10. Das Heim als Nest: Mittelschichten-Kindheit in Europa im 19. Jahrhundert
Priscilla Robertson
Christoph Kolumbus hat nur Amerika entdeckt;
ich habe das Kind entdeckt. Victor Hugo
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Bescherte die Philosophie der Aufklärung dem Europa des achtzehnten Jahrhunderts ein neues Vertrauen in die Möglichkeit menschlichen Glückes, so gebührt Rousseau das besondere Verdienst, die Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse der Kinder gelenkt zu haben. Er erreichte, daß zum erstenmal in der Geschichte eine große Gruppe von Leuten zu der Überzeugung gelangte, die Kindheit sei der Beachtung intelligenter Menschen wert. Dadurch wurde ein Interesse am Prozeß des Aufwachsens, statt bloß an dessen Produkt, geweckt. Die Erziehung der Kinder bildete einen Bestandteil des für die geistigen Strömungen der damaligen Zeit so charakteristischen allgemeinen Interesses am Fortschritt.
Die Sterblichkeitsquote der Kinder im achtzehnten Jahrhundert war erschreckend hoch für ein Zeitalter, das sich durch sein Interesse am menschlichen Wohlergehen auszeichnete und überzeugt war, dieses durch rationale Mittel erreichen zu können. Da die besten Ideen jener Zeit individuelle Initiativen befürworteten, bestand der erste Schritt zur Kindererziehung darin, die Aufmerksamkeit der Eltern auf ihr eigenes Kind zu richten. Die Mütter wurden aufgefordert, sich statt an gesellschaftlichen Vergnügungen an Spielen im Kinderzimmer zu erfreuen, und die Väter wurden ermutigt, es nicht als unter ihrer Würde liegend zu empfinden, mit Kindern umherzutollen und ihre Entwicklung zu beobachten.
Dieses Ideal der Häuslichkeit wurde im kontinentalen Europa durch verschiedene Umstände im Gefolge der Französischen Revolution und der napoleonischen Kriege verstärkt. In Frankreich machten die revolutionären Unruhen das öffentliche Leben so unsicher, daß viele Personen sozusagen ins Haus getrieben wurden, während gleichzeitig viele der - zumeist religiösen - Institutionen, die früher ein Monopol auf die Kindererziehung gehabt und sich um verwaiste und verlassene Kinder gekümmert hatten, geschlossen wurden.
Nach den Beobachtungen von Mary Berry führte das zu einer »Regeneration« im Leben der französischen Oberschicht, da die Kinder nach der Geburt nicht mehr von ihren Eltern getrennt wurden und in der Adoleszenz nicht mehr als Fremde in ihr Vaterhaus zurückkehrten.1) Als in Deutschland unter der napoleonischen Herrschaft die verschiedenen Fürstentümer verschwanden und die nationale Stimmung einen Tiefpunkt erreicht hatte, spielte sich das Wiedererwachen der Kräfte zunächst innerhalb der Familie ab.
Am häuslichen Herd erwachten von neuem Patriotismus, Loyalität und die Entschlossenheit, wieder eine eigene Nation zu schaffen, die es den Deutschen ermöglichen würde, die französischen Eindringlinge zu vertreiben. In England gab es keine politische Revolution und keine ausländische Invasion, aber infolge der industriellen Revolution mußten immer mehr Menschen ihre Heime verlassen, um irgendwo Arbeit zu finden. Eine Flut religiöser und sentimentaler Propaganda ergoß sich über die allein zu Hause gebliebenen Frauen, um sie davon zu überzeugen, daß ihre Arbeit für die Gesellschaft genauso nützlich, ja sogar noch »heiliger« sein könnte als die der Männer; und über enge Wände brauchten sie nicht unglücklich zu sein, da sie ja innerhalb ihrer Wände ein Himmelreich erschaffen könnten.
Ein großer Teil der Fürsorge für das Kind lag im neunzehnten Jahrhundert natürlich in den Händen von Eltern und Dienern, die ganz auf konventionelle Ansichten, Bräuche und Aberglauben bauten. Gleichzeitig führten jedoch eine neue geistige Basis und ein neues Gefühl der Verantwortung beim europäischen Mittelstand zu einer Form der Kindheit, die in Geist und Wirkung etwas völlig Neues darstellte.
Säuglingspflege
Die Geburt selber blieb im neunzehnten Jahrhundert gefährlich und schmerzhaft, wenn auch um die Jahrhundertmitte Chloroform in Gebrauch kam, um die schlimmsten Schmerzen der Mütter zu mildern; die Ärzte pflegten es mit den Worten zu verabreichen, es sei »der süßeste Duft, den man je gerochen« — wie meine Schwiegermutter mir einmal erzählte.
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Die Praxis, männliche Geburtshelfer heranzuziehen, die in den oberen Schichten Kontinentaleuropas im achtzehnten Jahrhundert üblich geworden war, griff sehr langsam auf England und die armen Bevölkerungsschichten über. William Cobbett beklagte diesen Wandel und hatte das Gefühl, in den neunziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts einen Fehler gemacht zu haben, als er einen männlichen accoucheur gerufen hatte, nachdem sein zweites Kind tot zur Welt gekommen war.(2)
Um 1860 halfen in Paris männliche Ärzte bei etwa 35 Prozent der Entbindungen, meist bei reichen Frauen; 12 Prozent kamen in Krankenhäusern nieder, und 53 Prozent zogen eine Hebamme zu Hilfe.3) Es waren auch hauptsächlich Hebammen, die Abtreibungen durchführten, und ihre Wartezimmer waren immer voll.4) Mme. Millet-Robinet, deren Ratgeber in Frankreich sehr verbreitet waren, empfahl 1889, Ärzte aufzusuchen, wies aber darauf hin, daß sages-femmes ebenfalls die ärztliche Zulassung besäßen. Einen männlichen Arzt hielt sie für vorteilhafter, weil er ihrer Meinung nach mehr Gelassenheit besaß.5)
In England fand die Entbindung im allgemeinen im Verborgenen statt; sie wurde nur selten in der Literatur beschrieben. Die Geschwister wurden weggebracht, und man erwartete, daß sie, wenn sie am nächsten Tag der Reihe nach hereinkommen durften, um das Neugeborene zu sehen, ganz erstaunt waren. In Frankreich war die Geburt nicht mit soviel Geheimnissen umgeben. Es gibt einen Bericht über eine Geburt in einer Familie der Mittelschicht, den man als klassisch bezeichnen könnte. Er erschien in dem populären Buch Monsieur, Madame et Bebe von Gustav Droz,6) das offensichtlich mit dem Ziel geschrieben worden war, bei Männern ein Interesse am Prozeß des Vaterwerdens zu wecken — und dadurch möglicherweise die sinkende Geburtenzahl zu erhöhen.
In Droz' Darstellung war alles zu finden: die junge Frau im Bett, die »Oh Doktor, mein Gott, Doktor« jammert, und das immer lauter, bis ihrem Mann kalte Schauer über den Rücken liefen und er sicher war, daß etwas nicht in Ordnung war; der gute Arzt lächelte gelassen; er lieh sich einen Bademantel und Pantoffeln, um es sich für die lange Nacht gemütlich zu machen; die Mutter der jungen Frau kämpfte mit den Tränen, während sie sagte: »Nur Mut, mein Liebling, wir haben für unser Glück zu zahlen«; die Amme döste mit steifen Gliedern im Vorzimmer neben dem
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Kinderbettchen, das für das Baby bereitstand; die beiden Tanten, zwei Jungfern, saßen im Salon, die eine Voltaire lesend, die andere ihren Rosenkranz betend, und von Zeit zu Zeit murmelten sie: »schrecklich«. Bei einem der schlimmsten Schreie machte der Arzt einen kleinen Scherz. »Das kleine Mädchen«, meinte er, »wird in einer halben Stunde da sein.« Diese Worte brachten den Gatten fast noch mehr aus der Fassung als die Schmerzen seiner Frau. »Scherzen Sie nicht mit mir, Herr Doktor«, bat er, »Sie wissen genau, daß es ein Junge werden soll.« Und natürlich wurde es dann ein Junge, denn bei seinem Bestreben, zur Vaterschaft zu ermutigen, schien M. Droz allein an männlichen Nachkommen interessiert zu sein.
Der erste Schrei des Kindes erzeugte eine triumphale Stimmung und alle strömten in das Gemach. Die neue Mutter preßte die Hand ihres Gatten und flüsterte: »Bist du zufrieden mit mir? Ich tat mein Bestes für dich«, während der Arzt das glitschige Baby in Windeln wickelte, ihm eine Haube aufsetzte und der Amme genaue Vorschriften gab, was sie in Zukunft zu tun habe.
In jedem Zeitalter und in jedem Land wurden — in welch subtiler Form auch immer — Jungen stets den Mädchen vorgezogen. In England wurde das oft verschleiert, und in den großen Familien schien es gleichgültig zu sein, ob ein bestimmtes Kind nun männlichen oder weiblichen Geschlechts war; doch war Mme. de Segur, die ihre verheiratete Tochter in London besuchte, darüber schockiert, daß der Geburtshelfer für ein Mädchen fünfzehn und für einen Jungen zwanzig Pfund in Rechnung stellte.7)
In Deutschland verlangte der Dorfpfarrer vier Kreutzer für einen Danksagungsgottesdienst; der Vater bezahlte aber bereitwillig zehn, wenn es für einen Jungen war, während er das Kleingeld aus seinen Taschen zusammenkratzte, wenn es um ein Mädchen ging.8) In Frankreich hing die Bevorzugung von Jungen mit dem dringenden Bedarf nach einer großen Armee zusammen.
»Ein neuer Verteidiger des Vaterlandes«, pflegte der Bürgermeister gegenüber den Zeugen zu äußern, die die Geburt eines Jungen ins Geburtsregister eintragen ließen, und die französischen Bauern waren bekannt für die Äußerung: »Ich habe keine Kinder, Monsieur, ich habe nur Mädchen.« Frances Power Cobbe berichtete 1862, daß es in Neapel »bis vor kurzem« Brauch gewesen sei, eine kleine schwarze Fahne herauszuhängen, wenn ein Mädchen geboren worden war, um den Nachbarn die peinliche Frage danach zu ersparen.
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Es ist bekannt, daß Rousseau dafür eintrat, daß die Mütter ihre Kinder selbst säugten. Zu seiner Zeit war es fast allgemein Brauch in Frankreich, die Kinder, die in Städten geboren wurden, zu einer Säugamme aufs Land zu schicken. Mehr als achtzig Prozent der 21.000 Babys, die in den 80er Jahren des achtzehnten Jahrhunderts in Paris geboren wurden, wurden zu professionellen Säugammen geschickt. Im Laufe der nächsten hundert Jahre hörte diese Praxis fast völlig auf; in den siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts betraf sie nur noch die Kinder von kleinen Kaufleuten und Handwerkern, deren Frauen im Geschäft benötigt wurden. Statt dessen bildete sich bei den Familien, die es sich leisten konnten, der Brauch heraus, Säugammen in die Familien aufzunehmen, wobei die verheirateten eine höhere Bezahlung fordern konnten als die unverheirateten, weil man jene in moralischer Hinsicht höher einstufte.
Im Gefolge Rousseaus wurde in den meisten Büchern den Müttern empfohlen, ihre Kinder, wenn irgend möglich, selber zu säugen, und man hielt das auch nicht mehr für geschmacklos. 1824 meinte Mme. de Remusat, daß das Säugen unter Umständen für ein Mädchen aus der Oberschicht vielleicht zuviel sein könnte, daß es aber zumindest selbst für das Baby sorgen und die Säugamme nur für ihre eigentlichen Zwecke benutzen sollte.9)
Ihren Ratschlägen bezüglich des Familienlebens fügte Michelet noch die interessante Beobachtung hinzu, daß ein Kind, das gestillt wird, den Beginn der Zärtlichkeit erfährt, wenn es versucht, sich durch das Zusammenziehen seines kleinen Körpers ganz der Mutter hinzugeben.10 Mme. Breton, eine Hebamme, erfand eine populäre Art von künstlichen Schnullern und Flaschen, die sie in Paris verkaufte. In den dreißiger und vierziger Jahren waren sie sehr gefragt, aber leider waren sie nur in der Stadt erhältlich; daher beschrieben einige der Handbücher für Mütter, wie man einen Schnuller selber dadurch herstellen könne, daß man die Zitzen einer Kuh oder Ziege in einer Kalklösung kochte.11)
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Allgemeiner Wohlstand und eine größere Unabhängigkeit der Frauen führten gegen Ende des Jahrhunderts wieder zu einer Zunahme der Verwendung von Säugammen. Es entstand ein widerwärtiger Handel mit jungen Frauen, der u.a. in Brieuxs Drama Les Remplacantes dargestellt wurde, dessen Titel auf die Verwendung militärischer Ersatzmänner (remplacants) anspielt. Die Dritte Republik verlangte nach der Ansicht von Brieux von beiden Geschlechtern, daß sie ihre Pflichten selbst erfüllten, und er verlieh seinem Stück dadurch zusätzliche Überzeugungskraft, daß er auf das harte Schicksal der Kinder der Säugammen hinwies, die bei künstlicher Ernährung in den Provinzen zurückgelassen wurden. Er karikierte das modische Leben der Pariser Mütter mit ihren Teegesellschaften, ihrem Fahrradfahren in knielangen Hosen und ihrer Angewohnheit, Vorlesungen am College de France zu hören.
In England waren die Säugammen auch nicht annähernd so in Mode wie auf dem Kontinent, und in der hier behandelten Periode wurde den Frauen der Mittel- und Oberschicht der Ratschlag gegeben, ihre Kinder selber zu säugen, und die meisten Mütter bemühten sich, das auch zu tun. In ihrem bekannten Handbook of Domestic Management ging Mrs. Buton davon aus, daß ihre Leserinnen ihre Kinder neun bis fünfzehn Monate säugten. Lady Auckland, die Mutter von Emily Eden, war stolz darauf, daß sie dreizehn von ihren vierzehn Kindern selbst gestillt hatte. Die Einsicht, daß das Stillen für die Mutter gut ist — was Ärzten seit langem bekannt war —, wurde durch die Vorstellung ergänzt, daß die Milch einer »groben« Frau keine angemessene Diät für ein Kind aus der Oberschicht sein könne.12)
Als jedoch die Flaschen aufkamen, wurden sie schnell allgemein benutzt. Mrs. Panton, die Babys haßte und ein Handbuch für Mütter schrieb, in dem sie darlegte, wie diese mit ihrer schlimmen Situation fertig zu werden versuchen sollten, erklärte ihren Leserinnen, daß das Stillen eines Kindes — abgesehen davon, daß es schmerzhaft sei — im mittleren Alter zu Verzweiflung und schließlich zu einem frühen Tod führte, ja, daß es sogar zum Trinken treiben könne. Sie betonte, wieviel einfacher es doch sei, einem kleinen Kind gute Gewohnheiten beizubringen, wenn es die Flasche bekomme.13)
In Deutschland war während dieser Zeit in der Mittel- und Oberschicht die Verwendung von Säugammen sehr verbreitet, und es kam nur selten vor, daß eine Mutter ihre Kinder selber säugte.14) In Italien hielt sich der Brauch, die Kinder wegzuschicken, sehr viel länger als in Frankreich; sogar im Elternhaus selber scheinen sie weitgehend der Fürsorge des allgemeinen Dienstpersonals überlassen worden zu sein, statt einer speziell für sie verantwortlichen Person.
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Ein anderer von Rousseau kritisierter Brauch war das Wickeln; dennoch starb diese Gewohnheit in Frankreich so langsam aus, daß im Jahre 1891 in einem Buch über Kinderpflege der Verwunderung darüber Ausdruck verliehen wurde, daß es ein Jahrhundert nach Rousseau noch notwendig sei, vor jener Praxis zu warnen.15)
Viele Ratgeber für Eltern drückten sich vorsichtig aus; obgleich in diesen Büchern fast niemals das alte feste Wickeln, das die Arme mit einbezog, empfohlen wurde, ließen doch viele den Müttern die Wahl zwischen einer abgeschwächten Form des Wickelns mit Bändern und einer Bekleidung nach »englischer« Art, die Befestigungsvorrichtungen im Hosenzwickel aufwies und die culottes genannt wurde. Ein Vorteil dieser Methode bestand darin, daß sie die Gewöhnung ans Nachttöpfchen erleichterte. Das feste Wickeln hatte das Baby oft so steif gemacht, daß es ihm weh tat, wenn man seine Windeln wechselte, was wiederum — wie in einem Teufelskreis — dazu führte, daß das Kindermädchen wenig Lust hatte, die Windeln zu wechseln.16) Deutsche Babys wurden fester und länger gewickelt als französische; man nannte sie »Wickelkinder«.17)
Im Jahre 1877 wurde in Fräser's Magazine ein deutsches Baby als ein »klägliches Objekt« geschildert, das wie eine Mumie in meterlange Bandagen gefesselt und eingebunden sei, von denen es ein- oder höchstens zweimal pro Tag befreit würde. Das Kind wurde selten gebadet. Es wurde in Windeln gewickelt, bis es etwa sechs Monate alt war; dann erlaubte man ihm, über den Fußboden zu kriechen, wobei man ihm eine kalte Kartoffel in die Faust steckte, damit es nicht schrie. Der englische Autor weist darauf hin, daß es schwierig sei, ein gewickeltes Kind zu liebkosen, und daß es dem Kind unmöglich sei, seine Ärmchen um die Mutter zu schlingen. Selbst bei einem erwachsenen deutschen Mädchen, so hieß es, sei die Haltung ganz anders als die eines englischen Mädchens, weil es im frühen Kindesalter gewickelt worden sei.18)
1908 beschrieb ein Deutschland bereisender Engländer das »Steckkissen«, einen verhältnismäßig jungen Nachfolger der Wickelbänder, bei dem es sich Um eine Art langen Sack handelte, der die Beine und den Körper, nicht aber die Arme fesselte. Es war mit einer Polstereinlage gefüttert. Den Kindermädchen wurde gesagt, daß es gefährlich sei, ein Baby aus diesem Steckkissen herauszunehmen, solange seine Knochen noch weich seien; so lag das Kind acht Wochen lang Tag und Nacht in diesem Sack.
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Luft, Licht und Seife wurden allesamt als gleichermaßen gefährlich für das Kind angesehen, und es wurde nicht zugelassen, daß ein Kind im Freien schlief.
In Italien, so berichtete Lady Morgan, würden die Babys so fest eingewickelt, daß ihnen durch den Druck das Blut in den Kopf stieg und die kleinen Gesichter sich purpurn färbten, und wenn Mitglieder der aufgeklärten Mittelschichten Zweifel an dieser Praxis äußerten, stießen sie auf den Widerstand des Klerus. Selbstgefällig bemerkte Lady Morgan, daß man in England vom Wickeln seit vielen Jahren nichts mehr gehört habe.19
Das Waschen war ein ernstes Problem, besonders auf dem Festland, wo die Kindermädchen lange dem arbeitssparenden Aberglauben angehangen hatten, es sei gefährlich, Kinder zu waschen, und in manchen Fällen sogar dem Aberglauben, es sei schädlich, Kinder vor einem Alter von zwei Jahren zu kämmen. In England galt dagegen kaltes Wasser als stärkend. William Cobbett, ein großer Do it yourself-Vater, bestand darauf, daß man jedes Kind täglich gründlich wasche; das bedeute zwar eine gute Stunde harte Arbeit, aber während das Kind sich mit Händen und Füßen wehre, könne man singen. Mit Kindern zu singen, mit ihnen zu sprechen und sie herumzurollen sei sehr gut für sie; und Rachitis hielt er für die Folge einer stumpfsinnigen Umgebung.20)
Es stimmt, daß erwachsene Engländer kaltes Baden bevorzugten, aber für die Kinder war es eine Tortur. In Elizabeths Grants Londoner Zuhause war es üblich, daß die leicht bekleideten Kinder von ihrem Kinderzimmer oben im Haus zum Hof neben der Küche gebracht wurden, wo das Wasser in der Badewanne unter Umständen eine Eisdecke hatte. Elizabeth schrie, flehte, bat darum, vor dem Untertauchen verschont zu werden — aber vergeblich. Nach dem Eintauchen wurde sie in ein Baumwollkleid mit kurzen Ärmeln gesteckt — ohne Flanell-Unterwäsche darunter — und bekam ein kaltes Frühstück. Ihr Vater stand über ihr, und wenn sie klagte, bekam sie seine Peitsche zu spüren.21)
Auch das Baden im Meer wurde für gesund gehalten: August Hare wurde in die Wellen getaucht, bevor er verständlich sprechen konnte.22) Marianne Gaskell »mußte« im Alter von zwei Jahren »baden«. Mrs. Gaskell hatte Angst um sie, aber ihre Tante Anne war »eine ausgezeichnete Baderin« und übernahm die Verantwortung.
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Elizabeth Grant war zwar ziemlich leicht bekleidet, aber viele viktorianische Kinder hatten eher zuviel als zuwenig an. Nur wenige Eltern erkannten, worauf Charles Kingsley hinwies - nämlich das instinktive Verlangen der Kinder, sich von den Kleidern zu befreien und sich an Fleisch zu schmiegen.23 Statt dessen wurden sie von Kindheit an dazu erzogen, sich niemals zu entblößen. Wenn kleine Mädchen zu gehen begannen, wurden sie in ein Leibchen, ein Unterhemd — ohne das zu gehen nicht »schicklich« war — und ein Korsett gesteckt. Beide Geschlechter trugen Korsetts. Jungen trugen sie bis zu einem Alter von ungefähr sieben Jahren, Mädchen ihr Leben lang. Es gab Knöpfe, um Strumpfbänder, Schlüpfer, den Flanellpetticoat, den weißen Petticoat mit dem Mieder, schwarze Strümpfe, ein Kleid und eine Schürze zu halten. Die Jungen wurden zunächst genauso gekleidet wie die Mädchen; später kam aber der große Tag, an dem sie ihre erste Hose bekamen (was für die Mütter angeblich ein Trauma darstellte).
Welche Freude für Philipp! Heute
Hat er seine langen Kleider fortgeworfen
Und zieht (vorbei ist die Kinderzeit)
Die Männer-Hosen an .....
Schärpen und Kleider sollen die tragen, die sie brauchen,
Philipps Glieder sind endlich frei.Er kann laufen oder reiten
Und zwanzig Dinge nebenher tun,
An denen ihn seine Unterröcke hinderten -
Ist er nicht ein glücklicher Bursche?24Man fragt sich sofort, ob Mädchen jemals einen solchen Augenblick der Freude erlebten.
Der beste — mir bekannte — Bericht über die Gefühle und die Fürsorge einer aufgeklärten Mutter für ihr kleines Kind ist das Tagebuch, das die Romanschriftstellerin Mrs. Gaskell über die ersten Jahre ihrer Tochter Marianne führte.25) Marianne wurde im September 1834 geboren. Das Tagebuch beginnt wenige Monate später.
Im Alter von sechs Monaten lächelte und strampelte das Baby, wenn sein Vater hereinkam, und zeigte so, daß es ihn erkannte. Die Eltern versuchten, seine Aufmerksamkeit zu trainieren, indem sie es anspornten, solange wie möglich auf in seinem Blickfeld liegende Gegenstände zu schauen, und sie waren erfreut
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darüber, daß sein Sinn für Entfernungen sich verbesserte, so daß es nicht länger Sonnenstrahlen zu fangen versuchte. Sie waren verärgert über seine kleinen Ausbrüche von Ungeduld, »ja von Eigensinn, wenn ein solches Wort auf ein so liebes Wesen anzuwenden nicht zu hart wäre«. In diesem Alter hörte Marianne gerne Gesang, hatte aber Angst vor dem Piano. Fremden gegenüber war sie mißtrauisch. Sie lag auf dem Flur und strampelte viel, was ihr ungeheuren Spaß machte. Ihre Mutter war aber entschieden der Ansicht, sie sollte gehen lernen, wenn sie selbst es wolle; weder selbst half sie ihr, noch erlaubte sie den Dienern, ihr zu helfen.
Fünf Monate später glaubte ihre zärtliche Mutter, gehört zu haben, wie sie »Mama« sagte. Zu dieser Zeit konnte sie, sich an irgend etwas festhaltend, sicher auf den Beinen stehen. Sie klatschte in die Hände, schüttelte Hände und verstand Sätze wie »Wo sind die Kühe?«. Sie hatte es jedoch nicht gern, wenn man sie Fremden vorführte. Mrs. Gaskell pflegte Marianne niemals etwas zu versprechen, ohne es zu halten, und verwirrte sie niemals dadurch, daß sie ihre Aufmerksamkeit auf Dinge lenkte, die gar nicht da waren.
Zwei Monate später, als Marianne dreizehn Monate alt war, hatte die Mutter in Combes Physiology gelesen, daß physische Zustände wie Hunger und Erschöpfung einen Menschen mürrisch machen können. Sie wollte gerne alle berechtigten Wünsche Mariannes erfüllen, überlegte aber, wie auf deren Gefühle am besten einzugehen sei - denn diese konnten schön sein, wenn sie gesund, und quälend, wenn sie morbide waren. Um diese Zeit konnte das Kind unter anderem wie ein Hund bellen, miauen, küssen und auf verschiedene Gegenstände zeigen.
Mit sechzehn Monaten krabbelte Marianne noch nicht hinter Spielsachen her, die wegrollten, so daß Mrs. Gaskell sich Sorge wegen ihrer schwachen Glieder machte. Aber im Februar 1836 begann sie endlich unter Zuhilfenahme von Stühlen zu gehen, ihre Beine wurden kräftiger, und das Zahnen ging bei ihr verhältnismäßig problemlos.
Obgleich Mrs. Gaskell wollte, daß ihr Kind gehorchte, und ihre kleinen Ungehorsamkeiten beklagte, schrieb sie auf derselben Seite: »sie ist nicht so unabhängig, wie sie sein sollte und wie ich es gern sähe«. Marianne war achtzehn Monate alt. Sie mochte jedoch andere Kinder sehr gern, was ihre Mutter sehr freute.
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Erst mit zweiundzwanzig Monaten, als ihre Eckzähne schon da waren, begann Marianne plötzlich, selbständig, ohne sich an irgendwelchen Gegenständen festzuhalten, zu gehen. Sie liebte Geschichten und war ein Plappermaul; da die Gaskeils aber von einem Mediziner gehört hatten, daß bis zum Alter von drei Jahren das Gehirn eines Kindes ständig zur Erregung neige, versuchten sie nicht, ihr irgend etwas beizubringen. Sie hatten vor, wenn sie vier Jahre alt war, mit Lektionen zu beginnen, und sie bis dahin in ihrem Beobachtungsvermögen, ihrer Aufmerksamkeit und ihrer Beharrlichkeit zu unterstützen. Als sie drei Jahre alt war, wurde eine Schwester geboren, und Marianne wurde deshalb in das Haus ihrer Tante Lamb gebracht. Eines Nachts hatte Tante Lamb einen Schlaganfall und konnte nicht antworten, als das Kind zu ihr ins Bett wollte. Sie blieb noch acht Wochen bei der Tante — eine unangenehme Erfahrung.
Wieder zu Hause wurde sie sehr nützlich und unabhängig (endlich) und pflegte kleine Dienste zu verrichten wie zum Beispiel Papas Pantoffeln zu holen. Mit großen Bedenken entschlossen sich die Eltern, sie mit dreieinhalb Jahren auf eine Schule für kleine Kinder zu schicken. Sie meinten, dadurch würde ihr Sinn für Gehorsam und Ausdauer vervollkommnet, aber vielleicht auch ihre Freude am Zuhause geschwächt, und möglicherweise würde sie auch mit Kindern zusammenkommen, die ihr Dinge erzählten, von denen sie nichts erfahren sollte. Sie entschlossen sich zu einem Kompromiß: Marianne sollte die Schule nur halbtags besuchen, und Mrs. Gaskell würde sie selbst abholen, um zu verhindern, daß sie herumspielte; die Nachmittage sollte Marianne zusammen mit der Familie verbringen. Mrs. Gaskell hoffte, auf dem Nachhauseweg werde sie dann immer hören, was passiert sei — unter anderem natürlich Berichte über die unerwünschten Mitteilungen fremder Kinder.
Disziplinierung der Kinder
Der englische Geistliche Dr. George Moberly sagte 1840, daß ein Kind mit drei Jahren wissen sollte, daß es sich, wenn es ungehorsam sei, auf ein aussichtsloses Spiel einlasse.26) Der Beweis für die Richtigkeit seiner Auffassung habe sich, so meinte er, ergeben, als seine kleine Tochter an Scharlach erkrankte. Obgleich ihr das Schlucken von Arzneimitteln zuwider war, nahm sie sie doch, wenn die Eltern sagten »Nun mal zu, Alice« — und das, so meinte er, hätte ihr Leben gerettet.
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Die Arbeit über Moberly ist zum Teil darum interessant, weil sich darin eine Parallele zum Fall des bekannten deutschen Arztes Dr. Daniel Gottlieb Moritz Schreber zeigt, der sich nur wenige Jahre früher selber zum Fachmann der Kinderpsychologie ernannt hatte.27)
Dr. Schreber war ein überzeugter Anhänger der totalen Kontrolle über Geist und Handlungen eines Kindes. Die beste Methode, diesen Zustand zu erreichen, bestand seiner Ansicht nach nicht im Schlagen, vielmehr meinte er, ein gut erzogenes Kind könnte dadurch kontrolliert werden, daß die Eltern es beobachteten, denn ein gutes Kind hätte nicht den Wunsch, sich anders zu benehmen, als die Eltern es wünschten. Er glaubte, das Kind empfinde echte Liebe und Freiheit, und wenn es wirklich einmal geschlagen worden sei, solle es einem anschließend freundlich lächelnd die Hand schütteln, um zu zeigen, daß es keine bitteren Gefühle habe. Das Resultat dieser Erziehung war, daß Schrebers Sohn zu einem der berühmtesten Geisteskranken des neunzehnten Jahrhunderts wurde. Er schrieb eine Autobiographie über seine Geisteskrankheit und wurde zum Gegenstand einer Arbeit von Freud, der den »Fall Schreber« einer Analyse unterzog.
Die meisten Fälle von Kinderkontrolle waren weniger ausgefallen. Als Augustus Hare drei Jahre alt war, schrieb seine Mutter in ihr Tagebuch, daß er weiterhin warum fragte, doch sie legte Wert darauf, seine Fragen niemals zu beantworten, ausgenommen in den Fällen, in denen es ihr ausdrücklicher Wunsch war, daß er Fragen stellte.28) Mit fünf Jahren wurde Augustus zwei Tage lang von einer Tante bei Brot und Wasser in sein Zimmer eingesperrt, um seinen Geist zu brechen; der kleine Sohn der Tante hatte ihn gebissen und geschlagen, und Augustus wurde nicht erlaubt, sich zu rächen. Später, als Junge, wurde er schwer bestraft, weil er den Wunsch geäußert hatte, einige Kinder zu seinem Geburtstag einzuladen, um mit ihnen zu spielen.
Obgleich diese Art von Brutalität offensichtlich eine Ausnahme darstellte, waren doch sogar die aufgeklärtesten Philosophen davon überzeugt, daß es das wichtigste für Kinder sei, daß sie auf ihre Eltern »hörten«.
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Ihr Geist müsse gezügelt werden, schrieb Ann Taylor, obgleich sie ausdrücklich hinzufügte, daß er nicht gebrochen zu werden brauche; es könnte sogar Situationen geben, in denen Kinder ihren Eltern etwas vorschreiben dürften, ohne daß diese »Gefahr liefen«, ihre elterliche Autorität zu verlieren. So wurde Mrs. Gaskell zum erstenmal mit dem Problem der Disziplinierung ihres Kindes konfrontiert, als Marianne noch in der Wiege lag. Wenn das Baby schrie und sich herausstellte, daß das, was es wünschte, gut für es war, gab Mrs. Gaskell ihr das Gewünschte ohne weiteres, selbst wenn das für sie selber sehr unbequem war. Eine Mutter sollte eine Menge tun, um ihr Kind nicht unnötig zu frustrieren. Wenn sich aber herausstellte, daß das Baby etwas haben wollte, was es nicht haben sollte, sollte man es ihm auch niemals geben. Dann würde es bald von selbst aufhören, wegen solcher Dinge zu weinen.
Nur wenige Eltern beobachteten so aufmerksam wie Mrs. Gaskell, was sich im Geist ihres Kindes eigentlich abspielte, und nur wenige waren in ihren Vorstellungen so hartnäckig wie Mrs. Hare. Natürlich waren die Mütter, als ihre Kinder noch in der Obhut von Kindermädchen waren, weniger aufmerksam und mischten sich weniger ein. Es könnte sein, daß die größere emotionale Distanz der Kindermädchen die emotionale Entwicklung der Kinder verzögerte.
Den Wechsel von der körperlichen zur psychischen Bestrafung setzt C. W. Cunnington29 in den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts an. Dafür habe ich aber keine ausreichenden Beweise gefunden. Auf die Prügelstrafe ist in den englischen Internatsschulen nie verzichtet worden, und erst Ende des neunzehnten Jahrhunderts hörten die aufgeklärtesten Eltern auf, ihre Kinder zu Hause mit der Rute zu züchtigen. Schließlich nahmen die Eltern der damaligen Zeit die Bibel viel wörtlicher, als wir das heute tun, und sie waren der Meinung, der biblische Befehl über den Umgang mit der Rute könnte einfach nicht falsch sein. Edmund Gosse wurde, als er (um 1855) sechs Jahre alt war, von seinem Vater wegen Ungehorsams mit dem Stock geschlagen. Als er später darüber nachgrübelte, meinte er, daß es gewiß Kinder gebe, die durch eine Tracht Prügel klüger würden; in seinem Fall habe sie aber nur zu einer mörderischen Wut geführt. »Es handelt sich dabei weitgehend um eine Sache der Konvention. Eine solche Lektion würde (so hörte ich) von den Kindern unserer Aristokratie mit Stolz erduldet, von den unteren Klassen aber nicht ertragen.«30)
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Augustus Hare wurde auf Verlangen seiner Stiefmutter von seinem Onkel bestraft - einem Geistlichen der anglikanischen Kirche, der ein Buch mit dem Titel »The Mission of the Comforter« (»Die Mission des Trösters«) geschrieben hatte. Das dabei verwendete Instrument war eine Peitsche. Als Augustus Hare erwachsen war und eine unverhüllte Darstellung seiner schmerzvollen Kindmeit gab, wurde er wegen mangelnder Ehrfurcht scharf kritisiert. Als er später für das Dictionary of National Biography das Leben seines Onkels schilderte, paßte er sich der allgemeinen Sitte an und schrieb einen schmeichelhaften Bericht.
J. A. Froude war seiner Erinnerung nach im Alter von zwei Jahren zum erstenmal geschlagen worden, weil er sein Kinderkleidchen beschmutzt hatte.31 Ann Taylor erhielt ihre erste Tracht Prügel, weil sie sich nicht daran erinnern konnte, was T-H-Y hieß. Man warf ihr bewußten Eigensinn vor. Ruskin wurde verprügelt, wenn er schrie oder nicht gehorchte oder die Treppe hinunterstolperte; auf diese Weise lernte er früh »gelassene und sichere Formen des Lebens und der Bewegung« und die Freude am »Anschauen von Dingen«, obgleich sein späteres emotionales Leben deformiert war.32)
Mrs. Gaskell, die auf die Stimmungen ihrer Tochter achtete, war »verpflichtet«, dem Kind, als es dreieinhalb Jahre alt war, »traurig und freundlich leichte Hiebe zu geben«. Eine solche Behandlung machte, so stellte sie fest, Marianne in der Tat gehorsamer, ohne daß sie Unmut gezeigt hätte.
Die Frage der körperlichen Bestrafung von Mädchen im Elternhaus wurde in den Leserbriefspalten des Englishwomen's Domestic Magazine während der Jahre 1867-69 ausführlich erörtert. Die Hälfte der Eltern, die sich, ratsuchend oder -gebend, zu diesem Thema äußerten, war schon bei der bloßen Vorstellung entsetzt und hielt solche Praktiken für unnötig, falsch und gefährlich für Schamgefühl und Sittsamkeit der Mädchen. Die dramatischsten Briefe kamen allerdings von denen, die, stets mit größter Befriedigung, von erfreulichen Resultaten der Prügelstrafe berichteten. Sie debattierten darüber, ob man in der Kindheit anfangen oder bis zum Alter von fünf oder sechs Jahren warten solle; ob man bis zum Alter von vierzehn oder fünfzehn Jahren damit fortfahren solle; ob man die Züchtigung auf den nackten Hintern vornehmen solle; welches Instrument am geeignetsten
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sei — ein Pantoffel (unwirksam), eine Rute (das beliebteste Mittel) oder speziell für solche Zwecke konstruierte Lederriemen (das schmerzhafteste Instrument).
Einige meinten, rasches Verprügeln sei die sauberste Lösung und gehe am schnellsten vorüber; es erzeuge weniger Unwillen als lange Isolation oder Brot und Wasser. Andere waren überzeugt, Schlagen sei ein sicheres Mittel, Kinder nicht nur ihren Eltern, sondern ihrem eigenen Gefühl für persönliche Würde und Identität zu entfremden.
Wo zu anderen Bestrafungsmethoden als dem Schlagen gegriffen wurde, hingen sie oft mit dem Essen zusammen. Die Nahrung, die die englischen Kinder erhielten, war im günstigsten Fall äußerst einfach und monoton. Das übliche Abendgericht für Kinder bestand aus trockenem Brot und Milch. Einfallsreichere Nahrung galt als schlecht für die Verdauung und die Moral des Kindes. Ein fast allgemein verbreiteter Grundsatz war, daß man Kindern niemals erlauben solle, um etwas zu bitten oder eine Vorliebe zum Ausdruck zu bringen; sie sollten vielmehr einfach essen, was ihnen vorgesetzt wurde.33) So wurde Elizabeth Grants Schwester, die eine Abneigung gegen Spinat hatte, bei jeder Mahlzeit wieder der Spinat vorgesetzt, bis sie ihn — nach dreißig Stunden — aus lauter Hunger aß.34) Mrs. Hare bestrafte Augustus dafür, daß er ein Bonbon gelutscht hatte, mit der Verabreichung einer großen Portion Rhabarber und Soda. Selbst wo die Strafe dem Vergehen gar nicht angemessen war, wurde oft zum Nahrungsentzug gegriffen. James Mill verurteilte seine beiden jüngeren Kinder, die sich bei einem Wort in ihren Übungen geirrt hatten, und John Stuart, der das hatte durchgehen lassen, zum Verzicht auf ihr Essen.35)
Eine der hartherzigsten Maßnahmen in England bestand darin, daß Kindern in einem bestimmten Alter erlaubt wurde, zum Dessert herunterzukommen und im Eßzimmer zu erscheinen, wenn die Erwachsenen gerade ihre zweifellos üppigen Mahlzeiten beendeten. Manchmal wurde den Kindern derselbe reichhaltige Nachtisch zugeteilt wie den Erwachsenen; häufiger aber erhielten sie nur ein Stückchen Apfelsine oder Apfel, oder sie wurden, wie zum Beispiel Ruskin, gezwungen, Nüsse für die Gäste zu knacken, ohne selber etwas davon nehmen zu dürfen. Seinen ersten Eierkrempudding probierte Ruskin, als er einmal den Rest des von seinem Vater nicht aufgegessenen Essens erhielt.36)
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Charlotte Yonge hob hervor, daß ihre Mutter sie dazu erzog, es nicht als Härte zu empfinden, wenn sie zusehen mußte, wie andere Speisen aßen, die sie selber nicht essen durfte.37 Aber wiederum ist es Augustus Hare, der die allergrößten Qualen erlitt. Seine Mutter und seine Tante hatten extra wunderbar feine Kuchen und Puddings gemacht und präsentierten sie dem Jungen, als ob er sie essen könnte; dann ließen sie sie unangerührt verschwinden und sagten, sie seien für die Armen des Dorfes bestimmt.
Ein anderes allgemein übliches Mittel der Bestrafung war psychologischer Art. Wenn die Geschichte in The Fairchild Family, in der zwei Kinder mit zum Galgen genommen wurden und sich die gehängten Verbrecher ansehen mußten, auch erfunden war und aufgrund öffentlichen Protestes aus späteren Auflagen sogar entfernt wurde, so hielt man doch weniger drastische Formen der Angst und der Beschämung durchaus für sinnvoll und wirksam.38) Zum Beispiel mußte Milly Aclands kleiner Bruder ein Schildchen mit der Aufschrift »Georgina, sie tritt« tragen, das er haßte und das Milly in ihrer Ansicht bestärkte, daß es zwischen einem Verstoß und seiner Bestrafung keine rationale Verbindung gebe.«
Ein besonders kluges Kind wie Fanny Kemble war unangreifbar. »Ich weinte nie, war niemals trotzig, niemals nachtragend, klagte nie und bereute weder meine Missetaten noch ihre Folgen, sondern akzeptierte sie gleichermaßen mit einer philosophischen Heiterkeit des Geistes, die meine armen verwirrten Ausbilder zur Verzweiflung brachte.« Mit vier Jahren wurde ihr einmal eine Narrenkappe gegeben, die sie zu Hause tragen sollte, aber sie tanzte damit die Einfahrt hinunter und rief den Vorbeigehenden zu, sie möchten sie bewundern. Als sie nichts als Brot und Wasser bekam, erklärte sie, daß es ihr nun wie den armen französischen Gefangenen erginge, die jederman so bedauerte. Und als ein Freund von Mrs. Siddons, ihrer Tante, sie fragte: »Fanny, warum betest du nicht zu Gott, daß er aus dir einen besseren Menschen mache?«, antwortete sie: »Das tu ich ja, aber er macht mich immer schlechter.«40)
Manchmal waren es auch die Eltern, die beschämt waren. In einem Gedicht, The Toys, beschrieb Coventry Patmore, wie ein Vater sein Kind schlug und es ohne Gutenachtkuß ins Bett schickte, weil es siebenmal ungehorsam gewesen war. Als er aber in das Schlafzimmer kam, um noch einmal im Bett nach ihm zu
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sehen, bemerkte er die nassen Augenwimpern und sah, daß das Kind seine Spielsachen um sich herum versammelt hatte, um sich zu trösten. Da war es der Vater, mit dessen Gelassenheit es vorbei war.41)
Es gab immer einige, die bei der Erziehung ihrer Kinder ohne körperliche Strafen auskamen. William Cobbett zum Beispiel, der wegen seines Protestes gegen die an einigen britischen Soldaten vollzogene Prügelstrafe ins Gefängnis gesperrt wurde, zog seine Kinder groß, ohne je mit ihnen zu schimpfen, ja sogar ohne ihnen Befehle zu erteilen.42 Er schickte sie weder in die Schule, noch gab er ihnen Lehrer, bot ihnen aber alle möglichen Chancen, wie zum Beispiel Bücher, Schreibzeug, Papier. Das Kind, das morgens als erstes unten war, nannte er an dem betreffenden Tag »die Lerche«. Er behauptete, um Kinder auf diese Art erziehen zu können, müsse man ihnen das Gefühl vermitteln, daß man dies allem, was man sonst tun könnte, vorzöge. Vielleicht ist das ein Grund dafür, warum eine solche Erziehung so selten war, wenn sich auch Charles Kingsley und Charles Darwin später ausschließlich auf die guten Empfindungen ihrer Kinder stützten Iund die althergebrachte Disziplinierung für unnötig hielten.
In Frankreich scheint die körperliche Bestrafung viel seltener praktiziert worden zu sein als in England. Philip Harnerton berichtete, daß die Kinder der Mittelschicht niemals geschlagen wurden. Die übliche Bestrafung bestand in diesem Kreise darin, die Kinder einzusperren oder ihnen nur noch trockenes Brot zu geben.43) Bei den Bauern, so gab er zu, war das Schlagen von Kindern durchaus üblich, und es herrschte patriarchalische Gehorsamspflicht. (Meine französische Informantin, die im Jahre 1900 geborene Tochter eines Postmeisters, erzählt mir allerdings, daß sie von Zeit zu Zeit verhauen wurde und das für völlig normal hielt.)
Französische Ratgeber-Bücher vermitteln den Eindruck der Milde. Das halboffizielle Manual des Jeunes Meres (1884) von Mme. Millet-Robinet forderte die Eltern auf, Kinder niemals zu schlagen, obgleich schlechte Gewohnheiten früh bekämpft werden sollten und das Kind begreifen müsse, daß es »einen Willen gibt, der stärker ist als seiner«. Um das Kind von dieser Tatsache zu überzeugen, empfahl sie Methoden wie zum Beispiel das Wegnehmen von Spielzeug oder das Vorenthalten des Nachtischs — niemals sollte man aber das Kind einsperren oder ihm nur Brot und Wasser geben.44)
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Das populäre Livre de Familie, dessen Ansichten über Leben und Disziplinierung viel strenger sind, empfiehlt Prügel, aber nur für die über Fünf- oder Sechsjährigen. Auch der Autor dieses Büchleins weist ausdrücklich darauf hin, daß man Kinder sowohl durch Härte als auch durch Schwäche zugrunde richten könne.45)
Ein voraussagbares Resultat war, daß ausländische Beobachter meinten, die Kinder der französischen Mittelschicht seien verwöhnt. Miss Metham sagt, die Säugammen seien beauftragt, die Kinder niemals weinen zu lassen, und daß man den Kindern später alles gebe, wonach sie verlangten. Wenn sie alt genug seien, um im Kreise der Familie zu essen, würden sie immer zuerst bedient, und, gemessen an deutschen und englischen Standards, fehle es an Disziplin. Die Franzosen selber waren indessen der Ansicht, daß für die Kinder das gemeinsame Essen mit ihren Eltern ein unschätzbarer Gewinn sei, und zwar sowohl in bezug auf ihren Geschmack für gutes Essen als auch hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Konversation zu betreiben.46)
Franzosen, die das deutsche Familienleben kennenlernten, waren ihrerseits erstaunt darüber, daß deutsche Kinder schon so frühzeitig diszipliniert wurden. Henri Didon — der, wie man zugeben muß, die Deutschen haßte — meinte, Gewalt und Brutalität, auf die ein französisches Kind nur mit Entrüstung reagieren würde, führten in Deutschland zur erfolgreichen Kontrolle über die Kinder. Otto Corvin berichtet, daß er unter den Peitschenhieben seines Vaters mehrere Male das Bewußtsein verloren habe, und glaubte, daß sein Bruder durch solche Maßnahmen für immer geschädigt worden sei.47)
Als Corvin auf die Kadettenschule kam, hörte er von zwei Selbstmorden von Schülern, die nicht die Schande ertragen konnten, aus Gründen der Disziplin geprügelt worden zu sein — im Unterschied zu der allgemeinen Akzeptierung dieser Praxis in den englischen public schools. Als sie schon größer war, fragte Adelheid Mommsen ihren Vater Theodor Mommsen, den großen Historiker der römischen Geschichte, warum Kinder niemals zuerst sprechen und nie ihre Eltern oder älteren Geschwister kritisieren sollten. Diese Sitte, so meinte sie, mache sie schüchtern und ungeschickt, und ihr Vater räumte ein, damit habe sie möglicherweise recht.48
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Bei zumindest zwei Themen waren die Menschen des Viktorianischen Zeitalters ebenso verbohrt wie zurückhaltend: Verstopfung und Masturbation. Sie hatten einen Abscheu davor, Worte, die in ihren Augen schmutzig waren, zu Papier zu bringen, so daß Handbücher für den Umgang mit Kindern, die im übrigen auf alles eingingen, das Thema der Reinlichkeitserziehung gewöhnlich aussparten. Nichtsdestoweniger stand ein regelmäßiger Stuhlgang im neunzehnten Jahrhundert an erster Stelle unter den Gesundheitsregeln, und ihm galt die erste Frage, die ein Arzt im Krankheitsfalle stellte. Die Behandlung des kleinen Kindes, soweit sie sich auf jenen Bereich bezog, blieb der Volksweisheit und der mündlichen Überlieferung überlassen. Der Autor von The Rise and Fall of the British Nanny kam aufgrund von Gesprächen mit Personen, die noch das Kindermädchen-System miterlebt hatten, zu der Schlußfolgerung, daß die Ammen die Kinder oft schon im Alter von einem Monat an den Topf zu gewöhnen begannen und das Kind, wenn es älter war, auf seinem Topf jeden Morgen allein »versuchen« ließen. Falls das nicht klappte, wurde ein unangenehmes Abführmittel verabreicht.49)
In einer kleinen französischen Erzählung aus dem Jahre 1895: Carrots, die Autobiographie eines schlimmen Jungen, wird berichtet, wie der junge Held eines Nachts zu der Überzeugung kam, es sei zu kalt, um in den Hinterhof hinauszugehen, wo das Klo war, und es sei bequemer, seine Fäkalien in den Kamin zu entleeren. Seine Mutter hatte vergessen, ihm einen Nachttopf zu geben; am Morgen kochte sie eine besondere Suppe, die ein wenig von seinen eigenen Exkrementen enthielt, und zwang ihn, das Gericht zu essen.50 Aus dieser Geschichte lernen wir sicher mehr über das Fehlen von Hemmungen angesichts von den Körper betreffenden Vorgängen bei den Franzosen und über ihren strengen logischen Sinn als über die übliche Reinlichkeitserziehung.
Führte Verstopfung zu allen möglichen üblen Zuständen des Körpers, so galt von der Masturbation, daß sie unmittelbar zur Geisteskrankheit führe, was von den Eltern verlangte, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um jene Praktik einzudämmen. Ihre Anstrengungen in dieser Hinsicht waren sonderbar, hart und wirkungslos.
Obgleich die schwerwiegendsten Maßnahmen sich oft gegen die Selbstbefleckung von Jungen im Pubertätsalter richteten, wurde häufig auch ein subtiler Druck ausgeübt, um jüngere Kinder von Anfang an davon abzuhalten - er war oft so subtil, daß er sein Ziel verfehlte.
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So berichtet Gathorne-Hardy von Leuten, die sich erinnerten, einfach durch die Ermahnung verwirrt worden zu sein, sich »nicht selbst zu berühren«. Auch die kalten Bäder, zu denen so dringend geraten wurde, bildeten wahrscheinlich einen Bestandteil dieser Kampagne, da sie oft Heranwachsenden empfohlen wurden, die darauf bedacht waren, jene schlechte Gewohnheit einzudämmen - obgleich kaltes Baden in den Augen der Leute des Viktorianischen Zeitalters andere Vorzüge hatte.
Zu den ernsteren Maßnahmen gehörte, daß man die Hände der Kinder im Bett festband. Dr. Maeve Marwick, eine Edinburgher Ärztin, erinnerte sich zum Beispiel daran, daß ihr Klavierlehrer sie fragte, warum ihre Handgelenke so verschrammt seien. Die drastischste Maßnahme bildete der chirurgische Eingriff. Für Jungen, die beim Onanieren ertappt wurden, wurde gewöhnlich die Beschneidung empfohlen, und zumindest ein Arzt sprach sich Mitte des Jahrhunderts auch für die Klitoridektomie bei Mädchen aus. Glücklicherweise wurde er jedoch fast umgehend aus der British Medical Association ausgeschlossen.
Der unbeschreibliche Dr. Schreber erwähnte in seinen Ausführungen zur totalen Kontrollierung der Kinder an keiner Stelle die Masturbation, jedoch legen viele der von ihm empfohlenen Maßnahmen — von kalten Bädern von einem Alter von vier oder fünf Jahren an bis zu seinem ausgefeilten System von Gurten und Stützen, die angeblich für eine gerade Haltung des Kindes sorgen sollten - den Gedanken nahe, daß er dabei die Vermeidung der Masturbation im Sinn hatte.
Besonders in Deutschland kursierten hartnäckige Gerüchte, daß Kindermädchen die ihnen anvertrauten Kinder masturbierten, um sie ruhig zu halten. Solche Gerüchte erhielten immer dann frische Nahrung, wenn irgendein Kind autistisch oder physisch krank wurde. (Von den gleichen Unterstellungen habe ich auch in Louisville, Kentucky, gehört. Sie gingen bis auf ungefähr die Jahrhundertwende zurück.) Glücklicherweise waren einige Leute in der Lage, die Dinge klar zu sehen. Von heilsamem Einfluß war unter anderem Dr. Albert Moll, dessen auf lebenslanger Forschung und sympathetischer Beobachtung beruhendes Buch Das Sexualleben des Kindes in den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts erschien.51) Als junger Arzt war er, wie er berichtet, in Übereinstimmung mit dem, was man ihm beigebracht hatte, der Überzeugung, die Masturbation könne ungeheure Schäden verursachen.
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Er stellte aber fest, daß praktisch alle Jungen und ein großer Teil der Mädchen masturbierten, ohne daß es zu erkennbaren schlimmen Folgen kam. Er erwähnte besonders einen achtjährigen Jungen, der von seiner Mutter und seiner Amme zu ihm gebracht wurde, weil sie glaubten, daß er jede Nacht masturbiere. Zufällig konnte der Arzt bei demselben Patienten im Alter von vierundzwanzig Jahren eine Nachprüfung vornehmen, bei der er feststellte, daß er völlig gesund und hinsichtlich seiner sexuellen Potenz absolut normal war. In seinem Buch warnte er die Eltern, in oszillatorischen Bewegungen bei einem Baby oder einem kleinen Kind schon einen Beweis für Masturbation zu sehen; vielleicht drücke das Kind damit nur sein allgemeines Wohlbefinden aus.
Die Ideale: Kindheit, Heim und Familienleben
Rousseau — obgleich von vielen als das enfant terrible des achtzehnten Jahrhunderts angesehen — lieferte Gründe für die Auffassung, daß Kinder von Natur aus gut und mit der Fähigkeit zur Vernunft ausgestattet seien und ihre natürlichen Tugenden nur freigesetzt zu werden brauchten. Die entgegengesetzte Auffassung, daß Kinder von Geburt an schwierig, wenn nicht sogar verdorben seien, impliziert, daß das einzige Mittel dagegen Gewalt sei.
Zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts waren Rousseaus Gedanken sehr modern, und es gab eine Reihe von Schriftstellerinnen, die seine Theorien in praktischen Ratgebern verbreiteten. Viele von diesen sind sehr erfreulich, wie zum Beispiel Maria Edgeworths Buch Practical Education, das zu lesen wegen ihrer Respektierung des kindlichen Geistes auch heute noch nützlich ist und dessen Lektüre wegen der betörenden Beispiele Freude macht. Maria, die zusammen mit ihrem Vater, Richard Lovell Edgeworth, sechzehn jüngere Schwestern und Brüder aufzog, wurde einmal gefragt, woher es denn komme, daß sie soviel über Kinder wisse. »Nun, ich weiß nicht«, gab sie zur Antwort, »ich lege mich hin und lasse sie über mich krabbeln.« Sie war von einer ihrer Stiefmütter, Honoria Edgeworth, beeinflußt, die der Überzeugung war, daß die Erziehung »eine experimentelle Wissenschaft« sei, und Notizbücher über das Verhalten ihrer Kinder führte.52)
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Eine der großartigsten Einsichten Marias war, daß man weder aus Weisheit noch aus Torheit Vorurteile gegen die Aussagen der Kinder über ihre eigenen Werte haben solle.
In Deutschland schrieb Karoline Rudolphi, eine Zeitgenossin Marias, die denselben Grundsätzen anhing, ein Buch in Form einer Reihe von Briefen, die eine erfahrene Mutter an eine jüngere Mutter richtete" und die in fiktiver Form die Erfahrungen eines kleinen Mädchens vom achten Tag seines Lebens bis zu seiner Heirat schilderte und die jeweils dazu passenden Ratschläge gab. Die Autorin hebt bei jedem Stadium die Notwendigkeit von Freundlichkeit, Vernünftigkeit und Ermutigung der natürlichen Regungen auf konstruktive Weise hervor. Mme. Guizot, die Frau des französischen Politikers, leistete dasselbe für französische Mütter mit »Briefen« einer Mutter, die ihren als Diplomaten fern von zu Hause weilenden Mann über die Fortschritte ihrer Kinder auf dem laufenden zu halten sucht.54 Bei den erwähnten Autorinnen geht es mehr um die Erziehung der Mädchen als um die der Jungen, da man der Auffassung war, die Mütter hätten ihre Töchter bis zu deren Verheiratung zu betreuen, während die Jungen zur Schule gingen - aber jede gibt auch Ratschläge und Beispiele in bezug auf kleine Jungen mit Bemerkungen über die notwendigen Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Das beste Beispiel für die entgegengesetzte Theorie bietet Hannah More, die, obgleich ein wenig älter als Maria Edgeworth, diese in den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts an Popularität übertraf. Für sie waren Kinder von Geburt an schlecht, und ihr Wille mußte, bevor sie akzeptable Erwachsene werden konnten, gebrochen werden. »Ist es nicht ein fundamentaler Irrtum, Kinder als unschuldige Wesen zu betrachten, deren kleine Schwächen möglicherweise ein paar Korrekturen erforderlich machen, statt sie als Wesen anzusehen, die eine verderbte Natur und schlechte Veranlagungen mit auf die Welt bringen, die zu verbessern das große Ziel der Erziehung sein sollte?«55 In einer ihrer didaktischen Dichtungen tritt eine philosophische Figur auf, die darüber erfreut ist, daß ihr einziger Sohn als Kind starb, weil er nämlich sonst ein großes Vermögen geerbt hätte und Gott offensichtlich seine Seele davor bewahrt hatte, in Versuchung geführt zu werden.
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Auch in Frankreich kam die pejorative Auffassung der Kindheit, obgleich sie hier weniger verbreitet war, manchmal zum Ausdruck. Das Livre de Familie, ein billiges Handbuch im Pappeinband, das Ende des Jahrhunderts erschien, stellte das Kind als Personifizierung von Grausamkeit und Egoismus hin. Nur wenn es schlief, war es ein Engel. Sobald es wach war, sollte es einem absoluten Gehorsam unterworfen werden.
Ungeachtet solcher hartherzigen Auffassungen trifft doch zu, daß die Kindheit zu etwas Interessantem und Ernstzunehmendem geworden war und die gewöhnliche Gleichgültigkeit oder Brutalität früherer Jahrhunderte im neunzehnten Jahrhundert durch größeres Verständnis gemildert wurde. Obgleich Hannah More unnachgiebig wirkt, war sie doch keine grausame Frau. Zwar vertrat sie die alte christliche Vorstellung, daß der Mensch von Natur aus böse sei; nichtsdestoweniger glaubte sie aber, daß man damit am besten fertig würde, wenn man Milde walten ließ und in einer steten sanften Weise auf Gehorsam beharrte.
Die beiden eben skizzierten Auffassungen standen sich im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts gegenüber: auf der einen Seite die, die Kinder liebten, auf der anderen jene, die sie nicht liebten; auf der einen Seite die, die auf die Natur vertrauten, auf der anderen jene, die Gott fürchteten; auf der einen Seite die, die für eine sanfte Erziehung eintraten, auf der anderen jene, die der Überzeugung waren, Schmerz sei für Kinder gut; auf der einen Seite das Zeitalter der Aufklärung, auf der anderen puritanische Ethik.
Sorgte der Nachhall der Aufklärung in der Zeit bis um etwa 1820 noch für ein gewisses Maß an Freiheit, so gab die Reaktion mit ihrem Eintreten für Konventionalität und Respektabilität jenen Publikationen Auftrieb, die in den dreißiger, vierziger und fünfziger Jahren Hannah Mores Auffassung vertraten. Gegen Ende des Jahrhunderts gelangte jedoch wieder eine neue Bewegung für mehr Freiheit zur Geltung, als Ellen Key prophezeite, das zwanzigste Jahrhundert werde »das Jahrhundert des Kindes« sein. In Frankreich wurde Rousseaus Einfluß schwächer, hörte jedoch niemals ganz auf. In Deutschland zeigte sich kaum ein theoretisches Interesse für die Kindheit, bis es in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts mit wissenschaftlicher Gründlichkeit hervortrat und Institute für experimentelle Forschungen auf dem Gebiet der Kinderpsychologie und Zeitschriften zur Verbreitung der Forschungsergebnisse gegründet wurden.
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Die Kinder mußten natürlich erzogen werden, ohne daß man auf die theoretische Lösung der Probleme hätte warten können, aber die Mütter verfielen doch, ob nun bewußt oder nicht, in die eine oder die andere der beiden erwähnten Verhaltensweisen und mußten ihre natürlichen Regungen mit ihrem starken Pflichtgefühl ins Gleichgewicht bringen. Es gab immer Mütter, die in ihren Kindern einen Quell der Freude sahen, und andere Mütter, für die Kinder in erster Linie eine entsetzliche Last von Verantwortung waren. Die Literatur lieferte Gründe, mit denen sich jede dieser beiden Haltungen rationalisieren ließ.
Zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts begründete eine bemerkenswerte englische Familie, die Taylors of Ongar, einen neuen Familientyp, und ihre Schrift darüber hatte eine beachtliche Wirkung. Das Heim, so erklärten sie, ist das große Kinderzimmer der Tugend. Man solle die Kinder nicht in getrennten Zimmern unterbringen, vielmehr sollten Eltern und Kinder gemeinsam einen großen Kreis im Salon des Hauses oder in der Küche bilden. Durch lautes Vorlesen — eine Sitte, zu deren Popularität sie wesentlich beitrugen —; dadurch, daß sie ihre Kinder selber unterrichteten; dadurch, daß sie die Kinder an den Entscheidungen der Familie teilnehmen ließen; und durch die Anregung der Kinder zu handwerklichen Tätigkeiten (den Mädchen wurde die Gravierkunst beigebracht) hofften sie unverdorbene junge Menschen zu erziehen.
Zu ihren wesentlichen Grundsätzen gehörte die Wechselseitigkeit in den Familienbeziehungen. In ihren Augen begann »das Kind bereits zu schenken, wenn es nichts weiter zu geben hat als seine Zuneigung«. Allerdings fehlte bei dieser Familie bemerkenswerterweise unsere heutige Auffassung, daß es gut sei, wenn Kinder aus verschiedenen Familien und Schichten miteinander spielen. Die Taylors waren der Meinung, die Armen seien unwissend und verdorben und die Reichen ausschweifend und grausam. Daher könnten die Kinder nur durch Isolierung von schlechter Gesellschaft und falschen Vorstellungen ferngehalten werden.
Mrs. Taylor war der festen Meinung, Mütter seien dazu bestimmt, die Lehrer ihrer eigenen Kinder zu sein, und diese Aufgabe sei »eine der vernünftigsten und erfreulichsten Beschäftigungen, denen der menschliche Geist nachgehen kann«.56) Später schrieb Mrs. Beeton, deren Buch über Haushaltsführung ein universales Nachschlagewerk für mehr als eine Generation englischer Haushälterinnen war:
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»Es sollte zur häuslichen Politik aller Eltern gehören, ihren Kindern das Gefühl zu vermitteln, daß das Zuhause der glücklichste Platz in der Welt ist; daß es eines der auserlesensten Geschenke, die Eltern gewähren können, ist, sie mit der kostbaren Empfindung des Sich-zu-Hause-Fühlens zu erfüllen.«57). Im gleichen Sinne erklärte Mrs. Ellis, die in der Popularität mit Mrs. Beeton konkurrierte, den Müttern, daß eine glückliche Kindheit die bestmögliche Vorbereitung für die Realitäten und Härten des späteren Lebens sei.58)
Trotz der zahllosen guten Ratschläge gibt es jedoch zahlreiche unmittelbare Beweise dafür, daß die englischen Mütter in der Praxis dazu tendierten, kühl und distanziert zu sein. Flora Tristan, die sich in den französischen Verhältnissen auskannte, hatte in den dreißiger Jahren den Eindruck, daß englische Kinder nicht wußten, was es eigentlich hieß, von der Mutter liebkost zu werden, so daß sich ihre eigenen Liebesfähigkeiten nicht entwickeln konnten und die jungen Mädchen zu intimen Beziehungen unfähig wurden.59)
In einem frühen Entwurf zu seiner Autobiography sprach John Stuart Mill davon, daß »in England eine wirklich warmherzige Mutter eine große Seltenheit« sei, ein Abschnitt, der später gestrichen wurde.60 Harriet Martineau erinnerte sich, daß Zärtlichkeiten seitens ihrer Mutter so selten waren, daß sie, als eines Tages ein Fremder sie liebkoste, in Tränen ausbrach, und Mrs. Asquith äußerte, daß es ihr fast unmöglich sei, die Kluft zu beschreiben, die sie als Kind zwischen sich selbst und den Erwachsenen gespürt habe; ihr erster emotionaler Eindruck sei gewesen, daß sie ausgelöscht werden sollte, ja daß sie überhaupt nicht hätte geboren werden sollen. Als ihre Mutter anfing, ihr Lesen und Schreiben beizubringen, endeten die Stunden immer mit einer Bestrafung, und sie erhielt niemals ein Lob.61)
E. E. Kellett stellte anläßlich der Analyse seiner eigenen Kindheit fest, daß viele viktorianische Familien ihren Despotismus dadurch verbargen, daß sie die Pflicht zur Liebe genauso betonten wie die Liebe zur Pflicht — so daß sich die Kinder gar nicht richtig ihrer Situation bewußt wurden. Er schrieb sein Gefühl teilweise der Tatsache zu, daß die Mütter von ihren Kindern so selten gesehen wurden, daß sie ihnen wie besondere Gäste erschienen.62)
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Kinder wurden in England im allgemeinen in einem besonderen Kinderzimmer unter Aufsicht einer besonderen Person, des Kindermädchens, der englischen Amme, aufgezogen, die in der Regel unverheiratet, sehr eigen und keineswegs eine Säugamme war. Sie war eine Bade-, An- und Auszieh- und Aufpaßamme. Die Sitten in England und auf dem Kontinent unterschieden sich dadurch, daß - obgleich das Charakteristikum für eine Familie der Mittelschicht darin bestand, zumindest einen Diener zu haben - das Dienstpersonal in Frankreich und Deutschland nicht spezialisiert war. Die Bediensteten wurden angestellt, um zu helfen, wo sie gerade gebraucht wurden, nicht aber, um eine besondere begrenzte Anzahl von Aufgaben auszuführen. Französische Babys waren nicht nur sehr viel häufiger mit ihren Eltern zusammen und ohne ein spezielles Kindermädchen, zu dem sie sich hätten zurückziehen müssen, sondern es wurden die Spaziergänge sogar häufig von der Mutter und der Bonne zusammen gemacht, so daß es kaum passieren konnte, daß dem Kind etwas wirklich Schlimmes widerfuhr, ohne daß die Mutter es merkte.
In England führten der Brauch, Diener sehr reserviert zu behandeln, und die Ansicht, man sollte sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben allein lassen, häufig zu für die Kinder schlimmen Situationen. Was das Silber betraf, so konnte die Herrin sehen, ob es glänzte oder nicht, und das Dienstmädchen gegebenenfalls hinauswerfen; wenn aber das Kindermädchen einen kleinen Jungen schwarz und blau kniff und schlimme Dinge androhte für den Fall, daß er seiner Mutter nicht vorsang: »Ich liebe Julia, ich liebe sie, ich liebe sie« (ein Fall, der sich tatsächlich ereignete), dann konnte dieses Problem jahrelang unentdeckt bleiben. Sogar Lady Amberley, die Mutter von Bertrand Russell, die außerordentlich gewissenhaft und interessiert war, mußte von anderen Bediensteten darüber informiert werden, daß man ihr erstes Kind (nicht Bertrand) hungern ließ, vernachlässigte und belog - woraufhin sie das betreffende Dienstmädchen innerhalb von drei Stunden entließ.''3 Als sie schon viele Jahre kein Kindermädchen mehr hatte, überlegte Milly Acland, warum ihre Mutter wohl niemals bemerkt hatte, daß Barley, ihr ehemaliges Kindermädchen, in ihrer Kindheit eine Art böser Geist gewesen war. Sie kam zu dem Schluß, daß die Kinderzimmer so separat waren, daß ein Kind nur selten gleichzeitig mit der Mutter und dem Kindermädchen zusammen war und das intensive Studium des Kindes damals noch nicht in Mode gewesen war.64)
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In seiner besten Erscheinungsform schuf das englische System — so zeigt ein gutes Hundert Autobiographien — eine lebenslangliche Anhänglichkeit zwischen Kindern und ihren Kindermädchen, und den Eltern, die einen Beitrag zu den höheren Freuden des Lebens leisteten, verlieh es einen gewissen Extraglanz. Hinzu kam, daß, während die Familienstruktur und das Kindermädchen Schutz vor Gefahr boten und für einen gewohnheitsmäßigen Gang im Hinblick auf Essen und Schlafen sorgten, immer genügend Zeit zu bleiben schien, um individuellen Interessen nachzugehen, um an vielen Nachmittagen mit zahlreichen Geschwistern kunstvolle Scharaden zu spielen, um Familienzeitungen herauszugeben, um Blumen oder Mineralien zu sammeln. Manche Autobiographen erinnerten sich an Langeweile, aber die weitaus meisten waren ihr ganzes Leben lang dankbar für diese ihnen in ihrer Jugend zuteil gewordene unstrukturierte Zeit.
Es ist interessant, daß die frühen Reformer zwischen den Rollen von Mutter und Vater nicht so stark unterschieden, wie das später geschah. Einer der enthusiastischsten Väter, die es je gab, war zweifellos der Journalist William Cobbett, der erklärte, er kenne keinen Mann, der etwas taugte, der eine Antipathie gegen kleine Kinder hätte. »Wieviele Tage, wieviele Stunden habe ich insgesamt mit Babys auf dem Arm verbracht! Wenn ich zu Hause war und kleine Kinder da waren, war meine Zeit vorwiegend aufgeteilt zwischen der Feder und dem Baby. Hunderte von Malen habe ich sie gefüttert und zu Bett gebracht, obgleich es Diener gab, denen man diese Aufgabe hätte übertragen können.« Er sagte, er habe viele Rechnungen bei lautem Kinderlärm geschrieben und die Kleinen niemals gebeten, ruhig zu sein.65)
Obgleich soviel physische Fürsorge in der Mittelschicht ungewöhnlich war, entwickelte sich doch bei vielen englischen Vätern die Bereitschaft, Störungen in Kauf zu nehmen und die Arbeit inmitten des Lärms fortzusetzen. John Stuart Mill lernte zu einer Zeit, als es noch keine zweisprachigen Wörterbücher gab, am Arbeitstisch seines Vaters Griechisch, und James Mill, der ungeduldigste Mensch, den man sich vorstellen kann, blickte von seiner eigenen Schreibarbeit auf, um auf die Fragen des kleinen Jungen zu antworten. Es gibt auch einen ganz ungezwungenen Bericht von Dr. Arnold, wie er abends zu Hause inmitten seiner Nachkommen liest und studiert. Als die Familie 1832 in Ferien fuhr, hatte sie vier Wochen »ein fast schreckliches Glück, ohne jede Wolke, und wir genossen es alle gleichermaßen — Mutter, Vater und die ganze Kinderschar«.
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Thackerays Tochter Ann wurde schon sehr früh am Morgen zu ihrem Vater gebracht und hatte das Privileg, ihm beim Rasieren zusehen zu dürfen oder, was noch besser war, ihn dabei zu beobachten, wie er Papier zerriß und Prozessionen von kleinen Schweinen mit Kringelschwänzchen herstellte oder, wie er Bilder zeichnete.66) Eleanor Fargeons Vater, ein Romanschriftsteller, nahm seine Kinder auf lange Spaziergänge mit, auf denen er ihnen lange Geschichten erzählte. Die Fähigkeit zum Fabulieren und Geschichtenerfinden war in jener Generation weit verbreitet. Heutzutage scheint sie verlorengegangen zu sein. Damals war Lewis Carroll lediglich ein Genie auf einem Gebiet, auf dem Talente reichlich vorhanden waren.
Auf der anderen Seite stößt man auf viele Beispiele für tyrannische und beschränkte Väter. E. E. Kellett berichtet, daß viktorianische Kinder ihre Väter auch dann haßten, wenn sie ihnen in der lächerlichsten Weise Ehrerbietigkeit erwiesen, und daß die Väter sehr erstaunt gewesen wären, wenn sie das erfahren hätten.67) Das berühmteste Beispiel für diesen Typ ist Theodore Pontifex, eine Figur in The Way of All Flesh, die Samuel Butler seinem eigenen Vater nachgebildet hatte. Dafür wurde er allerdings von anderen Familienmitgliedern, die den alten Mann kannten und ihn ganz anders sahen, heftig kritisiert. Doch stimmt es sehr wahrscheinlich, daß es die meisten viktorianischen Väter haßten zuzugeben, daß sie nicht auf alle Fragen die richtigen Antworten wußten. Nicht umsonst wurden sie im allgemeinen als »der Gouverneur« bezeichnet.
Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch ausländische Beobachter, wie zum Beispiel den Franzosen Emile Boutmy, der in England nicht die Unehrerbietigkeit und das Fehlen von Zwang vorfand, wie er es in seiner Heimat gewöhnt war,68 während Dr. Wiese, ein Deutscher, das Gefühl hatte, in englischen Familien fehle jegliche Intimität.69) Selbst Dr. Arnold meinte, daß Familienbeziehungen auf dem Kontinent vertrauensvoller waren.
Der entzückendste Anblick in Paris waren nach Meinung fast aller Besucher die Scharen von Kindern mit ihren Eltern in den Tuilerien oder im Jardin du Luxembourg an Sonn- oder Ferientagen und die außerordentliche Freundlichkeit und Aufmerksamkeit der Eltern.70) Guizot, der die Formen der ehelichen Liebe im Laufe der Geschichte untersuchte, meinte, daß Eltern niemals zuvor so liebevoll mit ihren Kindern verkehrt hätten71) — oder mit den Worten Taines: in der französischen Familie ist jede Seele offen für den Tag.72)
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All das, sofern es stimmt, galt jedoch nur für die nicht sehr zahlreichen Familien der französischen Mittelschicht. Der Pariser Bürger wünschte zwar Kinder, wollte aber gewöhnlich nicht mehr als zwei, und. diese Absicht legte er auch oft schriftlich in seinem Heiratsvertrag nieder. Wie Adeline Daumard hervorhob, ermöglichte die bewußte Geburtenkontrolle, daß »Liebe« anstelle von »Autorität« zum Familienband wurde.
Es ist heute schwer zu sagen, wie viele französische Väter sich um das physische Wohl ihrer Kinder kümmerten; die Literatur zu diesem Thema riet ihnen jedenfalls, eine Menge dafür zu tun. Man spürte, daß die neue Vorstellung von einem Volksstaat eine neue Art des väterlichen Gefühls erforderlich machte. Man war der Ansicht, daß die Vaterschaft in der Feudalgesellschaft durch die Konzentration auf den ältesten Sohn zu etwas Unnatürlichem geworden sei. Das neue französische Gesetz, das alle Kinder zu gleichberechtigten Erben machte, ließ dagegen jedes Kind zu seinem Recht kommen.
Wenn die Jungen den Mädchen vorgezogen wurden, so deshalb, weil Frankreich dringend Soldaten benötigte. Im übrigen machten die auf Gleichberechtigung beruhenden Erbgesetze und die Kleinheit der meisten Familien die Mädchen genauso zu einem Gegenstand finanzieller und emotionaler Fürsorge wie ihre Brüder. Dennoch gab es latente Vorurteile. Eine Schriftstellerin, die unter dem Pseudonym Gyp veröffentlichte, wurde im Alter von drei Jahren oft von ihrem Großvater spazierengeführt. Er erzählte ihr gerne vom Kaiser. »Ich will den Kaiser sehen«, erklärte sie. »Kleine Mädchen sagen nicht >Ich will<«, bekam sie daraufhin zu hören. Sie stellte sich vor, daß der Krieg herrlich sein müsse und fragte, ob sie Soldat werden könnte; natürlich erhielt sie zur Antwort, daß das für ein Mädchen unpassend sei. »Was für ein Unglück, daß ich kein Junge bin.« »Ja, was für ein Unglück!« sagte der Großvater.73)
In Deutschland gab es einen regelrechten Kult um die »organische« Familie, die am besten von Dr. W. H. Riehl in seiner soziologischen Studie Die Familie74) beschrieben worden ist. Riehl forderte einen streng hierarchischen Aufbau, bei dem der Vater an der Spitze stand und die anderen Familienmitglieder ihm untergeordnet waren nach Maßgabe der von ihm für »natürlich« gehaltenen Gesetze der Unterwürfigkeit und der Gruppenidentifikation.
Zu der einfachen, gesunden Kindheit, wie sie von Schriftstellern wie Gustav Freytag gerühmt wurde, gehörten Kinder mit rosigen Wangen und wenig Intelligenz, dafür aber mit tiefer Ergebenheit gegenüber den Idealen der Pflicht — und dem Staat.75)
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Die Sorge für fremde Kinder
Im neunzehnten Jahrhundert begann die Öffentlichkeit sich immer mehr für jene Kinder verantwortlich zu fühlen, die nicht die eigenen waren. Seit der Französischen Revolution wurde der Staat zunehmend als das Organ aller seiner Bürger betrachtet, und seine Ordnungsfunktionen wurden dahingehend verändert, daß sie auch ein paternalistisches Interesse einschlössen. Die Nation verstand sich als die große Mutter oder der große Vater. »Allons, enfants de la patrie«, wurde der Ruf mit dem man die Massen anfeuerte, und in Deutschland hieß es: »Lieb Vaterland, magst ruhig sein.«
Auf dem Kontinent gab es eine große Anzahl von staatlich geleiteten Waisenhäusern, in denen man sich um die Kriegswaisen kümmerte, und diese Fürsorge wurde bald auch auf Kinder ausgedehnt, die aus anderen Gründen elternlos waren: auf illegitime oder ausgesetzte Kinder, von denen es zum Beispiel 1825 in Frankreich 117.000 gegeben haben soll.
Das erste Fabrikgesetz in England im Jahre 1802 galt nur für verwaiste Lehrlinge, die Schützlinge des Staates waren, aber immerhin wurde hier zum erstenmal in der Gesetzgebung die Absicht bekundet, das Wohlergehen einer Gruppe von Bürgern einzig deshalb zu sichern, weil sie jung waren. Die britische Regierung erweiterte dann ihren Aufgabenbereich und machte sich auch den Schutz von Kindern gegen Mißhandlungen durch die eigenen Eltern und Vormünder zur Pflicht.
So griff sie ein, um den schlimmsten Praktiken bei der Kinderversicherung Einhalt zu gebieten (die in Großbritannien oft als Anreiz diente, ein Kind sterben zu lassen oder den Prozeß des Sterbens zu beschleunigen) oder die schlimmsten Praktiken beim In-Pflege-Geben der Kinder zu beenden (wobei habgierige Leute anboten, ein Kind gegen eine Gebühr zu »adoptieren«, aber allzu häufig Aufsicht und Pflege vernachlässigten und die Kinder mit Opium betäubten und unter Schmutz und Unterernährung leiden ließen).
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In dieselbe Kategorie fallen auch die verschiedenen die Kinderarbeit betreffenden Gesetze, die jedes europäische Land erließ, um die Kinder vor Überarbeitung und Analphabetentum zu schützen.
Erst viel später kam die Überzeugung auf, daß der Staat auch gegenüber Kindern guter Eltern Verantwortung trage und für Ausbildung und medizinische Versorgung zu sorgen habe.
Natürlich war das Interesse der Regierung nicht ausschließlich humanitärer Art. Den Ökonomen und besonders den Militärstrategen blieb nicht verborgen, daß die Prosperität und die Sicherheit des Staates davon abhingen, daß es gesunde Bürger gab. Rousseau wurde nun als jemand verstanden, der dafür eingetreten war, »dem Land Bürger zu geben, während er doch nur daran zu denken schien, den Kindern ihre Mütter zu geben!«. Das autoritäre Livre de Familie betonte sowohl den Militarismus als auch den Nationalismus; sogar Gustav Droz erklärte, daß eine genügende Zahl von Familien wie die, die er in Monsieur, Madame et Bebe beschrieb, »eine Nation bilden« würden.
Manchmal hatten sogar Gesetze, die gar nicht auf das Wohlergehen der Kinder abzielten, Auswirkungen auf die Familienstruktur und das Wohlbefinden der Kinder. So hatte zum Beispiel das französische revolutionäre Prinzip, daß alle Kinder in einer Familie gleichberechtigte Erben seien, den Effekt, daß kleinere und eng um die Kinder — statt, wie unter dem Ancien Regime, um das Vermögen — zentrierte Familien entstanden. Parallel zu dem wachsenden Interesse der Regierung am Wohlergehen der Kinder — oder häufig genug, ihm vorangehend — gab es ein hohes Maß an privater Wohltätigkeit, ein Interesse von Gruppen privater Bürger an fremden Kindern. Lange bevor Staaten es für ihre Pflicht hielten, Kinder auszubilden, hatten solche Gruppen bereits Kleinkinderschulen für die Kinder arbeitender Mütter gegründet oder »Armenschulen«, auf denen arme Jungen und sogar Mädchen lesen und manchmal auch schreiben lernen konnten.
Etwa zu der Zeit, als Viktoria den Thron bestieg, nahm Flora Tristan an einer Vorstandssitzung für eine Kleinkinderschule in England teil, deren Vorsitzender ein Pair war.76) Sie amüsierte sich darüber, daß die Beratungen scheiterten, weil die der Oberschicht angehörenden Ausschußmitglieder zu fürchten schienen, daß die Schule so förderlich sein könnte, daß die Kinder der Armen die der Reichen überrundeten.
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Es kam ihnen allerdings gar nicht in den Sinn, ihre eigenen Kinder in irgendeine Art von Schule zu schicken. Flora Tristan nahm an, sie hätten Angst vor einer Vermischung der Klassen, die sie als Sozialistin nur für gut hielt.
Andererseits meinte Florence Nightingale ein Vierteljahrhundert später, daß, wenn es nach ihr ginge, keine Mutter ihr Kind selber aufzuziehen brauchte; vielmehr gäbe es dann Kleinkinderschulen für alle Kinder, und wenn sie selber ein Kind hätte, würde sie es in eine solche Schule schicken.
Als Laura Solera in Italien Kindertagesstätten für die Kinder von Fabrikarbeitern einrichtete, stieß sie auf heftigen Widerstand, weil diese Einrichtung das Arbeiten der Mutter außerhalb des Hauses zu fördern schien. Später rückte Italien jedoch, was die Sorge um die Kinder betrifft, an die erste Stelle, als Maria Montessori ihre Prinzipien der freien Entfaltung entwickelte, zuerst für behinderte, später auch für normale Kinder.
Die private Wohltätigkeit konnte aber niemals alle Kinder erreichen — das konnte nur die Regierung. So wurden privat betriebene Schulen durch kostenlose Schulen ersetzt, deren Besuch für alle Pflicht war; und private Bemühungen, Kindesmißhandlungen zu mildern, wurden durch entsprechende Gesetze ergänzt.
1889 verabschiedete das britische Parlament ein Gesetz, das Kinder vor Mißhandlungen schützen sollte; das geschah aber erst, nachdem die Gesellschaft zur Verhütung von Tiermißhandlungen Klagen erhalten hatte und zu der Überzeugung kam, daß sie sich nicht mit dem Tierschutz begnügen dürfe. 1895 erhielt die Gesellschaft zur Verhütung von Kindesmißhandlungen ihre königliche Gründungsurkunde.
Die Hauptfeinde der Kinder waren Armut und Unwissenheit. Es wurden so viele Kinder ausgesetzt, und es starben so viele in den Armen ihrer Mütter, daß Graf Pellegrino Rossi sich veranlaßt sah, in einer Vorlesung am College de France zu erklären, daß »die Tötung von Kindern bei uns offiziell nicht akzeptiert wird, aber vielleicht noch viel furchtbarer ist« als im Altertum, in dem Kinder systematisch ausgesetzt wurden.
Die Sorge um die Kinder erschien in der Tat als eine Tugend der Moderne, aber sie konnte zunächst nicht wirklich aufgeklärt sein. Das neunzehnte Jahrhundert war jedoch zumindest die Zeit, in der öffentliche Institutionen anfingen, Kinder als Kinder zu sehen, die wegen ihrer Hilflosigkeit und Verletzlichkeit besonderer Fürsorge bedurften, statt als kleine Erwachsene, die das Recht hatten, sich für sechzehn Stunden am Tag zu verdingen, oder als bewegliches Eigentum ihrer Eltern.
Die veränderte Einstellung zum Kind, die ihren Ursprung in der Familie hatte, brachte noch vor dem Ende des Jahrhunderts große Veränderungen in der Gesellschaft als ganzer hervor.
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E n d e
Anmerkungen
1 Mary Berry, Social Life in England and France, from the French Revolution in 1/89 to that of July 1830, London 1831, S. 152.
2 William Cobbett, Advice to Young Men and (Incidentally) to Young Women in the Middle and Higher Ranks of Life in a Series of Letters Addressed to a Youth, a Bachelor, a Lover, a Husband, a Father, a Citizen or a Subject (ursprünglich veröffentlicht 1830), London 1926, S. 221.
3 Jeanne Daubie, L'Emancipation de la Femme, Paris 1871, S. 362.
4 Madeleine Pelletier, L'Emancipation Sexuelle de la Femme, Paris 1911, S. 44.
5 Cora Elisabeth Millet-Robinet und Dr. Emile Allix, Le Livre des Jeunes Meres, Paris 1884, S. 64.
6 Gustav Droz, Monsieur, Madame et Bebe, 131. Aufl., Paris 1886, S. 243 ff.
7 Marthe de Hedouville, La Comtesse de Segur et les Sliens, Paris 1953, S. 182.
8 Theodor von Hippel, Über die Ehe, Sämtliche Werke, Einleitung.
9 Ciaire, Comtesse de Remusat, Essai sur l'Education des Femmes. Precede d'une Etüde par Ocatave Greard (ursprünglich veröffentlicht 1824), Paris 1903, S. xciii.
10 Jules Michelet, Woman (La Femme), übers, von J. W. Palmer, New York 1867, S. 61.
11 Siehe Gazette des Femmes, (28. Mai 1842). Ferner Mme. Celnart (Pseud. von Elisabeth Bayle-Mouillard), Manuel Complet de la Maitresse de Maison, 3. Aufl., 1834.
12 Sarah Ann Sewell, Woman and the Times We Live In, Manchester 1869, S. 45.
13 Jane Ellen Panton, The Way They Should Go: Hints to Young Parents, London 1896, passim.
14 Sabine Baring-Gould, Germany: Present and Past, 2 Bde., London 1879, II, S. 274.
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15 Millet-Robinet, Jeunes Meres, S. 17.
16 J. Sevrette, Lajeune Menagere: Soins Domestiques, Paris 1904, ein Text für Grundschulen, S. 180. Siehe auch Celnart, 37, und Sophie, Comtesse de Segur, La Sante des Enfants, Paris 1857.
17 Henry Mayhew, German Life and Manners as Seen in Saxony at the Present Day: with an Account of Village Life, Town Life, Fashionable Life, Domestic Life, Married Life, School and University Life etc. of Germany at the Present Time, 2. Aufl., London 1865, S. 140.
18 William Howitt, The Rural and Domestic Life of Germany, Philadelphia 1843, S. 30.
19 Lady Morgan, Italy, 3 Bde., London 1821, II, S. 225.
20 Cobbett, Advice, S. 240.
21 Elizabeth Grant Smith, Memoirs of a Highland Laby: the Autobiography of Elizabeth Grant of Rothiemurchus, afterwards Mrs. Smith of Balti-boys, 1797-i8jo, hrsg. von Lady Strachey, London 1911.
22 Walter de la Mare, Early One Morning in the Spring. Chapters on Children and on Childhood as it is Revealed in Particular in Early Memoirs and in Early Writings, New York 1935, S. 242.
23 Fanny E. Kingsley, Charles Kingsley: His Letters and Memories of his Early Life (ursprünglich veröffentlicht 1877), 2 Bde., Leipzig 1881, S. 260.
24 de la Mare, Early One Morning, S. 180.
25 Elizabeth Cleghorn Gaskell, »My Diary«; the Early Years ofmy Daugh-ter Marianne, Privatdruck, London 1923.
26 C. A. E. Moberly, Dulce Domum: George Moberly, his Family and Friends, London 1916, S. 71 ff.
27 Morton Schatzmann, Soul Murder: Persecution in the Family, New York 1973-
28 Augustus Hare, The Years with Mother: Being an Abridgment of the First Three Volumes of The Story of My Life, hrsg. von Malcolm Barnes, 1952.
29 Cecil Willett Cunnington, Feminine Attitudes in the Nineteenth Century, New York 1936, S. 129.
30 Edmund Gosse, Father and Son: Biographical Reflections, New York 1908, S. 50.
31 Waldo Hilary Dünn, James Anthony Froude, a Biography: 1818-1856, enthält Froudes Autobiography, Oxford 1961, S. 17.
32 John Ruskin, Praeterita. Outlines of Scenes and Thoughts Perhaps Worthy of Memory in My Past Life, mit einer Einleitung von Kenneth Clark, London 1949, S. 12.
33 Ann Hinton Taylor, Practical Hints to Young Females on the Duties of a Wife, and a Mother, and a Mistress of a Family, 3. Aufl., London 1815, s.51.
34 de la Mare, Early One Morning, S. 232.
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35 Graham Willas, The Life of Francis Place, ijji-1854, 3. Aufl., New York 1919, S. 74.
36 Ruskin, Praeterita, S. 17.
37 de la Mare, Early One Morning, S. 231.
38 F. J. Harvey Darton, Children's Books in England: Five Centuries of Social Life, Cambridge 1958, S. 177.
39 Eleanor Acland, Good-bye for the Present: The Story of Two Child-hoods: Milly, 1878-1888, and Ellen, 1913-1924, New York 1935, S. 31.
40 Frances Ann Kemble, Records of a Girlhood, New York 1879, S. 9.
41 Derek Patmore, Portrait of my Family, 1/83-1896, New York und London 1935, S. 120.
42 Cobbett, Advice, S. 275 ff.
43 Philip Hamerton, Round My House: Notes of Rural Life in France in Peace and War, 3. Aufl., London 1876, S. 275.
44 Millet-Robinet, Jeunes Meres, S. 337.
45 Livre de Familie, S. 188.
46 Matilda Betham-Edwards, Home Life in France, 6. Aufl., 1913, S. 44.
47 Otto von Corvin, Ein Leben voller Abenteuer, herausgegeben von Hermann Wendel, Frankfurt 1924, S. 36.
48 Adelheid Mommsen, Theodor Mommsen im Kreise der Seinen, Berlin 1936, S. 48.
49 Jonathan Gathorne-Hardy, The Rise and Fall of the British Nanny, London 1972.
50 Jules Renard, Carrots, übers, von C. W. Stonier, London 1946 (französische Originalausgabe 1895).
51 Dr. Albert Moll, The Sexual Life ofthe Child, übers, von Dr. Eden Paul, New York 1913 (dt. Originalausgabe: Das Sexualleben des Kindes, Berlin 1909).
52 Maria Edgeworth und Richard Lovell Edgeworth, Practical Education, Amerikanische Ausgabe, 2 Bde., New York 1801, II, S. 301.
53 Karoline Rudolphi, Gemälde Weiblicher Erziehung, 4. Aufl., Heidelberg und Leipzig 1857.
54 Elisabeth Charlotte de Guizot, Lettres de Familie sur l'Education, 4. Aufl., 2 Bde., Paris 1852.
55 Hannah More, Strictures on the Modern System of Female Education, in Works, New York 1835, Bd. VI, S. 36.
56 Isaac Taylor of Ongar, Advice to the Teens, aus der 2. Londoner Ausgabe, Boston 1820, S. 64.
57 H. Montgomery Hyde, Mr. and Mrs. Beeton, London 1951, S. 98.
58 Sara Ellis, The Mothers of England: Their Influence and Responsibility, New York 1844.
59 Flora Tristan, Promenades dans Londres, Paris und London 1840, S. 303.
60 Michael St. John Packe, The Life of John Stuart MM, London 1954, s.33.
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61 Margot Asquith (Hrsg.), Myself When Young: By Famous Women of To-Day, London 1938, S. 45. 6i E. E. Kellett, As I Remember, London 1936, S. 238.
63 Eleanor Farjeon, A Nursery in the Nineties, London 1935, S. 183.
64 Acland, Good-Bye, S. 25, 196.
65 Cobbett, Advice, S. 176.
66 Anne Ritchie, Introduction to The Sketch Book by W. M. Thackeray in Works, New York und London 1899.
6j Kellett, As I Remember, S. 227.
68 Emile Boutmy, The English People: A Study oftheir Political Psychology, übers, von E. English, New York und London 1904.
69 Ludwig A. Wiese, German Letters on English Education, übers, von W. D. Arnold, London 1854, S. 36 (dt. Originalausgabe: Deutsche Briefe über englische Erziehung, Berlin 1852).
70 Arnold Rüge, Studien und Erinnerungen aus den Jahren 184J-4J. Ferner Harriet Beecher Stowe, Sunny Memories of Foreign Lands, Boston 1854, und Thackeray, The Paris Sketch Book (datiert 1840).
71 Karl Hillebrand, France and the French in the Second Half of the Nineteenth Century, übers, nach der 3. deutschen Aufl., London 1881 (dt. Originalausgabe: Frankreich und die Franzosen in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts, Berlin 1873).
72 Taine, England, S. 91.
73 Gyp (Sibylle Gabrielle Mirabeau), Souvenirs d'une Petite Fille, 2 Bde., Paris 1927.
74 W. H. Riehl, Die Familie, Stuttgart 1856.
75 Gustav Freytag, Erinnerungen aus meinem Leben, Leipzig 1887. j6 Tristan, Londres, S. 352.
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