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2. Gedeihen oder Alptraum     Janov-1983

 

Die neun Monate im Schoß

29-43

Der Mutterschoß ist eine der großartigsten Schöpfungen der Natur. Er stellt eine Umwelt von kompli­zierten und schwierigen Prozessen dar, die sich auf wunderbare Weise zu Leben verbinden. Unsere Zeit im Schoß sollte die sanfteste, gedeihlichste und am besten behütete Zeit unseres Lebens sein. Sie sollte idyllisch sein. Sie sollte lebensschützend sein, denn jede Faser und Zelle des Schoßes ist dafür eingerichtet, Leben zu fördern, zu formen und zu erhalten.

Otto Rank glaubte, dies sei auch so, und seine Vorstellung fand weite Verbreitung. Er glaubte, das, wodurch wir traumatisiert werden, sei die Geburt: dieses plötzliche Hinausgestoßenwerden in eine grausame Welt, in der wir alle uns heimlich danach sehnen, an den sicheren Ort, fern den Härten des Lebens, zurückzukehren, zu der Behaglichkeit, zu diesem flüssigen Kissen, das uns einst gegen jedes Leid abschirmte. 

Was Rank als traumatisch empfand, war der Gegensatz zwischen dem Leben im Schoß und dem Leben in der Welt. Heute wissen wir, daß dieses Trauma im Schoß beginnt und daß die Schwierigkeit in der entgegengesetzten Richtung liegen könnte: wenn wir endlich zur Welt kommen, lassen wir oft Qualen hinter uns, gegen die wir hilflos waren. In vielen Fällen wird das »Kissen« des Schoßes zu einem »Gefängnis« lebenslangen Traumas. Das Ausgetragen­werden kann für viele Kinder ein neun Monate währender Alptraum sein; und tatsächlich wird der Stoff für spätere Alpträume unerschöpflich und endlos von dieser frühesten Zeit geliefert.

Wie kommt es dazu? Es gibt viele Arten von intrauterinem Streß, viele Arten, dem sich entwickelnden Embryo und Fetus Schaden zuzufügen. Einige davon sind Unfälle. Die Mutter kann sich unwissentlich die Röteln oder ähnliche Krankheiten zuziehen. Oder sie kann während der Schwangerschaft gezwungen sein, sich mit einer Art von Naturkatastrophe ausein­anderzusetzen — einer Überschwemmung, einem Brand oder einem Erdbeben. Das alles sind Situationen, die ihrem Wesen nach streßhaft sind und über die die Mutter keine Gewalt hat. Unfallbedingte Stresse haben ihre Wirkung auf das Kind im Schoß, aber es gibt keine Möglichkeit, sie vorauszusehen oder zu verhindern.

Es gibt aber Formen intrauterinen Stresses, auf die eine Mutter Einfluß haben kann und die sie auch tatsäch­lich beeinflussen muß. Was sie ißt und trinkt, was für Medikamente sie nimmt oder nicht nimmt, ihr eigener, persönlicher Streß — das sind Faktoren, die bis zu verschiedenen Graden reguliert werden können. Essen, Trinken und Medikamente können vollständig reguliert werden (selbstverständlich unter der Voraussetzung, daß die Mutter die Mittel hat, nahrhafte Speisen zu sich zu nehmen). Persönlicher Streß läßt sich schwerer beherrschen. Ein Ehemann kann seiner Frau plötzlich im fünften Monat ihrer Schwangerschaft mitteilen, daß er sie verlassen will, und sie damit zwingen, den enormen Streß des persönlichen Verlustes und der Zurückweisung zu bewältigen und dazu noch den Streß, für das Leben in ihr allein verantwortlich zu sein. Geliebte Menschen können sterben oder lebensgefährlich erkranken, geschäftliche Fehlschläge können sich einstellen, heranwachsende Kinder können mehr verlangen, als die schwangere Mutter zu geben imstande ist.

Die Formen des persönlichen Stresses sind unbegrenzt, aber wie die Mutter diese Stresse bewältigt, wird von einem grund­legenden Faktor bestimmt, nämlich davon, ob sie neurotisch ist oder nicht. Eine neurotische Mutter (das heißt eine unter Urschmerz leidende Mutter) bedeutet einen schmerzerfüllten Schoß, denn gespeicherter Urschmerz breitet sich ebenso sicher und vollständig im ganzen Körpersystem aus wie Drogen, Alkohol oder Nikotin. Die Neurose der Mutter prädisponiert den ganzen Prozeß des Eintritts in das Leben in Richtung eines lebensbedrohenden, anstatt eines lebensfördernden Übergangs.

Ein großer Teil dieses Kapitels handelt davon, wie weit die Wissenschaft die Beziehung zwischen Schwangerschaftserlebnis und späterer Entwicklung entdeckt hat. Und wir haben sehr viel entdeckt durch die Beobachtung des Wiedererlebens von Geburts­traumata. Ein großer Teil der wissenschaftlichen Forschung bestätigt, was bei diesen Geburts-Primals beobachtet wird. Unglücklicherweise müssen wir uns auf eine solche Forschung stützen, um bestätigt zu finden, was uns der gesunde Menschen­verstand und der Instinkt sagen sollten: daß der Fetus auf seine Erlebnisse anspricht und reagiert und sich an sie »erinnert«.

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Erst als eine Methode gefunden worden war, die den Zugang zum Labyrinth des tiefen Unbewußten gestattete, konnten wir beginnen, die Realitäten des Lebens im Mutterschoß zu bestätigen. Die Wissenschaft ist letzten Endes nur eine Fußnote zum Erleben. Harte, nüchterne Tatsachen sind kein Ersatz für das Erleben, wenn wir unserem tiefen inneren Ich so sehr entfremdet sind, daß wir selbst nicht mehr fühlen können, was die Wahrheit ist.

Es ist durchaus sinnvoll, unser Studium des Primärschmerzes dort zu beginnen, wo das Leben selbst beginnt: mit der Mutter, denn die Natur der Mutter bestimmt die Natur der Mutterschaft. Aber die Last kann nicht der Mutter allein aufgebürdet werden, sie muß auch vom Vater, von der Familie, von der Gesellschaft getragen werden. Wenn wir, als Gesellschaft, unsere Zeit, unsere Anstrengungen und unsere Mittel darauf verwendeten, so günstige Bedingungen wie nur möglich für alle Schwangeren zu schaffen, würden wir, dessen bin ich sicher, weit weniger Lösungen für eine bessere Welt suchen müssen und sie als weit gesündere Menschen suchen.

 

    Fetaler Schmerz und Verdrängung    

 

Die Strukturen, die Schmerz und Leiden vermitteln, gehören zu den ältesten des Nervensystems. Sie existierten schon, bevor sich andere Strukturen entwickelten, um sie zu verstehen oder begrifflich zu erfassen. Nach nur wenigen Lebenswochen im Schoß kann der Fetus auf Input reagieren und ihn speichern. Daher besteht die Möglichkeit, daß wir im Schoß neurotisch werden, und daher denkt man in falschen Begriffen, wenn man an Neurose im Sinne von Verhalten denkt. Wir müssen offensichtlich beginnen, die Neurose als physiologische Krankheit zu sehen. An die Schmerzen, die im Schoß gespeichert werden, kann man sich »erinnern«, aber nicht im Sinne der kognitiven Gedächtnismechanismen, mit denen wir vertraut sind. Fetale Erinnerung ist eine Körpererinnerung. Der Körper erinnert sich auf seine eigene Weise, und dieses gespeicherte »Wissen« ist nicht weniger gültig als die intellektuelle Rückerinnerung.

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Die Verdrängung ist ein physiologischer Prozeß, der schon vor sich geht, während sich der Fetus noch im Schoß befindet. Körpereigene schmerzstillende Substanzen, sogenannte Endorphine, wurden in der Plazenta gefunden, was darauf hinweist, daß ein Trauma, das der Fetus während der Schwangerschaft erleidet, verdrängt und unbewußt gemacht werden kann. Der Fetus besitzt somit die neurochemischen Mittel, Schmerz zu blockieren. Der Schmerz wird im Nervensystem niedergehalten und bildet einen Teil des Unbewußten, und so entsteht die Barriere zwischen Bewußt und Unbewußt schon im Schoß.

Schließlich ist es die allgemeine Verfassung der Mutter, die Art von Mensch, die sie körperlich und seelisch ist, die das Wachstum ihres Kindes formt. Es geht dabei nicht nur um das spätere offene Verhalten der Mutter gegenüber ihrem Kind. Wie wir noch sehen werden, können Veränderungen der Körperchemie der Mutter dem sich entwickelnden Fetus eingeprägt werden, und auf diese Weise wird die Neurose (oder Nicht-Neurose) der Mutter an das Kind weitergegeben.

Wenn das Kind geboren wird, hat es viele Merkmale, die wir früher der Vererbung zugeschrieben hätten, aber es zeigt sich nun, daß viele dieser Züge, Persönlichkeitsmerkmale und physiologischen Prädispositionen viel mehr mit dem in trauterinen Milieu zu tun haben als mit der genetischen Anlage. Selbst wenn erbliche Prädispositionen für, beispielsweise, Schilddrüsenüberfunktion, Stottern oder Allergien vorhanden sind, kann immer noch die Beschaffenheit des intrauterinen Milieus dafür ausschlaggebend sein, ob sie sich manifestieren oder nicht. Solange wir keinen Zugang zum Leben im Schoß und zum Geburtserlebnis hatten, konnten wir annehmen, daß Vererbung der einzige oder euer wesentlichste Faktor sei, der bestimmt, in was für einer Verfassung das Kind geboren wird. Heute haben wir zusätzlich zum wissenschaftlichen Befund noch eine andere Art von Beweis, der ums hilft, die Wirkungen von Schwangerschaft und Geburt zu verstehen — und das ist der Beweis von Menschen, die ihre frühesten Lebenserfahrungen wiedererleben.

Diese Erfahrungen lehren uns, daß die Neurose in einem ganz realer Sinn schon beginnen kann, bevor das Kind empfangen wird. Die »Genetik« der Neurose — die Mechanismen, durch die sie von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird — beginnt mit den verborgenen Gründen für den Wunsch der Eltern, ein Kind zu haben. Aber was bei den Eltern verborgen ist, wird beim Kind leider nur allzu sichtbar: wenn neurotische Motivationen zu Fleisch und Blut werden, sind ihre Folgen ebenso sichtbar und katastrophal wie jede Krankheit oder jedes Unglück.

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     Motivationen für die Zeugung: Neurose »a priori«    

 

Spielt es eine Rolle, warum Menschen Kinder haben wollen? Haben unsere bewußten oder unbewußten Motivationen eine Wirkung auf das winzige Stückchen Leben, das im Mutterschoß wächst? Ich glaube, ja. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, daß Mütter, die aus gleich welchen Gründen unglücklich über ihre Schwangerschaft sind, Kinder zur Welt bringen, die übererregbar und unruhig sind, übermäßig viel weinen, wenig essen und sich oft erbrechen. Es ist zwar gut und schön, daß derlei Dinge nun quantifizierbar werden, aber ich glaube nicht, daß wir Archive voll Statistiken brauchen, um uns von etwas so Offenkundigem zu überzeugen. Jede Zelle im Körper des Kindes wird, obwohl sie aus der Vereinigung von männlichen und weiblichen Zellen entstanden ist, durch den Körper der Mutter ernährt. Das bedeutet, daß beinahe alles, was die Mutter beeinflußt, Auswirkungen auf das Leben in ihr hat. Unsere Motivationen für die Zeugung werden buchstäblich durch die Gewebe gefiltert, die das Kind selbst und seine erste Umgebung bilden.

Wir neigen dazu, Motivationen für eine Art von abstrakten, psychologischen Gegebenheiten zu halten — für einen Bereich des Geistes und nicht des Körpers. Aber Motivationen haben präzise physische und emotionale Korrelate zusätzlich zu jeder begrifflichen Erfassung. Tatsächlich sind Motivationen zunächst körperlicher Natur. Der Intellekt spielt erst zuletzt eine Rolle. Er artikuliert nur, was unsere Empfindungen, Gefühle und Bedürfnisse uns zu tun heißen. Die Motivation ist ein Ergebnis von Empfindungen und körperlichen Zuständen. Eben deshalb sind neurotische Motivationen schädlich für den sich entwickelnden Fetus. Was immer an Ängsten, Ressentiments, Zwängen, Wünschen und Egoismen an der Entscheidung, ein Kind zu haben, beteiligt ist, ist auch in den Geweben vorhanden, die Frucht dieser Entscheidung sind.

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Ein Kind, das von neurotischen Eltern gezeugt wird, wird nicht um seiner selbst willen gezeugt. Vom Augen­blick der Empfängnis an wird es im Dienst der Bedürfnisse der Eltern verwendet — eine Art von erzwungener pränataler Prostitution. Es gibt unzählige neurotische Gründe dafür, Kinder zu haben, und keiner davon hat etwas damit zu tun, einen gesunden neuen Menschen zu schaffen. Für Neurotiker ist das Kinderhaben allzu oft nur eine weitere Art, verleugnete Bedürfnisse und verleugneten Urschmerz auszuagieren.

Einer der häufigsten Gründe dafür, daß Neurotiker Kinder haben, ist, daß sie jemanden brauchen, der Liebe gibt, jemanden, den die Eltern ganz für sich haben können, jemanden, auf den sie stolz sein können, jemanden, der sie braucht. Der Wert des Kindes liegt darin, daß es seinen Eltern das Gefühl gibt, geliebt zu werden. Das klingt vielleicht nicht so neurotisch, weil es so allgemein üblich ist. Aber das aus diesen Gründen gezeugte Kind hat eine ungeheure — eine vielleicht zu große — Verantwortung vor sich, bevor es noch den ersten Atemzug tut: es soll seinen Eltern die Welt sein, zwei komplexe, unbewußte Menschen glücklich machen, ihre Bedürfnisse in einer Welt erfüllen, in der es schon schwer genug ist, seine eigenen Bedürfnisse erfüllt zu bekommen. Neugeborene bestehen jedoch selbst ganz und gar aus Bedürfnissen, und deshalb heißt es, Unheil herausfordern, wenn man sie aus eigenen unerfüllten Bedürfnissen heraus zeugt oder empfängt.

Eine andere übliche Motivation für eine Schwangerschaft ist die, eine schon zerbröckelnde Ehe zusammen­zuhalten. Auch hier wieder wird das Kind unter einem ungeheuren Druck gezeugt, und man teilt ihm eine Herkulesarbeit zu, bevor es noch imstande ist, auch nur einen seiner Muskeln zu bewegen. Die Aufgabe dieses ungeborenen Kindes ist es, zu lösen, was zwei »intelligente« Erwachsene nicht zu lösen vermochten: ihr eigenes emotionales Durcheinander. Was die Eltern nicht sehen, ist, daß sie versuchen, ihr ungeborenes Kind in eine Lösung zu ihrer eigenen Rettung zu verwandeln. Ein Ehepaar kann in aller Unschuld sagen: »Wir hatten in letzter Zeit Probleme und haben das Gefühl, daß uns ein Kind näher zusammenbringen wird.« Aber näher zusammen wozu? Sie können nur zu dem näher zusammenkommen, was schon da ist: zu ihren eigenen unbefriedigten Bedürfnissen, zu ihrem Urschmerz, zu ihren eigenen Neurosen.

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Eine Frau, die empfängt, um einen Mann »festzuhalten«, oder ein Mann, der unbewußte Zweifel an seiner Männlichkeit hat und seine Frau schwängert, um sich zu beweisen — beide tragen zu dem Lebensbeginn ihres Kindes neurotische Motivationen bei. Der Fetus ist ein Produkt dieser Motivationen, dieser kombinierten Physiologien. Die Motivation ist ihrerseits das Produkt eines Systems, das überaktiviert ist — mit einem veränderten Hormonausstoß, zu schnellem Puls und hohem Blutdruck —, denn ein völlig normales System, eines, das sich in Harmonie befindet, wird im großen und ganzen nicht von neurotischen Motivationen beherrscht. Der »Druck« der Mutter ist nicht nur eine psychologische Metapher, er ist eine biologische Realität.

Eine »unbeabsichtigte« Schwangerschaft stellt das gleiche Problem umgekehrt dar: die Motivation dafür, nicht schwanger zu werden, wird zur Reaktion auf die unerwünschte Schwangerschaft. Wir schaffen aus Versehen einen neuen Menschen und fühlen dann nichts als Groll gegen ihn. Unbeabsichtigte Kinder werden gewöhnlich vom Augenblick der Entdeckung der Schwangerschaft an als Belästigung betrachtet.

Kann sich ein Kind im Schoß wirklich wertlos fühlen? Ja und nein. Ein Kind kann sich wertlos fühlen, ohne Wertlosigkeit als Begriff zu kennen. Wenn der winzige, drei Wochen alte Embryo auf neutrale (das heißt nichtbedrohliche) Veränderungen des Lichts und der Geräusche in der äußeren Umgebung reagieren kann — und wir wissen, daß er es kann —, so reagiert er sicherlich auf bedrohliche emotionale Fluktuationen in seiner inneren Umwelt — die ihn immerhin umschließt und zusammensetzt.

Was während der neun Schwangerschaftsmonate vorgeht, sagt oft die Art der Beziehung voraus, die Mutter und Kind später haben werden. Das Ignoriert- oder Abgelehntwerden im Schoß wird durch eine ungünstige biochemische Umwelt mitgeteilt. Die Primärkraft wird dann in voll entwickelte Feelings der Ablehnung, Demütigung und Wertlosigkeit umgeformt. Die Etiketten für die Verletzung werden viel später im Leben angehängt und sind letzten Endes nicht wirklich wichtig. Was zählt, ist die Verletzung selbst. Urschmerz ist derselbe, gleich, wie man ihn nennt. Er wird auf dieselbe Weise verarbeitet. Beinahe alle Urschmerzen (und Schmerzen) werden biologisch auf dieselbe Weise und durch dieselben physiologischen Mechanismen verarbeitet.

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Tatsächlich gibt es, wie unsere Forschungen gezeigt haben, charakteristische biologische und biochemische Veränderungen, wenn frühe Urschmerzen erlebt werden — ohne Rücksicht darauf, wie der Urschmerz etikettiert oder genannt wird und ob sich jemand wertlos oder abgelehnt oder kritisiert fühlt. Der Fetus fühlt wirklich Schmerz, und schon auf einer primitiven zellularen Ebene reagiert er darauf, unerwünscht zu sein.

Ein erschütterndes Beispiel für all das fällt mir ein. In einem Buch mit dem Titel Dibs: In Search of Self1 schildert Virginia M. Axline ihre therapeutische Arbeit mit einem Jungen, der unterschiedlich als autistisch, als schizophren und als geistig zurückgeblieben diagnostiziert worden war. Niemand wußte wirklich, was ihm fehlte, außer, daß sein Verhalten schwer gestört war. Die Geschichte von Dibs ist eine einzige klare, eindeutige und in Buchform festgehaltene Antwort auf unsere Frage, ob ein Kind im Mutterschoß leiden kann. Ich bin sicher, daß es zahllose ähnliche Geschichten gibt, die Kinder erzählen könnten, wenn sie die Worte dafür hätten.

Als Axline mit dem sechsjährigen Dibs zu arbeiten begann, hatte er beinahe zwei Jahre lang eine private Schule besucht. Sein Verhalten war bestenfalls unberechenbar und im schlimmsten Fall völlig unbeherrsch­bar. Er sprach beinahe überhaupt nicht, saß manchmal stumm und regungslos da und hatte dann wieder wilde Wutanfälle. Axline schreibt:

»Sein Verhalten war so ungleichmäßig. Das eine Mal schien er geistig extrem zurückgeblieben zu sein. Das andere Mal wieder tat er rasch und still etwas, was darauf hinwies, daß er sogar eine überdurchschnittliche Intelligenz besitzen könnte. Wenn er glaubte, daß ihn jemand beobachtete, zog er sich rasch in seine Schale zurück. Die meiste Zeit kroch er an der Wand entlang im Zimmer herum, versteckte sich unter Tischen, wiegte sich vor und zurück, kaute auf seiner Handkante, lutschte am Daumen, lag auf dem Bauch starr auf dem Boden, wenn eine der Lehrerinnen oder eines der Kinder versuchte, ihn an einer Beschäftigung teilnehmen zu lassen« (S. 15).

1  Ballantine Books, New York 1964.

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Es war noch nicht einmal eine klare Diagnose gestellt worden, aber beide Eltern waren fest davon überzeugt, daß Dibs geistig zurückgeblieben war, und das trotz der Tatsache, daß er sich stundenlang in Bücher vertiefen konnte — solange niemand anwesend war. Axline erzählt:

»(Die Lehrerinnen) boten ihm Bücher, Spielsachen, Puzzles, alle Arten von Dingen an, die ihn hätten interessieren können. Er nahm niemals etwas direkt von jemandem an. Wenn der Gegenstand auf einen Tisch oder in seiner Nähe auf den Boden gelegt wurde, nahm er ihn später in die Hand und untersuchte ihn aufmerksam. Ein Buch ließ er nie unberührt. Er brütete stundenlang über den gedruckten Seiten, <als ob er lesen könnte>, wie Hedda (eine Lehrerin) oft sagte.

Manchmal setzte sich eine Lehrerin zu ihm und las eine Geschichte vor oder sprach über etwas, während Dibs mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag und nie wegkroch — aber auch nie aufblickte oder offenes Interesse zu erkennen gab. Miß Jane (eine andere Lehrerin) hatte oft ihre Zeit mit Dibs auf diese Weise verbracht. Sie sprach über viele Dinge, während sie die Gegenstände in der Hand hielt und zeigte, was sie erklärte ... Sie sprach über alles, wovon sie hoffte, daß es einen Funken von Interesse wecken könnte. Sie sagte, sie komme sich oft vor wie eine Närrin — so als säße sie da und redete mit sich selbst, aber etwas an seiner liegenden Stellung erweckte den Eindruck, daß er zuhörte. Oft fragte sie sich auch, was sie schon zu verlieren hatte« (S.15).

 

Für die Lehrerinnen, den Psychologen und den Kinderarzt war Dibs ein Rätsel. Bei dem Versuch, ihn zu beurteilen, hatte der Kinderarzt eines Tages verzweifelt die Hände in die Luft geworfen und gesagt: »Er ist ein ganz Sonderbarer. Wer weiß, was? Geistig zurückgeblieben? Psychotisch? Gehirngeschädigt? Wer kann nahe genug an ihn herankommen, um herauszukriegen, was mit ihm los ist?«

Dibs' Mutter hatte Axline von Anfang an gesagt, daß weder sie noch ihr Mann etwas mit der Therapie ihres Kindes zu tun haben wolle. Axline erkannte bald, daß die Mutter das nicht aus Härte oder Gleichgültigkeit sagte, sondern wegen ihrer eigenen großen Angst und Verwirrung und ihrer eigenen Hemmungen.

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Axline war einverstanden, weil sie fürchtete, daß jeder noch so geringe Druck die beiden veranlassen würde, Dibs' Therapie zu beenden. Nachdem sie mehrere Monate mit Dibs gearbeitet hatte, wurde Axline von der Mutter unerwartet um eine Unterredung gebeten. Das Folgende sind Auszüge aus dieser Unterredung, in der die Mutter zum erstenmal ihre wahren Gefühle gegenüber dem Kind verriet, das sie empfangen hatte.

Es zeigte sich, daß sie bei diesem Gespräch das einzige Mal imstande war, so persönliche und schmerzliche Dinge mitzuteilen:

»Ich mache mir solche Sorgen um Dibs ... In letzter Zeit scheint er so unglücklich zu sein. Er steht herum, sieht mich an, immer so still. Er kommt jetzt öfter aus seinem Zimmer heraus. Aber er steht nur so herum, am Rand der Dinge, wie ein geisternder Schatten. Und sowie ich mit ihm spreche, läuft er davon. Und kommt dann zurück und sieht mich mit einem so tragischen Kummer in seinen Augen an ... Mir ist sehr unbehaglich zumute, wenn er das tut. Es ist, als wollte er um etwas bitten — um etwas, was ich ihm nicht geben kann. Er ist ein sehr schwer zu verstehendes Kind. Ich habe es versucht. Wirklich, ich habe es versucht. Aber es ist mir nicht gelungen. Von Anfang an, als er noch ein Säugling war, konnte ich ihn nicht verstehen. Ich hatte vor Dibs keine Kinder wirklich kennengelernt. Ich hatte keine richtige Erfahrung als Frau mit Kindern oder Babys. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie sind, ich meine, wirklich als Menschen. Ich wußte biologisch und medizinisch alles über sie. Aber ich konnte Dibs nie verstehen. Er war ein solcher Kummer — eine solche Enttäuschung vom Augenblick seiner Geburt an. Wir hatten kein Kind haben wollen. Ich habe ihn aus Versehen empfangen.

Er durchkreuzte alle unsere Pläne. Ich hatte ebenfalls meine berufliche Karriere. Mein Mann war stolz auf meine Leistungen. Mein Mann und ich waren sehr glücklich, bevor Dibs geboren wurde. Und als er geboren wurde, war er so anders. So groß und bläßlich. So ein großer, formloser Brocken! Überhaupt nicht zutraulich. Tatsächlich lehnte er mich von dem Augenblick an, in dem er geboren wurde, ab. Er wurde steif und weinte jedesmal, wenn ich ihn aufnahm!

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... Meine Schwangerschaft war sehr schwierig. Ich war die meiste Zeit krank. Und mein Mann ärgerte sich über meine Schwanger­schaft. Er dachte, ich hätte sie vermeiden können. Oh, ich mache ihm keinen Vorwurf. Ich ärgerte mich auch. Wir konnten nichts mehr von dem tun, was wir vorher unternommen hatten, konnten nirgends mehr hingehen. Ich nehme an, ich sollte sagen, wir taten es nicht, und nicht: wir konnten es nicht. Mein Mann blieb immer mehr weg, vergrub sich in seine Arbeit. Er ist Wissenschaftler, wissen Sie. Ein hochbegabter Mann! Aber unnahbar.

... Bevor ich schwanger wurde, war ich Chirurgin. Ich liebte meine Arbeit. Und ich hatte bewiesen, daß ich als Chirurgin Erfolg haben konnte. Ich hatte zwei sehr komplizierte Herzoperationen tadellos ausgeführt. Mein Mann war stolz auf mich. Alle unsere Freunde waren sehr begabte, erfolgreiche, interessante Männer und Frauen. Und dann wurde Dibs geboren und verdarb alle unsere Pläne und unser Leben. Ich hatte das Gefühl, elend versagt zu haben. Ich beschloß, meine Arbeit aufzugeben . . . Es zeigte sich bald, daß Dibs nicht normal war. Es war schlimm genug, ein Kind zu haben, aber ein geistig zurückgebliebenes Kind zu haben, war mehr, als wir ertragen konnten. Wir schämten uns. Wir fühlten uns erniedrigt. Es hatte nie etwas dergleichen in einer unserer beiden Familien gegeben. Mein Mann, im ganzen Land wegen seiner hohen Begabung bekannt. Und meine eigenen Leistungen waren immer hervorragend gewesen. Alle unsere Werte waren völlig auf Intelligenz ausgerichtet gewesen — auf gute, präzise, beachtenswerte intellektuelle Leistung.

Und unsere Familien. 

Wir waren beide in Familien aufgewachsen, in denen diese Werte höher galten als alle anderen. Und dann Dibs! So sonderbar. So unnahbar. So unberührbar. Er spricht nicht. Er spielt nicht. Lernt so langsam zu gehen. Schlägt nach den Leuten wie ein kleines wildes Tier. Wir schämten uns so. Wir wollten nicht, daß unsere Freunde von ihm erfuhren . . . Wir wollten nicht, daß ihn jemand sah. Wir schämten uns so. Und ich hatte jedes Selbstvertrauen verloren. Ich konnte nicht weiterarbeiten. Ich wußte, daß ich nie wieder imstande sein würde zu operieren.

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... Ich ging mit Dibs zu einem Neurologen, zu einem draußen an der Westküste. Ich gab einen anderen Namen an. Wir wollten nicht, daß irgend jemand wußte, was wir vermuteten. Aber der Neurologe fand bei Dibs keine organischen Schäden. Dann, vor etwas mehr als einem Jahr, gingen wir mit ihm zu einem Psychiater, wieder nicht in dieser Gegend. Der Psychiater bestand auf mehreren Aussprachen mit meinem Mann und mir. Das war das einzige Mal, daß wir einem Arzt, den wir wegen Dibs konsultierten, sagten, wer wir wirklich sind. Es war schockierend ...

Der Psychiater sagte uns ... daß Dibs nicht schwachsinnig oder psychotisch oder gehirngeschädigt ist, aber das am stärksten abgelehnte und emotional deprivierte Kind, das er je gesehen hat. Er sagte, mein Mann und ich seien diejenigen, die Hilfe brauchten ... Ich sage Ihnen, niemand weiß, was für eine schreckliche Tragödie und Agonie es ist, ein geistig behindertes Kind zu haben!« (S. 85-89).

 

Dieser »geistig behinderte« Junge hatte mit sechs Jahren, als er endlich getestet werden konnte, einen IQ von 168. Und sein Leseverständnis überstieg das für Kinder seines Alters normale um mehrere Jahre. Dibs' IQ ist an sich nicht wichtig, aber er sagt uns etwas über den Grad der Pathologie, die sich einstellt, wenn ein Kind, das als Genie geboren wird, stark geistig zurück­geblieben zu sein scheint.

Dibs scheint ein Fall einer schweren Schädigung in utero zu sein. Ein Kind wird nicht mit einer reflexiven Ablehnung der Mutter geboren, sofern es nicht schon eine Verletzung erlitten hat, eine Verletzung, die von mütterlicher Ablehnung herrührt und irgendwie durch ihre Physiologie übertragen wurde. Die Mutter schuf kein gutes inneres Milieu für ihr Kind, und irgendwie, irgendwo spürte es das Kind.

Die Motivationen von Dibs' Mutter — ihre Gründe dafür, ein Kind zu haben — wirkten sich in der nachteiligen Beeinflussung eines Menschen mit tiefgehenden und dauerhaften Folgen aus. Ihr Urschmerz verdunkelte den hellen Lebensfunken in ihr und verwandelte ihn in etwas, worin man seine wahre Natur nicht mehr wiedererkannte. Das geschädigte Kind ist in einem gewissen Sinne eine Bestätigung für die Beziehung zwischen der Einstellung der Eltern und der Psychobiologie des Nachkommen. Kinder können mit einem so ungeheuren Urschmerz geboren werden, daß sie unter Umständen niemals imstande sind, ihn zu integrieren.

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    Forschungen über fetalen Streß     

 

Um zu verstehen, wie und warum Streß eine solche Wirkung auf den Fetus und das spätere Leben des Menschen ausübt, müssen wir zuerst begreifen, was für ein ehrfurchtgebietender, komplexer und schwieriger Prozeß die Schwangerschaft ist. 

Ebenso müssen wir zu einem neuen Verständnis von Streß gelangen, der nicht nur etwas ist, was uns von außen beeinflußt, sondern als Umwelt innerhalb des Körpers eingeprägt wird. Diese Streß-Prägung ist das Duplikat der frühen traumatischen Situation. Mit der Gesamtheit des sensorischen Inputs, der durch die Feelings zu einem zusammenhängenden Ganzen vereinigt wird, zwingt sie das ganze System in einen Zustand unaufhörlicher Reaktivität.

Der Prozeß der Schwangerschaft ist der Prozeß der Schaffung und Formung von Leben. Wenn dieser Prozeß in einem gestreßten System abläuft, müssen sich Folgen einstellen. Wir wissen jetzt, daß während der neun Monate des fetalen Wachstums das sich entwickelnde Gehirn die Evolutionsgeschichte der menschlichen Spezies rekapituliert: eine einzige Zelle differenziert sich in zahllose Zellgruppierungen, die ihrerseits komplexe Organ- und Gewebestrukturen bilden. Sie alle vereinigen sich schließlich zu dem ganzen jungen Menschen.

Jede spezifische Phase dieser Entwicklung — jedes spezifische Organ, jedes System und jede Struktur — hat einen präzisen und vorausbestimmten Entfaltungsplan. Damit dieser Plan wie vorgesehen ausgeführt werden kann, müssen alle nötigen Rohmaterialien aus dem System zu genau dem richtigen Zeitpunkt verfügbar sein. Die richtige Zeiteinteilung ist für die gesunde Entwicklung des Fetus tatsächlich ebenso entscheidend wie die »Bausteine« der Rohmaterialien. Das kommt daher, daß es für jedes Organsystem kritische Wachstumsschübe gibt; ein Versagen in der Logistik des ganzen Systems ist verhängnisvoll für jede gerade betroffene Substruktur des Gehirns. Diese Substruktur wird nie richtig fertiggestellt werden.

Was dabei geschieht, ist, daß die normalerweise für die Entwicklung eines bestimmten Organsystems vorgesehenen Ressourcen anderweitig verwendet werden, woraus ein Defizit für das betreffende sich entwickelnde Organsystem resultiert. Ich glaube, daß jeder größere negative — physische oder emotionale, innere oder äußere — Reiz diese empfindliche genetische Entfaltung beeinträchtigen kann.

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Wenn beispielsweise ein bestimmter Wachstumsschub eines Organs zu einem Zeitpunkt vor sich geht, in dem die Mutter ungewöhnlich besorgt, ängstlich oder wütend ist, wird der Fetus in diesem System ebenso sicher beeinflußt wie durch Mangelernährung oder Krankheit. Die Biochemie der Mutter wird durch die hormonalen Anpassungen an ihre Emotionen verändert, und ein großer Teil der für die Entwicklung des Fetus bestimmten Energie wird in Verdrängungsprozesse umgeleitet.

Um die Zellen zu schaffen, die benötigt werden, um ein menschliches Gehirn zu bilden, müssen an jedem Tag der Fetalentwicklung Zehntausende von Neuronen produziert und differenziert werden. Wir können uns nur undeutlich vorstellen, was im Falle von Mangelernährung, Verdrängung oder Änderung der Biochemie während der Schwangerschaft mit dieser ungeheuren Produktion und Differenzierung von Zellen geschieht. Neuronen werden hergestellt und zu komplexen Neuronennetzen organisiert. Das Gehirn hat während dieser Zeit einen außerordentlich hohen Sauerstoffbedarf wegen des enormen Energieaufwands, der nötig ist, um diese Milliarden von Zellen zu synthetisieren, zu organisieren, zu vereinigen und zu regulieren, so daß ein Mensch entsteht. Es ist eindeutig die empfindlichste und verwundbarste Wachstums­periode.

Langfristige Folgen ergeben sich, wenn die Gehirnentwicklung des Fetus beeinträchtigt wird. Das Gehirn besitzt, zum Beispiel, eine Anzahl von Zellen, deren Aufgabe es ist, Traumata aufzunehmen und zu verarbeiten. Werden durch einen Mangel oder eine Unzulänglichkeit der Gehirnzellenproduktion zu wenige von diesen Zellen gebildet, so wird durch das Defizit das gesamte Gehirn beeinträchtigt. Traumata können nicht mehr in ausreichendem Maße verarbeitet werden. Mit anderen Worten, es ist nicht genug kortikales Material vorhanden, um Schmerz zu bewältigen. Tatsächlich sind viele Kinder und Erwachsene einfach deshalb anfälliger für chronische Angstzustände, weil sie nicht die nötige Neuronenausstattung für die Behandlung von Traumata haben. Dieses Neuronendefizit beginnt im Schoß.

Streß im Mutterschoß kann viele Arten von Geburtstraumata, Geburtsfehlern und Geburtsmängeln erklären. Der Fetus erleidet Streß auf vielerlei Arten.

Er kann von der körperlichen Verfassung der Mutter herrühren — davon, wie gut sie ißt, ob sie raucht, trinkt oder Medikamente einnimmt; er kann aus ihrem emotionalen und psychologischen Zustand kommen und davon abhängen, was sie in bezug auf sich selbst oder in bezug auf ihr Kind fühlt oder wie sie mit dem Leben fertig wird; und schließlich kann er aus allen Umweltbedingungen kommen, denen sie ausgesetzt ist.

Bis vor kurzem hat man angenommen, daß die Plazenta als Puffer wirkt, der schädliche Reize ausschließt oder ihre Wirkung auf den Fetus zumindest dämpft. Nun stellen Wissenschaftler, was nicht allzusehr über­rascht, fest, daß das Gegenteil zutrifft. Ein Forscher schrieb:

»Beinahe jede biologisch aktive Substanz (wie, zum Beispiel, Nikotin, Alkohol, Koffein etc.) kann sich als Schadstoff verhalten. Für die schwangere Frau wirken diese Substanzen wie für jedes andere Individuum; der Fetus kann jedoch für solche Wirkungen empfindlicher sein. Da die Plazenta für im wesentlichen alles durchlässig ist, was in den mütterlichen Organismus aufgenommen wird, ist der Fetus trotz seines scheinbar abgeschlossenen Ortes innerhalb des Uterus allem ausgesetzt. In manchen Fällen kann der Fetus die Toxine sogar konzentrieren.«2

Wir müssen auch bedenken, daß »biologisch aktive Substanzen« die psychische Verfassung der Mutter ebenso übermitteln wie ihren körperlichen Zustand. Das bedeutet nichts anderes, als daß der Fetus die durch den Schmerz der Mutter verursachten Toxine ebenso sicher konzentriert wie Toxine, die aus Alkohol oder Nikotin oder aus der Umweltverschmutzung stammen. Schmerz ist eine biologisch aktive und toxische Substanz, der der Fetus ständig ausgesetzt ist.

Wenn wir uns an die Streßforschung wenden, um die Wirkungen bestimmter Ursachen zu verstehen, müssen wir zunächst bedenken, daß all diesen verschiedenen Stressoren der Urschmerz der Mutter zugrunde liegt. Dieser Urschmerz ist es, der sie zwingt zu rauchen, zu trinken oder Tranquilizer zu nehmen. Urschmerz erhöht ihren Blutdruck, verändert ihren Hormonspiegel und kann sie letzten Endes dazu bringen, das in ihr wachsende Kind abzulehnen.

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2)  Longo, Lawrence: <Environmental Pollution and Pregnancy: Risks and Uncertainties for the Fetus and the Infant>, in: American Journal of Obstetrics and Gynecology, 137(2), 15. Mai 1980, S. 162.

 

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Janov 1983