Gustav Landauer: Zeit und Geist - Kulturkritische Schriften 1890-1918
Herausgegeben von Rolf Kauffeldt und Michael Matzigkeit # 350 Seiten # ISBN 3-924963-10-X
Ein Schriftsteller, Anarchist und Kulturkritiker
Ein Opfer des nationalistischen Terrors nach dem Fall der Räterepublik in München
Zeitgeschichte, Literaturkritik, PhilosophieErscheint Herbst 1997
Inhalt
Vorwort
I. Landauer-Texte
1. Das neue soziale Drama
2. Gerhart Hauptmann
3. Die Kriegsfeier
4. Friedrich Engels und die materialistische Geschichtsauffassung
5. Der Anarchismus und die Gebildeten
6. Der Dichter als Ankläger
7. Zur Geschichte der deutschen Literatur
8. Der Sozialismus und die Studenten
9. Dostojewski
10. Durch Absonderung zur Gemeinschaft
11. Über Michael Bakunin
12. Mauthners Werk
13. Musik der Welt
14. Die Neue freie Volksbühne
15. Schleiermacher: Briefe
16. Volk und Welt - Dreißig sozialistische Thesen
17. Die Kultur des Mittelalters
18. Hofmannsthals "Ödipus"
19. Von der Ehe
20. Selbstmord der Jugend
21. Brot
22. Die Botschaft der "Titanic" / 23. Bayreuth / 24. Rückkehr in die Großstadt / 25. Sind das Ketzergedanken? / 26. Kiew 27. Die deutsche Romantik in Literatur, Musik und Kunst / 28. Ein Weg Deutschen Geistes / 29. Friedrich Hölderlin in seinen Gedichten / 30. Zu Tolstois Tagebuch / 31. Eine Ansprache an die Dichter 32. Die vereinigten Republiken Deutschlands und ihre VerfassungII. Bilder und Dokumente
III. Anhang
1. Kommentar zu den Landauer-Texten
2. Gustav Landauer - Eine Chronologie
3. Öffentliche Reden und Vorträge Gustav Landauers
4. Bibliographie
5. Bildnachweise
6. Register
Kurzbeschreibung
Die vorliegende Auswahl versammelt Landauers in einem weiteren Sinne als kulturkritisch zu bezeichnenden Texte; dies schließt Arbeiten zu Literatur und Kunst, zum Judentum, zur Kulturphilosophie, zur wilhelmischen Gesellschaft und modernen Großstadtkultur ebenso ein wie grundsätzliche Aufsätze zum Anarchismus/Sozialismus. Nach Meinung der Herausgeber sind dies, neben Landauers beeindruckendem Briefwechsel sowie seinen grundlegenden Arbeiten "Skepsis und Mystik", "Die Revolution", "Aufruf zum Sozialismus", seinen Shakespeare-Studien diejenigen Texte, die über den Tag hinaus Anspruch auf Geltung haben. Nicht mit aufgenommen wurden deshalb auch Aufsätze, die in erster Linie Tagesereignissen bzw. politischen Organisationsfragen und Positionsbestimmungen innerhalb der Arbeiterbewegung verhaftet sind und allein noch sozialgeschichtliches Interesse beanspruchen bzw. der Landauer-Forschung dienen können.
Die Textauswahl ist chronologisch zusammengestellt, um Entwicklung und Kontinuität im Landauerschen Denken im Ansatz zu illustrieren. Die einzelnen Texte sind jeweils mit einem Kommentar versehen, so daß die zeitgeschichtlichen Bezüge deutlicher werden. Der Text selber wurde in der Schreibweise behutsam modernisiert, ohne in die stilistischen Eigenarten Landauers einzugreifen.
Der Verlag hat sich zudem dankenswerter Weise dazu entschlossen, der Textauswahl einige in den letzten Jahren entstandene Aufsätze über das Werk Landauers mitaufzunehmen, um dem Leser zusätzliche Informationen zu einzelnen Schwerpunkten (Nietzsche-Rezeption, Theaterarbeit, Literaturkritik, das Verhältnis Romantik-Mystik-Anarchie) zu bieten und den Zugang zu den Texten zu erleichtern. Außerdem wird auch eine Zusammenstellung der von Landauer gehaltenen Vorträge wiedergegeben. Sie erlauben Rückschlüsse auf die gesellschaftlichen Kontakte Landauers ebenso wie auf die von ihm für bedeutsam gehaltenen Themen. Sie ergänzen die umfangreiche Biographie in Stichworten somit in einem wichtigen Punkt. Nachweise der jeweils ersten Veröffentlichung und die Kommentare zu den Landauer-Texten befinden sich ebenfalls im Anhang.
Zum Autor
Der Schriftsteller und libertäre Sozialist Gustav Landauer (1870-1919) gehört zu den bemerkenswertesten und einflußreichsten Persönlichkeiten in Deutschland zu Beginn des Jahrhunderts. Seine lebenslange Freundschaft mit Martin Buber und Fritz Mauthner zählt zu den bedeutenden Zeugnissen der jüngeren deutsch-jüdischen Kulturgeschichte. Seine Existenz als Literaturkritiker und Sozialphilosoph war stets mit einem öffentlichen Wirkungsanspruch verbunden. Eine hellsichtige Kulturkritik und der Aufruf zur "inneren Umkehr" begleiteten seine utopische, sozialrevolutionäre Forderung nach der Einrichtung selbstverwalteter, freiheitlicher Gemeinwesen. Diesem Ziel war sowohl seine Theaterarbeit als auch schließlich seine kurze Tätigkeit als Volksbeauftragter für Kultus in der Münchener Räterepublik verpflichtet, bei deren Niederschlagung er von Freikorpssoldaten brutal ermordet wurde.
Ein paar Worte über Anarchismus
... Aus dem, was ich bisher gesagt habe, folgt zweierlei: erstens, daß der Anarchismus in unserer Zeit nicht eine Massenbewegung sein kann, sondern nur eine solche von Einzelnen, von Vorläufern. Immerhin aber können die unterdrückten Massen weitgehende, Sympathien mit unserer vorgeschickten Truppe haben und alle mögliche Hochachtung; und das beginnt sich in der That allenthalben, so auch in Deutschland in den sozialdemokratischen Massen, anzubahnen. Große Teile der Arbeiterschaft in Deutschland haben angefangen, sich im Stillen oder laut zu freuen, daß wir überhaupt Anarchisten haben; es selbst zu sein, halten sie teils nicht für möglich, teils nicht für nötig. Zweitens folgt aus meinen Bemerkungen, daß wir trotz allem prinzipiellen Skeptizismus unverbesserliche Optimisten sind: denn wir sind nicht Individualisten alten Stils, wir glauben an die Gutartigkeit und Entwickelungsfähigkeit des Menschenschlags und wollen daher eine anarchistische Gesellschaft; nicht einzelne Heroen und Autokraten, sondern ein Zusammenleben der Einzelnen auf dem Grunde der freien Vereinbarung und der vernünftigen Rücksichtnahme, wirtschaftlich gesprochen: des Sozialismus.