5 «Er war wie Bel ami und Raskolnikoff»
Der Prozeß
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Es ist Herbst 1970. In Berga, ein paar Kilometer von Greiz entfernt, arbeitet Peter Michel als stellvertretender Kulturhausleiter. Der Posten scheint für den jungen Mann die Rettung zu sein aus einem Alptraum. Zwei Jahre dauert der nun schon. Er begann am 21. August 1968.
Peter Michel kommt Ende Juli aus dem Urlaub zurück. Seine slowakische Freundin Viera und er haben wunderbare Tage am Scharmützel-See bei Berlin verlebt. Sie sind unsterblich ineinander verliebt, wollen sich so schnell wie möglich wiedersehen, am liebsten gleich noch einmal im August, also vor Beginn des Herbstsemesters.
Dafür braucht der Student Geld. Er fährt nach Reichenbach, wo seine Eltern leben, dort jobbt er zwei Wochen. Am Samstag bestellt er die Eisenbahnkarte nach Bratislava. Am Mittwoch, in der Nacht zum 21. August, rollen Panzer durch Reichenbach in Richtung Grenze. Alle Welten brachen in mir zusammen, sagt Peter Michel. Ich habe nur geheult, tagelang nur geheult.
Die Ereignisse in der CSSR bringen ihn völlig aus dem Gleichgewicht. Er vernachlässigt sein Studium an der Technischen Hochschule in Ilmenau. Er denkt an Flucht. Aber er denkt auch an seine Mutter und an seine Angst und verwirft den Gedanken. Ihm kommt sogar die tollkühne Idee, sich mit dem System zu arrangieren:
Warum nicht die Flucht nach vorn? Man kann doch nicht ein Leben lang mit zwei Seelen in der Brust herumlaufen, ein Leben lang mit dieser Lüge. Er möchte auf eigentümliche Weise dazugehören. Andere können das doch auch. Warum er nicht?
Er hört Akklamationsveranstaltungen in der Universität. Er hat die «2000 Worte» der Literarni Listy im Kopf, kann ihn fast auswendig, jenen Aufruf vom 27. Juni 68, in dem siebzig Künstler und Intellektuelle der CSSR vor der Zerstörung des Prager Frühlings warnten. Und Professoren und Studenten der DDR, die sich auch Intellektuelle nennen, begrüßen nun den Einmarsch, bejubeln die Rettung des Sozialismus.
Ich war wie von Sinnen, sagt Peter Michel, ich taumelte herum, hatte den <Mut>, während der Beifallsbekundungen im großen Hörsaal die Hand nicht zu heben. Mit Freunden diskutiert er, wird immer ungehemmter, und irgendwann, im Januar 1969, schreibt er einen Brief an die Staatsratskanzlei, an Walter Ulbricht. In diesem Brief, sagt er, kotzte ich mich aus. Ich schrieb über Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit und Gott und die Welt und meine Vorstellungen vom Sozialismus.
Einen Monat später wird er ins Hochschulsekretariat gerufen. Auf dem Schreibtisch liegt der Brief. Und man liest ihm Berichte vor, Sätze, die er gesagt haben soll, die er gesagt hat, natürlich, er erkennt das wieder, das hat er doch alles gesagt in den letzten Wochen. Er ist wie gelähmt, wie erschlagen, erkennt, daß es zwischen den Kommilitonen, zwischen seinen Freunden Spitzel gibt.
Wer hat das alles notiert? Wer hat ihn verraten? Man sagt ihm, daß einer wie er nicht geeignet sei, an einer Sozialistischen Hochschule zu studieren. Aber da bei ihnen niemand fallengelassen werde, habe er die Chance, sich in der Produktion zu bewähren; und wenn er zu einem festen Klassenstandpunkt zurückgefunden habe, wolle man weitersehen.
So war das, sagt Peter Michel. Und er ist auf eigentümliche Weise froh, all dem und auch sich selbst entfliehen zu können. Aber dann kommt die Angst wieder, auch die Scham, versagt zu haben, und die Eltern sind enttäuscht, und er weiß nicht, wohin, er schreibt Bewerbungen, sucht einen Job, mal ist Interesse da, dann werden die Unterlagen nachgeschickt, und schon ist das Interesse wieder weg.
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In Schönbrunn wird eine Talsperre gebaut. Da fängt er als Betonarbeiter an. Nur nicht nach Reichenbach, nur nicht nach Hause. Ich wollte meine Mutter vor dem täglichen Anblick meines <Elends> bewahren, sagt er.
Er ist hellwach, aber gelähmt. Er weiß nicht, was er mit sich anfangen soll. Er vergräbt sich in Bücher, zerstreut sich bei Frauen, meidet die alten Freunde, denkt immer wieder an Flucht. Und im Sommer 1970 ist er das alles so leid, er will wieder kämpfen.
Er geht zur SED-Kreisleitung nach Ilmenau, sagt, daß er zwar kein Mitglied der Partei sei, sich aber nun lange genug bewährt habe, er wolle jetzt eine wirkliche Chance, es könne doch nicht im Sinne der Partei sein, einen jungen Menschen derart vergammeln zu lassen. Und tatsächlich, es bewegt sich etwas. Peter Michel wird stellvertretender Kulturhausleiter im kleinen Berga. Es sollte die Vorstufe sein für ein erneutes Studium.
Er lernt, diplomatisch zu sein. Er orientiert sich an Themen und Personen, die sich an der äußersten Grenze dessen bewegten, was als <humanistisches Erbe> gelten konnte, sagt er. So ist es möglich, sich in brenzligen Situationen auf die Klassiker Marx, Engels und Lenin zu berufen.
Und dann, eines Tages, taucht im Vestibül des Clubhauses auf - Manfred Böhme. Alles an ihm, sagt Peter Michel, hat mich augenblicklich fasziniert. Sein schwarzer Mantel, der Schal, das Gesicht, der Bart, die unheimlich lebendigen, beinahe durchdringenden Augen, die warmherzigen, wissenden Blicke, alles. Er war ein Paradiesvogel, sagt er, und ich war entzückt.
Sie reden über die Arbeit im Clubhaus, über Lesungen, die man machen könnte. Und Peter Michel hat den Eindruck, es interessiere Böhme, was er da erzählt. Und so verabreden sie sich wieder, wollen sich in Greiz sehen.
Michel hängt an Greiz. Greiz, sagt er, hatte ein freies Klima, ein gutes Theater, hatte vor allem Reiner Kunze. Ja, natürlich, den kannte er, hatte ihn bei einer Lesung gehört, hatte fast all seine Gedichte auf Schreibmaschinendurchschlägen zu Hause, so eine Art Samisdat war das.
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Außerdem gab es in Greiz immer mehr einzukaufen als in Reichenbach. Wenn meine Eltern was Besonderes suchten, sagt er, dann fuhren sie nach Greiz. Und so freut er sich denn auf die Stadt, freut sich vor allem auf Manfred Böhme.
Sie sehen sich zwischen November 1970 und Mai 1971 häufig, sehen sich im Club «Alexander von Humboldt», im Restaurant, überall ist Böhme bestens bekannt, im Hotel «Thüringer Hof» wird er mit Namen angeredet. Er ist regelrecht umschwärmt, und er scheint das zu genießen, und Peter Michel beobachtet es neidvoll-ehrfürchtig.
Er war für mich einfach die Inkarnation eines Universalgeistes, sagt Michel. Er kam ohne die eindimensionalen Erklärungsmuster und Lebensansichten aus, die mich sonst umgaben und deren Dürftigkeit mir die Kehle zuschnürte.
Er sprach fließend Russisch, war immer ernst, hochgeistig, bedeutungsschwanger und immer von einer Art Schwermut getragen, sagt Michel. Aber die zog nicht nach unten, die zog hoch. Nie habe er ihn in ausgelassener Stimmung erlebt, kann sich auch an keinen Witz erinnern, den er gerissen hätte. Aber er konnte stundenlang über Filmmusik von Tiomkin dozieren. Stunden auch über chinesische und russische Geschichte, und was er zu Heinrich Heine sagt, und wie er es sagt, das begeistert den Studenten auf Bewährung. Er hatte keinen Hang zu oberflächlichem Luxus, sagt Michel. Er brachte mir einen ganz anderen Luxus bei, den ich so nicht kannte, nämlich Musik zu hören bei einem Glas Wein.
Von sich selbst habe Böhme nie etwas erzählt. Und Michel habe nie danach gefragt. Dafür aber sei ihm der Mund übergegangen. Er habe über alles geredet. Über seine Exmatrikulation, über seine Liebe zu Viera, über seine Schwierigkeiten mit dem Sozialismus, über seine Ängste, über seine Wünsche, über alles. Nur nicht über seine Fluchtabsichten, die noch immer im Kopf sind. Sonst öffnet er sich ohne jede Hemmung. Und er fühlt sich mit seinem Weltschmerz und seiner Hilflosigkeit bestens bei ihm aufgehoben.
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Böhme gibt sich selber nur in Versen preis. Die folgenden schenkt er seinem Freund Peter Michel:
Daß...
Daß mich die Zeit nicht ewig trenne,
von dem, was mir die Liebe scheint;
daß ich im Kampf die Kraft erringe,
die mich mit meinem Traum vereint;
daß Straßen sich nach vorn bewegen,
auf ihnen ich im flotten Schritt!
Dafür nur gilt es mir zu leben,
und dafür zwing' ich mein Geschick!Dieses Gedicht, sagt Peter Michel, beschwört ein bißchen die Zeit von damals, gibt einen kleinen Einblick in sein Innerstes, in die verborgenen, individuellen Sehnsüchte und Kümmernisse, die sein, mein und das Leben so vieler ausmachten. Und er müsse betonen, daß er trotz des bösen Endes ihrer Verbindung keinen Haß ihm gegenüber empfinde. Vielmehr habe die Verworrenheit der Seelen ein feines, dünnes Band der Verbundenheit geknüpft.
Eines Abends, Böhme hat ihn mit zu einer Veranstaltung in den Club «Alexander von Humboldt» genommen, ist es spät geworden, und es fährt kein Zug mehr nach Berga. Da sagt Böhme, er könne bei ihm bleiben. Sein Zimmer, sagt Michel, strahlte Individualität aus, die alten, schweren Möbel, der abgeschabte Teppich, der einmal wertvoll gewesen sein muß, und ein Tisch, übersät mit Büchern und Papieren. Es war die Bude eines Feinsinnigen.
Manfred Böhme zündet eine Kerze an, schenkt Rotwein ein, und dann liest er einen Essay, den er selbst verfaßt hat. Es geht um Lew Tolstoi, der die Uraufführung der «Apassionata» von Peter Tschaikowsky miterlebt in Petersburg, Tolstoi, der dasitzt in der ersten Reihe und vor Ergriffenheit weint. Und ich war vollkommen gerührt, wie Böhme das bei Kerzenschein vortrug, sagt Michel. Es war ihm, als schwebte faustischer Weltgeist durch den dunklen Raum.
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Dann liest der Freund Lermontow vor, liest aus dem Roman «Ein Held unserer Zeit». Der Held heißt Petschorin und ist kühl bis ans Herz. Er zieht Männer und Frauen in seinen Bann - und stößt sie von sich, verrät sie. «Ist das Böse wirklich so anziehend?» fragt Petschorin. Er liebt Feinde, er liebt es, Absichten zu erraten, Verschwörungen zu zerstören, «sich getäuscht stellen und plötzlich mit einem Schlag das ganze riesige, mit soviel Mühe errichtete Gebäude aus feiner List und Tücke zum Einsturz zu bringen — das nenne ich Leben!»
Das sagt Petschorin, der unter der Maske des Freundes auf das Unglück seiner Freunde wartet. Am Ende fragt er sich: Warum habe ich gelebt? Zu welchem Zweck bin ich geboren worden? Und Petschorin antwortet, er sei das Beil in den Händen des Schicksals gewesen. «Wie die Henkerwaffe bin ich auf das Haupt der verurteilten Opfer herabgefallen, oft ohne bösen Willen, immer ohne Bedauern. Meine Liebe hat niemandem Glück gebracht, weil ich denjenigen, die ich liebte, nichts opferte. Ich liebte für mich, für das eigene Vergnügen.»
Spät in der Nacht gehen die beiden jungen Leute schlafen. Sie liegen in dem großen Bett unter klammen Federdecken. Und Manfred Böhme berührt den Freund, der ihn so sehr bewundert und der ihm so ergeben ist. Und der ist verwirrt, hat eine unbestimmte Angst und weiß nicht, wie er dem begegnen soll. Er liegt da wie erstarrt und ist dankbar, als sein Freund ihm eine gute Nacht wünscht. So blieb nichts zwischen uns, sagt Peter Michel, auch am Morgen, als Frau Herold leise an die Tür klopfte, spielte das keine Rolle mehr.
Sie sehen sich auch weiterhin, bereden Dienstliches, und Böhme liest in Berga, und Michel lädt ihn nach Hause ein, zu den Eltern nach Reichenbach, und er ist stolz, als es endlich klappt, als Böhme am Kaffeetisch sitzt. Peter Michels Schwester wird es später spöttisch kommentieren, das <große Ereignis), und sie macht sich lustig über den Bruder, der diesen Manfred so vergöttert.
Ja, das tut er. Er sieht seinen Freund wie einen Helden von Puschkin durch die weißen Nächte von Sankt Petersburg schlendern, sieht auch Maupassants <Bel ami> in ihm, ein Stück Raskolnikoff von Dostojewski, einen Sommergast von Maxim Gorki, der beflügelt vom bloßen Ästhetizismus schwärmend durch die Felder streift.
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Und weil dieser Manfred Böhme nie einen Zweifel daran gelassen hat, daß der Sozialismus seinem Idealbild doch noch einmal ähnlich werden kann, pflanzt er auch in Peter Michel jene verlorengegangene Zuversicht, deren Nichtherstellbarkeit ihm immer schwerer zusetzt. Aber die von Böhme gespeiste Phantasie und die Wirklichkeit in Berga driften immer weiter auseinander. Im Juni entschließt Peter Michel sich, über Bulgarien in den Westen zu fliehen.
Er sagt es niemandem. Aber er sieht noch seine Mutter aus dem Fernster schauen, als der Vater ihn zum Bahnhof fährt. Und er sieht, daß die Mutter es weiß.
In der Nacht zum 2. Juli 1971 will er auf ein Schiff flüchten. Alles ist verabredet. Bei strömendem Regen überwindet er am Strand von Burgas die Hafenmauer, rennt den Laufsteg hoch, ist fast an Deck, es fehlen noch zwei Schritte – Halt! Es ist aus. Er ist entdeckt. Er wird festgenommen, in die DDR zurückgeflogen, in Handschellen, zunächst nach Karl-Marx-Stadt. Da kommt er in die Zelle zu einem, der in der Nacht zuvor seine Mutter ermordet hat. Ich dachte, sagt Michel, ich sterbe. Dann wird er nach Gera gebracht und von der Staatssicherheit verhört.
Er soll Leute nennen, zu denen er Kontakt gehabt hat in den letzten Monaten. Er nennt die Leute aus Berga. Das weiß ja jeder, daß er mit denen zusammen war.
Sie sind in Greiz gesehen worden.
Er schweigt.
Wen haben Sie in Greiz getroffen?
Er weicht aus. Nennt die Eltern, nennt die Schwester. Zu allen wird er peinlich genau befragt.
Und wen haben Sie in Greiz getroffen?
Er nennt Böhme. Warum nicht? Böhme ist doch stadtbekannt, ist doch fast schon eine Person der Öffentlichkeit.
Böhme?
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Kaum habe ich den Namen gesagt, sagt Peter Michel, da grinst der Vernehmer zum erstenmal, das weiß ich noch genau. Grinst und fragt nicht weiter. Zu jeder Person haben sie mich gefragt. Zu ihm nicht. Nicht, wann, warum und wie oft wir uns gesehen haben. Keine Frage.
In der Zelle denkt er darüber nach. Es macht ihn stutzig. Und plötzlich wird ihm alles klar, ohne daß er einen Beweis hat. Sie kennen Böhme. Sie grinsen bei seinem Namen. Er ist ihnen also bekannt.
Später wollen die Vernehmer etwas über eine Rede wissen, die er geschrieben haben soll.
Welche Rede?
Sie nennen Einzelheiten.
Aber das war doch keine Rede, das war ein Konzept für eine Rede.
Sie sind gewarnt worden wegen dieser Rede, sagen die Stasi-Leute.
Wieso gewarnt? Über das Konzept habe ich doch nur mit Manfred ... So ist das also. Aber Böhme hat es doch gut gefunden, was ich da sagen wollte. Aber er hat – natürlich, er hat gesagt, ich solle es mehr auf gegenwartspolitische offizielle Verlautbarungen abstellen.Vor dem Gerichtssaal werden Peter Michel die Handschellen abgenommen. Ich kam mir vor wie ein Schwerverbrecher, sagt er. Drinnen sieht er seinen Vater, den Ankläger, dessen Diplomarbeit er zur Hälfte geschrieben hatte, sieht noch ein paar Leute und – Böhme. Das, sagt Michel, raubte mir den Rest meiner Fassung.
Er hört nur noch Wörter, hört <Staatsfeind> und <Gesellschaftsschädling>. Und dann soll er sich erklären. Er stammelt mehr, als daß er redet. Und dabei will er doch keine Schwäche zeigen, doch nicht hier. Er zitiert Rosa Luxemburg, er zitiert Nicolai Bucharin, sagt, was der über Lenin gesagt hat: «Man zerschnitt seine Gedanken für balsamierte Reden ...» Da fährt der Richter ihn an, brüllt: Nun setzen Sie sich mal, Herr Philosoph, das reicht uns!
Und Böhme sitzt in der zweiten Reihe und sieht mich nicht an. Er sitzt da, den Ellenbogen auf die Banklehne gestützt, den Kopf geneigt, den Blick nach vorn. Manfred Böhme sagt als Zeuge aus. Er beschreibt Peter Michel als einen Wirrkopf, berichtet von der Rede und deren negativer Tendenz. Ich weiß die Worte nicht mehr, sagt Michel. Es schwamm doch alles vor meinen Augen. Und seine größte Enttäuschung ist – ich weiß, sagt er, das klingt naiv –, daß er kein gutes Wort über mich sagt. Ich wußte, daß es am Urteil nichts geändert hätte, aber ein positives Wort war das einzige, was ich von ihm erwartet hätte.
Peter Michel wird am 1. Oktober 1971 vom Kreisgericht Greiz zu zweiundzwanzig Monaten Freiheitsstrafe wegen <versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts> verurteilt.
Ich frage Manfred Böhme, warum er gegen Peter Michel ausgesagt habe. Er sagt: Ich habe nicht gegen Michel ausgesagt. Ich wußte doch gar nichts von seiner Flucht.
Das ist richtig. Aber von seinen Nöten wußte er. Und daß er politisch nicht mehr zuverlässig war.
Böhme sieht kühl an mir vorbei und schweigt.
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