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12. Ist der Flugverkehr noch tragbar?   

 

Anmerkungen zu verkehrspolitischen Alternativen

 

 

 

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Ähnlich wie die Ausbreitung des Autos auf dem Boden alle Städte und Landschaften durcheinandergewühlt hat, so hat das Flugzeug vor allem die uralte, seit Jahr­millionen eingespielte Atmosphäre — diese so unglaublich dünne Luftschicht, die alles Leben auf der Erde erst möglich macht — schon heftig durch­einander­gewirbelt. 

Einige wenige mit Pioniergeist und dem Mut zu unbequemen Resultaten ausgestatteten Wissenschaftler auf der Erde mühen sich derzeit redlich, ein wenig Licht hinter die globalen Folgen dieses "Luftangriffs" zu bringen. 

Leider dienen ausgerechnet kritische Wissenschaftler den Politikern als Alibi gegen die Forderungen, eine umweltverträglichere (oder richtiger: weniger umwelt­schädigende) Mobilität überhaupt zu ermöglichen. Denn: wir alle kennen den bei Politikerinnen und Politikern üblichen Mechanismus, darauf zu verweisen, daß man noch längst nicht genügend Wissen angehäuft habe und darum weiterhin nur geforscht werden solle.

Dabei ist diese Haltung nicht mehr gerechtfertigt, was den Flugverkehr anbelangt. Wenn man bei der Umweltpolitik tatsächlich vorsorgend (im Wortsinne) handeln will, muß die Devise "Einschreiten bei jedem Verdacht auf Umweltschädigung" gelten. Dieser Verdacht hat sich beim Flugverkehr längst verdichtet. Die dramatischsten Folgen werden sich global einstellen: Abbau der lebenswichtigen Ozonschicht und zudem eine kräftige Verstärkung für den Treibhauseffekt.

Die politisch Verantwortlichen sind — endlich — gefordert. Initiativen zur Vermeidung dieser Gefahren sind notwendig. Von einer Politik der Vorsorge kann schon jetzt keine Rede mehr sein, da noch gar nicht bekannt ist, wie groß die bestehenden Eingriffe in die Erdatmosphäre bereits sind. Die Tatsache, daß massive Eingriffe durch den Luftverkehr vorhanden sind, läßt sich nicht mehr leugnen.

Von den Wirtschaftsunternehmen der Luftfahrtbranche werden keine eigenen Impulse für eine Verbesserung der Situation zu erwarten sein, denn der derzeitige Flugbetrieb ist auf den wirtschaftlichen Erfolg dieser Firmen optimiert. Jede Änderung würde hier wirtschaftliche Einbußen bedeuten, was kein Unternehmen freiwillig riskiert. Erst auf Druck von Politik und Bevölkerung wird sich etwas bewegen.

Aus den Ausführungen in den einzelnen Kapiteln des Buches ergeben sich eine ganze Reihe von möglichen Maßnahmen, die jeweils schon ausgeführt wurden. Trotzdem werden hier noch einmal zusammenfassend die nötigen und möglichen Abhilfemaßnahmen gegen weitere Gefährdungen dargestellt. Anzustreben sind:

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Es ist sicherlich utopisch und auch nicht erstrebenswert, jeglichen Flugverkehr zu untersagen. Es muß jedoch dringend daran gearbeitet werden, den Flugverkehr umweltverträglich zu gestalten, wobei es wenig Sinn macht, dies alles nur national durchzusetzen — wirklich greifen können diese Maßnahmen erst, wenn sie weltweit durchgesetzt werden. Dies sollte jedoch niemanden davon abhalten, national erste Schritte einzuführen, die in die richtige Richtung weisen.

Ein besonders wichtiges Instrument für eine Reduzierung des Flugverkehrs ist die Abschaffung jeglicher staatlicher finanzieller Unterstützung des Luftverkehrs. Hierdurch wird die so oft beschworene Marktwirt­schaft zu einer Farce. Während man sich bei der Bundesregierung hochgradig über jede für die Eisenbahn ausgegebene Million ziert, verzichtet man sogar auf Einnahmen beim Flugverkehr durch Versteuerung des Kerosins. Obendrein buttert man allein in die Airbus-Industrie noch etliche Milliarden DM hinein. Die durch den Flugverkehr entstehenden Umweltschäden werden — soweit sie überhaupt mit Geld auszugleichen sind — sowieso von der Allgemeinheit getragen.

Gerade diese Kosten sind jedoch nicht unerheblich. Das Umweltbundesamt berechnete für 1985 insgesamt Umweltschäden in der Bundesrepublik in Höhe von 103 Milliarden DM. Diese Kosten dürfen nicht durch den Steuerzahler getragen werden, sondern müssen auf die Verursacher zurückgeführt werden. Insgesamt würde dies dazu führen, daß — nicht nur beim Flugverkehr — ein Echtpreis für die Inanspruchnahme einer Transporthilfe verlangt wird, wie dies schon von verschiedener Seite gefordert wird, auch von Klimaforschern.

Solch ein Echtpreis, der alle entstehenden Kosten mitberücksichtigt, würde selbstverständlich erheblich über demjenigen liegen, der jetzt unmittelbar an die Fluggesellschaften gezahlt wird. Erheblich steigende Preise werden automatisch auch eine geringere Nutzung des Verkehrsmittels Flugzeug bedeuten. Bei der Einführung eines Echtpreises würde es sich nicht um zusätzliche Steuern handeln, sondern lediglich um eine Umverteilung der auch bisher schon erbrachten finanziellen Leistungen auf die Verursacher — eine sicherlich gerechtere Lösung.

Wichtig ist bei solchen finanziellen Hürden jedoch, daß sie nicht auf ein Land beschränkt blieben, da sie sonst gerade ein sich umweltfreundlich verhaltendes Land stark belasten würden. Andere Länder, die sich weniger umweltfreundlich verhalten, würden bevorzugt und könnten attraktivere Angebote machen.

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Ähnliche Gedanken sind mittlerweile auch schon Bundesumweltminister Klaus Töpfer gekommen — seine Forderung lautet zusammengefaßt: "Wer fliegen will, muß zahlen". Bei einer Umfrage der Reise-Zeitschrift "Saison" bei Geschäftsführungen führender Reiseunternehmen gab es jedoch reichlich Widerspruch. Sowohl bei NUR Touristic ("Umweltpolitik durch den <Geldbeutel> des einzelnen ist meiner Meinung nach der falsche Ansatz. /.../ Nein zur Umweltabgabe des einzelnen Fluggastes.") als auch bei Hapag-Lloyd ("<Wer fliegen will, muß zahlen> geht am Ziel vorbei, denn nur zielgerichtete Maßnahmen können helfen.") und Touristik Union International/TUI ("Eine Umweltsteuer für Flugreisen? Ein klares Nein. Der Flugverkehr ist bereits heute so stark durch Steuern und Gebühren belastet, daß er im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern sehr schlecht dasteht.") gab es neben einigen Sprechblasen schroffeste Ablehnung — ob es sich um Unwissende oder bewußte Umweltfeinde handelt, geht aus den Aussagen nicht hervor. Wie auch immer: mensch sollte sich gut überlegen, ob er/sie (wenn überhaupt) mit diesen Firmen in den Urlaub düsen will.

Die Tatsache, daß auch modernste Flugzeuge eine Klima- und somit Umweltgefahr par excellence sind, scheint zum Teil noch unbekannt: Der Präsident des Deutschen Reisebüro-Verbandes rang sich jedoch immerhin zu folgender Aussage durch: "Die <Stinker> am Himmel sollen zur Kasse gebeten werden, aber die treibstoffarmen, modernen Großraumjets müssen anders behandelt werden. (...) Alle Fluggäste mit einer Umweltgebühr zu belasten, wäre falsch und ungerecht." Der Versuch, die Flugzeuge in umweltfeindliche und -freundliche zu unterteilen, ist jedoch aufgrund der zahlreichen unvermeidbaren Umweltfolgen absurd.

Airtours international konnte sich zu einem eindeutigen "Jein" durchringen, mit leichter aber schwammiger Tendenz zu einer Schadstoffabgabe beim Flugverkehr. Einzig bei den Klingenstein Internationalen Studienreisen rang man sich klipp und klar für eine Umweltabgabe für Flugzeuge durch ("Gerade die Umweltschäden erfordern eine Weiterbelastung der Kosten nach dem Verursacherprinzip."). Bei den Massenflugveranstaltern ist die Stimmung jedoch eindeutig gegen eine solche Abgabe — ein fürwahr deprimierendes Bild, das dort geboten wird.

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Die Verkehrswende

 

Insgesamt wird deutlich, daß für die gesamte Verkehrspolitik eine konsequente Wende gefordert werden muß. Bisher werden die einzelnen Verkehrsmittel wie unabhängige Wirtschaftszweige behandelt. Das gleichlautende politische Ziel für alle Verkehrsträger ist bisher noch immer, eine möglichst hohe Transportleistung zu erzielen. Allein dieses Ziel widerspricht schon in krasser Weise allen Umweltschutzbestrebungen. Schließlich ist es völlig egal, welches Verkehrsmittel verwendet wird: eine Umweltbeeinträchtigung, -belastung oder sogar -schädigung ist immer hiermit verbunden. Das geht eben vom Fußgänger-"Trampelpfad" bis Atmosphärenstörungen durch Raketen.

Eine vor allen Dingen an der Ökologie orientierte Verkehrspolitik muß also im Gegensatz zu den heutigen Zielen zu allererst auf eine Minimierung jeglichen Transportaufkommens hinarbeiten. Der zweite Schritt müßte eine gezielte Förderung und attraktivere Gestaltung der am wenigsten umweltschädlichen Verkehrsträger sein: beispielsweise des Fahrrad- und Fußgängerverkehrs sowie des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Städten, sowie von Eisenbahn, Reisebussen, Rohrleitungen und Binnenschiffen im überregionalen Verkehr. Bisher jedoch geschieht jedoch gerade das Gegenteil: Autos (also PKW und LKW) und Flugzeuge erfreuen sich der ganz besonderen Gunst des Gesetzgebers.

Um dem bisherigen anarchischen Wachstum der umweltschädlichsten Verkehrsmittel endlich etwas Sinnvolles entgegenzusetzen, ist auf nationaler, landesweiter und kommunaler Ebene, möglichst auch international, die Erstellung und Durchsetzung von Gesamtverkehrskonzepten gesetzlich vorzuschreiben, die die weniger umweltfeindlichen Verkehrsmittel gezielt fördern.

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Wenn solche Maßnahmen konsequent aufgegriffen werden, dann würden sich so unsinnige Dinge wie der Inlandsflugverkehr von selbst erledigen und jede weitere Diskussion hierüber würde sich erübrigen. Verbunden mit der Einführung des Echtpreises auf dem Verkehrssektor ließe sich eine grundsätzliche Wende im Verkehr erreichen, ohne daß die einzelnen Verkehrsbenutzerinnen und -benutzer von vornherein irgendwelche Nachteile hinnehmen müßten. Es könnten sich dann alle frei entscheiden, welche Verkehrsträger sie verwenden wollen — mit der Gewißheit, daß die Schwere des Umwelteingriffes sich automatisch im Portemonnaie niederschlägt. Vielen würde dies aus dem Dilemma helfen, in dem sie im Moment noch stecken: der Wahl zwischen Umwelt und Geldbeutel.

 

Gesamtverkehrskonzept unrealistisch?

 

Die Erstellung von solchen Gesamtverkehrskonzepten mag derzeit noch unrealistisch erscheinen und eher einer Utopie gleichen. Andererseits kann es keinen Zweifel darüber geben, daß die globalen Umweltkatastrophen Treibhauseffekt und Ozonzerstörung politische Handlungen früher oder später einfach erzwingen werden. Ganz leichte Andeutungen sind in der Bundesrepublik ja schon erkennbar: die geplante Einführung einer CGvAbgabe auf die fossilen Brennstoffe ist ein erster schüchterner Schritt in Richtung auf den Echtpreis.

Es muß jedoch noch viel mehr getan werden. Einige der genannten Forderungen sind durchaus als Sofortmaßnahmen anzusehen, beispielsweise die Flughöhenbegrenzung auf Höhen unter acht Kilometer (etwa vergleichbar mit einem Tempolimit für Autos). Gerade diese Sofortmaßnahme wäre auch für nationale Alleingänge geeignet, denn sie würde alle über dem Gebiet eines Staates fliegenden Flugzeuge gleichermaßen betreffen und so keine Fluggesellschaft durch den höheren Treibstoffverbrauch benachteiligen. Außerdem hätte diese Maßnahme den positiven Nebeneffekt, den Luftraum kleiner zu machen, so daß die Fluggesellschaften auf unnötige Kurzstreckenflüge von selbst verzichten würden.

Die zunehmende Beliebtheit von Regionalflughäfen, die die Umweltprobleme des Flugverkehrs immer weiter in die Breite tragen, rührt sehr stark von der Überlastung der großen Flughäfen her. Dieser Trend zu den Regionalflughäfen, von denen einige die Bezeichnung "Regional" kaum noch verdienen, würde sich zudem bei einer Entlastung der "Großen" sicherlich abflachen, möglicherweise sogar stoppen. Auch könnte ein attraktiveres Bahnnetz diese Erscheinung überflüssig machen.

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Die Verantwortung der Verbraucherinnen und Verbraucher

 

Es wäre jedoch viel zu einfach, die ganze Verantwortung für eine Veränderung der dramatischen Situation einzig auf die Verantwortlichen in der Politikspitze abzuschieben. Ebenso sind alle Flugzeugbenutzerinnen und -benutzer aufgerufen, das eigene Verhalten kritisch zu überprüfen und zu hinterfragen.

Viel zu oft ist es heute so, daß sich die Urlauberinnen und Urlauber um einen zwar anstrengenden, jedoch zumeist höchst interessanten Teil des Urlaubs betrügen: die Reise. Für viele bedeutet Reise heute nur noch die Fahrt zum nächsten Flughafen, um dann, wohlgeplant, einige Stunden später an den Urlaubsort versetzt zu sein, ohne sich diesem tatsächlich "anzunähern". Vielen ist das Erlebnis des bewußten Reisens so verwehrt.

Dabei sollten sich alle einmal fragen, ob denn solche Flugreisen tatsächlich den gewünschten Erholungseffekt bringen. Ein Urlaub vor der Haustür oder im näheren Umkreis birgt immer wieder Überraschungen. Warum denn immer in die Ferne schweifen?

Nicht leugnen läßt sich auch die Faszination, die vom Verkehrsmittel Flugzeug auf viele ausgeübt wird. Es ist unbestritten ein schönes Gefühl, über den Wolken zu schweben, auch wenn dort keine "grenzenlose" Freiheit herrscht. Aber kann nicht auch eine Schiffsreise nach Norwegen oder Schweden einen ähnlichen Reiz ausüben wie ein Flug?

So oder so gilt ganz allgemein: ein langer Urlaub ist umweltfreundlicher als mehrere kurze Urlaube, für die man immer wieder erhebliche Transportleistungen in Anspruch nehmen muß.

Grundsätzlich sollte bei jeder Flugreise überdacht werden, ob diese Fahrt überhaupt notwendig ist und ob sich nicht zumindest ein anderes Verkehrsmittel, möglichst die Bahn, anbietet. Eine ständige kritische Überprüfung unseres Tuns ist also auch auf diesem Gebiet vonnöten — die Frage nach den Auswirkungen muß für uns alle viel mehr in den Mittelpunkt rücken. Ist dies nicht der Fall, dann darf man nicht überrascht sein, wenn man von den folgenden Entwicklungen überrollt wird und durch dann unumgänglich werdende staatliche Restriktionen die eigene Entscheidungsfreiheit verliert.

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Geschäftsreise = Flugreise?

 

Ein anderer Fall sind die Geschäftsreisen. In der Devise "Zeit ist Geld" wird heutzutage allzu oft so getan, als sei jede Reise mit der Bahn ein verlorener Tag, während zugleich jede Flugreise einen gewonnenen Arbeitstag bedeutet. Hierbei wird nur allzugerne übersehen, daß gerade bei Inlandsflügen die Zeitersparnis gegenüber der Eisenbahn oft nur vorgegaukelt ist. Von Stadtzentrum zu Stadtzentrum bietet die Bahn vor allem bei Entfernungen unter 500 Kilometer dem Flugzeug gegenüber kaum Zeitverlust, da die langen Anfahrten zu den Flughäfen sowie das Ein- und Auschecken entfällt. Auch sind die Verspätungen bei der Bahn noch nicht so erheblich wie bei Flügen.

Eine gerade für Geschäftsreisende interessante Attraktivitätssteigerung wird die Einführung des ICE bei der Bundesbahn bedeuten. Dieses ökologisch auch nicht unproblematische Verkehrsmittel hat als erklärtes Ziel, dem Flugzeug Konkurrenz zu machen. Bedacht werden sollte bei Geschäftsreisen, daß die Fahrtzeit in der Bahn wesentlich besser für "Papierarbeit" zu nutzen ist als Flugzeit.

Zudem können Geschäftsreisen oft gänzlich vermieden werden, da die Anliegen auch gut per Telefon oder Telefax erledigt werden können — wobei nicht verkannt werden soll, daß persönliche Geschäftsverbindungen für Wirtschaftsunternehmen äußerst wichtig sind. Das unumgängliche Maß dieser Verbindungen sollte jedoch soweit wie möglich per Bahnfahrt erledigt — und zeitlich genutzt werden, wodurch sich die Hektik beim Fliegen sogar als Zeitverschwendung erweisen kann.

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Einkaufen per Flugzeug unerwünscht

In diesem Kapitel soll es nicht um neureiche Personen gehen, die zum Wochenend-Einkaufsbummel nach New York fliegen — diese sind wahrscheinlich schon längst jenseits von Gut und Böse. Es sollen einige Gedanken angeführt werden, die mit dem gewaltigen Frachtaufkommen des Flugverkehrs zu tun haben.

Wir Verbraucher haben uns daran gewöhnt, exotische Frischware in den Kaufhäusern zu finden: Orchideen aus Kenia, Regenwaldpflanzen aus Brasilien, Kiwis aus Neuseeland oder Erdbeeren aus Südafrika. Viele Produkte können uns nur per Flugzeug frisch erreichen. Die Frage ist jedoch, ob diese Produkte tatsächlich benötigt werden und den Preis wert sind, den sie erfordern. Die gesellschaftlichen Kosten sind nämlich weitaus höher, als der reine Ladenverkaufspreis angibt: Der Preis der Umweltverschmutzung durch den irrsinnigen Transport läßt uns zumeist auch aus Unwissenheit kalt.

Hier wäre oftmals etwas mehr Gespür vonnöten, ob solche Produkte den Genuß wert sind, ob wir sie uns leisten können oder dürfen.

 

Politisches Engagement ist notwendig

 

In den großen Umweltverbänden sind es erst sehr wenige, die sich aktiv und grundsätzlich mit dem Problemfeld Flugverkehr auseinandersetzen, einige hoffnungslos überlastete Experten. Hinzu kommen noch wesentlich mehr Bürgerinitiativen in der Umgebung von Flughäfen, die sich mit den speziellen Problemen vor Ort auseinandersetzen.

Aufgrund der recht wenigen allgemein zum Thema arbeitenden Personen sind bisher sowohl Politik als auch Wirtschaft kaum unter öffentlichen Druck geraten. Dabei gibt es eine Unzahl von Möglichkeiten, sich zu engagieren. In einer Bürgerinitiative vor Ort, die sich aus direkter Betroffenheit heraus für Beschränkungen auf einem naheliegenden Flughafen stark macht. Oder auch durch Mitarbeit in einer größeren, überregional denkenden Umweltschutzorganisation.

Aber auch als Einzelperson kann man sich engagieren. Briefe an Politiker, Institutionen und Wirtschaftsunternehmen landen bei weitem nicht so oft und schnell im Papierkorb, wie immer gerne glauben gemacht wird (schließlich sorgt dieser allgemeine Glauben auch dafür, daß wenige solcher Auseinandersetzungen überhaupt erst stattfinden). 

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Der Buchautor vermag aus eigener Erfahrung zu bestätigen, daß engagiertes Auftreten in Institutionen durchaus für Nachdenklichkeit und Aktivität sorgen kann — auch wenn dies nach außen hin nicht immer zugegeben wird. Wenn erst einmal der Mut gefunden ist und sich hierzu ein gesundes Maß an Hartnäckigkeit gesellt, dann sind durchaus auch für Einzelpersonen (wenn auch kleine) Erfolge erreichbar. Merke: Wenn viele tausend Personen kleine Erfolge erreichen, dann ist unter dem Strich viel erreicht.

 

 

Widerstand hat Tradition

 

Mittlerweile zieht nahezu jedes bekanntgewordene Flughafenbauprojekt massiven Widerstand nach sich. Dieser kann durchaus Erfolg haben: Scheiterte doch kürzlich gerade der geplante Bau eines Regionalflughafens in Rendsburg-Hohn sowohl an den Aussagen einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) als auch an dem schnell und massiv aufbrandenden Widerspruch der Bevölkerung in der sehr "strukturschwachen" Region Schleswig-Holsteins. Es geht also!

 

 

Widerstand gegen die Startbahn West   

 

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Aber in der Bundesrepublik denkt man bei dem Stichwort "Widerstand gegen Flughafenbau und -erweiterung" natürlich an die jahrelangen heftigen Auseinandersetzungen um die mittlerweile im Betrieb befindliche "Startbahn West" des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens. Beantragt Ende 1965, war der Planfeststellungsbeschluß 1968 ergangen, jedoch von 44 Klägern angefochten worden. Gerichtlich festgestellte Verfahrensmängel hatten 1970 für die Aufhebung dieses Planfeststellungsbeschlusses gesorgt. Die Prozedur wiederholte sich und endete Mitte 1980 mit der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit durch den Hessischen Minister für Wirtschaft und Technik. Was folgte, ist den meisten bekannt: Großdemonstrationen und Aktionen von Gegnerinnen und Gegnern des Flughafens, große Polizeiaufgebote zum Schutz der baumfallenden Waldarbeiter, Hüttendörfer und deren Zerstörung. Mit Hilfe massiver Polizeieinsätze wurde die Erweiterung schließlich durchgeboxt. Trauriger Höhepunkt der Aktionen war das Erschießen zweier Polizisten während einer Demonstration — zugleich der Schlußpunkt unter den Widerstandsaktionen.

Weniger bekanntgeworden ist jedoch der langjährige und hartnäckige Widerstand in München gegen den Neubau des Flughafens im nördlich gelegenen Erdinger Moos. Dort war der Widerspruch gegen den Neubau des Flughafens zwar weniger spektakulär als in Frankfurt, jedoch teilweise durchaus erfolgreicher. Bei den ersten Planungen in den 70er Jahren hagelte es rund 26.000 Einwendungen, es gab 250 Anhörungstermine mit jeweils neun Stunden Länge, auf den Planfeststellungsbeschluß folgten sage und schreibe 5.600 Klagen. Mindestens 40 Musterprozesse wurden durchgezogen, mit dem Erfolg, daß die ursprünglich geplante Flughafenfläche um ein Drittel verkleinert werden mußte. Mittlerweile ist man bei den laufenden Bauarbeiten jedoch schon wieder bei der Größe der Ursprungsfläche angelangt. Immerhin wurde Mitte 1989 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein überraschend strenges Urteil zur Reduzierung des Fluglärms verkündet, das bei den Fluggesellschaften für einige Unruhe sorgte.

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Aber nicht nur in der Bundesrepublik hat der Widerstand gegen den Flughafenbau Geschichte. Aus dem Ausland sind vor allem die jahrelangen Unruhen um den 1978 eröffneten Flughafen Narita in Tokio bekannt geworden. Sechs Jahre lang wurde dort die Eröffnung des neugebauten Flughafens verhindert. So hatten einmal Demonstranten (vor allem Studenten und Bauern) den Kontrollturm gestürmt und die Einrichtung zerstört, was einen Flugbetrieb unmöglich machte. Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei gab es Hunderte von Verletzten. Bis zu 13.000 Polizisten wurden zum Schutz des Flughafens aufgeboten.

Doch auch bei den Betreibern weiß man langsam aber sicher, daß es aufgrund der Umweltprobleme beim Luftverkehr immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Bevölkerung kommen wird. Mittlerweile macht man sich sogar Gedanken über Strategien, wie man die liebgewonnenen eigenen Flughäfen "verteidigen" kann. Auszüge aus einem Leserbrief an die flugfreundliche Zeitschrift "aerokurier" zeigen dies in schon belustigender Weise: Dort wird vehement gefordert, daß jeder Luftsportverein Fachleute mit Kenntnissen des Naturschutzes haben müsse — als "Kollisionsvermeider". Denn: 

"Mit Hilfe solcher Leute, vor allem wenn sie aktiv und einfallsreich sind, wird dann vermindert vom 'Zurückstecken' gegenüber den einseitig orientierten Natur-, Umwelt- und Landschaftsschützern gesprochen werden müssen. (...) Ob wir noch rechtzeitig reagieren, ist nach dem fortgeschrittenen Stadium der Angriffe und Untersuchungen gegen unsere Plätze nur im Einzelfall zu bewerten. Aus dieser Sicht und aus der Alltagspraxis im Umgang mit den von uns gefürchteten Flugplatzgegnern kann daher nur daran erinnert werden, daß wir versuchen müssen, die gegen uns gerichteten Gefahren zu erkennen, daß wir zumindest gleichwertig sachverständig werden müssen. Möglichst bei gleichzeitigem Verzicht auf das 'Schienbeintreten' bei den Fachbehörden." 

Merke: einseitig sind, wenn überhaupt, nicht nur "Natur-, Umwelt- und Landschaftsschützer". Eine absurde Vorstellung eines Freund/Feind-Denkens wird hier offenbar.

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Warum eigentlich fliegen? 

Oder: "Die Entdeckung der Langsamkeit" in der Praxis

 

Es gibt keinen Zweifel: beim Tempo auf dieser Erde wird immer mehr zugelegt. Unser gesamtes Wirtschafts­system basiert darauf, daß man ein Produkt schneller entwickelt, schneller auf dem Markt hat und zum Kunden bringt als die Konkurrenten. Die Spirale der Geschwindigkeit dreht sich ständig schneller.

Der von diesem Tempo bei der Arbeit gestreßte Mensch sucht nach Zerstreuung und Freizeit — aber möglichst ohne Zeitverzug, um keine Minute Freizeit zu vergeuden. Und gerade im Urlaub versucht man dann, diesem ganzen Schlamassel zu entrinnen — und stellt frustriert fest, daß quer durch Europa alle Touristenzentren von Gleichgesinnten überschwemmt sind. Also bleibt beim nächstenmal nur eines: Man muß weiter weg, um sich zu erholen, wo andere vermeintlich noch nicht sind. Hier dreht sich dann eine Spirale der Flucht vor der Hektik.

Die Situation erscheint fast aussichtslos. Solange es auf keiner Seite zu einem Innehalten kommt, wird es auf den vorgezeichneten Bahnen immer weiterlaufen.

Dies alles macht ein neues Nachdenken über unseren Lebensstil nötig. Wir sollten uns unsere Verhaltensweisen durch den Kopf gehen lassen, auch einmal versuchen, Langsamkeit, Ruhe und Gemütlichkeit auf uns wirken zu lassen. Denn nur so können wir den Reiz entdecken, der auch hierin steckt. Mit Schnelligkeit gelingt es uns zwar vorzüglich, nicht über unsere eigenen Probleme und über unsere Umgebung nachdenken zu müssen — aber es entgeht uns auf diese Weise allzu viel. "Fehlende" Zeit ist mittlerweile sicherlich eine der größten Krankheiten, die sich zunehmend ausbreitet.

Ein intensives Tun und Erleben ist uns überhaupt erst mit Langsamkeit möglich. Menschen, die so leben, werden gar zu oft belächelt und als lahm und langweilig abqualifiziert. Ein neues Denken — oder überhaupt erst ein Nachdenken — hierüber in der Gesellschaft wäre eine lohnende Sache. Unsere rasante Lebens­geschwindigkeit ist unmittelbar und sehr eng mit der Umweltzerstörung auf unserer Erde verbunden. Wenn dies erkannt wird, ist viel erreicht. Dann ginge es auch ohne Flugzeuge.

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Ende

 

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