Günter Kunert 

 

 

Kassandra von Kaisborstel

Heiterer Melancholiker

Systemdiagnostiker

Komischer Realist

 

Wikipe Autor *1929 
in Berlin bis 2019 (90)

dnb Person 

dnb Name (660)

dnb Nummer 440

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detopia 

Umweltbuch 

Sterbejahr 

K.htm 

detopia :

Kunze-Reiner 

Horstmann    Brecht  

Heiner Müller   Fühmann  

A.Guha     Heinz.Friedrich 

Hildesheimer   Christa Wolf 

Wolf.Biermann   Wolf.Harich 

Rolf.Schneider    G-Herling 

Cioran     Theo-Lessing  

Geulen-Reiner

 

 

Günter Kunert Auskunft für den Notfall

   

  

 

 

Kunert-Bücher-Auswahl:

 

Audio     

2009  dlf zum 80. Geburtstag   +   Text 2009 dlf   Bericht: Als das Leben umsonst war

2013  dlf zu Bigbook 2 "Tröstliche Katastrophen"  Lesebericht von Michael Opitz

2014  85 Jahre  Geburtstag und zum Bigbook 2

2014  Fortgesetztes Vermächtnis  Lyrikband - Lesebericht von Michael Opitz

2015  Erinnerungen an das Ende des 2. WK  Audio

2019  Kritik Die zweite Frau  Audio

2019  Kunert 90 in Kaisborstel Audio mit Wolf Biermann 

2019 Der Messias kommt immer zu spät -- 53 min, drk 
   "Literarischer Jahrgang 1929"  (Christa Wolf, Heiner Müller, Enzensberger, Kunert)

 

2019 - Es braucht eine ganze Weile (1)  Kunert zum 90sten

2019 - Es braucht eine ganze Weile (2)  Kunert zum 90sten

2019   Nachruf 1 

2019   Nachruf 2  (Verleger Jo Lendle) 

2019   Nachruf 3  (Michael Opitz)  

Posthum Gedichtband - Zu Gast im Labyrinth 

 


 

"Zeugen des Jahrhunderts" 1994 im ZDF Anfang

1994  Skeptiker   Audio

1994  Kassandra   Audio

Ausschnitt 1 "Skeptiker"  1994  - Zeugen des Jahrhunderts im ZDF

Ausschnitt 2  "Kassandra"  1994

Video voll - lang/klein wmv 32 MB 

 


Naturgeschichte
(Gedicht für Ulrich Horstmann)
 aus Frank Müller, 2015 

Die Natur erzählt Geschichten
wie solche über verbrannte Wälder, über
stete Feuer, daran wir uns die Hände wärmten
und die ungenießbare Suppe unserer eigenen
Geschichte. Sie erzählt vom Menschentier,
zum Humus geboren, zum Unkraut bestellt.

Erzählt vom Durst nach dem Erhabenen,
den nur Blut stillt. Erzählt und rauscht
vorbei wie ein Wind aus dem Gedärm
flüchtiger Gottheiten. Erzählt einander,
wie ihr euch umschlungen, um euch alsbald
zu verschlingen. In idenen Klüften
lauert der Müll, der Herrscher
endzeitlichen Bejahens, dem keiner
Einhalt gebietet.
Wie jede Geschichte
will auch diese mit einem Crescendo
schließen, mit spektakulären Resten,
stolzen Trümmern, eilfertigen Gebeinen
grabwärts unterwegs. Danach
hebt Neues an, das uns im Nichts
nichts mehr angeht. 

 

 

 

 

 

Im Internet:

https://www.deutschlandfunk.de/zum-tod-von-guenter-kunert-ein-politisch-denkender-und-100.html  mit Jo Lendle, Verleger

dlf  guenter-kunert-die-zweite-frau-ironiefreie-zone  2019

mdr.de/kultur/themen/lesezeit-guenter-kunert-100.html  2019

mdr.de/kultur/themen/guenter-kunert-portraet-100.html 

mdr.de/kultur/guenter-kunert-roman-die-zweite-frau-100.html 

cicero.de/kultur/bücherfresser-und-spielzeugnarr/41472   Zu Besuch in Kaisborstel 2010 - Gespräch

 

 

Begraben und Grab in Weissensee im  jüdischen Friedhof mit seiner Frau.

 

dw.com/de/dichter-günter-kunert-stirbt-mit-90   Nachruf Deutsche Welle

Hanser Verlag Kunert 

 


 

dlf  guenter-kunert-die-zweite-frau-rutschpartie-in-die-enge  mit Audio 14.02.2019
Die zweite Frau (Roman von Günter Kunert)

Ein Roman, geschrieben vor 45 Jahren - in der DDR »absolut undruckbar«, wusste Kunert und versteckte ihn im Archiv. Nun wiedergefunden, wird er endlich veröffentlicht.

In einer Truhe fand Günter Kunert unlängst ein Manuskript, das er vor fast fünfundvierzig Jahren geschrieben hat - einen Roman, so frech, brisant und »politisch unmöglich«, dass Kunert, der damals noch in der DDR lebte, ihn gar nicht erst einem Verlag vorlegte. »Absolut undruckbar«, wusste er und vergrub das Manuskript so tief in seinem Archiv, dass er selbst es vollkommen vergaß und erst jetzt durch Zufall wiederfand. Kunert ist berühmt für seine skeptischen Gedichte, die vor ökologischen Katastrophen und Fehlentwicklungen warnen, für seine Miniaturen und kurzen Prosatexte, Notate, Hörspiele, Filme; als Romanautor kennt man ihn eher nicht. Und hier ist nun ein Roman, funkelnd und frisch, geschrieben zur Hälfte des Lebens: Der männliche Protagonist sucht nach einem Geschenk zum vierzigsten Geburtstag seiner Frau; die Auswahl in den Geschäften ist ebenso entmutigend wie seine Einfallslosigkeit, schließlich tauscht er Mark der DDR in Westgeld, um im Intershop einzukaufen, und macht dort unbedachte Bemerkungen. So nimmt eine Tragikomödie um Montaigne, Missverständnisse und Stasi-Tumbheit ihren Lauf.

 

 

 

 

 

 

 

 

Interview 2009

in <Triangel> 3/2009, MDR-Figaro

 

Herr Kunert, Sie sagten: Wir sitzen in einem Boot mit mehreren Lecks, und wenn wir zwei stopfen, dann strömt durch fünfzehn andere das Wasser – das ist unsere Situation. Aber gerade die ungeheure Komplexität der Bedrohungen, vor denen die Menschheit steht, dient doch immer auch als Ausrede, oder als ein Grund, den man geltend machen kann, um sich von jedem Eingreifen freizusprechen. Man sagt: das ist so verzwickt, und es gibt so viele Faktoren und Wirkungen, es hat gar keinen Sinn, an einer Stelle überhaupt anzufangen damit. Gleichwohl sind der Schiffsverkehr mit seinem enormen Schadstoffausstoß, der Luftverkehr mit seinem verheerenden Emissionen von uns Menschen organisierte, aus ökonomischen Gründen für sinnvoll gehaltene Vorgänge. Man könnte ja auch fragen: Warum muss eigentlich jedes Unterhemd einmal um den halben Globus herum transportiert worden sein? Es wäre doch eine denkbare Möglichkeit, zu sagen: Wir wollen aus diesem Warenaustausch, und aus den ökonomischen Zwängen, die ihn hervorrufen, aussteigen?

Kunert

Ja, das ist eben der Teufelskreis. Zum einen müsste dann die Politik eingreifen, das heißt es müsste einschneidende Gesetze und Verordnungen geben, auf Grundlage ökologischer Einsichten. Das riecht und sieht aus nach ökologischer Diktatur. Und ich glaube, dass wir auch eines Tages dahin kommen werden.  

Nur – wir stecken zwar schon mit einem Bein in der Katastrophe, aber eigentlich sind wir erst ganz am Anfang. Erst in zehn, fünfzehn Jahren - so habe ich es bei Meadows, dem Autor des berühmten Buches »Die Grenzen des Wachstums« gelesen - werden wir dann wirklich voll in diesem Schlamassel sitzen. Dann sind wirklich durch­greifende Unternehmungen notwendig, um überhaupt noch Leben auf dem Planeten zu erhalten. Dahin werden wir sicher eines Tages kommen. 

Es wird zu einem Showdown zwischen Industrie und Politik kommen. Und solange die Politik, die Regierung, auf Wähler angewiesen sind, die bei Laune gehalten werden müssen - sprich: Arbeit haben sollen und wollen, konsumieren sollen und wollen -, solange ist die Politik schwach und bis zu einem gewissen Grade abhängig von der Industrie und in der Hand der Industrie.

Wenn die Industrie ihre so machtvolle Position weiter behält, dann wird es wahrscheinlich gar keine Hoffnung mehr geben. Dann bleibt für jeden nur übrig, an seinem Platz sein Gewissen zu beruhigen, indem er eine Sparbirne einschraubt oder indem er mal mit dem Fahrrad fährt statt mit dem Auto. Aber ändern – ändern würde das nichts. 

Das heißt also – und wenn ich das jetzt sage, dann klingt das vielleicht nicht ganz angenehm, aber: Die Politik und die Regierung müssten weitaus stärker sein, als sie es jetzt sind. Bisher, wir wissen es ja, betreiben sie auch die Geschäfte der Industrie. Das ist auf Dauer – ist es ja heute schon – verderblich, und wird noch verderblicher werden.

Wie aber eine machtvollere Politik, eine Regierung, deren Mittel stärker sind als die der Industrie, trotzdem demokratisch bleiben kann, das ist die zweite Frage. Da, muss ich sagen, bin ich auch skeptisch. Und darum denke ich, dass wir – wir vielleicht nicht mehr persönlich, aber die Menschen – eines Tages zwangsläufig zu dieser Öko-Diktatur kommen werden. Es wird gar keine andere Möglichkeit mehr geben.

Es wird, wie es ja heute schon der Fall ist, Verteilungskämpfe geben, und diese Verteilungskämpfe werden natürlich auch immer "weltweiter" ausgetragen werden. Zum Beispiel war ja diese furchtbare Massenschlächterei in Ruanda im Grunde ein Verteilungskampf um den Boden, der immer knapper wurde. Es wurden immer mehr Menschen und, natürlich, der Boden wuchs nicht mit, das ist klar. 

Aber um die Zerstörung von ganzen Völkerschaften zu verhindern, muss man wahrscheinlich zu ganz rigorosen Mitteln greifen. Und zu einer regierungsamtlich gelenkten Art der Verteilung von Ressourcen, von Nahrungsmitteln, von Energie.

 

Wir haben das ja eigentlich schon mal erlebt. Ich denke an die Kriegszeit und vor allem an die Nachkriegszeit. Wir hatten Stromsperren, wir haben am Tag zwei Stunden Strom gehabt. Wir hatten Lebensmittelkarten, die waren gestaffelt, wir bekamen dann entsprechend im Laden für billiges Geld ein bisschen was zu essen. Wir haben etwas Kohle bekommen für den Ofen. 

Und das Merkwürdige war: Es erschien uns nahezu normal. Wir haben uns daran gewöhnt, nicht über unsere materiellen und Energieverhältnisse zu leben. Und – es ging auch! Und wir waren eigentlich, zumindest nach dem Kriegsende, vergnügter und besser gelaunt als heute. Und haben eigentlich, wie gesagt, von der Hand in den Mund gelebt.

Weil Sie vorhin erwähnten: die Ware wird um den Globus geflogen – ja, mein Gott, man hat sich aus einer alten Decke einen Mantel machen lassen. Es gab Zeiten, auch schon vor 1900, und die kamen ja dann wieder, da hat man sich Anzüge wenden lassen. Man hatte einen "guten Anzug" und wenn der etwas abgetragen war, dann hat der Schneider ihn gewendet, und dann war er "fast wie neu". Man hatte eine Uhr, sein Leben lang. Und die hat man dann noch an den Sohn vererbt. Und es ging auch. Und man hat auch gelebt, und mental gar nicht mal schlecht.  

 

  

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Günter Kunert -  Lyriker, Dichter, Zeitgenosse