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Ibrahim Böhme gestorben  #   22.11.1999 

Leipzig. Der wegen Stasi-Kontakten in Ungnade gefallene DDR-Wendepolitiker Manfred "Ibrahim" Böhme ist kurz nach seinem 55. Geburtstag in Neustrelitz gestorben. Seine Tochter Tatjana Böhme bestätigte in Leipzig, ihr Vater sei in der Nacht zum Montag einer schweren Herzrankheit erlegen. Böhme hatte im Oktober 1989 die Ost-SPD mit gegründet und war später für einige Wochen ihr Vorsitzender, bevor er wegen Vorwürfen der Stasi-Spitzelei alle Ämter nieder legte und 1992 sogar aus der Partei ausgeschlossen wurde.

Der Sprecher der sächsischen SPD-Bundestagsabgeordneten, Gunter Weißgerber, sagte, Böhme habe Schuld auf sich geladen. Die Vorsitzende der sächsischen SPD, Constanze Krehl, äußerte sich tief betroffen. Sie habe es immer bedauert, dass Böhme die Chancen, die ihm gute Freunde auch nach seiner Enttarnung als IM angeboten hatten, nicht angenommen habe.

Böhme hatte in den Wendemonaten der DDR zunächst als geachteter Vertreter der Bürgerrechtsbewegung gegolten. Nach der Gründung der damals noch als SDP bezeichneten Sozialdemokratischen Partei der DDR am 7. Oktober 1989 war er zunächst deren Geschäftsführer. Im Februar 1990 wurde er zum Vorsitzenden gewählt. Bis zu der freien Volkskammerwahl vom 18. März, bei der die SPD überraschend eine Niederlage erlitt, galt er als aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten.

Wenig später begann Böhmes Stern jedoch zu sinken. Erste Berichte über seine angebliche Mitarbeit für die DDR-Staatssicherheit, die sich auch gegen die SPD gerichteten haben sollten, dementierte Böhme entschieden. «Ich bin zu keiner Zeit .... als Mitarbeiter der Stasi tätig gewesen», erklärte er am 23. April 1990 als «Gegendarstellung» im Nachrichtenmagazin «Der Spiegel».

Auf dem ersten gemeinsamen Parteitag von Ost- und West-SPD wurde er im September 1990 noch in den neuen gemeinsamen Vorstand gewählt. Schon im Dezember musste Böhme allerdings alle Ämter niederlegen, weil neue Vorwürfe laut geworden und aus Stasi-Akten belegt worden waren. Im Juli 1992 schließlich schloss die SPD ihn wegen «schweren parteischädigenden Verhaltens» aus.

In den letzten Jahren lebte der am 18. November 1944 bei Leipzig geborene Böhme zurückgezogen im Ostteil Berlins. 

In seiner Jugend wurde er von Kurt Böhme, dem Bruder des späteren DDR-Hochschulministers Joachim Böhme, adoptiert. Die längste Zeit seiner Kindheit verbrachte er aber in verschiedenen Kinderheimen. Die Mutter von Ibrahim Böhme starb, als der Sohn fünf Jahre alt war. 

Nach einem Bericht des «Sterns» litt er bereits seit Jahren an verschiedenen Krankheiten, ging kaum noch aus dem Haus, sondern verbrachte seine Tage auf dem Sofa. Seine Tochter berichtete, die letzten Monate habe er in Neustrelitz verbracht und sei von einer Bekannten gepflegt worden.

  

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