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Hans JonasDem bösen Ende näher
Gespräche über
das Verhältnis
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1993 103 Seiten *1903
detopia: Audio 2018-1980 Audio-Gespräch |
Inhalt Vorbemerkung von Wolfgang Schneider (7) Quellenhinweise (103)
Hans Jonas, 1903 in Mönchengladbach geboren, starb im Februar 1993 in New York. 1933 emigrierte er nach England und 1935 nach Palästina, seit 1955 lebte er in den USA. Jonas erlangte weltweite Anerkennung durch sein Werk Das Prinzip Verantwortung (1979), in dem er eine Ethik für die Menschen im technologischen Zeitalter formulierte. 1987 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Im Frühjahr 1993 erschien im Suhrkamp Verlag Philosophie. Rückschau und Vorschau am Ende des Jahrhunderts. In den acht Gesprächen kommt vor allem die unmittelbare, praktische Seite seiner Ethik zur Sprache: So in dem Zeit-Gespräch »Mitleid allein begründet keine Ethik«, in dem er 1989 mit Marion Gräfin Dönhoff und Reinhard Merkel über Euthanasie diskutierte. Auch in dem mit Alexander U. Martens geführten Interview »Die Bereitschaft zur Furcht ist ein sittliches Gebot« von 1981 sind die zentralen Themen: die Atombombe, die Vision einer vollkommenen Mußegesellschaft, unsere fatale Fortschrittsgläubigkeit. In einem erst kürzlich geführten Gespräch zeichnet Hans Jonas die Etappen seines persönlichen und philosophischen Lebensweges nach und geht auf die Veränderungen in der Weltpolitik der letzten Jahre ein. |
1
Dem bösen Ende näher
(10)
2
Der ethischen Perspektive muß eine
neue Dimension hinzugefügt werden (24)
3
Die Welt ist weder
wertfrei noch beliebig verfügbar (40) 4 Maschinen werden niemals ein Bewußtsein haben können (49) Die-Welt
5
Wir dürfen das Leben nicht belasten, indem wir uns einfach
gehenlassen (53)
6
Mitleid allein begründet keine Ethik (59)
Die-Zeit 7 Ohne Opferbereitschaft gibt es wenig Hoffnung (79) Der-Stern
8
Die Bereitschaft zur Furcht ist ein sittliches Gebot (84)
Süd-Z
9
Technik, Freiheit und Pflicht (91) |
Vorbemerkung von Wolfgang Schneider
7-9
»Dieser Beitrag gehört als Sonderdruck millionenfach in jeden deutschen Briefkasten und sollte jedem Schüler zur Pflichtlektüre gemacht werden.« Der Kommentar eines Spiegel-Lesers auf das anläßlich des Umwelt-Gipfels von Rio de Janeiro veröffentlichte Interview <Dem bösen Ende näher> ist Anlaß und Herausforderung, Gespräche und Gedanken des Natur- und Technikphilosophen Hans Jonas zu sammeln.
Der Titel des Buches bezieht sich auf Jonas' Feststellung, im Verhältnis des Menschen zur Natur habe sich zwar theoretisch einiges geändert, nicht jedoch praktisch: Seit dem Erscheinen seines Hauptwerkes <Das Prinzip Verantwortung> 1979 sei »nichts geschehen, um den Gang der Dinge zu ändern, und da dieser kumulativ katastrophenträchtig ist, so sind wir heute dem bösen Ende eben um ein Jahrzehnt näher als damals.«
Hans Jonas' Spätphilosophie, deren Bedeutung für das ausgehende 20. Jahrhundert nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, hat die theoretischen Voraussetzungen geschaffen, mit denen den Herausforderungen der Moderne begegnet werden kann: Wie ist das Überleben auf diesem Planeten auf längere Sicht möglich?
Hans Jonas setzt sich für ein neues, wieder gleichwertiges Verhältnis zwischen Mensch und Natur ein. Wie kein anderer zeitgenössischer Philosoph wendet er sich gegen die ungebremste Ausbeutung und Verwüstung der Erde durch den Menschen und plädiert energisch für eine Ethik der Verantwortung und Bescheidenheit.
Im Vorwort des <Prinzip Verantwortung> schreibt er: »Die dem Menschenglück zugedachte Unterwerfung der Natur hat im Übermaß ihres Erfolges, der sich nun auch auf die Natur des Menschen selbst erstreckt, zur größten Herausforderung geführt, die je dem menschlichen Sein aus eigenem Tun erwachsen ist.«
Aufklärung ist in ihr Gegenteil umgeschlagen.
Die in den letzten 200 Jahren entwickelte Technik ist heute bedrohlich geworden, erzeugt Unheil und kann nur dadurch gezügelt werden, wenn wir Menschen den von Menschen geschaffenen Mechanismus wieder zu beherrschen lernen. Das bedeutet vor allem: Wir dürfen nicht alles tun, wozu wir – theoretisch wie praktisch – in der Lage sind.
Grundlage und Voraussetzung der Lehre von Hans Jonas ist, daß dem Menschen — einerseits mit Wissen und andererseits mit Freiheit, d.h. mit der Möglichkeit, so oder so zu handeln, ausgestattet — Verantwortung für sein Tun obliegt, der er sich nicht entziehen kann. Der Mensch als das einzige Wesen, das der Verantwortung fähig ist, ist haftbar für das, was er tut. Dieser Gedanke ist in den Beiträgen dieses Buches stets präsent und wird auf verschiedenen Ebenen bei unterschiedlicher Thematik diskutiert.
Es kommen vor allem die praktischen, unmittelbaren Seiten der Ethik der Verantwortung zur Sprache, angesprochen werden die Konsequenzen der Lebensweisen der hochzivilisierten Gesellschaften, die freilich globale Folgen haben: die Zerstörung der Umwelt, das Ozonloch, die Klimakatastrophe, die Gefahren der Kerntechnologie und -waffen, Macht und Ohnmacht der Computertechnik, Euthanasie und Gentechnologie.
In einem erst kürzlich geführten Interview zeichnet Hans Jonas die Etappen seines persönlichen und philosophischen Lebensweges nach und geht auf die Veränderung in der Weltpolitik der letzten Jahre ein. Durchaus als Nachwort kann die Rede »Technik, Freiheit und Pflicht« gelten, die Jonas anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1987 gehalten hat. Hier diskutiert er den für seine Philosophie ungemein wichtigen Freiheitsbegriff und benennt die aus der menschlichen Freiheit sich ergebenden Pflichten.
Die Chancen des Überlebens sind nicht groß. Verzweiflung, Fatalismus und Aufgeben vor den Aufgaben der Gegenwart und Zukunft stehen für Hans Jonas im direkten Widerspruch zur Ethik der Verantwortung.
Die hier gesammelten Interviews und Gespräche können dem einzelnen wie der Gesellschaft und Politik Anleitung sein zur Überprüfung des eigenen Verhaltens. Verantwortung ist immer auch die komplementäre Seite der Macht.
Allerdings, wenn Einsicht allein nicht helfen will, so zwingen vielleicht die »kleinen« Katastrophen, die sich ereignen (wie Tschernobyl) und noch ereignen werden, den Menschen zum Umdenken. Die Ansammlung der vielen »unmerklichen« Katastrophen aber steht der großen, nicht wiedergutzumachenden in nichts nach.
Hans Jonas starb kurz vor der Drucklegung dieses Buches, es sollte zu seinem 90. Geburtstag im Mai 1993 erscheinen. Er hat an der Auswahl mitgewirkt und sie autorisiert. Sein Denken führt durch das 20. Jahrhundert, mißt sich an dessen Herausforderungen und weist in die Zukunft: Es ist ein Verbrechen an künftigen Generationen, unsere Umwelt schleichend, aber unwiederbringlich zu zerstören.
Angesichts der gewaltigen Naturschauspiele, die wir noch bewundern dürfen, sollte Hans Jonas' Philosophie, die Ethik der Verantwortung und der Bescheidenheit gegenüber der Natur, der Technik und uns selbst, heute mehr denn je unser Bewußtsein, unser Denken und Handeln bestimmen.
9
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