Theodor Lessing

Einmal und nie wieder

Lebenserinnerungen

zuerst 1935


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Biografiebuch

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Hans Mayer hat Theodor Lessings „Einmal und nie wieder“ als seine bedeutendste Veröffentlichung bezeichnet – „als Aufschreibung seiner Jugendgeschichte und als Liebeserklärung an Hannover“. Aber die „Lebenserinnerungen“ sind mehr. Sie legen Zeugnis ab von dem Versuch, den Werdegang und das Schicksal eines geistigen Menschen zu deuten. Kaum jemand hat sich im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in deutschen Gefilden so aufrichtig und redlich wie Lessing bemüht, bei der Schilderung seines Weges nichts zu beschönigen – selbst auf die Gefahr hin, seinen Gegnern und Feinden durch das Bekennen eigener Schwächen und Peinlichkeiten in die Hände zu spielen. Wegen einer kritischen Glosse über den damals in Hannover lebenden Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg ist im Jahre 1925 gegen den „Juden, Pazifisten und Sozialisten“ eine Hetzkampagne von völkisch-nationalistischen Kreisen entfacht worden, die ein Jahr später zum Entzug von Lessings Lehrbefugnis an der Technischen Hochschule Hannover führte. Am 30. August 1933 erschossen ihn sudetendeutsche Nationalsozialisten im tschechoslowakischen Exil in Marienbad. Seine Erinnerungen, seit langem vergriffen und anlässlich seines 150. Geburtstages nun wieder aufgelegt, offenbaren seinen „philosophischen Pessimismus“. Zusammen mit den Beiträgen von Helmut Donat, Otokar Fischer, Hans Mayer, Rolf Wernstedt und Jörg Wollenberg verdeutlichen sie aber auch seinen Willen, sich der „Selbstzerstörung des Menschen durch den Menschen“ entgegen zu stellen und den Raubbau des Menschen an der Natur zu stoppen. Lessings Warnungen vor dem „Untergang der Erde am Geist“ – so der Titel eines seiner wichtigen Bücher – sind aktuell wie nie und zugleich Erbe und Auftrag.

 

Es geschah, daß der Vater zur Mutter sagte: <Ich kann eure Gesichter nicht mehr sehn. Nimm den Jungen und verlaß mit ihm das Haus.> Dann nahm die Mutter weinend mich zur Seite und prägte mir ein: <Geh zu Papa und bitte, daß er uns nicht verstößt.> […]

So furchtbar auch die Erinnerungen an den Vater sind, schlimmer ist für mich das Andenken der Mutter. Sie war träge, sinnlich, vergnügungssüchtig; spielte immer den Vogel Strauß; fand immer ein Mausloch.

<Du willst heute abend ins Theater?> fragte [der Vater] in Mißlaune. <Ja ich dachte daran.> - <Du dachtest; ich aber wünsche, daß du zu Hause bleibst. Kümmre dich um den Haushalt.> Sie schwieg. Sie wußte, daß seine Stimmungen bald umschlagen. Nachmittags, wenn er ausgeschlafen hatte, klopfte sie bescheiden an seine Tür. […] <Ich bringe den Kaffee und möchte um Verzeihung bitten. […] Ich hab dir die Stimmung verdorben.> […] Wochenlang lebten sie getrennt von Tisch und Bett.

<Ich kann dich nicht riechen. Pack deinen Kram und zieh aufs Fremdenzimmer.> […] Solche Demütigungen steckte sie geduldig ein, aber würdelos war, wie sie sich rächte, sobald einmal der Mann wehrlos wurde. Folgende Szene sehe ich vor mir.

Mama liegt auf der Chaiselongue und liest einen Roman. Nebenan im ‚blauen Kabinett‘ ist mein Vater bei einer Operation. Er ruft in den Flur hinaus: <Schnell, heißes Wasser!> Aber die Dienstboten sind zufällig abwesend. Mama rührt sich nicht. Er stürzt ins Zimmer. <Ich kann nicht warten, hol heißes Wasser, der Patient verblutet.> Das ist ein Augenblick, wo sie sich rächen kann. <Das ist Sache der Domestiken. Ich bin keine Magd.>

So vergifteten sie einander.

 

 

    

 

 

               

          

 

 

 

 

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Theodor Lessing  --  Einmal und nie wieder -  Lebenserinnerungen -  zuerst 1935