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Heute Nacht Gewinnspiel im Fernsehen. Dem Gewinner winken ein Waldstück und 100.000 Euro. Der schließlich Gekürte machte einen glücklichen Eindruck, doch sogleich erfuhr er, er müsse eine gepflasterte Straße durch seinen Wald anlegen. Und Baumpflege betreiben. Und Grundsteuer zahlen. Und seine Parzelle einzäunen. Und für Wildfütterung sorgen. Und die 100.000 Euro schmolzen sogleich dahin und reichten nicht einmal, um alle Gebote und Anweisungen zu befolgen. Und der zuerst Glückliche wurde unglücklich und musste noch von seinem Ersparten drauflegen und stand am Schluss ärmer da als vor Spielbeginn. Er - ein von mir abgespaltener Doppelgänger - tat mir nach dem Erwachen leid und veranlasste mich, über meine reale Situation nachzudenken. Bin Morpheus böse!

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Die Erde ist doch größer, als unser Bewusstsein von ihr annimmt. Ein Wirbelsturm war nötig, um zu erfahren, dass es einen Staat namens Vanuatu gibt, bestehend aus achtzig Inseln. Mir ist niemand bekannt, der je von diesem Staat gehört, noch ihn je besucht hat. Erst durch die Zerstörung seiner Hauptstadt, durch bisher noch unbekannte Schäden, die zu registrieren wetterbedingte Schwierigkeiten beitrugen, auf den vielen Eilanden, kam dieses verlorene Kythera für uns in Sicht. Und damit die Frage: Was wissen wir überhaupt von unserem Planeten? Man glaubt, im Zeitalter der Entdeckungen sei schon alles aufgefunden worden, kartiert, beschrieben und in den Kreislauf des Tourismus eingebunden. Aber unsere Kenntnis erweist sich als lückenhaft und oberflächlich. Zwar sehen wir als Reisende oder als bloß visuelle Weltenbummler vorm Fernsehen uns Unbekanntes, doch das Vorhandensein von tatsächlich Unbekanntem entgeht uns. Dafür steht Vanuatu, das gründlich lädierte Paradies, das nun in seiner Jämmerlichkeit der Öffentlichkeit vor Augen geführt wurde. So gehen die letzten Residuen zugrunde, bedingt durch unsere Tüchtigkeit, die neben anderen Schrecken auch die Klimaveränderung zu verantworten hat.

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Sie brauchen Nahrung und ein Dach über dem Kopf. Nämlich die schon nicht mehr zählbaren Scharen von Flüchtlingen. Dass sie alles andere als Bücher brauchen, ist für den Schriftsteller eine lähmende Vorstellung. Das Leben, das Überleben ist eine grobschlächtige Angelegenheit und Angewohnheit. Manchmal frage ich mich beim Lesen subtiler Gedichte, was wohl aus ihnen in den Lagern der heimatlos Gewordenen würde? Mir fällt Heines Fischhändler ein, von dem der Dichter schrieb, er würde seine Ware in die Seiten des Buches der Lieder einwickeln.

Auch besorgniserregend die Menge des Publizierten, allerorten Verlage und Kleinverlage und Privatdrucke und Hektographiertes zuhauf, als lebten wir in vollständig saturierten Völkern, deren einzige Tätigkeit im Lesen bestünde. Druckware ergießt sich in den mehr oder minder zivilisierten Bereichen der Erde wie das Konfetti eines globalen unaufhörlichen Karnevals. Was Leser zum Buche treibt und was sie empfinden, ist mir rätselhaft. Vollziehen sie eine Pflichtübung, weil man in einer alphabetisierten Gesellschaft lebt? Füllt man die sonst leeren Stunden mit Lektüre? Will man sich kurzzeitig den Übeln des Alltags entziehen?

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Erhofft man Wissen, gar Erleuchtung, Einsichten? Doch einsichtig zu werden ist keinem von uns gegeben. Un-einsichtigkeit ist die Grundlage unserer Existenz. Darüber hinaus kommen wir nicht. Wollen wir den Büchern Lehren entnehmen? Wir als unbelehrbare Gattung, die generationsweise Unheil anrichtet? Heißt lesen nicht eher Flucht vor der unkorrigierbaren Wirklichkeit, deren »eherner Schritt« bedenkenlos und gnadenlos über alle hinwegstampft, auch über den lernbereiten, aufgeklärten und wandlungsfähigen Leser? Alles Fragen, die bereits die Antwort enthalten.

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Eine Wand aus stürzendem Wasser, gewaltiger Lärm, feuchter Nebel, der sich auf dem schützenden Umhang niederschlug. Durch einen Tunnel gehend, gelangte ich hinter den Niagarafall, der niemals derselbe ist. Als würde dieser seit undenklichen Zeiten niederprasselnde Schwall niemals aufhören und in ebenso unvorstellbaren Äonen weiterhin seine Besucher verblüffen, vorausgesetzt, sie existieren überhaupt noch und verspürten Lust, sich diesem eintönig und hypnotisch wirkenden Schauspiel auszusetzen. Nur ein Schritt genügte, um zusammen mit der schäumenden Flut in die Tiefe zu stürzen. Erinnerst du dich noch an den Zeitungsbericht, erschienen vor Jahrzehnten, über jenen Mann, der in einer Tonne das Wagnis unternahm, oberirdisch mit dem Strom auf die Kante zuzutreiben und mit dem Strom abwärts zu rasen? Was aus ihm geworden ist, habe ich nicht erfahren. Ein Abenteurer wie manch andere, die, von der Gefahr verlockt, sich in sie begeben und hin und wieder sogar lebend davonkommen.

In einem extremen Sinne das, was einem im

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Grand Canyon als »The Ultimate Experience« angeboten wird.

Dort sind die Überlebenschancen selbstverständlich, obwohl nicht garantiert; hier wären sie äußerst gering, und keine Versicherung würde einem Tonnenreisenden eine Police verkaufen. Unwillkürlich tritt man bei solchen Überlegungen ein, zwei Schritte zurück, weil man die magnetische Macht der Urgewalt spürt, die Anziehungskraft, wie sie von ähnlichen »Naturwundern« ausgeht. Man kommt sich unerwartet überflüssig vor und hat sich abzuwenden und den Rückzug anzutreten, bevor das Undenkbare denkbar zu werden droht. Übrigens gibt es keine Statistik, wie viele Personen es rechtzeitig verabsäumten, das Weite anderswo zu suchen.

Unordentlichkeit ist ein Zeichen von Toleranz sich selbst gegenüber.

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Dass Träume direkter, doch manchmal missverständlicher Reflex der Wirklichkeit sind, weiß man längst. So sind physische Vorgänge in der Lage, den Film im Kopf zu inszenieren. Wie ich beispielsweise heute Nacht in einem Keller gewesen bin (der sich übrigens in Amerika befand), in dem Holzkloben lagerten, kamingerecht zugeschnitten, sehr ähnlich dem Holz unter dem Vordach des Schuppens im Garten. Der Kellerboden und ein Mauerbau waren völlig eingestaubt, mit einem Besen machte ich mich an die Arbeit, fegte das alles bedeckende graue Pulver zusammen, sodass es aufstäubte, und in meine Atemwege drang. Das Atmen fiel mir schwer, meine Bronchien meldeten dem Gehirn die Ursache, ein

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Alarmsignal, das mich erwachen ließ, atemknapp, mühsam Luft holend, den Körper als Bildschöpfer akzeptierend. Ein unwiderlegliches Anzeichen der Dominanz unserer Leiblichkeit.

Er sagte: Früher hoffte ich, dass alles besser wird. Heute hoffe ich, dass alles so bleibt, wie es ist. Morgen werde ich hoffen, dass nicht alles noch schlechter wird.

Geschichte eines Mannes, der so vergesslich ist, dass er sich den gesamten Tagesablauf vorher notieren muss: Aufstehen, Rasieren, Waschen, Frühstücken, ins Büro fahren. An der Sonnenblende ein Zettel: Beschreibung des Schaltvorganges und des Bremsens. Fahrtziel. Im Büro auf dem Schreibtisch die Liste der zu absolvierenden Arbeitsvorgänge. Im Gang trifft er auf Mitarbeiter, deren Namen er von einem heimlich in der Hand verborgenen Zettel abliest, bis er merkt, dass die anderen, fröhlich winkend, ebensolche Zettel in der Handfläche verbergen. Freilich: Ein neuer Mitarbeiter spielt unserem Mann einen bösen Streich, indem er dessen Zettel vertauscht. So rasiert sich unser Mann im Büro, schläft auf dem Teppich, verlässt seinen Arbeitsplatz um neun Uhr morgens und fährt nach Haus, wo ihn eine Frau erwartet, die er nicht kennt, weil ihm auch dieser Zettel gestohlen worden ist. In seiner Verzweiflung sucht er seine Brieftasche, um seine Identität festzustellen, doch die Tasche hat er im Büro liegenlassen.

Nun weiß er nicht mehr, wer er ist, und beschließt, seinem Leben ein Ende zu machen - doch hat er keine Ahnung, wie er das anstellen

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soll, da ihm die Anweisung dafür fehlt. Wir verlieren ihn aus den Augen, meinen aber, einen heruntergekommenen, pennerähnlichen Menschen durch die Straßen irren zu sehen, der von Gott und der Welt und sich selber verlassen worden ist.

Von Hebbel'scher Prägnanz könnte auch jenes Geschehnis sein, in dem ein von Frauen wenig beachteter Mann unversehens in eine intime Situation gerät. Er öffnet in seinem Hotel die falsche Tür, sieht sich einer gänzlich entkleideten Dame gegenüber, die ihn anlächelt, ihm entgegentritt, ihm alles zu gestatten bereit scheint, und er, völlig überrascht, einen gewaltigen Furz lässt, woraufhin die Dame die Tür zuschlägt. Es liegt in der menschlichen Natur, dass sie Chancen und Möglichkeiten, die niemals wiederkehren, absichtslos und unwiederbringlich zerstört.

Einmal zu einer Zeit da war ... So fangen Märchen an, auch solche der Wirklichkeit. Also zu einer Zeit nach dem großen Kriege, da verweigerten mir meine Bronchien den Dienst, und der Arzt verschrieb mir eine Kur im thüringischen Bad Suiza. Dort sollte ich täglich inhalieren, teils in einem Gradierwerk, teils in einer Klinik. Zu jener Zeit aber fuhren die Züge sehr langsam, weil die Sieger nach dem Kriege alle zweiten Gleise der Schienenstrecken mit nach Hause genommen hatten, wo sie, die Schienen, wie man später erfuhr, irgendwo im Nirgendwo vor sich hin rosteten. Auch waren die Waggons nicht beleuchtet, sodass man bei Einbruch der Dunkelheit in völliger Finsternis im Abteile saß.

Neben mir befand sich

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eine junge Frau, von der ich meine, sie sei, als es noch hell gewesen war, ganz hübsch. Nun konnte ich sie nicht mehr sehen, stattdessen jedoch fühlen, was sie geschickt tastend erwiderte. Der Zug rumpelte dahin, draußen flogen Funken vom Feuer in der Lokomotive am Fenster vorbei, als schüttete ein Zauberer strahlende Flocken in die Nacht. Die Romantik des Moments wurde freilich begleitet von handfesten Untersuchungen der dafür vorgesehenen Körperteile. Niemand im überfüllten Abteil merkte etwas. Die Minuten verliefen ungezählt und unbeachtet, ja sie existierten gar nicht. Damals stand die Zeit still, trotz der Fortbewegung, von der man nichts merkte, weil die Hände mit ihren Bewegungen wesentlicher waren. Das sind Situationen, von denen man wünscht, sie mögen bis in alle Ewigkeit fortbestehen. Schließlich kam der Zug doch am Ziel und in der Realität an. Man stieg aus, mit dem Koffer eine Erinnerung mehr im seelischen Gepäck, von der man nicht ahnte, sie würde sämtliche einst benutzten Koffer an die siebzig Jahre überstehen.

Das tragische Schicksal eines Bauchredners, der anfänglich, die bewegliche Puppe auf dem Schoß, mit dieser vor Publikum das immer gleiche heitere Gespräch führt, bis ihm eines Tages, ohne sein Zutun, das hampel­mann­ähnliche Instrument widerspricht. Obwohl er ja selber die zweite Stimme unauffällig einem Mundwinkel entweichen lässt, werden nun völlig konträre Sätze und Behauptungen hörbar. Der eingefahrene Dialog zerbricht, der Bauchredner versucht, die gewohnte Konversation aufrechtzuerhalten, was ihm jedoch nicht gelingt.

Die Puppe, zum Erstaunen der Zuhörer und Zuschauer, beharrt

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auf unpassenden, ja schon peinlichen Äußerungen, ohne dass der Bauchredner ihr Einhalt tun könnte.

Sie redet immer weiter, während er, ihr bisheriger Herr, hilflos sie zu unterbrechen sich müht, was ihm aber nicht gelingt. Die Puppe triumphiert über seine Einwände, über seine Beruhigungsversuche, sodass ihm nichts anderes übrigbleibt, als sich zu erheben und mit der wild kreischenden und protestierenden Figur die Bühne zu verlassen. Das ist das Ende seiner beruflichen Karriere. Er verschwindet aus unserem Blick- und Hörfeld, wir sehen ihn niemals wieder, da er keinen weiteren Auftritt wagt, bei denen er blamiert würde, weil er keine Macht mehr über dieses unheimliche Geschöpf besitzt, das doch eigentlich nur aus Stoff und Pappe besteht. Vermutlich verbringt der Bauchredner den Rest seines Lebens in der Psychiatrie, wo man ihm eine schwere Schizophrenie attestiert, und wo er keinen Diagnostiker von der unerwarteten und unbesiegbaren Autonomie der Puppe überzeugen kann. Im Gegenteil. Je dringlicher er auf der Wahrheit beharrt, desto eindeutiger erweist sich in den Augen der Ärzte seine Krankheit. Er ist ein Verlorener. Und es mag sein, dass sich sein Fall herumgesprochen hat, denn man begegnet auf Variete-Bühnen keinen Bauchrednern mehr.

Schon als Kind haben mich die Fotografien in Magazinen und Zeitschriften gefesselt; ich konnte mich nicht sattsehen an den Bildern von Menschen und Städten, von Straßen und Gassen, von Höfen und Kanälen. Ein starkes Gefühl für die Vergänglichkeit ergab sich daraus. Beim Betrachten der Fotos kam mir immer wieder der Gedanke:

Diese Leute, winkend, lachend, gestikulierend

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oder über ihre Arbeit gebeugt - sie leben ja alle nicht mehr ... Insofern grundierte eine leichte, keineswegs unangenehme Melancholie meine Sichtweise.

Zwar habe ich noch vieles in Berlin mit eigenen Augen wahrgenommen, Gebäude, denen ich später als Ruinen wiederbegegnete; spielende Kinder in nahezu verkehrsfreien Straßen - ich selber habe ja noch mit Kreisel und Peitsche mich auf der Straße vergnügt oder fuhr mit einem hölzernen Roller über den Asphalt, später mit einem meiner Körpergröße angemessenen Fahrrad.

Straßenbahnen quietschten markerschütternd durch die Kurven, Pferdewagen zuckelten über das Pflaster, und als ein Gaul gestürzt war und vom Kutscher aufgepeitscht wurde, registrierten meine Kamera-Augen die unauslöschliche Szene. Und noch heute sehe ich gleichaltrige Jungen von der Schillingbrücke in die schon damals ziemlich verdreckte Spree springen, weil ihnen vermutlich das Eintrittsgeld fürs Schwimmbad fehlte. Und ich erinnere mich genau, wie sie, wie auch ich, mit einem Magneten oder einem Haken an der Schnur über Kellergittern hockten, um herauszuangeln, was versehentlich in die schmutzigen Schächte gefallen war. Ich erinnere mich an den Drehorgelspieler im Hof, dem meine Großmutter einen Groschen, sorgfältig in Zeitungspapier gewickelt, hinunterwarf, was der Musikus mit einem dankbaren Kopfnicken quittierte. Eine untergegangene Welt, einzig auf Fotos, insbesondere denen von Willy Römer, noch ahnbar, ohne jedoch, wie alles allein bildhaft Überlieferte, das Lebensgefühl einer Epoche zu vermitteln, von der Reste weit über das Kriegsende hinaus existierten, zumindest in Ostberlin, wo die Povertät das Szepter schwang.

Ja, noch in den fünfziger Jahren erscholl unten im Hinterhof der Ruf:

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Der Scherenschleifer ist da! Und die Hausfrauen, zumeist in geblümte Wickelschürzen gekleidet, rafften ihre Messer und Scheren zusammen und stiegen zum Meister der »Schnittigkeit« hinunter. Manchmal hielt vor unserem Haus in der Defreggerstraße in Treptow ein Pferdegespann, beladen mit kleinen, drahtumwickelten Holzbündeln, unter dem Motto: Brennholz für Kartoffelschalen! Und die Müllmänner, robuste Figuren, holten die rostigen eisernen Kästen ab, zu zweit, breite Gurte über den Lederwesten, und trugen sie zu dem Wagen, von massigen Rössern gezogen. Hier und dort gab es noch Gaslicht in den Wohnungen, das Passanten ein leichenartiges Aussehen verlieh; auch Straßenlaternen wurden in einigen Bezirken noch per Gas illuminiert.

Ich sehe deutlich die Gestalt des Laternenanzünders vor mir, der am frühen Abend mit seinem Fahrrad und einer langen, hakenbewehrten Stange aus dem Dunkel auftauchte, um an jeder Laterne (die Schinkel entworfen hatte) an einer Kette zu ziehen, woraufhin er plötzlich in einem mäßig hellen Lichtkegel stand; so zog er immer weiter ins Vergessenwerden, und ich konnte mir nie vorstellen, was aus diesen Männern geworden sein mochte. Aber all die erwähnten Vorgänge hatten etwas Geruhsames, Un-beeiltes, das auf den Betrachter rückwirkte. Man hatte zu jener Zeit noch Zeit im Übermaß. Von diesem Zustand, finde ich, sprechen die Fotos; eine große Ruhe geht von ihnen aus; ihnen fehlt die Hektik der tausendstel Sekunde, des schnurrend durchlaufenden Films mit sechsunddreißig Aufnahmen, heute, beim digitalen Fotografieren, sind es ja noch weitaus mehr. Der einstige Fotograf konnte sich Hast und reihenweises Knipsen gar nicht leisten. Das kam und kommt den Fotos zugute.

Ihnen eignet, was Walter Benjamin als Aura bezeichnet hatte; das Einmalige, die Erscheinung von Menschen, die ganz und gar bei sich zu sein scheinen, eine Übereinstimmung mit ihrer Umgebung, mit ihrem Umfeld, das, trotz aller Ärmlichkeit und Tristesse, dennoch sie ummantelte wie eine Schutzschicht.

Sie leben alle nicht mehr, wie eingangs angemerkt, und doch sind sie auf geisterhafte Weise noch anwesend und laden uns ein, sie anzusehen, und fordern, ihrem Blick nicht auszuweichen.
In Träumen findet eine Transfiguration des Träumers statt: Nicht ich erlebe, was vorgeht, sondern ein Stellvertreter, eine imaginierte Person, durch die ich mental geschützt bin. Der Stellvertreter gerät in Gefahr, nicht ich, bin es aber doch, obwohl nur spiegelbildlich, also erträglich. Manchmal jedoch funktioniert diese Scheidung nicht, gelingt die Aufspaltung nicht, und ich erleide, ohne Assistenz des Doppelgängers, das Bedrohliche oder Angenehme höchst persönlich. Mir scheint, so schwankend wie die Identität im Traume sein kann, ist sie es auch in der Realität.

Wortkombinationen erscheinen ungerufen, wie etwa der Rattentäter, der Unlustmolch, heteroisch, Zweitvertreib, Vulkantianer, Kurtisanierung, Turbolenz, Philantropfen, Nächstentriebe, Schleimwand, Schamlippendienst in  Maskunlingua und so weiter ... 

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