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Von den Anfängen bis zur Reformation 

 

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Hohe Schulen gab es bereits im Altertum, etwa in Alexandria, Athen, Byzanz, Beirut und Rom. Für die Germanen, Kelten, Helveter und ihre anderen Verwandten begannen die "Beschwernisse" der Bildung erst nach der Christianisierung. Selbst bei den Adeligen gab es nur wenige mit "höherer" Bildung, und auch Karl der Große lernte erst in reiferen Jahren schreiben und lesen. 

Zentren der Bildung waren die Klosterschulen, die sich im deutschen Sprachraum etwa im 7. Jahrhundert entwickelten und hauptsächlich der Erziehung und Heranbildung des Nachwuchses, der Novizen, dienten. Für den Weltklerus waren die um die gleiche Zeit entstandenen Domschulen zuständig.

Beide waren also zunächst nur "geistliche Berufsschulen". 822 wurde bestimmt, daß wenigstens an jedem Bischofssitz eine Schule errichtet werden müsse. Berühmte Klosterschulen waren die in Fulda, Reichenau/Bodensee und St. Gallen.

Die Disziplin in diesen Schulen war so streng, daß 937 in St. Gallen ein Schüler, als er die Ruten zur Züchtigung holen mußte, aus Angst das Kloster in Brand steckte. 

Gelehrt wurde natürlich Latein, gleich verbunden mit den praktischen Übungen in Gebet, Psalmen und Kirchengesang. Mangels entsprechender Bücher mußte der ganze Stoff auswendig gelernt werden. Das Wissen wurde in die "sieben freien Künste" gegliedert. 

Das Trivium (Unterstufe) bildeten Grammatik, Rhetorik und Dialektik, das Quadrivium (Oberstufe) bestand aus Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. 

Die Bezeichnung stammt aus einer alttestamentlichen Stelle (Buch der Sprichwörter 9,1): "Die Weisheit hat ihr Haus gebaut, ihre sieben Säulen behauen." Für den Inhalt der Wissenschaft bildete die Bibel die Grundlage, für die Form der Behandlung waren die alten heidnischen (vor allem römischen) Autoren maßgebend.

Im 11. und 12. Jahrhundert übertrafen die Domschulen an Bedeutung bereits deutlich die Klosterschulen. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen ihnen und den neu auftretenden Universitäten ist aber bestenfalls in Paris, Köln und Erfurt gegeben.


   Der Beginn: Paris und Bologna  

 wikipedia  Scholastik   „müßig“, „seine Muße den Wissenschaften widmend“ (hauptwörtlich gebraucht auch „Student“, „Stubengelehrter“, „Pedant“, ‚Scholast‘); latinisiert scholasticus „schulisch“, „zum Studium gehörig“)
ist die Denkweise und Methode der Beweisführung, die in der lateinischsprachigen Gelehrtenwelt des Mittelalters entwickelt wurde.

 

Die Universitäten sind vor allem ein Ergebnis der Scholastik. Erst diese geistige Reife ermöglichte die Überwindung des scheinbaren Gegensatzes zwischen geistlichem und weltlichem Wissen und deren Synthese. Wesent­liche Impulse kamen auch aus dem arabischen Raum (die älteste noch bestehende Hochschule wurde 970 in Kairo gegründet), die über Spanien (Universität Salamanca, gründet 1222) Eingang in West- und Mitteleuropa fanden. Entscheidende Bedeutung für unseren Sprachraum und dann darüber hinaus für ganz Europa erlangte die Universität von Paris und neben ihr zu einem geringeren Teil auch die von Bologna.

Zunächst gab es keine besonderen Einschränkungen, jeder konnte nach Lust und Laune eine Schule errichten. Daher gibt es für die Universitäten von Paris und Bologna keine Stiftungsurkunden. Auch das III. Laterankonzil von 1179 stand auf dem Standpunkt der Lehrfreiheit. Daß es dann aber zu Auswüchsen kam und Regelungen notwendig wurden, liegt auf der Hand.

In Paris kam es nicht zuletzt aus materiellen Erwägungen zu einem Zusammenschluß "freier" Lehrer. Der Kanzler von Notre-Dame hatte dabei nicht nur als Priester und Leiter der Domschule, sondern auch in Ausübung seiner grundherrlichen Rechte einen besonderen Einfluß. Er wurde de facto auch zum Universitätskanzler. 

Von grundlegender Bedeutung wurde die Idee, die verschiedenen Fächer im Unterricht voneinander zu trennen. Diese Entwicklung wurde spätestens 1260 abgeschlossen.

Lehrer und Schüler bildeten eine Art Genossenschaft mit einer gewissen Autonomie, an deren Spitze seit 1341 endgültig der von den Artisten als der größten Fakultät gestellte Rektor steht. Die Studenten (scholares) wurden nach landsmannschaftlichen Gesichtspunkten in Nationen gegliedert. Dabei kann es sich auch durchaus um eine Verwaltungsmaßnahme nach Bologneser Vorbild gehandelt haben. Sie werden erstmals 1222 erwähnt, ab 1249 ist ihre Zahl mit vier festgelegt.

Während Paris sich als umfassende Schule verstand, war Bologna auf die Rechtswissenschaften spezialisiert und konnte daher keine so große Bedeutung erlangen. Andererseits entstand aber dort im 14. Jahrhundert der Begriff "universitas" für die gesamte Lehranstalt, und gerade in Bologna entwickelten sich auch die landsmannschaftlichen Schutzgilden der Studenten. Um weitere Zersplitterungen zu vermeiden, umfaßte die "Korporation der Diesseitigen" (citramontanorum) in drei Nationen alle Italiener und die "Korporation der Jenseitigen" (ultramontanomm) den in 14 Nationen gegliederten Rest der Welt.

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Bologna war also gewissermaßen eine Verwaltungsschule, welche auch von reiferen und älteren Studenten besucht wurde, die schon daheim Funktionen bekleidet hatten. Dementsprechend war die Bologneser Universitäts­verfassung demokratischer und ließ Anklänge an italienische Stadtverfassungen erkennen, während die Verfassung der Pariser Universität, auch bedingt durch deren Zusammenhang mit der Domschule und das geringere Alter der Studenten, mehr autoritäre und strengere Züge aufwies.

Die Reise an eine der damaligen Universitäten war weit, gefährlich und beschwerlich, Friedrich Barbarossa erließ daher 1158 auf den Roncalischen Feldern zum Schutze der Studenten die Authentica Habita (so wie heute noch päpstliche Enzykliken nach ihrem ersten Wort benannt). Sie ist deshalb über den Anlaß hinaus so wichtig, weil sie den Beginn und die Grundlage für alle späteren Universitäts­privilegien darstellt.

Die Habita wurde für Bologna erlassen, aber zweifellos mit dem Anspruch universeller Geltung. Sie kennt noch keine genossen­schaftlichen Zusammenschlüsse, redet nur von Lehrern und Schülern und beschäftigt sich mit der Lage der stadtfremden Scholaren und Lehrer. Deren Rechte werden wesentlich erweitert: Schutz auf der Reise zur Universitätsstadt und am Orte selbst wird ihnen gewährt, ihre Haftung für Schulden von Landsleuten wird ausgeschlossen und die Gerichtsbarkeit über sie in die Hände ihres Lehrers oder des Bischofs gelegt. 

Die Habita zeigt Mitgefühl für die wandernden Schüler: "Wer sollte sich ihrer nicht erbarmen", heißt es darin, "wenn sie, heimatlos aus Wissens­drang, ihren Besitz opfern und arm werden, ihr Leben vielen Gefahren aussetzen und oft von den minderwertigsten Menschen grundlos Tätlichkeiten ertragen müssen?"

Zweifellos kommen sie mit dieser Charakteristik, die doch wohl Selbstcharakteristik sein wird, zu gut weg, denn ertragender Idealismus ist nach unserer ganzen Kenntnis der damaligen Scholaren nicht in dem Maße ihre Grundeinstellung gewesen, wie es uns die Habita gern glauben ließe.

 

Abbildung: 
Eine Vorlesung in Bologna.
Da es noch keine gedruckten Bücher gab,
hat der Lehrende den vorgetragenen Stoff
oft schulmäßig diktiert. 
Offensichtlich herrschte dabei
nicht immer die notwendige Ruhe (silentium).

 

Die in späteren Jahrhunderten noch erheblich erweiterten Privilegien der Universitäten, ihrer Lehrer und Schüler wurden bald in dem Zauberwort akademische Freiheit (libertas scholastica), erstmals erwähnt für Toulouse 1233, zusammengefaßt. Sinn dieser Vergünstigungen war nicht nur, den Studenten das Studium zu erleichtern, sondern auch, sie überhaupt erst anzulocken. Wurden sie zu sehr eingeschränkt oder fühlten sich die Studenten ungerecht behandelt, so zogen sie - manchmal auf Nimmerwiedersehen - fort. So entstand aus der Bologneser Auswanderung von 1222 die Universität Padua. 

Das dürfte übrigens der erste der noch bis in unser Jahrhundert praktizierten studentischen "Auszüge" gewesen sein.

Der Lehrbetrieb spielte sich in Bologna und Paris unterschiedlich ab. In Bologna wurde als einziger akademischer Grad nur die Doktorwürde verliehen, frühestens wenn man 21 Jahre alt war. Da das Studium des kanonischen Rechtes sechs, das des weltlichen sieben bis acht Jahre dauerte, kann man sich leicht das Alter des Studienanfängers ausrechnen.

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Eine endgültige Festlegung der Voraussetzungen für ein Universitätsstudium und die Trennung zwischen Universität und Gymnasium erfolgte allgemein erst im 19. Jahrhundert mit der Einführung der Reifeprüfung (Abitur, Matura) als Gymnasialabschluß. 

In Bologna war mit dem Doktorat der persönliche Adel verbunden, der aber nicht die Lehrbefähigung mit einschloß. Unterrichtet wurde man meist von einem einzigen Lehrer, dem "magister suus". In Bologna hatten die Scholaren auch eindeutig mehr Macht als die Lehrer.

In Paris war der Student zunächst scholaris simplex, reiner Lehrling. Dann wurde er Baccalareus, gewissermaßen Geselle, der nicht nur lernen, sondern auch selbst schon lehren durfte. Abschluß und Krönung war der Magister oder Doktor, gleich­bedeutend mit der Lehrbefugnis. Untergrenze waren zwar auch 21 Jahre, tatsächlich dauerte es aber wesentlich länger, und zum Erwerb des doctor theologiae empfahl sich das gesetzte Alter von 35 Jahren.

Die Parallelität von scholaris mit Lehrling und Edelknabe, Baccalareus (Baccalaureus ist eine spätere Form, anfänglich gab es in dem Alter noch keine Lorbeeren) mit Geselle und Knappe (= bas chevalier) sowie Magister mit Meister und Ritter ist kein Zufall. Diese Dreiteilung des Studiums setzte sich dann allgemein in Europa durch.

Nach Paris und Bologna wurden bis 1400 weitere 44 Universitäten gegründet. Von diesen haben 16 einen päpstlichen, zehn einen kaiserlichen oder landesherrlichen, neun päpstliche und kaiserliche oder landesherrliche und neun keinen Stiftsbrief. Man muß dabei bedenken, daß die Kirche einen erheblich höheren Bedarf an Gebildeten hatte als etwa ein Landesherr.

Von - man könnte fast sagen weltgeschichtlicher - Bedeutung war 1233 die päpstliche Verkündigung der "facultas hie et ubique docendi", d.h. die Anerkennung einer einmal erworbenen Lehrbefugnis für die ganze christliche Welt.

Der charakteristische Wesenszug der mittelalterlichen Universität war das rein rezeptive Verhalten von Lehrern und Schülern gegenüber dem aus der Antike und dem christlichen Altertum überlieferten Wissensstoff. Es kam weit mehr darauf an, diesen Gedankenschatz in sich aufzunehmen, als neue Pfade der Forschung und der Erkenntnis zu beschreiten.

Die "Hohen Schulen" paßten nicht in die damalige ständische Gesellschaft, weil sie von vornherein und ganz unmittelbar mehr als nur einer Stadt, einem Fürsten oder einem Stand zu dienen hatten. Sie blieben notgedrungen Fremdkörper. Die Hochschul­körperschaft diente weder dem Erwerb noch der Machtausübung. Sie würde sich kaum von anderen Außenseitern, z.B. Bettlergilden, unterschieden haben, wenn ihre Mitglieder, die zunächst teilweise auch aus niederen Ständen kamen, nicht den Aufstieg in wichtige Positionen vor sich gehabt hätten.

Abbildung:
Ausschnitt aus dem Flugblatt "Der Schulmeister"; der Holzschnitt und die Verse stammen von Albrecht Dürer.
Der Lehrer mit pelzbesetztem Talar und Magisterbarett erteilt Unterricht.
Besonders bemerkenswert ist der Schüler rechts vorne mit Federpennal und Tintenfaß am Gürtel.

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Das goldene Studienziel brachte den Hochschulen öffentlichen Respekt ein und verlieh dem Auftreten der Studenten großes Selbstbewußtsein. Die Universitäten wurden zunächst scholae (scolae) genannt, da sie ja, wie schon erwähnt, aus dem Zusammenschluß kleinerer Schulen hervorgegangen sind. 

Für die Zeit etwa von 1320 bis 1340 ist der Ausdruck Studium gebräuchlich, nachher schon Studium generale. Der Ausdruck universitas, in Bologna aufgekommen, wurde im deutschen Sprachraum erstmals 1355 von Karl IV. gebraucht.

 

      Die ersten deutschen Universitäten      

 

Kaiser Karl IV. (1316-1378) hatte selbst in Paris studiert. Nach dortigem Vorbild und mit den gleichen Privilegien stiftete er 1348 in Prag die erste Universität des deutschen Sprachraums. Es war dies für ihn neben künstlerischen, verkehrs- und wirtschaftspolitischen auch ein bildungspolitischer Schritt zur Entwicklung Böhmens. In seinem Stiftungsbrief übernimmt er teilweise wörtlich Bestimmungen der Stiftungsbriefe von Neapel und Salerno. 

Nach seiner Absicht sollte die Prager Universität weit über Böhmen hinaus ausstrahlen, was auch schon die Einteilung der Nationen in Böhmen, Bayern, Sachsen und Polen beweist. Daß die erste Universitätsgründung im Osten des Reiches erfolgte, erklärt sich auch daraus, daß im Westen wegen der (relativen) Nähe zu Paris kein Bedarf gegeben war. Das änderte sich erst 1378. Trotzdem verfügte die Prager Universität in ihren ersten 18 Jahren nicht einmal über ein eigenes Gebäude, die Vorlesungen fanden in Privatwohnungen und Kirchen statt.

1364 folgte Krakau, und 1365 wurde von dem damals erst 25jährigen Herzog Rudolf IV, genannt "der Stifter", gemeinsam mit seinen Brüdern Albrecht III. und Leopold III. die Universität in Wien errichtet. Sie ist heute die älteste deutschsprachige Universität.

In den ersten zwanzig Jahren ihres Bestandes führte auch sie ein eher kümmerliches Dasein, und eine halbwegs klare Trennung zwischen der seit 1237 bestehenden städtischen Partikularschule (Bürgerschule) und der Universität war gar nicht möglich. Darüber hinaus bestand bis 1595 stets eine Personalunion zwischen Schul- und Universitätsrektor. Das Akademische Gymnasium in Wien gehörte sogar bis 1848 zum Universitätsverband. So ist es nicht weiter verwunderlich, daß sich deren Schüler als "vollwertige" Studenten fühlten.

1378 bis 1417 gab es das Schisma, die Kirchenspaltung, bei dem sich zwei und dann sogar drei Päpste gegenüberstanden. Die Pariser Universität saß nun plötzlich zwischen Rom und Avignon wie zwischen zwei Stühlen und erlebte einen allgemeinen Niedergang. Da auch die Prager Universität sich nicht recht entwickelte, kam beides in besonderem Maß der Wiener Universität zugute, deren materielle Voraussetzungen jetzt nicht nur verbessert wurden, sondern der es auch gelang, aus Paris einen tüchtigen Rektor zu engagieren.

 

Eine Disputation im Collegium illustre in Tübingen (Kupferstich, 1589).
Die Disputation war eine öffentliche Diskussion über ein bestimmtes Thema, bei der der Defendent seine Thesen verteidigen mußte.
An ihre Stelle trat später das Kolloquium als einfachere Prüfung oder die Dissertation als wissenschaftliche Arbeit.

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Viele deutschsprachige Professoren verließen ebenfalls Paris und fanden in den zahlreichen neugegründeten Universitäten Aufnahme: Heidelberg 1386, Köln 1388, Erfurt 1392, Würzburg 1402, Leipzig 1409, Rostock 1419, Trier 1454, Greifswald und Freiburg 1456, Basel 1460, Ingolstadt 1472, Tübingen und Mainz 1477, Wittenberg 1502, Frankfurt/Oder 1506. (Zu den Jahreszahlen ist anzumerken, daß oft zwischen Stiftungs- und Eröffnungsjahr ein Unterschied besteht.)

Die meisten von ihnen waren landesherrliche Gründungen, nur Köln, Erfurt, Rostock, Basel und Trier städtische. Erfurt holte sich vorsichtigerweise je eine Errichtungsbulle in Rom und in Avignon. Die Universität Leipzig entstand nach dem Auszug der deutschen Studenten aus Prag. Obwohl sie dort die Mehrheit bildeten, sollten sie nach einer Entscheidung des Königs Wenzel nur eine Stimme gegenüber den drei Stimmen der unter der Führung von Hus stehenden tschechischen Studenten erhalten. Der darauffolgende Auszug war damals die wirksamste studentische Kampfmaßnahme.

Schätzungen besagen, daß um 1510 im gesamten Reichsgebiet in den genannten Universitäten insgesamt etwa 6000 Scholaren studierten. Pro Universität ergibt sich daraus ein Durchschnitt von — großzügig bemessen — etwa 300. Da die Angehörigen der Artistenfakultät nach unseren heutigen Maßstäben aber nur Schüler einer höheren Lehranstalt (z. B. Gymnasium-Oberstufe) waren, bleibt an echten "Hochschülern" höchstens die Hälfte davon übrig.

Die Universitäten Wien, Prag und Krakau wurden noch als autonome mittelalterliche Körperschaften gegründet. So erklärt sich auch der Unterschied zwischen universitären und staatlichen Prüfungen, rigorosem Examen (= Rigorosum) und Staatsprüfung, der teilweise bis in die Gegenwart besteht.

Der doch langsam steigende Bedarf an Universitätsabsolventen (und damit an Universitäten überhaupt) ergab sich z.B. auch dadurch, daß sich ab Ende des 13. Jahrhunderts allmählich ein gebildeter Richterstand entwickelte, bis es 1495 zur Gründung des Reichskammergerichtes kam. Auch das Konstanzer Konzil (1414-1418) beschloß, daß bestimmte Kirchenämter nur mehr mit Graduierten besetzt werden dürfen.

Die Aufnahme an die Universität war eigentlich eine dreifache: durch den Rektor erfolgte die Aufnahme in die Universität, durch den Dekan in die Fakultät und durch den Bursenvorstand in das Studienhaus.

In Heidelberg wurden 1453 als Mindestalter für die Immatrikulation 14 Jahre festgesetzt. Ausnahmen gab es natürlich, so etwa bei Philipp Melanchthon (1497-1560), der schon mit zwölf Jahren begann, mit 15 Baccalareus und mit 17 Magister wurde.

Die soziale Struktur der mittelalterlichen Studenten war noch ziemlich einheitlich, der Adel trat sehr wenig in Erscheinung. Dafür ergab sich eine größere Differenzierung einerseits durch die großen Altersunterschiede und andererseits durch die Gegensätze zwischen weltlichen und geistlichen Studenten. Die großen Altersunterschiede sind damit zu erklären, daß es noch keine Zulassungsbedingungen zum Studium gab. Ihre Schreib- und Lesekenntnisse brachten die angehenden Studenten meist von den Dom-, Pfarr- und Klosterschulen mit, neben die aber schon, besonders in den Städten, die von Privaten geführten "Schreibschulen" traten, die zum Unterschied von den erstgenannten deutsche (statt lateinische) Texte verwendeten.

Oft kam es dann wegen der Führung der Schulen zum Streit zwischen geistlichen und weltlichen Behörden, wobei die letzteren sich wiederholt auf die Lehre der drei "Unterstufenfächer" beschränken mußten, woraus sich der Name "Trivialschule" ableitete. Zum Ausgleich der unterschiedlichen Vorbildung der Studenten mußten daher zunächst alle die Artistenfakultät besuchen.

Der Anteil der Theologen betrug etwa ein Drittel bis die Hälfte der Studenten. So ist es auch verständlich, daß zunächst scholaris und clericus gleichbedeutend nebeneinander stehen und dann die Bezeichnung "Halfpappen" für die Studenten aufkommt. Armen Studenten war das Betteln nicht verwehrt, mitunter nahmen sie eine Stelle als famulus (Diener) an. Vom Werkstudenten hielt man damals aber trotzdem wenig. Im "Manuale scholarium" (1481) heißt es, daß ein Student von Nebenarbeit frei sein soll. Noch im Mittelalter wird der Gedanke des "Emporlehrens" durch den Gegensatz von Lehre und Schüler verdrängt, es entstehen zwei von einander getrennte Lebenskreise in der Gemeinschaft. Auch darin ist schließlich eine Wurzel für spätere neue Gemeinschafts­formen um Organisationen zu sehen.

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Die genossenschaftliche Idee (Zunft) der Hochschulen ist zunächst noch unverkennbar. Der Student beginnt als Lehrling, wird nach einer Prüfung Baccalareus (Geselle), in welcher Eigenschaft er zwar einerseits selbst noch weiter ein Lernender ist, andererseits aber auch schon Studienanfänger unterweisen kann. Nach geraumer Zeit und einer weiteren Prüfung wird er Magister (Meister), womit das Recht verbunden war, nun selbst zu lehren, ja anfänglich sogar die Pflicht, dies wenigstens zwei Jahre auch an Ort und Stelle zu tun. Eine bestimmte Anzahl von Lehrkanzeln oder Lehrauftragen gab es nicht. 

Auch die heute übliche Semestereinteilung kam erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts allmählich auf.

Die Vorlesungen und Kollegien fanden oft in der Burse statt oder, wenn der Platz nicht ausreichte, in Klöstern, Kirchen oder im Sommer auch in Höfen. Der Unterricht wurde möglichst nur bei einem Lehrer genossen. Dabei hatten die Scholaren vor dem Lehrer auf dem Boden zu sitzen, "damit von den jungen Leuten jeder Anlaß zur Überheblichkeit ferne gehalten wurde". Bücher waren erforderlich (weshalb das Jusstudium als besonders teuer galt), und wo sie fehlten, gab es besondere Diktierstunden.

Natürlich war für den Unterricht auch ein Honorar zu entrichten, wobei einheitliche Gebühren von der Fakultät festgelegt wurden, um einen unlauteren Wettbewerb zu vermeiden. Der behandelte Stoff wurde dann in ausführlichen Disputationes besprochen. Nach zweijährigem Studium an der Artistenfakultät konnte man Baccalar werden, nach weiteren vier Jahren (und mit mindestens 21 Lebensjahren) Magister, nach weiterem Studium (und mit mindestens 25 Lebensjahren) Doktor. 

Wie überall, gab es natürlich auch von diesen Richtlinien Ausnahmen. Da das Studium im großen und ganzen als Luxus galt, war die Zahl der Studienabschlüsse auch entsprechend gering. Von den Immatrikulierten schafften nur etwa 25 Prozent das Baccalareat, und nur ein Viertel von diesen wiederum studierte dann überhaupt weiter, d.h., daß nur etwa sieben Prozent aller Studenten es zu einem höheren akademischen Grad brachten. Allerdings: Wozu brauchte man den schon, außer zum akademischen Lehramt?

 

Eine Promotion. Als Zeichen der neuen Würde wird der Doktorring angesteckt und der Doktorhut aufgesetzt (Holzschnitt, 1519).
Voraussetzung war die Absolvierung aller Studienabschnitte und eine Disputation und manchmal auch ein bestimmtes Lebensalter.

Strafen der akademischen Gerichtsbarkeit waren überwiegend Geldstrafen, aber auch Retardation von der Erlangung eines Grades (auf eine bestimmte Zeit) oder die Suspension (für immer), Exklusion, Relegation und bei Klerikern auch Exkommunikation oder sogar Degradierung.

Für körperliche Strafen (Prügel) findet sich in Wien beispielsweise überhaupt kein Nachweis! Der Karzer (das Universitätsgefängnis) hatte oft auch die Funktion der Untersuchungshaft. Todesurteile waren sehr selten, und dann wurden sie nicht von der Universität vollstreckt: "Ecclesia non sitit sanguinem."

Je nach der Schwere des Deliktes entschied der Richter allein oder mit Beisitzern; kleinere alltägliche "Vergehen", wie etwa verspätete Heimkehr in die Burse, konnte der Bursenvorstand ahnden. Der akademischen Gerichtsbarkeit unterstanden nicht nur die Immatrikulierten (womit auch Mißbrauch getrieben wurde, z.B. von Kaufleuten wegen der Steuerfreiheit), sondern auch Handwerker und Handler, die für die Universität von Bedeutung waren, wie etwa Buchbinder, Abschreiber, Apotheker und Papierhändler. Sie gehörten als cives academici ebenso zur Universität, wie auch die Laienbrüder zum Klosterverband gezählt wurden.

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   Die Bursen   

 

Ein großes Problem war neben den Räumlichkeiten für den Unterricht die Unterbringung der Scholaren. Das Angebot an Mietwohnungen war gering, es kam zu Streitereien, Abwerbungen, Mietzinswucher und Übervorteilungen, die die Einrichtung von paritätisch besetzten Schlichtungs­kommissionen (z.B. Oxford 1209) erforderlich machten. In Wien besorgten diese Aufgaben vier (je zwei bürgerliche und akademische) "Taxatoren".

1257 gründete der Domherr Robert von Sorbon, der Kaplan und Tischgenosse Ludwigs des Heiligen, in Paris das erste Collegium. Das Collegium Sorbonicum stand für 36 Theologiestudenten offen. Wer nicht innerhalb von sieben Jahren das Baccalareat schaffte, mußte wieder ausziehen, womit neben dem sozialen auch das wissenschaftliche Prinzip dieser Stiftung sehr deutlich wird. Bei den zu leistenden Beiträgen wurde auf die Finanzkraft der Studenten Rücksicht genommen. Die Heimbewohner - Socii - wählten aus ihren Reihen einen Prior. Das Sorbonicum verfügte sogar über eine eigene Bibliothek, was seinen Bewohnern einen erheblichen Studienvorteil verschaffte, da sonst der Besitz von Büchern (der Buchdruck war ja noch nicht erfunden) für Studenten fast unmöglich war.

Die Form der durch diese Stiftung geschaffenen Wohn-, Eß- und Lerngemeinschaft trat bald ihren Siegeszug in alle Universitätssstädte an. Zahlreiche Kollegien entstanden bald überall, die von ihren Stiftern mit den verschiedensten Auflagen bedacht wurden. In Paris gab es um 1500 bereits an die 50 Kollegien mit rund 1000 Plätzen, womit ungefähr auch schon die Größe der Universität angedeutet ist. Paris hatte für damalige Verhältnisse aber eine außerordentliche große Universität.

Eine Burse bestand aus einem heizbaren (was besonders erwähnt werden muß) Unterrichts- und Eßraum, um den herum die Schlafräume der Scholaren lagen. Die Leitung der Burse hatte ein Magister. Für den Aufenthalt und die Verpflegung in der Burse war — außer in den "studentischen Armenhäusern", den sogenannten Coderien — wöchentlich ein bestimmter Betrag zu entrichten.

Bursa bedeutet ursprünglich Geldbeutel (vergleiche Börse!) und bezeichnet ein "Haus, das von einer aus einem gemeinsamen Beutel lebenden Gesellschaft bewohnt wird". Der einzelne Bewohner heißt burßgesell, bursant, mitbursch(e). Die Gesamtheit heißt "die Bursch". Erst im 18. Jahr­hundert entwickelt sich für den einzelnen die Bezeichnung der Bursch und daraus als neue Sammelbezeichnung die Burschenschaft. Ab 1815 versteht man dann darunter einen ganz bestimmten Korporationstyp.

Übrigens kommt auch das Zeitwort "bürste(l)n" für trinken von Burse. Es hatte nichts mit einem Putzen der Kehle zu tun, sondern geht auf die Burse als Zechgemeinschaft zurück. Erstmals 1571 ist für einen besonders strammen Trinker auch die Bezeichnung "Bürstenbinder" verbürgt.

Die Bursen waren nicht nur Wohnheime, sondern zugleich Unterrichtsanstalten, wo insbesondere der elementare Unterricht in Grammatik für jene, die ohne Vorbildung an die Universität kamen, erfolgte.

Das gesamte Universitätsleben wickelte sich in.....

 

Die Statuten des Collegium Sapientiae in Freiburg im Breisgau von 1497
sind reich illustriert mit Szenen aus dem akademischen Leben.

Hier ist die Mühe des zeitigen Aufstehens dargestellt,
begannen doch manche Vorlesungen schon um 6 Uhr früh.

 

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