Günter Kunert

(1929-2019)

Ohne
Umkehr

 

Erinnerungen
für morgen

 

 

2018 im Wallstein-
Verlag Göttingen


 

detopia:
Bigbook letzter Hand.

Letzte Zeile des Buches:
<Günter Kunert,
29.7.2018>

2018

170 Seiten

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Ich liebe die Menschheit...
Es sind Leute, die ich
nicht ausstehen kann !!

 

"Wozu schreiben Sie das alles, Herr Kunert? Auf Sie hört doch keiner.
Ja, ich weiß das nur zu gut, aber die Frage ist falsch gestellt, denn es gibt keinen anderen Zweck (und Sinn), als sich schreibend bei Bewusstsein zu halten, um der allgemeinen Lethargie zu entgehen.
Das, was ich tue, ist, ich sage es ungeschminkt, reiner Selbstzweck.

Es gilt, das eigene Bewusstsein nicht in die billige Akzeptanz des Bestehenden absinken zu lassen.

Es gilt, das Denken in Bewegung zu halten, geistigen Stillstand zu vermeiden, um in der Ausein­andersetzung mit der unsichtbaren Allgemeinheit, von der man nur die erste Silbe tilgen muss, ihren wahren Charakter zu entdecken.

Das ist nicht sehr weise, Derartiges zu behaupten, doch sich an die Wahrheit zu halten ist ohnehin nicht klug. Im Bannkreis der Wahrheit sich zu bewegen ist gefährlich. Man ist dort ziemlich allein. Und weil man da allein ist, unabgelenkt, erkennt man sich und seine Lage besser als im Trubel geselligen Lebens.

Dass immer weniger gelesen wird, dass die Mehrheit der Leute auf Literatur verzichtet und sich den bunten und nichtigen Bilderströmen hingibt, auf denen es sich gut treiben lässt, erweist sich ebenfalls als die unleugbare Wahrheit, wie es mit dem Personal des letzten und vorletzten Jahrhunderts bestellt ist. Der Ausspruch einer Trickfilmfigur kommt besagtem Umstand recht nahe: <I love mankind …, it’s people I can’t stand …>."  (Seite 5-5)

detopia-2023

Das Wort "Personal" verwendet Kunert auch woanders (und ich las es auch bei Bahro), also schlicht Personen, Durchschnittsbürger.

"des letzten und vorletzten Jahrhunderts"? Mir kam gerade der Verdacht (nachdem ich schon länger über diesen Satz nachdenke), dass er das 20. und 21. meint; also das Kunert das gegenwärtige als das letzte bezeichnet;
also die Personen meint, die während seiner Lebenszeit auch lebten. Ansonsten wäre der Sinn des Satzes mir verschlossen, denn er kann die Leute/Bürger des 19. Jhds nicht kennen und gültig bewerten (ohne uns seine Forschungsdaten mitzuteilen).

 

 

(Verlagstext)

Seit vielen Jahren schreibt Günter Kunert fast täglich an seinem »Big Book«, das er aber ganz und gar nicht als ein Tagebuch verstanden wissen will, über und gegen die uns umgebende Welt. 

Bissig und weise, melancholisch und mutig umspielt der Autor aktuelle Entwicklungen, folgt den Spuren der Vergangenheit und stellt neugierige Fragen an die Zukunft.

Ein totes Pferd auf der kriegszerstörten Straße der Heimatstadt kann ebenso der Anlass sein wie eine Bibliothek der vergessenen Bücher oder das globale Problem drohender Überbevölkerung - Kunerts Nachdenken verharrt nicht im Tagesaktuellen, sondern nutzt es als Sprungbrett für pointierte und in die Tiefe gehende Gedankenbewegungen. 

Er bekennt, dass er im Laufe der Jahre immer skeptischer gegen das Fiktive geworden ist. »Die Realität hat alle Fantasie übertroffen.« Was nötig ist: ein nüchterner Blick auf das Faktische, unbedingt aber gepaart mit einem Ernstnehmen des Biographischen in all seinen Verwicklungen und Verstrickungen in die Wirklichkeit.

Nur durch solch ein Verwebtsein entsteht Literatur, die den Anspruch erheben kann, Wesentliches über ihre Zeit und die Menschen auszusagen. Und so über die unmittelbare Gegenwart hinauszugehen. 

 

detopia-2019

 

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