesetzt und die kortikale Steuerung gehemmt ist — durch eine Blockierung der neuronalen Übertragung auf der Ebene der Synapsen —, wird der Neokortex zu wirksamer Abwehr unfähig, so daß die Abwehrvorgänge sich entweder gänzlich neokortikal abspielen (etwa durch Halluzinationen) oder das Gefühl empfunden wird (ein Urerlebnis stattfindet).

In der Arbeit von Torda findet man elektrophysiologisches Beweismaterial für die Hemmungsfunktion des Hippocampus.19 Sie fand heraus, daß Träume dann berichtet werden, wenn die Theta-Aktivität des Hippocampus bei zwei bis fünf Zyklen pro Sekunde liegt; bei höheren Frequenzen werden sie nicht berichtet. Da die Traumaktivität auf das Ansteigen der Gefühle hinweist (siehe auch den Abschnitt über Träume), würde dieses Ergebnis bedeuten, daß wir unseren eigenen Gefühlen zugänglicher sind, wenn der Hippocampus weniger einwirkt. Während der langsamen Theta-Phase machen sich die Gefühle auf den Weg zur Bewußtheit, auf dem sie bei den Neurotikern hinter Symbolisierungen verborgen und sicher verwahrt werden. Wir können am Anstieg der kortikalen Aktivität (wie es im EEG zu sehen ist) beobachten, wann der Hippocampus zeitweise geringer tätig ist.

Im Schlaftraum vergrößert sich der Ausschlag der Hirnstromwellen; dies kann ein Hinweis sein, daß eine größere Anzahl von Nerveneinheiten rekrutiert worden ist, um Gefühle daran zu hindern, daß ein bewußtes, zusammenhängendes Urerlebnis entsteht.20 Würde die Verlangsamung der Wellenfrequenz nicht derartig kompensiert, hätten wir während unseres Schlafes Urerlebnisse.

 

19)  Clara Torda, »Obscrvations on a Physiological Process Related to Dreams«, in Communications in Behavioral Biology, New York, Academic Press, 1968, Teil A. 2. S. 39-45.
20)  Ich möchte die vergröfiene Wellenamplitude nicht übermäßig vereinfacht interpretieren. Sicher bedeutet sie mehr als nur die Anzahl der rekrutierten Nervenfasereinheiten. Ebensogut muß die Synchronisierung in Rechnung gestellt werden.

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Stimulierende Mittel wie Amphetamine steigern die Produktion von Theta-Wellen durch den Hippocampus. Und ich würde die Ursache darin sehen, daß das anregende Mittel die Möglichkeiten für Gefühle erhöht und dadurch mehr Hemmung erfordert — mit dem Ergebnis, daß es zu wenig oder gar keinen Träumen kommt. Daran sehen wir, wie bedeutsam diese Struktur für die Verdrängung ist, und noch bedeutungsvoller für die Beziehungen zwischen Verdrängung und anderen Faktoren, unser Traumleben eingeschlossen.

Ein entspanntes Gehirn scheint eine niedrige Theta-Aktivität zu zeigen; ein Mensch, der empfindet, ist kurz gesagt jemand, dessen Gehirn nicht zur Abwehr angespornt ist. Wir müssen noch mehr über die Theta-Aktivität forschen, aber vielleicht hat die Zeit schon angefangen, in der wir über einige objektive Hirnstromwellenkorrelate für das verfügen, was eine echt empfindende Persönlichkeit ausmacht - ein gesunder und sich wohlfühlender Mensch. Durch sorgfältige Spektralanalyse der Hirnstromwellen kann es uns möglich werden, den Verlauf eines therapeutischen Fortschritts graphisch darzustellen.

Bei sorgfältiger Analyse aller Hirnwelleneinzelheiten werden wir vielleicht den Grad der Verdrängung bei einem Neurotiker quantifizieren können; wir werden daraus ableiten können, wie gut seine Prognose ist, wie lange die erforderliche Therapie dauern wird und so weiter. Indem wir all diese EEG-Angaben mit unseren Messungen wie Blutdruck, Elektromyographie, Körpertemperatur etc. verknüpfen, können wir vielleicht eine zusammengesetzte Abbildung vom gesamten psychophysiologischen Zustand eines Menschen herstellen.

Chlorpromazin unterdrückt die retikuläre Stimulation, das wiederum wirkt sich auf den Hippocampus aus. Elektrische Reizung der Formatio reticularis führt zum Beispiel bei Ratten normalerweise zu desorganisiertem oder »neurotischem« Verhalten; das tritt aber nicht ein, wenn man den Ratten Dämpfungsmittel wie Chlorpromazin gibt.21 Daran können wir ermessen, in welch komplexer Weise Drogen auf das Gehirn einwirken, da die Hirnstmkturen miteinander verbunden sind und die Unterdrückung einer Struktur die Stimulation einer anderen hervorrufen kann oder umgekehrt.22

 

21  Siehe dazu C. Kornetsky und M. Eliasson, »Reticular Stimulation and Chlorpromarine: Animal Model for Schizophrenie Overarousal«, Science, Vol. 165, 19A9, S.1273-74.

22  Ich habe viel von der Forschung über den Mandelkern ausgelassen, einer limbischen Struktur, die eng mit dem Hippocampus verknüpft ist. Preston meint, der Mandelkern arbeite gleichsam als ein Trichter für hemmende Impulse, die auf den Hirnstamm und ganz besonders auf den Hypolhalamus einwirken. Siehe dazu J. B. Preston: »Effects of Chlorpromazine on the Nervous System of the Cat: A possiblc Neural Basis for Action.« Annual Meeting, New York, Eastern Associates of Electroencephalographers, (7. Dezember 1955). 
    Nach der Injektion von Chlorpromazin steigt die elektrische Aktivität des Mandelkerns bei Katzen, was annehmen läßt, daß diese Droge die hemmende Tätigkeit anregt. Und entsprechend führt die elektrische Reizung des Mandelkerns von Katzen zur Amnesie. (Siehe dazu die Arbeit von B. R. Kaada.) Penfield reizte das Mandelkerngebiet bei Menschen, die sich einer Operation unterzogen und schloß ebenfalls, daß diese Struktur einen weitstreuenden hemmenden Einfluß auf das zentralnervöse System hat. Daran sehen wir wieder, wie entscheidend das gesamte Limbische System für die Auflösung des Gedächtnisses und die Unterdrückung von Gefühlen ist.

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5.  Die Permanenz des Urschmerzes 

 

 

Rückkoppelungsschleifen

Worin besteht das neurophysiologische Korrelat gehemmten Urschmerzes? Es könnte in einem sich selbst erhaltenden nervösen Kreisprozeß bestehen, in einer Schleife von Neuronen, die unterhalb des Bewußtheitsniveaus ihre Bahn zieht. Die Urschmerz­erinnerungen verhalten sich wie verkapselte Nachrichten, die auf Ewigkeit im Gehirn umherkreisen. Gerard erörtert diesen Vorgang: »Vielleicht besteht eine Erinnerung also in andauernder Aktivität eine eingefangene Nachricht, die Runde um Runde dreht in einer bestimmten Anordnung von Schleifen, die gebildet werden, indem Neuronen aneinandergeschaltet [verknüpft] sind.«23 Diese Gebilde nennt man »Rückkoppelungsschleifen«. Ich möchte vermuten, daß richtige Verknüpfungen von Urerinnerungen mit der Hirnrinde an der Synapse oder dem Verbindungspunkt zwischen Nervenzellen beiseite gedrängt werden.

 

23  R.W. Gerard, »The Brain Mechanisms of the Mind«, in An Outline of Man's Knowledge, hrsg. von L. Brys, New York, Doubleday, 1960.

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Verändert man die chemischen Vorgänge an der Synapse, dann werden bestimmte Nachrichten blockiert und gewissen anderen der weitere Weg erleichtert. Sobald eine schmerzvolle Erinnerung in symbolische Kanäle geleitet wird, bildet sich eine Art »Fahrwasser« — Nervenwege werden gewohnheitsmäßig. Das haben Mcgaugh und Petrinovich neurochemisch herausgearbeitet.24 Ihre Feststellung ist:

»Erhöhte Aktivität von Neuronen steigert den Betrag an Überträgersubstanz, die von den Zellen freigesetzt wird. Der gesteigerte Verbrauch von Transmittersubstanz ruft einen Anstieg (Enzyminduktion) der Enzyme hervor, die an der Herstellung der Transmitter­substanz beteiligt sind. Das wiederum würde zu weitgehenden Veränderungen innerhalb der Zellen führen. Daher wird es einleuchtend, daß ein erhöhter Betrag von Transmittersubstanz, dessen Freisetzung bei jeder Nervenfaser auf eine wiederholte Reizung folgt, der Hauptfaktor dafür sein könnte, daß die besonderen Mechanismen des Gedächtnisses begründet und aufrechterhalten werden.«

Es wird also vorgeschlagen, daß Erinnerung in einer gebahnten Kreisbewegung besteht, die sich durch andauernde Benutzung zunehmend »eingräbt«. Durch andauernden Gebrauch entsteht mehr Überträgersubstanz (Enzyme), was wiederum den betreffenden Schaltkreis leichter benutzbar macht. Wir sehen hier, wie Kreisprozesse verstärkt werden und ein Impuls zurückgeworfen wird, warum Abwehrvorgänge sich stabilisieren und warum bestimmte Denkweisen hängenbleiben und sich durch späteres Lernen nicht mehr verändern. Wenn es einem Kind nicht erlaubt wird, »Haß« oder »Sex« zu denken, dann wird der Druck dieser Gefühle in andere, akzeptablere Kanäle des Denkens umgeleitet; diese statthaften Äußerungskanäle werden dann einfach durch den Gebrauch weiter verstärkt. Auf diese Weise verbleiben wir symbolisch und neurotisch und leiden an unbeherrschbaren Zwängen; so werden auch bestimmte Gesichtsausdrücke (»Lach doch! Setz doch um Gottes willen ein frohes Gesicht auf!«), die erlaubt und gefordert werden, zur Gewohnheit.

 

24)  J.L. Mcgaugh und L. F. Petrinovich, »Effects of Drugs on Learning and Memory«, in International Review of Neurobiology, New York, Academic Press, 1965, S. 101.
25)  D.O. Hebb, »The Possibility of a Dual Trace Mechanism«, in Physiological Psychology, hrsg. von Landauer, New York, McGraw-Hill, 1967, S. 476-79.

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Es gibt Material darüber, daß Nervenzellen, die in Wechselwirkung stehen, aufeinander zuwachsen — ein Vorgang, den man Neurobiotaxis nennt. Hebb erörtert diesen Prozeß.25 An den Neuronen bilden sich Verdickungen aus, so daß sich die Berührungsfläche mit anderen Nervenzellen ausdehnt und Nachrichten gebahnt werden. Wir können mutmaßen, daß ein Gefühl, das aus seiner richtigen Verknüpfung herausgedrängt wird, mit Hilfe der Enzyminduktion schließlich seiner Fehlverknüpfung »entgegenwächst«.

Neurotisch sein ist also eine im Gehirn gegebene physische Tatsache. Wenn neurotisches Verhalten buchstäblich ein im Kreis geschlossenes (kurzgeschlossenes) Verhalten ist, dann bezieht sich auch das Normalsein auf diese Vorgänge im Gehirn. Was Weitschweifigkeit erforderlich macht, ist blockierte »Offenheit« — denn offen sein bedeutet die Gegenwart von Schmerz. Dementsprechend kann jemand in Anwesenheit von Frauen sexuell übermäßig stark reagieren, weil er die durch seine Mutter erfahrene Zurückweisung nicht empfinden kann — indem er der Liebe von Frauen nachjagt, agiert er sich gegen das Gefühl der Zurückweisung aus. Während der Behandlung haben wir bei mehr als nur einer Gelegenheit gesehen, daß ein männlicher Patient nach seiner Mutter schrie, bis der Schmerz so groß war, daß er ihn blockieren mußte, worauf er unverzüglich eine Erektion bekam.

M. W. Gordon erörtert neuronale (Nerven-) Bahnung und weist darauf hin, daß mit der Verfestigung einer Erinnerung eine neue Proteinsynthese an der Synapse einhergeht, »die beständige Veränderungen vorschreibt, die einer Unterbrechung widerstehen«.26 Die Rate der Proteinsynthese ist direkt mit dem Grad der neuronalen Aktivität verknüpft, so daß sich, laut Gordon, die Struktur der Synapse selber im Verhältnis dazu verändert, wie stark sie erregt wird. Er vermerkt, daß »der Gebrauch verschiedene synaptische Nervenenden miteinander verbindet.«27 Er fährt fort: »Die Bahnung eines gegebenen Nervenweges kann ein Netz von Neuronen so komplex beeinflussen, daß sich nahezu jede Verbindung entwickeln kann«.28 Und er vermerkt, daß ein bizarres und unangepaßtes Verhalten von jedem Reiz herrühren kann, aufgrund der großen Vielfalt möglicher neuronaler Verknüpfungen.

Gordon stellt weiterhin fest, daß affektive Zustände (Gefühle) tiefgreifend den Zeitraum beeinflussen, der erforderlich ist, um eine Erinnerung festzuhalten — um sie von einer kurzen Dauer in eine längere zu überführen.

 

26  M.W. Gordon, »Neuronal Plasticity and Memory«, in American Journal of Orthopsychiatry, Band 39. Nr. 4, 1969, S. 587.
27  Ibid., S. 590. 
28  Ibid. Vom Autor.

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Tiere, die gelernt hatten, eine bestimmte Aufgabe zu lösen, während ihnen ein kleiner Schock versetzt wurde, »fixierten« die Erinnerung innerhalb von zwei Minuten, während diejenigen, die keinen Schock erhielten, dreißig Minuten brauchten, um eine Kurzzeiterinnerung in eine langzeitige zu verwandeln. Er stellt sich theoretisch vor, daß der Affekt (Gefühl oder Emotion) den Betrag von elektrischer Hirnstimulierung beeinflußt und daß dieser »alarmierende« Einfluß wahrscheinlich die Rate synaptischer Entladungen erhöht und daher die erforderliche quantitative Veränderung in kurzer Zeit zustande bringt. Man fragt sich, ob man dasselbe auch von hoch geladenen Primärszenen sagen kann, wobei in dieser Hinsicht eine massive Reizung des Gehirns »fixierte« Muster von Erinnerungsrückkoppelung hervorruft.

Der Begriff der eingefangenen, zurückschwingenden Urerinnerungen ist für den gegenwärtigen Kontext bedeutsam; gäbe es nämlich keine unterbewußten Kräfte dieser Art, die unsere Wahrnehmungen, Handlungen und Reaktionen gestalten, so gäbe es auch keinen neurotischen Lebensstil und keine neurotischen Persönlichkeiten.29 Es gäbe kein ständiges und unbewußtes Hängenlassen der Schultern, keinen chronischen Gesichtsausdruck, keine gleichbleibend weinerliche und hohe Stimme noch ständiges, automatisches Zähneknirschen im Schlaf. Die Lebensumstände drängen jeden von uns in eine andere Richtung, sich gegen Schmerzen zu wehren. Diese Richtungen stellen die Formen der Neurose dar, sei es Homosexualität, Kriminalität oder Sucht.

Aber diese Formen dürfen nicht mit Erkrankungseinheiten verwechselt werden. Es gibt beispielsweise keine Krankheitseinheiten namens »Sucht« oder »Alkoholismus«. Dabei handelt es sich um nichts anderes als um die Namen der Arzneien gegen Schmerz. Einige von uns gehen einen direkten Weg, um den Schmerz abzutöten; andere quälen sich durch eine akademische Ausbildung und erlangen ein philosophisches Diplom, um das zu erreichen. Die Abwehrformen hängen von dem ab, was uns in unserer Umgebung verfügbar ist, aber sie sind immer Ableger einer relativ kleinen Zahl zugrunde liegender Urgefühle, die bei uns allen ziemlich ähnlich sind. Der Doktor der Philosophie und der Kriminelle haben einfach verschiedene Wege eingeschlagen.

 

29  Um es zu wiederholen: Erinnerung muß nicht etwas Bewußtes sein. Der Organismus »erinnert« oder registriert seine unaufgelösten Traumen, wie etwa das der Geburt, und dabei ist sehr wenig Bewußtsein vonnöten.

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Das Substrat des Schmerzes bei den verschiedenen Neurosen erklärt, warum so viele Beschwerden, vom Magengeschwür bis zu Halluzinationen, mit derselben Art von Drogen — Analgetica und Tranquillantien — behandelbar sind. Diese Wirkstoffe blockieren die Quellen, aus denen Urerlebnisse entspringen.

Wenn es keinen Urfundus von Gefühlen gäbe, dann wäre es auch nicht möglich, daß Träume sich mit nahezu dem gleichen Inhalt über zwanzig oder dreißig Jahre hinweg wiederholen. Das zeigt an, daß irgendeine Sache aufgelöst werden muß. Der Betreffende hat sich in einem Gefühl festgefahren und verfangen, das eine ständige Abschirmung vor völlig bewußtem Erleben erfordert. Diese immer wiederkehrenden Träume gehören genauso zu unserem Verhalten wie unsere Gedanken zur Tageszeit. Auch tagsüber sind die wiederkehrenden Träume vorhanden, aber wir bezeichnen sie dann nicht als Träume. Ein Mensch kann ohne Rücksicht auf seine Erfahrung gleichartige Vorstellungen über Frauen, Politik und Minderheiten haben. Diese Vorstellungen stellen wiederum Symbole dar, die ihn gegen Schmerz schützen. An diesen Vorstellungen haftet er, ganz gleich, was seine Erfahrung ihm sagt, ebenso wie an seinen Traumwiederholungen, auch wenn er diese noch so hartnäckig abzuschütteln versucht.

Wenn man erkennt, daß Traumwiederholungen ein Teil des allgemeinen symbolischen Verhaltens von Neurotikern sind, dann hat man etwas vom Wesen aller Neurosen verstanden. Neurose ist ein zwanghaftes Verhalten, das gegen Schmerz absichert (wir sind gezwungen, uns täglich auf dieselbe Art zusammenzunehmen, auf dieselbe Art zu sprechen etc.). Die schmerzvollen Gefühle schwinden nicht, bloß weil es Tag wird. Dieselben Gefühle, die bei der Entstehung sich wiederholender Träume so aktiv sind, rufen am Tag ein Verhalten hervor, das sich wiederholt und um dasselbe Thema dreht.

Untersuchungen mit Leuchttafeln oder -karten bestätigen die Existenz von Rückkoppelungsschleifen. Man zeigt, blitzartig aufleuchtend, den Versuchspersonen Worte auf Karten; einige der Worte sind neutral, andere vulgär und obszön. Viele Versuchspersonen brauchen wesentlich längere Zeit für die Wahrnehmung von Karten mit vulgären Worten, und einige sehen sie überhaupt nicht. Das bedeutet, daß ihre Wahrnehmungsvorgänge unterhalb der Bewußtheitsebene organisiert werden: ihre Wahrnehmung versagt, da sie nicht bewußt erkennen, was auf den Karten steht. Unannehmbare Wahrnehmungen werden offensichtlich von unterbewußten Kräften verdrängt.

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Ich nehme an, daß die angemessene Wahrnehmung Schmerz hervorgerufen hätte, da die Worte eine gewisse Gefahr mit sich brachten — die Gefahr, »schmutzig« oder »unfein« und deswegen unliebenswert zu sein. Dieses Experiment sagt auch ganz allgemein etwas über Objektivität aus. Selbstverständlich hängt das, was wir sehen und überhaupt, daß wir es sehen, von darunter liegenden Kreisprozessen ab, die eine genaue Wahrnehmung der Realität blockieren können. Wie die Geschworenen über einen Fall von Unzüchtigkeit entscheiden, kann weniger mit den objektiven, vorliegenden Tatsachen zu tun haben, als vielmehr mit der Fähigkeit der einzelnen Personen, diese Tatsachen in sich aufzunehmen.

Bei einem anderen Experiment mit Leuchtkarten wurden nur neutrale Worte wie »Kuh« oder »Heu« verwendet. Immer wenn die Karte der Versuchsperson gezeigt wurde, gab man ihr gleichzeitig einen sanften elektrischen Schock, so zart, daß sie sich dessen nicht bewußt wurde. Später wurden dann dieselben Karten ohne elektrische Reizung gezeigt. Die Versuchsperson zeigte aber weiterhin die Hautveränderungen, die unter dem Schock bestanden hatten. Mit anderen Worten: der Körper reagiert auf Schmerz auch dann, wenn der Schmerz nicht bewußt bemerkt wird, und er kann darauf eingeübt werden, so zu reagieren wie bei Schmerz, auch wenn der schmerzerweckende Reiz gar nicht mehr besteht. Der Organismus reagiert in automatischer Weise auf der Grundlage einer unterbewußten Erinnerung. Gerard weist auf folgendes hin:

»Nachrichten erreichen eine entsprechende Hirnregion und haben teilweise und unvollständige Folgen. Vielleicht ist auch hierbei ein Zurückschwingen der Nachrichten über Schleifen und Gellechte von Neuronen erforderlich, damit eine komplette Antwort zustande kommt. Wenn die ankommende Nachricht gerade anfängt zu schwingen, dieser Vorgang aber zu früh unterbrochen wird, kann sich vollständige Bewußtheit nicht entwickeln. Und die Unterbrechung kann auf vielen Wegen zustande kommen — beispiels­weise, wenn sich unterdrückende oder hemmende Nachrichten entwickeln, die zum Eintrittsweg zurückschwingen und ihn blockieren, oder durch das Ausbleiben von bahnenden Impulsen.«30

 

30  Gerard, op. cit., S. 86.

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Gerard scheint den folgenden Gesichtspunkt der Primärtheorie zu untermauern: eine Nachricht von großem, aber schmerzlichem Gewicht beginnt zu schwingen, erreicht aber nie volle Bewußtheit. Stattdessen wird sie gänzlich unterhalb der Bewußtheitsebene organisiert, auf dieselbe Art, durch die die Unfähigkeit, vulgäre Worte auf Leuchtkarten zu sehen, hergestellt wird. An einem bestimmten Punkt im Leben eines kleinen Kindes wurde die primäre Nachricht für einen blitzartigen Moment verstanden, aber gleich verdrängt, bevor die ganze Schwere empfunden werden konnte.

Himwich und seine Mitarbeiter haben im Hinblick auf die Rückkoppelungsschleifen folgendes festgestellt:

»Papez hat den Vorschlag gemacht, einige Strukturen des Schläfenhirns als ein zusammengehöriges System zu sehen, das als Rückkoppelungsschleife oder Feedback-Mechanismus funktioniert. Wird der Hippocampus erregt, dann veranlaßt er eine Steigerung der Impulszahl, die den Papezschen Kreisprozeß in Gang bringt. Diese Impulse werden vom Hippocampus über den Fornix zu den Mammilarkörpern des Hypothalamus weitergegeben. Sie verlaufen von diesem Gebiet aus weiter zu den vorderen Kerngebieten des Thalamus und erreichen die Hirnrinde über den Gyrus cinguli. 

Über den Papezschen Kreisprozeß gelangen die Vorgänge in jenen Strukturen zum Bewußtsein, die besonders emotionale Aktivitäten bearbeiten. Obgleich jede der Strukturen, die an der Rückkoppelungsschleife beteiligt sind, ihren eigenen Beitrag leistet, wird der Gesamteffekt auf das Verhalten auch noch durch die Tätigkeit anderer Hirnbausteine verändert und beeinflußt ... Die Mandelkerne stehen in funktionaler Beziehung und indirekten anatomischen Verknüpfungen mit den Regionen, die zum Papezschen Kreisprozeß gehören.«

Sie setzen ihre Erörterung der Beziehung zwischen Limbischem und retikulärem System fort: »Die limbischen Regionen projizieren sich auf die Formatio reticularis, von der sie umgekehrt die aufsteigenden Impulse empfangen, und in beiden Fällen ist der Hypothalamus durch synaptische Endungen sowohl in die aufsteigenden wie die absteigenden Schleifen des Kreisprozesses eingebettet. Der funktionelle Zustand des Hypothalamus ist dementsprechend untrennbar mit der nervalen Aktivität des Limbischen Systems wie auch mit den Kreisschaltungen des Mittelhirns verknüpft.«31

Im Bezugsrahmen der Primärtheorie erscheint als Hauptbeitrag dieser Forschung der Hinweis, daß der Papezsche Kreisprozeß »dazu dient, emotionale Reaktionen auf die Ebenen der Bewußtheit zu bringen«32, und daß der Hypothalamus entsprechend seiner Lage als Knotenpunkt der limbischen Aktivität fortwährend erregt werden kann. Uns wird die vermittelnde Rolle des Hypothalamus für psychosomatische Störungen erkennbar.

Auch wenn ein Mensch den Eindruck erweckt, er stehe nicht unter Streß, setzen ihn die rückschwingenden Erinnerungen unter Druck. So kann er Opfer einer Erkrankung werden, die sich aus einer Entgleisung des Hormonsystems entwickelt, obwohl der Betreffende in einer ruhigen und gelassenen Atmosphäre lebte. (Auf den Zeichnungen können Sie sehen, wo im Gehirn Gefühle blockiert und zurückgeleitet werden). Wir wollen uns jetzt damit beschäftigen, wo die zellulären Einheiten der Erinnerung liegen.

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31)  H.W. Himwich, A. Morillo und W. Steiner, »Drugs Affecting Rhinencephalic Structures«, in Journal of Neuropsychiatry, 1962, S. 17-19.
32)  Ibid., S. 6-25.

 

 

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