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1920

 

 

So verging die Zeit, kam Ostern 1920. Waren wir ganz fröhlich, waren doch ganz andere Zeiten als die bereits entschwundenen. Die Arbeit war wohl die gleiche wie alle Tage, aber mit den Gedanken waren doch schon mehr den je in der lieben Heimat. So verging die Zeit, in der gleichen Tätigkeit für uns und alle anderen, die arbeiten konnten.

Kam der 1. Mai, war wieder ein freier Arbeitstag für das Land, den wohl jeder Mensch gerne benützte. Gearbeitet wurde alles was notwendig war. Alles war nur bestrebt, vorwärts zu kommen. Auf den Feldern konnte man schon arbeiten, was ein jeder nützte, der einen Gefangenen zur Verfügung hatte.

Diese Arbeit ging wohl nicht an den einen Tag allein, denn es gab sehr viele Felder, die brach und verwüstete dalagen. Was möglich war wurde bebaut, aber ganz unentgeltlich war es für die Hungernden. Ein Dorf war, da wurden 50 Joch bebaut.

Der erste Mai 1920 wird wohl allen unvergesslich bleiben. Wurde doch so vieles Gutes angefangen und mit der Zeit auch vollendet. Denn die Bauern wussten jetzt selbst ganz gut, wie weh das tat, wenn man gar nichts hat.

Bei unserer Station wurde am 1. Mai auch ein Magazin angelegt aus Holz, zirka 40 Meter lang und 10 Meter breit, zum Körner einlagern für das Verpflegungsmagazin.

Wurden wir gefragt, ob wir weiterarbeiten wollen dabei, wer damit umgehen kann. Da in der russischen Zimmerrerarbeit keine besonderen Fertigkeiten verlangt wurden, meldete ich mich und gleich 7 Mann dazu. Ein Oberösterreicher und ich machten die Vorarbeit. Ging ganz schön zu Zufriedenheit des Ministeriums vorwärts.

Beim halben Bau mussten wir aufhören, da das Holz ausging und wir warten mussten bis eines befördert werden konnte. Die Zeit verging uns jetzt so schnell, da wir doch mit den Gedanken immer an der baldigen Erlösung arbeiteten.

Hatten wieder viel Arbeit am Bahnhof, da der Verkehr immer mehr in Aufschwung kam.

Hatten am Tag oft 20 bis 30 Waggons zu verladen. Denn es kam viel, Körner, Heu und andere Sachen.

Da wurde die Arbeit immer mehr, aber wir taten es gerne, da uns wiederholt gesagt wurde, dass wir die Ersten sind, die heimbefördert werden.

Kam eines Tages ein Bekannter aus Wieselburg, Langtaler war sein Name, zu uns auf die Station.

Der hatte auch das Pech. Er musste beim Train fahren und musste auch Flüchtende begleiten, die nach China flüchteten. An der Grenze gingen die über. Die armen Menschen überließen sie einfach dem Schicksal.

Mussten in ihrer schlechten Kleidung, bei aller Kälte und Witterung, bei mangelnder Kost, im Freien verbringen. Und dann als für die Hohen das Ziel erreicht war, ließ man diese armen Menschen einfach stehen.

Das Einzige war an der Grenze, was für die Armen geschah, dass einfache Zelte für sie aufgespannt waren.

Auch unser Kollege wurde dort krank. Bekam die Ruhr und den Typhus. Es waren traurige Tage und Wochen für ihn.

Viele starben oder erfroren unter den Zelten. Der es aushielt war recht, der kam zurück, die anderen mussten elendig zugrunde gehen.

Nach seiner Rückkehr zu uns, erzählte er von dem Leiden und Schicksal, die die bei der Grenze und auf dem Train mitmachen mussten.

Dieses näher zu schildern wäre mir unmöglich.

Er war dann eine Zeit lang im Spital, dann wollte er mit uns mitarbeiten, konnte aber nicht, war viel zu schwer. Ging er in ein Dorf hinaus und arbeitete bei einem Bauern. Das war doch jetzt gut, dass man arbeiten konnte, wo man wollte. Aber auf der Heimfahrt möchte er bei uns sein. Da sollen wir ihn verständigen. Kam wohl etliche Male in die Stadt auf den Markt, wo wir uns trafen, aber als wir dann doch gingen, konnten wir ihn nicht verständigen. Kam er beim nächsten Transport nach Hause.

So kam der Sommer und zugleich die fürchterliche Hitze und die Arbeit immer mehr. Beim Waggon ausputzen fand man oft vom Militär weggeworfene Wäschestücke, hoben es auf, wurde alles gereinigt und vertauschten es bei der Landbevölkerung auf Butter und Eier.

Wir konnten besser leben und die Leute waren dabei, denn an Kleidung und Wäsche mangelte es sehr. Denn die gewesene Kortschakregierung sorgte nur für das Militär und für die anderen gab es nichts. Und diese Schäden konnten nur langsam ausgeglichen werden.

Wir konnten kaum mehr unsere Heimfahrt erwarten. Wenn man so lange ohne jede Nachricht leben muss, seit 1917 hatte ich kein Schreiben von der Heimat und jetzt hatten wir schon 1920.

Mussten doch wieder arbeiten, da half uns alles Heimweh nicht darüber. Pflicht ist Pflicht. Jetzt kam am meisten Salz und Kohle zum Versand, da es an machen Orten derart an Salz mangelte, dass das Volk schon hart wartete darauf.

Denn wir wussten selbst aus Erfahrung, wie das Essen schmeckt. Hatten selbst fast ein halbes Jahr kein Körnlein davon. Damals traten sogar Krankheiten auf unter uns. Es war Skorbut und Zinka. Wo einem das Mark in den Knochen zu Wasser wird. Ohne Zucker kann man leben. Den entbehrt man viel leichter. Lebten die meiste Zeit in der Gefangenschaft ohne einen zu haben. Aus dieser Erfahrung belehrt, wurde getrachtet, um Salz zu gewinnen. Ganze Schiffsladungen kamen, mussten wir verladen, um die mangelnden Städte und Dörfer zu befriedigen.

Kohlen wurden per Schiff und Wagen gebracht. Mussten wir auch verladen, damit auch das Land damit versorgt werden konnte. Hatten viel schwere Arbeit, aber wir wurden jetzt doch entsprechend bezahlt dafür.

Kam Juni und Juli, kamen dann die Südfrüchte von Turkestan, wo sie wuchsen. Gedörrtes Obst, Zibeben, Weinberln und verschiedenes.

Wurden mit kleinen Schiffen herbefördert. Auch kommen ganze Karawanen mit Kamelen, bei denen auf jeder Seite ein Sack befestigt war. Am Rücken zusammengebunden. Alles eingeliefert für die Städte und Dörfer.

Dann kam von der Mandschurei Tee und Zucker, was wir ausladen mussten für Zivil, Militär, auch für uns, worüber wir schon froh waren, sehnten uns schon danach.

Zucker hatten wir jetzt genug, waren manchmal Säcke zerrissen beim Ausladen, banden wir uns bei den Schuhen die Hose zu und ließen einen hineinreisen.

So brachten wir einen in unsere Baracke. Den auf Stehlen war eine strenge Strafe drauf. Auch an Seife und Streichhölzer war ein großer Mangel, wurde auch bald geholfen, wurde vieles eingeliefert und in die Dörfer hinausgegeben.

Sahen dann die Bauern, dass man ihnen auch entgegen kam was nur möglich war. Und lieferten gerne von ihren Erzeugnissen in die Stadt fürs Militär und Zivil.

Jetzt war noch der große Mangel an Kleidung und Wäsche für die ganze Bevölkerung zu beheben.

Musste mit allen Mitteln für die nötigen Fabriken gesorgt werden.

Eine Stadt war, da man ein großes Lager mit roher Baumwolle gefunden, auf die in die Wirren niemand kam. Das wurde auch gleich verarbeitet und in kurzer Zeit war Kleidung da zur Ausgabe. Leider für so viele gar nicht hinreichend. Man musste noch immer trachten, die Fabriken zu mehren, da doch das Land seit der Sowjetregierung auf sich selbst angewiesen war.

Was die Männer betraf, die ihren Waffendienst eine gewisse Zeit lang machen mussten, die konnten sich auch die Kleidung behalten, wenn sie ausgebildet waren.

Auch viele Rohprodukte gab es in dem großen Reich. Kohlenlager die noch nicht urbar gemacht waren, Gold, Eisen, nur der Mangel an Fabriken und Eisenbahnen behinderten die Erzeugung.

Die Sowjetführer waren daher eifrig bestrebt, die schadhaften Fabriken in Stand zu setzen und noch einige frische Eisenbahnen anzulegen.

 

Nun muss ich nochmals zurückkommen auf die Schicksale der Opfer des Umsturzes im Dezember 1919.
Die ich niederschrieb und auf Seite 205 beendete.

 

Muss ich auch der unbekannten Opfer gedenken, von denen heute noch kein Angehöriger Kenntnis hat, wo die vermissten Opfer hingekommen sind. Im Dezember beim Umsturz wurde in der Stadt alles erbarmungslos niedergeknallt, was ihnen verdächtig vorkam. Blieben liegen und wurden bei der Straßenreinigung unter den Mist gemischt, hinaus aus der Stadt auf einen Haufen geführt. Dort blieb er unbenutzt liegen und hatten die Raben und die Geier ihr Arbeitsfeld. Denn für die Äcker brauchen sie dort keinen Mist , denn sie sind so auch sehr ertragfähig.

Als nun der Sommer mit seiner Hitze kam, kamen auch die Leichen zum Vorschein. Die Raben und Geier hatten sie aus dem Mist gescharrt und werkten fleißig damit.

Wurde der Verwesungsgestank immer mehr und so kam man auf die Leichen. Niemand fand sich, sie zu beerdigen. Jedem graute davor.

Nun kamen sie zu uns, da wir in der Nähe waren. Sollten wir es wegräumen. Wir wehrten uns, aber es war umsonst. Wurde uns gedroht, wenn wir nicht wollen, werden wir irgendwo zur Zwangsarbeit hingesteckt. Da sahen wir uns in unserer Heimreise bedroht und redeten uns ab. Anmasser, einer aus Oberösterreich und ich, wir haben diese traurige Arbeit auf uns genommen. Zu kennen war niemand mehr davon, Waren unsrige Leidensgenossen dabei? Oder waren es Russen? Waren alle schon schwarz. Auch die Geistlichen schonte man damals nicht. War nur aller unser Gedanken, wer solche Gräuel einer solchen Revolution, unser Leben lang verschont zu bleiben. Und könnte auch heute nichts anderes denken.

Nun wieder zurück zu unserer Arbeit und Vorbereitungen zur heißersehnten Heimfahrt!

So verging der Juli, wurde immer geredet, dass im August die Transporte angehen. Wurde aber nur immer vermutet, denn mit der Wahrheit durften sie nicht heraus, denn sonst hätten die meisten nicht mehr gearbeitet, war doch jede Hand so notwendig.

Unser Kommandant erkundigte sich im Ministerium, ob es ernst wird mit den Transporten und teilte uns die Bejahung mit.

Nun freute uns die Arbeit wieder besser. Und von der Wäsche und Kleidungsstücken, die wir entbehren konnten und uns bei der Fahrt nur hinderlich gewesen wären, gaben wir weg an die Dorfbewohner, die es notwendig brauchten, und bekamen so viel Butter und Eier dafür, dass wir essen konnten, auch Fleisch was wir wollten, um uns zu stärken für die bevorstehende Reise. Damit man die Strapazen leichter aushält. Und über das Meer mussten wir auch, damit man die Seekrankheit leichter besteht.

Und nochmals wurde unsere Freude auf eine harte Probe gestellt.

 

Wie ich früher erzählt habe, dass die beiden Führer immer bekämpft wurden von den Franzosen und Engländern, so machten jetzt auch die von ihnen zu Hilfe gerufenen Polen ein Problem. Jetzt wo wir so knapp vor unserem heißersehnten Ziel waren, die uns große Sorgen machten. Indem sie so große Einfälle machten an der Front, dass unsere Heimreise stark gefährdet war. Wieder waren es unsere Leidensgefährten, die es auf sich nahmen und sich meldeten auf 6 Monate, die vorgeschrieben waren, um für die Freiheit zu kämpfen.

Gingen viele zu den Russen um mit ihnen zu kämpfen. Erhielt auch von meinem Freund Stockinger ein Schreiben, dass auch er an die Front abging, um für die Freiheit zu kämpfen. Und seine Sachen, die ich als sein bester Freund in Verwahrung hatte, seit er beim Einkaufen für uns von den Roten gefangen wurde, die solle ich verkaufen und diejenigen vergüten, die ihm damals Geld mitgaben zum Lebensmitteleinkauf.

Ich erfüllte seinen Wunsch, verkaufte, bis ich das nötige Geld zusammen hatte, zahlte die anderen aus und was mir übrig blieb, nahm ich mir als Andenken an meinen liebsten Kollegen mit in die Heimat.

Zu Weihnachten 1921 besuchte er mich in der Heimat und erzählte mir, wie es an der Front bei den Freiheitskämpfern zugegangen ist. Kam damals an der Grimm nochmals in Gefangenschaft, erkrankte dann schwer, wurde ausgetauscht und kam dann um 8 Monate später in die Heimat als wir. Hat heute ein verantwortliches aber lebensfähiges Auskommen. Kam wieder zur Sicherheitswache nach Wien, wo er schon seit aktiver Dienstzeit tätig war.

Wir arbeiteten immer fort, wurden aber schon ganz ungeduldig, da immer so viel Militär abging an die Fronten. Was wird das noch werden. Müssen wir vielleicht nochmals überwintern? Dann kam wieder Holz zum Fertigbau des Magazins. Wurden wir gefragt, ob wir nicht fertigmachen wollen vor der Heimkehr. Es wären 14 Tage Arbeit und sie geben uns 200.000 Rubel.

Wir fingen nicht mehr an, sagten, wenn es geht, wir wollen keine Stunde mehr warten. Wie sehnen uns schon sehr nach Haus. Es wird schon wer sein, der sich für die Fertigstellung annimmt. Und was hätte uns das Geld genutzt, hätte doch in der Heimat keinen Wert.

Kam einer vom österreichischen Roten Kreuz nach Sibirien, brachte auch Geld mit zur Heimfahrt, für jeden Mann 1000 Rubel.

Und belehrte auch die Gefangenen, wenn die Zeit kommt, soll man alles in Ruhe abwarten, denn alle auf einmal können sie nicht fahren. Und auch beim Transport soll man sich ruhig an alles fügen. Denn es können auch Stockungen einsetzen und die Fahrt verlängern. Sind doch die Bahnen noch so wenig. Und das Militär muss auch an die Front. So arbeiteten wir fort bis zum 14. August. Da wurde der erste Transport zusammengestellt.

Es waren die Reichsdeutschen und wir von der Bahn kamen dazu.

Endlich war für uns das ersehnte Ziel gekommen. Bekamen unseren eigenen Waggon bis zur Grenze und vom Ministerium bekamen wir auch die Verpflegung bis an die Grenze. Brot und getrocknetes Rindfleisch. Dann 8 Säcke Mehl als Prämie für unsere Ausdauer und Fleiß bei der Arbeit. Die Anderen hatten an den Bahnhöfen ihre Menagestation. Auch machte uns der Bahnvorstand aufmerksam, wir sollen uns ziemlich viel Salz mitnehmen, das werden wir gut brauchen können.

Nahmen uns wohl welches mit, aber wenn wir geahnt hätten, dass wir in Städte kommen, wo noch keines ist, hätten wir uns wohl ganz gut vorgesorgt. Wir glaubten wohl kaum mehr irgendwo einen Salzmangel, wo wir doch noch hundert Waggons verladen hatten. Es traf aber auf unserer Reise wirklich zu, dass man sich um eine Hand voll Salz Esswaren eintauschen hätte können. Ja selbst Schmuckgegenstände von hohem Wert konnte man bekommen. War einem leid, ihnen nicht helfen zu können.

Nun zurück zu unserem Abschied von denen die wir vorläufig zurückließen und vom Bahnpersonal.

Die Musik spielte bei unserer Abfahrt, der Bahnhof war dicht besetzt von Leuten, die uns noch Glück wünschten zur Reise und uns nachwinkten mit den Tüchern, solange sie zu sehen waren.

Fuhren dann bis Nover Nikolajevka, 613 Wärs, da war Menagestation der Reichsdeutschen. Die Strecke war uns von früher her bekannt. Dort verblieben wir einen Tag. Dann über den großen Fluß Jenisei, wo alle Türen und Fenster geschlossen wurden. Es ging mit größter Vorsicht. Die Brücke war bewacht vom Militär.

Zeigte sich jemand am Fenster, wurden gleich Schreckschüsse abgegeben, denn sie hatten Angst, es könnte jemand die Brücke sprengen.

Fuhren dann weiter bis Barabinsk, waren wieder 586 Wärs seit Nover Nikolajevka.

Jetzt kam der Befehl, dass wir aussteigen müssen, da das Militär fahren muss. Unser Waggon verblieb uns. Waren wir traurig über die Verzögerung unserer Heimreise.

Wir verblieben im Waggon und ersuchten um die Arbeit am Bahnhof, da wir sie schon gewöhnt waren.

Die Anderen gingen ins Lager und gingen von dort auf Arbeit. Verpflegt wurden wir, zum Zubessern hatten wir auch, so vergingen schon die 12 Tage die wir bleiben mussten.

Am 31. Oktober ging es dann auf der Hauptstrecke weiter nach Tjumen, das mir bekannt war, da ich im 1917. Jahr bei einem Bauern war. Es war von Omsk wieder 537 Wärs weg. Standen wieder zwei Tage. Hatten in der Nähe der Stadt Holz geschnitten, dass die Zeit besser verging. Bekamen zu Verpflegung Fischsuppe und geschwellten Weizen, der noch roh war. Tjumen war eine arme Stadt, wurde fast nicht eingeführt. Von unserem Mehl konnten wir auch keinen Gebrauch machen, da wir keine Kochgelegenheit hatten. Spendeten den Kameraden die gar nichts mehr hatten, einige Säcke Mehl. Die waren uns sehr dankbar dafür. Viele vom Transport waren uns ohnehin neidig darum, denn die Mehrzahl der Gefangenen glaubten, sie brauche nichts zu arbeiten. Und anhalten und gut gehen soll es ihnen doch. Wir bekamen es ja auch als Belohnung.

Dann war wieder Abfahrt von Tjumen bis Jekaterinburg. Waren 304 Wärs. War wieder eine Menagestation. Dann bis Pern 354 Wärs. Dort sollten wir aussteigen und auf Waldarbeit gehen. Dachten uns gleich, so kann nur ein Gegner der Sowjetregierung handeln.

Da bei der Machtergreifung der beiden Führer, Trotzki und Lenin, gab es auch im Inneren des Landes große Gegner. Während das Volk bemüht war, mit eisernem Willen vorwärts zu kommen, waren die Großgrundbesitzer, denen Kapital, Grund und Boden enteignet wurden, um es für die Allgemeinheit zu Verfügung zu haben, waren große Feinde gegen die Sowjetregierung. Aber auch die mussten sich mit der Sache abfinden. Wegen dem wurden sie nicht brotlos, sondern wenn sie die Fähigkeiten hatten, wurden sie an führenden Stellen angestellt. Waren sie aber Gegner dieser neuen Sache, so wurde mit ihnen kurzer Prozess gemacht. Keine Sabotagen wurden geduldet und streng, sogar mit dem Tode bestraft. Wird wahrscheinlich hier so ein verbissener Feind irgendwo hausen.

Wir befolgten ihre Aufforderung nicht und verlangten nach Petersburg geführt zu werden. Dort wollen wir arbeiten. Blieben ein paar Tage stehen, dann kam der Befehl, wir kommen nach Sankt Petersburg. Fuhren bis Wertgar, von der letzten Station Perm, bis hier her waren es wieder 452 Wärs.

War wieder Menagestation. An dieser Strecke sah man schon, dass es an Salz mangelte. Hätten uns am liebsten überfallen um das Bisschen das wir noch hatten. Aber ganz konnten wir uns nicht bloßstellen. Wer weiß wie es uns noch geht, bis wir die Heimat sehen.

Fuhren wieder weiter nach Wolofska, waren wieder 504 Wärs. Auf unserer Fahrt von Semipaladinsk, die vielen Hunderte Wärs die wir durchfuhren, mussten wir an der ganzen Strecke noch die Verwüstungen der Anfänge der Kordschakregierung mit ansehen. Sah man schon, wo sich die Kämpfe der eingekreisten Rotgardisten abspielten. So sah man die zerstörten Brücken, Eisenbahnen, Bauernhöfe wo alles drunter und drüber lag. Mit verbrannten und zertrümmerten Transportzügen. Hunderte von unbrauchbaren Waggons. Lokomotiven sah man in den Stationen, gleich 30 oder 40, die auf Reparatur warteten. Solches sah man auf jedem größeren Bahnhof. Das waren wirklich traurige Tatsachen. Man fuhr über hölzerne Brücken, die zur Not gemacht, denn das wird viel Zeit kosten, feste wieder herzustellen. Und Eisen und Beton, das kostet Arbeit und Kraft.

 

Nach Zurücklegung von 560 Wärs kamen wir am 19. September in Sankt Petersburg an. An dieser letzten Strecke sah man noch die traurigsten Verhältnisse. Der Sommer war furchtbar heiß, sodass vor Hitze die bebauten Felder anfingen zu brennen. Tagelang fuhren wir und sahen so verbrannte Felder. Ganze Wälder, ganze Dörfer. Sogar an den Eisenbahnschienen waren die Schweller herausgebrannt. Kann man sich kaum vorstellen, dass es so heiße Zonen gibt, die ein fruchtbares Land in Kürze in eine Wüste verwandelte. Diese Leute waren zu erbarmen.

In Petersburg mussten wir aussteigen und das Weitere abwarten. Wurden mit der Elektrischen durch die Stadt befördert, wo neben dem Meer leere Kasernen waren. Da kamen wir hinein und verblieben dort bis 24. September. Mussten in der Stadt und im Hafen verschiedene Arbeiten verrichten. Petersburg muss eine sehr schöne Stadt gewesen sein. Aber durch die Revolutionszeit ganz vernichtet. Waren schöne Anlagen und Kanalisierungen, wo auch die Schiffe landeten. Ein Schiffswrack sahen wir im Hafen, das fiel durch die Unachtsamkeit eines einzigen Menschen um. Waren 21tausend Kranke und Verwundete drin. Auch 500 unsrige Leidensgenossen waren dabei. War alles verloren. Keiner konnte gerettet werden.

Der Schuldtragende wurde auf der Stelle erschossen. Den Zarenpalast, wo die Zarenfamilie wohnte, sahen wir uns auch an. Jetzt ganz unbewohnt, nur ein Mann ist drinnen, der die Leute herumführt, ihnen alles erklärt und auf Ordnung schaut. War sehr schön.

Auch die reichste Kirche sahen wir uns an, waren dort an der Inneneinrichtung der Kirche 1000 kg in Gold verarbeitet. Den Kirchturm besichtigten wir auch, er war künstlich gebaut, auf Eisenkonstruktion, die Kuppel verschraubt. Man sah von hier über die ganze Stadt, wo sich der Kaiser mit seiner Familie über den Sommer aufhielt.

Viele leerstehende Häuser gab es in Petersburg, ausgestorben, ausgewandert oder geflüchtet.

Vorm Krieg eine Millionenstadt und jetzt vielleicht 500tausend Einwohner. Viele Häuser waren aus Holz und wurden die letzte Zeit niedergerissen für Brennmaterial. Denn durch die anderthalbjährige Einschließung durch die Kordschakregierung, konnte gar nichts eingeliefert werden. Und der Winter ist in der dortigen Gegend so furchtbar kalt. Unser Mehl was wir noch hatten, übergaben wir den Kommissaren, denn verwenden konnten wir es nicht und verkaufen schon gar nicht. Das hätte uns vielleicht die Heimfahrt gekostet oder uns in Verbannung gebracht. Bekamen eine Spende dafür.

Wurden wieder mit der Elektrischen zur Bahn befördert, fuhren nachmittags um 4 Uhr weg nach Jamburg. Kamen dort am 26. September an. Von da weg um 3 Uhr nachmittags bis zur Grenze und wurden vom estländischen Militär übernommen, wo wir dann schon mit froher Stimmung weiterfuhren.

Kamen abends in Nawra an. Bekamen Menage vom Roten Kreuz aus. Auch dem es an der Wäsche mangelte, bekam welche und wurden hier von den Deutschen übernommen.

Am 27. Abends wurden wir in ein Schlepp eingeschifft und 12 Wärs aufs Meer hinausgefahren. Dort wurden wir auf das deutsche Schiff „Regina" verfrachtet, wo lauter deutsches Personal war. Fuhren weg und sahen nach kurzer Zeit nur mehr Himmel und Wasser. Nach kurzer Zeit änderte sich das schöne Bild das uns die Fahrt bot. Brach eine furchtbare Bora los, was 4 Stunden dauerte. Die Mannschaft glaubte schon wir müssen ankern. Aber die deutschen Jungs waren so tüchtig, dass man die Gefahr überwand.

Viele von den unsrigen wurden seekrank. Aber ich habe mich ruhig verhalten und kam ohne der Seekrankheit davon. Nur schwindlig wurde mir, mehr tat es mir nicht.

Wir fuhren längs der schwedischen Meeresküste dahin, die nur von Viehern bewohnt ist.

Am 30. September um 2 Uhr nachmittags kamen wir in Stettin an und wurden im Hafen verankert. Wurden bei unserer Ankunft vom Roten Kreuz mit Musik empfangen. Wurden noch am Schiff fotografiert, die Bilder wurden uns in die Heimat nachgeschickt.

Viele Leute sammelten sich um uns und frugen uns nach ihren Vätern, Gatten und Söhnen, die noch abwesend waren. Wir bekamen Menage und kleine Spenden vom Roten Kreuz. Stettin hatte riesige Hafen- und Bahnhofsanlagen. 

Um 8 Uhr abends fuhren wir mit dem Sanitätszug weg und kamen um 1 Uhr nach Pankhof, wo wir Menage bekamen. Um 2 Uhr ging es wieder weg und kamen am 1. Oktober um 9 Uhr in Levlin an.

Nach solch Erlebten, das wir auf unserer Heimreise mit ansehen mussten, kam es uns wie ein Traum vor, solch ein geordnetes Leben und Treiben nochmals in Wirklichkeit zu erleben. Kaufte mir zum Andenken schöne Ansichten. Dann war wieder Menage. Fuhren wieder weg und kamen um 4 Uhr in Leipzig an, wo der schönste und modernste Bahnhof der Welt war. Mussten wir in die Restauration gehen. Bekamen wir Gulasch und 1 Glas Bier. Kaufte mir wieder schöne Ansichten zum Andenken, das Leipzig eine schöne und berühmte Stadt war. Um 6 Uhr abends fuhren wir weiter. Am nächsten Tag in der Früh kamen wir in Hof an. Wieder Menage. Um 8 Uhr ging es wieder weg und kamen um 12 Uhr in Weiden an, von da ging es weiter nach Regensburg, wieder Menage. Dann weiter nach Straubing, und um 8 Uhr abends kamen wir in Passau an, wo wir wieder Menage bekamen.

Hier wurden wir von unseren Offizieren empfangen, die hier einen Schwindel suchten und vom Roten Kreuz gut lebten.

Diese Fahrt durch Deutschland war wirklich so schön wie unser Empfang in Stettin. Diese schönen Städte die wir antrafen. Diese Ordnung die man überall sah. Alles klappte, als würde nie ein Krieg gewesen sein. Das war eine Wohltat für unser verlassenes Gemüt.

Um 8 Uhr früh ging es weg von Passau, über Wels nach Linz, wo eine Zerstreuungsstation war.

Wiener und Ungarn fuhren weiter und wir St. Pöltner, es waren unser 5 Mann, mussten mit den Salzburgern, Steirern und Oberösterreicher aussteigen und kamen neben dem Bahnhof in eine Baracke.

Hier gab es Menage und wurden uns Papiere vom Roten Kreuz ausgestellt.

Von einem Empfang wie in Deutschland keine Spur. Auch frug' uns niemand nach seinen Angehörigen. Was wird das noch werden, wenn wir auf heimatlichen Boden so wenig Beachtung finden? 

Fuhren um 12 Uhr weg und kamen um 3 Uhr früh nach St. Pölten.

Da waren 3 die in der Nähe wohnten. Die schieden von uns. Ich und Anmasser warteten bis in die Früh und wollten um 9 Uhr in unsere Heimat fahren.

Anmasser ging dann zu seinem Kader um sich anzumelden, ich blieb einstweilen bei unserem Gepäck.

Die Kanzleien wurden aber so spät geöffnet, dass wir erst mit dem Nachtzug nach Hause fahren konnten.

Gingen nun in der Stadt spazieren, bis die Zeit zum Wegfahren kam. Aber niemand frug uns, woher wir kamen. Niemand scherte sich um uns. Wir waren traurig, wir kamen uns vor, als ob wir schon ganz überflüssig wären. 

Die Fahrt nach Kilb war mir wie ein Traum. Anmasser fuhr weiter nach Mank.

Um halb 8 Uhr kam ich bei stockfinsterer Nacht in Kilb an, niemand sah mich aussteigen und ganz langsam ging es meinem Elternhaus zu. 

Es war am 4. Oktober 1920. Wie wird das Wiedersehen sein?  

 

 

E n d e 

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