Tomasz Konicz

Klimakiller Kapital

Wie ein Wirtschaftssystem
unsere Lebensgrundlagen zerstört

 

2020 im Verlag Mandelbaum, Wien

Tomasz Konicz (2020) Klimakiller Kapital Wie ein Wirtschaftssystem unsere Lebensgrundlagen zerstört

2020  

360 Seiten

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Klimabuch

 

Kritik&Utopie ist die politische Edition im Mandelbaum-Verlag.

Darin finden sich theoretische Entwürfe ebenso wie Reflexionen aktueller sozialer Bewegungen, Originalausgaben und auch Übersetzungen fremdsprachiger Texte, populäre Sachbücher sowie akademische und außeruniversitäre wissenschaftliche Arbeiten.

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Angesichts der eskalierenden Klimakrise bricht sich in der Öffentlichkeit der meisten Industrieländer mühsam, allen Widerständen zum Trotz, eine fundamentale Erkenntnis bahn: Nichts wird so bleiben, wie es ist.

Es ist ein grundlegender, fundamentaler Wandel notwendig, um den sich beschleuni­genden klimatischen Umbrüchen, den drohenden Kollaps ganzer Ökosysteme adäquat und schnell begegnen zu können. Die Klimakrise muss folglich als die größte Gefahr für den Zivilisationsprozess im 21. Jahrhundert begriffen werden.

Das, was sich vor allem ändern muss, ist unsere Gesellschaft, so die Kernthese dieses Buches.

Der zu einer naturartigen Selbstverständlichkeit geronnene, von inneren Widersprüchen getriebene Kapitalismus muss radikal infrage gestellt werden.
Das Kapital ist einerseits die Ursache der Klimakrise, es verstärkt aber auch die gesellschaftlichen Folgen des Klimawandels. Die Unvereinbarkeit von Kapital und Klimaschutz, die auf der grundlegenden systemischen wie der politischen und kulturellen Ebene reflektiert wird, lässt die Überwindung der destruktiven kapitalistischen Wirtschaftsweise zu einer Überlebensnotwendigkeit der Menschheit im 21. Jahrhundert avancieren. Abschließend zeigt Tomasz Konicz, wie Wege in einen klimaverträglichen Postkapitalismus aussehen könnten.

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1. Einleitung (7)

2. Wirtschafts- und Klimakrise – Zwei Momente spätkapitalistischer Widerspruchsentfaltung

1  Theoretische Lockerungsübung: Marxsche Theorie gegen postmoderne Beliebigkeit und marxistische Ideologie  (21)
2  Systemkrise: Rückblick und Ausblick  (29)
3  Fetischismus: Die Selbstbewegung des Kapitals  (38)
4  Die Weltvernichtungsmaschine: ökologische Grenzen des Kapitals  (56) 4.1 Exkurs: Green New Deal als gangbare Sackgasse  (91)

3. Kampf um das Klima

1  Die große Klimaverschwörung 102
2  Keine Gnade für Klimaschänder? 110
3  BRD: Klimapolitischer Schwindel für Fortgeschrittene 115
4  Wissenschaft: Immer zu spät? 125
5  Beruhigungspillen – Kapitalismus mit menschlichem Antlitz 140
6  Die Neue Rechte und die Klimakrise 146    6.1 Exkurs zu Malthus (166)
7  Als die Autos den bösen Blick bekamen – Kultur der Panik  (176)
8  Der Exodus der Geldmenschen 191

4. Kapitalistische Selbstzerstörung

1  Katastrophenkapitalismus – marode, labil, krisenanfällig  (198)
2  Das globale Agrarsystem – Wahnsinn mit Methode 217
3  Imperialismus im Klimawandel 250
4  Alles muss in Flammen stehen – apokalyptische Religionsunternehmer und Kapitalismus als Religion  (281)

5. Jenseits der Apokalypse – Wege in den Postkapitalismus

1  Keine Enteignung ist auch keine Lösung  (302)
2  Kommunismus = Internet + Räte 311
3  Postkapitalismus ohne Verzicht  (320)
4  Was tun angesichts der kapitalistischen Klimakrise? 327

6. Epilog unter den Sternen  (368) 

 

aus der Leseprobe vom Verlag bis Seite 15

1. Einleitung

»After all, the climate crisis is not just about the environment.
It is a crisis of human rights, of justice, and of political will.
Colonial, racist, and patriarchal Systems of oppression have created and fueled it.
 We need to dismantle them all.
 Our political leaders can no longer shirk their responsibilities.«

 Greta Thunberg
1 »Greta Thunberg: Climate crisis >not just about environment,< but also >colonial, racist, patriarchal Systems of oppression««, disrn.com, 02.12.2019

7-

Wie lebt es sich in einer Zeitlupenapokalypse? Es sei eine Art klima-bedingter posttraumatischer Belastungsstörung, der viele Bewohner Alaskas derzeit ausgesetzt seien, berichtete der Buchautor und Journalist Dahr Jamail Ende 2019 aus seiner alten Wahlheimat, der er anlässlich einer Vortragstour einen Besuch abstattete.(2)

Die Bewohner des konservativ geprägten nördlichen US-Bundesstaates — seit den 60er-Jahren fest in der Hand der Republikaner — befänden sich nach den extremen Hitzewellen und gigantischen Waldbränden des Sommers in einem permanenten Schockzustand. Bei Vorlesungen seines Buches über den Klimawandel hätten Menschen zu schluchzen angefangen und seien in Tränen ausgebrochen — und das in einem Bundesstaat, dessen veröffentlichte Meinung bis vor Kurzem ganz in der Leugnung oder Verharmlosung des Klimawandels aufging, wie sie von den Republikanern und Trump propagiert wird.

2 »Savoring What Remains in an Age of Climate PTSD«, commondreams. org, 09.12.2019

Es ist ein Leben in der Klimakatastrophe: Die Temperaturen in Alaska sind auf historisch absurd hohe Werte geklettert, ein klimatischer Kipppunkt scheint in der Region überschritten. In Anchorage, wo das Quecksilber im Sommer selten über 20 Grad Celsius klettert, wurden im Juli 2019 rund 32 Grad gemessen. Einwohner berichteten von apokalyptische Zuständen, vom Verlust aller Hoffnung, als Rauchwolken wochenlang die Sicht auf wenige Dutzend Meter beschränkten oder die traditionelle Aufbewahrung von Lebensmittelvorräten im schmelzenden Permafrostboden aufgegeben werden musste.

Ein alter Freund erzählte Jamail von Flüssen im Landesinneren, in denen unzählige Lachskadaver schwammen. Das Wasser in den Gewässern hat sich aufgrund der andauernden Hitze so stark erwärmt, dass die Tiere massenhaft an Herzversagen verendeten.

Die Fachzeitschrift »Psychology Today«3 umriss die Grundzüge eines neuen Krankheitsbildes, der Klimaangst (»climate anxiety«), das durch die nicht mehr zu leugnende Klimakrise ausgelöst werde und in der US-Bevölkerung um sich greife: Stress, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen, Schuldgefühle und Suizidgedanken, ausgelöst durch einsetzenden Klimawandel, zählten zu den Symptomen. Es sei keine »wissenschaftliche Abstraktion« mehr, erläuterte eine Psychotherapeutin ihre praktischen Erfahrungen, sie sehe, wie immer mehr Menschen »verzweifelt, in Panik« seien. Insbesondere unter Klimawissenschaftlern, die mitunter »um unseren Planeten und die Zukunft der Menschheit« trauerten, mehrten sich diese Krankheitssymptome.

3 »Is Climate Change Our Next Mental Health Crisis?«, psychologytoday. com, 01.05.2019

An krassen, von der nach rechts abdriftenden Politik ignorierten Warnungen der Wissenschaft fehlt es nach Dekaden ideologischer Auseinandersetzungen und wissenschaftlicher Zurückhaltung nicht mehr (Kapitel 3.4). Warnungen vor dem Überschreiten zivilisationsbedrohender klimatischer Kipppunkte,4 vor dem katastrophalen Sauerstoffverlust der Meere,? vor der Unzulänglichkeit der kapitalistischen Klimaschutzpolitik(6) schaffen es inzwischen kaum noch in die Hauptnachrichtensendungen oder auf die Frontpages der großen Internetportale.

Routinemäßig wird Alarm geschlagen: Selbst bei Einhaltung der vereinbarten Klimaziele durch alle daran beteiligten Staaten würden die durchschnittlichen globalen Temperaturen bis zum Ende des 21. Jahr­hunderts um 3,2 Grad Celsius steigen, was einem Katastrophenszenario entspricht.7 Die Emissionen von Treibhausgasen erreichten Prognosen zufolge auch 2019 neue Höchstwerte — es findet keine Reduzierung des CO2-Ausstoßes statt.(8) Sollte dieser Emissionsanstieg nicht revidiert werden, wird die kapitalistische »One World« schon 2030 rund 120 Prozent mehr CO2 ausstoßen, als zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs um 1,5 Grad Celsius erlaubt wäre.(9)

Diese Emissionsreduzierung wäre nach Ansicht der Klimawissenschaft notwendig, um die totale Klimakatastrophe noch abzuwenden.

4 »Scientists Warn: Nine Climate Tipping Points Now >Active< — Could Threaten the Existence of Human Civilization«, scitechdaily.com, 30.11.2019

5 »Scientists issue wake-up call on dangerous loss of oxygen from oceans«, newscientist.com, 07.12.2019

6 »The Science is Screaming: How dare you ignore it!«, 350.org, 27.11.2019

7 Siehe »Emissions Gap Report 2019«, unenvironment.org, 26.11.2019

8 »Studie: Weltweiter C02-Ausstoß hat auch 2019 zugenommen«, dw.com, 04.12.2019

9 Siehe »Production Gap Report 2019«, unenvironment.org,

Ungerührt von diesen dramatischen Entwicklungen scheint die kapitalistische Weltwirtschaft weiterhin dem eingefahren Gleis des größtmöglichen Profit- und Wirtschaftswachstums zu folgen und kaum Rücksichten auf Mensch oder Natur zu nehmen. Im Gegenteil: Es ist, angefacht von der Neuen Rechten, eher eine Enthemmung zu beobachten, bei der jegliche Rücksichtnahme auf Klima- oder Ökosysteme fallengelassen wird. Dies gilt nicht nur für die USA des Donald Trump. Ein Paradebeispiel ist auch der Rechtsextremist im brasilianischen Präsidentenpalast, Jair Messias Bolsonaro, unter dessen Regentschaft der brasilianische Regenwald abgefackelt wird, während Waldschützer und Klimaaktivisten ermordet werden.

Klimaschutz und Wirtschaftswachstum, kapitalistische Ökonomie und Ökologie scheinen unvereinbar — nach drei Dekaden kolossal gescheiterter kapitalistischer Bemühungen zur Eindämmung der Klimakrise scheint diese Schlussfolgerung nicht abwegig. Der Augenschein trügt in diesem Fall auch nicht. Wenn etwa die deutsche Industrie Ende 2019 in Reaktion auf die »ambitio-nierten Klimaziele«10 der EU warnte, sich durch das für 2050 angepeilte Ziel eines klimaneutralen Europa »bedroht« zu fühlen, da nun ganze Branchen und viele Arbeitsplätze gefährdet seien, dann ist den deutschen Managern und ihren Politvertretern wie Baden-Württembergs »grünem« Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann durchaus zuzustimmen.

Wirtschaftswachstum und Klimaschutz, kapitalistische »Arbeitsplätze« und ökologisch intakte Umwelt sind unvereinbar. Ein Gesellschaftssystem, das von einem unkontrollierbaren Wachstumszwang angetrieben wird, kann in einer endlichen Welt keine ökologisch nachhaltigen Formen der sozialen Reproduktion etablieren.

10 »Deutsche Industrie sieht sich durch EU-Klimaziele bedroht«, spiegel.de, 11.12.2019

Verelendung jetzt oder Klimakollaps später — dies ist die systemimmanente Alternative, die der Kapitalismus in seiner Krise den Lohnabhängigen lässt. Die zentrale These dieses Buches lautet, dass der Kapitalismus der Menschheit die ökologischen Lebensgrundlagen entzieht. Kapital und Umwelt- wie Klimaschutz sind unvereinbar. Die Überwindung dieses destruktiven Weltsystems stellt folglich eine Überlebensnotwendigkeit für die gesamte Menschheit dar.

Das vorliegende Buch bemüht sich, in bester Tradition radikal zu sein, indem es die monströse Problematik des Klimawandels an der Wurzel zu erfassen versucht und die Ursachen der scheinbar unaufhaltsam, quasi automatisch ablaufenden Klimakrise klar benennt — ohne Rücksichtnahme auf den herrschenden Klimadiskurs, der von einem schwindelig machenden Abgrund zwischen den öffentlich diskutierten Maßnahmen zum Klimaschutz — wie Elektromobilität, Fleischverzicht oder Steuern auf Kerosin — und der überlebensnotwendigen Transformation der spätkapitalistischen Gesellschaften geprägt ist. Diese ideologisch induzierte Diskrepanz zwischen öffentlich diskutierten Klimaschutzmaßnahmen und tatsächlicher Krisendynamik kann tatsächlich depressiv stimmen. Der Kampf um eine der Klimakrise adäquate sozioökologische Transformation der kapitalistischen Gesellschaften fällt somit in eins mit dem Kampf gegen die spätkapitalistische Ideologie.

Ideologie bedeutet in diesem Zusammenhang zuallererst die Naturalisierung des Kapitalismus, der der verwildernden, in Faschisierung übergehenden neoliberalen Ideologie als Ausfluss einer als raubtierhaft imaginierten menschlichen Natur gilt. Es ist nicht der »Mensch« an sich, der das Klima ruiniert, wie es in der misanthropischen spätkapitalistischen Ideologie Konsens ist, sondern das krisengeplagte Kapitalverhältnis als treibendes Moment einer konkreten, instabilen, historischen Formation menschlicher Geschichte, unter dem die Menschen unter zunehmend prekären Bedingungen zu überleben suchen. Die im öffentlichen Klimadiskurs tabuisierte Selbstverständlichkeit, die dieses Buch thematisiert, ist somit die Wechselwirkung zwischen der Gesellschafts­formation, in der die spätkapitalistischen Menschen ihr Leben zu fristen genötigt sind, und der Umwelt, die die Ressourcen und Rohstoffe für den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess liefert.

Sagen, was Sache ist, ohne falsche Rücksichtnahme auf die kapitalistische Ideologie — dieses klare Vorgehen, bei dem kein weltanschauliches »Abholen« praktiziert wird, resultiert nicht nur aus der simplen Tatsache, dass die Klimakrise nach rund dreißig Jahren kapitalistischer Ignoranz und Ineffizienz so weit vorangeschritten ist, dass kaum noch Zeit für den notwendigen radikalen Diskurs und Wandel bleibt. Das kapitalistische Weltsystem wird in der vorliegenden Arbeit als eine scheiternde, an seinem Wachstumsdrang zerbrechende Gesellschaftsformation begriffen. Dies ist keine Prognose, sondern eine vor allem in der Peripherie mit ihren »failed states« bereits sich entfaltende Realität.

Das System scheitert ohnehin an seinen inneren Widersprüchen, es kommt darauf an, was darauf folgt, wie der einsetzende Transformationsprozess ablaufen wird — falls überhaupt etwas auf das Kapital in seinem dunklen Todesdrang folgt. Die Krise entfaltet sich unabhängig von der herrschenden Ideologie und der öffentlichen Wahrnehmung des Krisengeschehens. Die Öffentlichkeit mag von Meinungsmachern oder Rechtspopulisten hinters Licht geführt werden, die objektiv ablaufende Klimakrise bleibt von diesen weltanschaulichen Verrenkungen unbeeindruckt, sie schreitet weiter voran. Vieles wäre gewonnen, wenn zumindest die Krisenursachen adäquat wahrgenommen würden, da es entscheidend ist, welcher Bewusstseinsstand beim nächsten Krisenschub in der Bevölkerung vorherrscht.

Das zweite Kapitel des Buches bemüht sich, diesen Krisen-prozess zu beleuchten, der gewissermaßen in Eigendynamik »über« die Menschheit abläuft und ihr die ökologischen Lebensgrundlagen zu entziehen droht. Dabei werden die »Wirtschaftskrise« und die Klimakrise als zwei Momente desselben historischen Krisenprozesses begriffen, der von den zunehmenden inneren Widersprüchen der kapitalistischen Produktionsweise angetrieben wird. Das Kapital stößt in einem schubweise ablaufenden, historischen Krisenprozess an seine innere und äußere Schranke, wobei beide Krisenmomente — die Produktion einer ökonomisch überflüssigen Menschheit und die eskalierende Umweltkrise — nicht nur eine gemeinsame Ursache haben, sondern einander verstärken.

Die »systemischen« Ursachen dieser Unvereinbarkeit von kapitalistischer Ökonomie und Ökologie sollen nicht nur auf die zunehmenden sozialen Widersprüche, auf die Abgründe zwischen Arm und Reich, auf den in den neoliberalen Dekaden zunehmenden »Klassenkampf von oben« zurückgeführt werden. Unter Verwendung des Begriffs des Fetischismus, der von der Marxschen Theorieschule der Wertkritik maßgeblich geformt wurde, wird gerade die Irrationalität der kapitalistischen Produktionsweise ein zentrales Thema des zweiten Kapitels sein. Das Kapital entwickelt auf gesamtgesellschaftlicher, globaler Ebene eine irrationale, die Welt quasi verbrennende Eigendynamik, der alle Rationalität kapitalistischer Warenproduktion unterworfen ist. Dieser durch eskalierende innere Widersprüche angetriebene Fetischismus des Kapitals soll dabei in seiner Wechselwirkung mit den zunehmenden ökologischen Verheerungen und sozialen Auseinandersetzungen als die treibende autodestruktive Kraft hinter der Krise der Ökonomie wie der Ökologie benannt werden.

Das zweite Kapitel schließt mit einer Auseinandersetzung mit den sozialdemokratischen Ideen einer ökologischen Transformation des Kapitalismus ab, mit dem verstärkt propagierten »Green New Deal«, der einer konstruktiven Kritik unterzogen wird. Es stellt sich hierbei vor allem die Frage, inwiefern diese binnenkapitalistischen Reformvorschläge einen ersten Schritt in die postkapitalistische Systemtransformation leisten können. Radikal sein heißt ja nicht, sektiererisch zu sein.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den zunehmenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, die durch den Krisenpro-zess angeheizt werden: Wie reagiert der gesellschaftliche »Überbau« auf die systemische Doppelkrise aus Ökonomie und Ökologie? Die zerstörerische fetischistische »Selbstbewegung« des Kapitals impliziert nicht die Exkulpation der beteiligten Funktionseliten. 14 Deswegen werden diejenigen gesellschaftlichen Kräfte benannt, die sich in den vergangenen Dekaden mit ihren subjektiven Strategien und Aktionen daran beteiligten, Klimaschutz zu hintertreiben und somit die objektive Tendenz des Systems zu exekutieren. Sowohl in den USA als auch in der BRD konnten maßgebliche Lobbies über lange Jahre nennenswerte Klimaschutzmaßnahmen erfolgreich torpedieren. Der binnenkapitalistische Kampf um das Klima tobte auch in der Wissenschaft. In einem Beitrag soll das evidente Scheitern der Klimawissenschaft, die mit ihren Prognosen die Dynamik des Klimawandels jahrzehntelang furchtbar unterschätzte, mit dem politischen und ideologischen Druck in Zusammenhang gebracht werden, der auf der Wissenschaftscommunity lastete. Des Weiteren werden in diesem Kapitel die Aussichten einer strafrechtlichen Aufarbeitung der kapitalistischen Sabotage des Klimaschutzes erörtert — gerade im Zusammenhang mit der notwendigen Systemtransformation.

Der Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Funktion der Neuen Rechten in der Klimakrise muss in diesem Kapitel breiter Raum eingeräumt werden. Ein zentrales Moment rechter Ideologie ist die von Malthus entlehnte Überbevölkerungsthese, die die krisenbedingte Produktion einer ökonomisch »überflüssigen« Menschheit durch das Kapital naturalisiert. In einem Exkurs soll die Unhaltbarkeit dieser ins Massenmörderische treibenden Argumentationskette dargelegt werden. Die Akteure des aufschäumenden Rechtspopulismus und Rechtsextremismus werden als die Subjekte begriffen, die den objektiv gegebenen Drang des Kapitals zur Barbarei und Selbstzerstörung in seiner letalen Krise ideologisch legitimieren und politisch exekutieren. Die Gleichzeitigkeit von Leugnung des Klimawandels und forcierter Abschottung der nördlichen Zentren des Weltsystems, die den Kern der Politik der Neuen Rechten bilden, sollen auf ihren irrationalen Kern, den faschistischen Todesdrang, zurückgeführt werden, der gerade in Krisenzeiten mit den autodestruktiven Tendenzen des Kapitals zusammenfällt. Hinter all dem neonationalistischen Geschrei der Neuen Rechten lauert letztendlich die Panik, die sich in den neuen rechten Organisationsformen wie dem Prepper-Unwesen manifestiert.

Die mitunter bizarr anmutende Klimaleugnung der Neuen Rechten wird ab dem Überschreiten eines Schwellwerts in Panik umschlagen, in die Auflösung der im neoliberalen Zeitalter ohnehin erodierenden gesellschaftlichen Bindungen, die in eine hoffnungslose Logik des »Rette sich, wer kann« mündet.

Es ist gerade die spätkapitalistische Kulturindustrie, die diese Logik der Panik in ihren Waren und in ihrer Ästhetik beständig produziert. Die Flut apokalyptischer Unterhaltungswaren sowie das Aufkommen einer entsprechenden Ästhetik werden in einem Betrag thematisiert, der darlegt, wie die Unterhaltungsindustrie die dumpfe Ahnung der Krise in einer Unzahl von Produkten ausschwitzt, die den zunehmenden Irrationalismus des Systems noch verstärkt.

Schließlich soll die panische Reaktion der Funktionseliten auf die zunehmenden Krisentendenzen thematisiert werden — diese äußert sich in mitunter absurden, bis in den Weltraum reichenden Bemühungen zur Abkapslung und Flucht vor der Krise.

Gerade an....

 

 

 

 

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