Emile M. Cioran

Geschichte und Utopie

Vom Nachteil, geboren zu sein

Die verfehlte Schöpfung

Der Absturz in die Zeit

 Emile Cioran - Geschichte und Utopie

Wikipedia.Autor  *1911 in Rumänien bis 1995 (84)

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Vom Nachteil, geboren zu sein

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

Audio 2016 biografischer Funkessay mit weiblicher Sprecherin 

 

Einige Werke:

- Geschichte und Utopie (1960, first edition) O-Titel: Histoire et utopie; 1965 deutsch, 130 Seiten.

Vom Nachteil, geboren zu sein

Der Absturz in die Zeit 

Die Lehre vom Zerfall

 


 

aus wikipedia 2019

 

Emil Cioran wurde als zweites Kind des orthodoxen Priesters Emilian und seiner Frau Elvira Cioran in einer Ortschaft zwölf Kilometer südlich von Hermannstadt geboren - im multiethnischen Transsilvanien, das damals zur ungarischen Reichshälfte Österreich-Ungarns gehörte und ab 1918 zu Rumänien. 

Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums Colegiul National Gheorghe Lazar in Hermannstadt begann er siebzehnjährig das Studium der Philosophie und Ästhetik an der Universität Bukarest. Er lernte dort 1928 andere Intellektuelle wie Constantin Noica, Mihail Sebastian, Eugène Ionesco, Mircea Eliade kennen, mit denen er eine intensive freundschaftliche Beziehung unterhielt. 

Die Bukarester Intellektuellen- und Studentenschicht war damals stark von Nae Ionescu beeinflusst. Ionescu war der Begründer des rumänischen Existentialismus, bekannt als Trairism (rum. traire, „Erlebnis“), einer Bewegung, die durch Irrationalismus, Mystik, Messianismus, Anarchismus und sogar Faschismus gekennzeichnet war.

Cioran war Sympathisant der Eisernen Garde und bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs Bewunderer Hitlers, des NS-Regimes und seines Antisemitismus. Er bat dafür später um Entschuldigung. 1933 schrieb er zur Person Hitlers: „Es gibt keinen heutigen Politiker, den ich für sympathischer und bewunderungswürdiger halte als Hitler“, und 1934 in Bezug auf den Röhm-Putsch: „Was ist für die Humanität verloren, wenn die Leben einiger weniger geistig und moralisch schwacher Menschen genommen werden?“

Von 1933 bis 1935 hielt sich Cioran in Berlin auf. 1937 zog er nach Paris, wo er den Rest seines Lebens im Quartier Latin, ab 1960 in einer kleinen Dachgeschosswohnung, wohnte.

Seine frühen Werke verfasste er in rumänischer, die nach 1945 entstandenen in französischer Sprache. Dabei fügte der Philosoph das Initial M. seinem Namen hinzu: E.M. Cioran, denn er empfand E. Cioran als im Französischen zärtlich klingend und somit unpassend zum Charakter seiner Schriften.

 

Werk

 

Er zählt zu den Essayisten und radikalen Kulturkritikern der Nachkriegszeit. Als Stilist erregte er großes Aufsehen unter den französischen Existenzialisten durch seine pessimistischen, antinatalistischen und desillusionierenden Aphorismen und Essays. Aus einer generellen Abneigung gegenüber Denksystemen und schematisierenden Kategorien resultiert auch seine Vorliebe für die Form des Aphorismus. Er schrieb hierzu in Auf den Gipfeln der Verzweiflung:

„Ich würde eine Welt lieben, in der es gar kein Kriterium gäbe, keine Form und keinerlei Prinzip, eine Welt der absoluten Unbestimmtheit. Denn in unserer Welt sind alle Kriterien, Formen und Prinzipien schal.“[5]

Er wurde stark von Friedrich Nietzsche und dem Buddhismus beeinflusst. Susan Sontag sah Cioran 1991 in Im Zeichen des Saturn als einen Nietzsche unserer Tage,[6] und Gabriel Liiceanu bezeichnete ihn als einen zeitgenössischen, durch die Schule der französischen Moralisten gegangenen Nietzsche.[7] Für Cioran selber war Nietzsche dagegen zu optimistisch und im Denken zu wenig radikal. In den Syllogismen der Bitterkeit schreibt er: Dank der Reife unseres Zynismus sind wir weiter gegangen als Nietzsche,[8] und in Vom Nachteil, geboren zu sein: Gedanken und Aphorismen beantwortet er die Frage eines Studenten nach seinem Verhältnis zu Nietzsche folgendermaßen:

„Ich antwortete ihm, daß ich seit langem den Umgang mit ihm aufgegeben hätte. […] Weil ich ihn zu naiv finde. Ich werfe ihm seine Hingerissenheit vor und sogar seine Momente der Inbrunst. Er hat die Idole nur gestürzt, um sie durch andere zu ersetzen. […] Er hat die Menschen nur aus der Ferne beobachtet. Hätte er sie aus der Nähe betrachtet, so hätte er niemals den Übermenschen aushecken noch preisen können.“[9]

Ciorans Denken war – auch im Kontext der damaligen Zeit – von extrem hoffnungsarmen, pessimistischen und nihilistischen Ansichten geprägt. Diese brachte er in einer meist alles kritisierenden und zynischen Analyse gegenwärtiger und aktueller Zustände benutzenden Form zum Ausdruck.[10] Bereits als Zwanzigjähriger schrieb er in Auf den Gipfeln der Verzweiflung:

„Ich weiß überhaupt nicht, weshalb wir hienieden etwas tun, warum wir Freude und Bestrebungen, Hoffnungen und Träume haben müssen. […] Aber was gibt es in dieser Welt schon zu gewinnen? […] Es gibt keinerlei Argumente für das Leben.“[11]

Nach Auf den Gipfeln der Verzweiflung und Das Buch der Täuschungen erschien 1949 das wohl bedeutendste Werk Ciorans, die Lehre vom Zerfall. Es wurde 1953 von Paul Celan ins Deutsche übersetzt. Cioran nimmt hier das erst später aufkommende Programm der Dekonstruktion, welches vor allem von den Poststrukturalisten wie Jacques Derrida und anderen vertreten wurde, vorweg. Der Originaltitel des Werkes lautet auch Précis de décomposition. Cioran setzt hier alles, was die Tradition an Werten aufzubieten hat, dem unerbittlichen Widerspruch kritischer Reflexion aus.[12] Cioran beschrieb diesen von ihm verfolgten Ansatz der Dekonstruktion folgendermaßen:

„Man denkt, man beginnt zu denken, um Bindungen zu zerreißen, um Verwandtschaften aufzulösen, um das Gerüst des ‚Wirklichen‘ zu untergraben.“

Ciorans jahrzehntelange Gedanken zu Themen wie Gott, verfehlte Schöpfung, Gnosis, Schlaflosigkeit oder Selbsttötung schlugen sich in einer Fülle von Aphorismen, Reflexionen und Essays nieder, ohne den Charakter von Lehrsätzen anzunehmen. Nachfolgendes Zitat vereinigt einige seiner Leitmotive und vermittelt einen Eindruck von seinem Denken, das wesentlich existentielles Ringen war:

„Wir alle haben sie geerbt, die Unfähigkeit, bei sich zu bleiben, von welcher der Schöpfer eine so bedauerliche Demonstration geboten hat: Zeugen, das heißt, auf andere Weise, in anderer Größenordnung das Unternehmen fortsetzen, das seinen Namen trägt, es heißt, aus beklagenswerter Nachäffung seiner ‚Schöpfung‘ etwas hinzufügen. Ohne den von ihm gegebenen Impuls würde das Bedürfnis, die Kette der Wesen zu verlängern, nicht bestehen, noch auch die Notwendigkeit, die Umtriebe des Fleisches zu unterschreiben. Jedes Gebären ist verdächtig; die Engel sind dazu glücklicherweise unfähig, denn die Fortsetzung des Lebens ist den Gefallenen vorbehalten.“

Anekdoten

Cioran wies alle literarischen Preise zurück (Sainte-Beuve, Combat, Nimier, Morand etc.) – bis auf einen: 1949 nahm er den „prix Rivarol“ an; dies rechtfertigte er mit seiner Finanzlage. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Paris 1940 warf er an der Place Saint-Michel einem Konvoi von Gefangenen eine Zigarettenpackung zu. Als ein deutscher Soldat daraufhin seine Waffe auf ihn richtete, retteten Cioran seine Deutschkenntnisse: "Aus Menschlichkeit!".

 


 

Leseberichte

 

Zu Absturz in die Zeit

 

Existentialistische Pathologie   #  2001  bei a.

Cioran legt in seinen Büchern fast exhibitionistisch seine eigene existentialistische Pathologie offen, eine Pathologie, die den Höhepunkt der gegenwärtigen defizient gewordenen rational-mentalen Bewußtseinsstruktur darstellt. Cioran ist kein Einzelfall. 

Immer mehr Menschen, denen Sinnesfreuden schal geworden sind, erkennen - von ihrer eigenen amoklaufenden, an allem zweifelnden Ratio in die Enge getrieben - dass alles Begriffliche (und nicht nur das!) letztendlich widersprüchlich ist.

Ihre existentialistische Pathologie markiert den Schmerz, den unendlich bitteren und schwarzen Schmerz "einer Seele an der Schwelle zum Transpersonalen", wie der Bewußtseinsforscher und Philosoph Ken Wilber es ausdrückt. Wilber weiter: "Wenn das Heute Rationalität ist, dann ist das Morgen Transrationalität, und nicht ein wissen­schaftliches Argument der Welt steht dagegen, sondern alles dafür." (aus: "Eros, Kosmos, Logos") 

Wer - auch und gerade als Existentialist oder vermeintlicher Existentialist - an ernsthafter Philosophie interessiert ist - und mit "ernsthaft" meine ich logischerweise nicht Schwarzmalerei à la Cioran, sondern gute (rekonstruktive) Wissenschaft -, der sollte sich nicht mit derartigem wehleidigen Geschwafel das Hirn verpesten, sondern lieber Wilber oder Jean Gebser (am besten "Ursprung und Gegenwart") lesen. Ciorans Geheul ist authentisch, weil sein Schmerz authentisch ist (dafür der eine Stern) - aber authentischer Schmerz mündet nicht zwangsläufig in gute Wissenschaft.


Zu Gevierteilt:

 

Pessimismus zum Gernhaben   2005 von "ossiwan"  bei a.

In gewohnter Weise gibt sich Cioran seinem Pessimismus und seiner Gesellschafts- und Menschheitskritik hin, ohne dabei den Leser selbst zu betrüben. In dem enthaltenen Essay „Nach der Geschichte" wird ein kluger Weg zur Selbstsucht des Menschen gezeigt, allein an einer Sprachspielerei. Die vielen Aphorismen sind zeitweise sehr konstruiert, zu konstruiert, treffen aber oft genau auf den Punkt und kreisen um Verzweiflung und Lebensunlust, Krankheit und Tod, wirken aber bis ins Letzte heiter. Entweder man mag ihn oder man mag ihn nicht, auf jeden Fall sollte man sich auf ihn einlassen.

 

Gevierteil ist ein herausragendes Martyrium   1999  bei a.

In "Gevierteilt" erreicht Cioran die unterkühlteste Erhitztheit seines literarischen Schaffens. Die Sätze sind noch lapidarer als in seinen anderen Schriften; so geschliffen und formvollendet jedoch, scheinen manche in ihrer Schlichtheit förmlich zu explodieren, auf dass Ciorans geistige Eingeweide umhergeschleudert werden: ist man zartbeseitet, wird einem unwohl, ist man bereits geistig abgebrüht, wird man bekehrt. Cioran erzaehlt von der logischen, geistigen Entwicklung ins Martyrium, dass einen jedoch nicht heilig, sondern lächerlich werden lässt. In "Gevierteil" liest man einen der wenigen wahren existentiellen, "europäischen" Mystiker. 

 


 

 

 

deutschlandfunk.de/geheimtipp-cioran  

2009 von Hans-Jürgen Heinrichs zur neuen suhrkamp-offensive 

Geheimtipp Cioran 

Im Frühjahr dieses Jahres hat der Suhrkamp Verlag eine neue Reihe unter dem Namen „Quarto“ gestartet. Die im wörtlichen Sinne gewichtigen Bände sollen das Gesamtwerk eines einflussreichen Autors in preiswerten Ausgaben vermitteln. Gearde neu erschienen in der Reihe ist die Werkausgabe des Philosophen E.M. Cioran. Von Hans-Jürgen Heinrichs

Der in Rumänien geborene Philosoph Cioran entspricht so gar nicht dem akademischen Ideal eines Philosophen. 

Auf den ersten Blick überrascht sowohl die Zusammenstellung der Autoren in dieser Reihe als auch das verlegerische Konzept einer solchen Edition, die man zum Beispiel eher in einem Verlag wie „2001“ suchen würde: Bände, die vom Aussehen und vom Gewicht einem Backstein gleichen, schwer in der Hand liegen und dabei doch, selbst in globalen Krisenzeiten, erschwinglich sind. Thomas Bernhard und Franz Kafka, Marguerite Duras und Bohumil Hrabal im Frühjahr dieses Jahres und jetzt im Herbst Max Frisch und Ödön von Horváth, Michel Foucault und E.M. Cioran: Bände, im Umfang von rund 2000 Seiten zu jeweils zirka 25 Euro.

Im kommenden Frühjahr werden die Romane von Amos Oz sowie Märchen und Erzählungen von Hermann Hesse, später dann zum Beispiel Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit erscheinen. In der Tat eine bunte Mischung. Aber das spricht noch nicht gegen die Reihe, die sich im übrigen an die renommierte Edition beim großen französischen Traditionsverlag Gallimard anlehnt, bei dem die Bände noch strikter dem quadratischen Maß folgen.

Die bunte Mischung folgt nicht den eingespielten Rastern und disziplinarischen Zwangsvorstellungen hier Literatur, dort Wissenschaft. Sie präsentiert Autoren so, wie man sie ja auch liest: nebeneinander und gleichzeitig. Ein Historiker und Philosoph wie Michel Foucault ist nicht nur Wissenschaftler, sondern auch ein großer Stilist, und eine Schriftstellerin wie Marguerite Duras hat die bedeutendsten Theoretiker beschäftigt und herausgefordert.

Auf eine noch exemplarischere Weise widersetzt sich das Werk E.M. Ciorans jeder Klassifizierung. Der 1911 in Rumänien geborene Philosoph, der von 1937 bis zu seinem Tod, 1995, in Paris lebte, entspricht so gar nicht dem akademischen Ideal eines Philosophen. Man vergegenwärtigte sich nur seine Selbstcharakterisierung:

„Ich bin so ein Fragmentmensch. Ich gehöre zur Kategorie der Zerstreuten, zu den aus Prinzip Gescheiterten. Ich habe in einem immerwährenden Widerstreit mit mir selbst gelebt.“

Ciorans gesamtes Werk ist bestimmt von einer ins äußerste Extrem getriebenen Infragestellung des Ichs, einer Unausgeglichenheit und Verzweiflung, einem fundamentalen Gefühl vehementen Scheiterns. Bereits die Titel seiner Bücher – Auf den Gipfeln der Verzweiflung oder etwa Vom Nachteil, geboren zu sein – legen davon unmissverständlich Zeugnis ab. Unablässig befinde er sich, so hat er immer wiederholt, in ungeheuerlichen Turbulenzen und erlebe den Niedergang so euphorisch wie eine Erleuchtung. Als der Philosophiestudent E.M. Cioran von Rumänien nach Paris ging, suchte er nicht das Strahlende dieser westlichen Kulturmetropole, sondern die „Nachtseiten der Dinge” – wenn auch, wie er sagte, verführt vom ruchvollen Glanz dieser „Stadt der Huren und Bordelle“: der Aufbruch eines sich schon früh als unstet und nutzlos begreifenden Geistes, der in der Literatur seinen einzigen Halt fand.

„Theoretisch glaube ich nicht an die Nutzbarkeit des Schreibens oder dass man einen „Namen“ hat oder nicht. Für mich war es meine Form von Gesundheit, mich dieser Gefühle des Bedrücktseins, als ein Mensch des Schiffbruches, auszudrücken. Ich bin sicher, dass ich nicht zugrunde gegangen bin nur, weil ich geschrieben, mich ausgedrückt habe. Wäre mir das nicht geblieben, ich wäre bestimmt zugrunde gegangen.“

Ein zurückgezogen lebender Literat und Denker außerhalb akademischer Fakultäten, einer, der alle Denkpositionen in großzügiger, subjektiver Manier eines besessenen Gedankenspielers verwarf, verspottete, verdrehte; ein um sein Können und Versagen wissendes Genie wider Willen, ein großstädtischer Einsiedler und lustvoller Asket. Denkend entzog er sich der Festlegung seiner Beziehungen durch die Verteidigung des Widerspruchs und durch das Prinzip der Ironie und Selbstironie. Selbst seine Verzweiflung hat nie etwas Kategorisches. Sie ist Bestandteil eines Lebens-, Sprach- und Denk-Experiments und verweist stets auf das Existieren als eines „ungeheuren Phänomens”. Das Leben als Fluch – kein Schriftsteller hat je diese Erfahrung mit einer solchen Leidenschaft und einem Funkeln in den Augen wie Cioran vorgetragen und in einer schlackenlosen Poesie und metaphysischen Schärfe formuliert. Er hat die Erfahrung des Ungeheuerlichen und Unheimlichen auch genossen, und er hat mit dem Schrecken einen so vertrauten Umgang gepflegt, dass er ihn zu seinem Freund machen konnte.

„Ich habe immer in Widersprüchen gelebt und nicht darunter gelitten. Wäre ich ein Systematiker gewesen, hätte ich lügen müssen. Ich habe das Unlösbare angenommen. Ich habe eine gewisse Wollust des Unlösbaren... Ich habe nie zu glätten versucht. Ich habe nie ein Ziel gehabt.“

In fast täglichen und nächtlichen Fingerübungen hat sich Cioran über die Unfähigkeit zu leben (beziehungsweise den „Nachteil” und den „Irrtum geboren zu sein”) hinwegzuretten versucht, hat Phasen des Nichtschreibenkönnens ausgehalten: mit dem Entwurf von Essays, mit Skizzen und Beobachtungen zum Denken, zur Philosophie, Mystik und Musik, zur Langeweile, Schlaflosigkeit und Widersprüchlichkeit des Lebens.

„Die Leute, die ich gerne habe, die müssen nicht wie ich denken, aber irgendwie müssen sie verstört sein, nicht unbedingt stark, aber bis zu einem gewissen Grad... Die Leute, die ich gerne habe, das waren immer Leute, die irgendwie ihr Leben verfehlt haben..., die irgendwie misslungen sind als Wesen.“

Rätselhaft ist, warum gerade die Cioran-Ausgabe – im übrigen der bisher umfangreichste und geradezu liebevoll bebilderte Band – kein Nachwort, nur ein Glossar enthält, was bei einem Denker, dem jede Systematik ein Graus war, eher ungewollt komisch ist. Die wunderbare Erzählung des Dramatikers Peter Turrini „Horváths Gebeine“ (im Anhang der Ödön von Horváth-Ausgabe) hätte Cioran gefallen, ein Text voller Esprit, Sarkasmus, Ironie und literarischer Finesse.

Insgesamt zeichnen sich die Bände der Quarto-Reihe dadurch aus, dass sie nicht nur drucktechnische Zusammenstellungen der bereits vorliegenden einzelnen Werke sind, sondern bereichert werden durch kluge, instruktive, engagierte, sich für den Autor und sein Werk zumeist leidenschaftlich einsetzende Nachworte und Kommentare. Sie dienen dem Leser, überladen die Ausgaben nicht, auch wenn man sich an einigen Stellen für das bessere Verständnis notwendige Anmerkungen zu den einzelnen Texten wünschen könnte.

All dies vermisst man schmerzlich beim Cioran-Band, sogar elementare Angaben zur Lebensgeschichte des Autors und zur Werkgeschichte fehlen. Während alle anderen Bände eine Zeittafel enthalten, hat man hier aus unerfindlichen Gründen auch darauf verzichtet.

Und dennoch: Einem Autor wie Cioran, der immer noch weithin als Geheimtipp gilt, eine Biographie – Patrice Bollons fundierter biographischer Essay erschien 2006 – und jetzt eine Werkausgabe zu widmen, ist allein schon eine rühmenswerte Tat. Dies gilt ebenso für die Ausgabe der Romane des bei uns immer noch viel zu wenig bekannten großen Schriftstellers Bohumil Hrabal. Und, was auch nicht unwichtig ist, die Texte lesen sich, trotz des immensen Umfangs und des Dünndrucks, ausgezeichnet; die Bände bleiben sogar aufgeschlagen liegen und klappen nicht wie so viele Bände zusammen, sobald man die Hände von ihnen genommen hat, so, als wollten sie lieber ungelesen bleiben.

 

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