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9. Klimamodelle sind kein Grund zur Panik:

 

 

    Der Ozean tut nicht, was er soll

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Auf dem Hohenpeißenberg zwischen Ammersee und Allgäu. Der Berg ragt 988 Meter über eine Ebene. Unten liegen der Ammersee und der Lech, ganz in weiter Ferne Augsburg. Direkt gegenüber baut sich wie eine Wand das Alpenmassiv auf, die Märchenschlösser König Ludwigs sind in der Ferne zu sehen. Oben auf dem Hohenpeißenberg herrscht bayerische Idylle: Glockengeläut, eine Kirche und ein Gasthof dösen vor sich hin. 

Etwas versteckt zwischen hohen Bäumen steht noch ein merkwürdiger Kuppelbau mit Antennen und Meßgeräten. Hier hat der deutsche Wetterdienst eine meteorologische Station eingerichtet. Sie ist — man höre und staune — die älteste Bergwetterstation der Welt: Seit 1781 wird hier das meteorologische Geschehen regelmäßig aufgezeichnet. Gleich am Tor hängt ein gläserner Schaukasten. Die seit über 200 Jahren gemessenen Jahresmitteltemperaturen sind in Form einer zackigen Kurve dargestellt. Dreimal täglich immer zur gleichen Stunde wird die Temperatur gemessen. Daraus ermitteln die Meteorologen erst das Tagesmittel und schließlich das Jahresmittel. 

In den letzten 10 bis 15 Jahren bestätigt der Temperaturverlauf die Hypothese einer langsamen Erderwärmung. Wir befinden uns derzeit in der wärmsten Periode seit 100 Jahren. Die Klimaforscher, die vor einem Treibhauseffekt warnen, haben demnach recht.

Beim zweiten Blick auf die Hohenpeißenberger Temperaturkurve stellt der Betrachter dann fest: In den letzten 200 Jahren war es schon mal so warm wie heute. Die akribischen bayerischen Wetterbeobachter, die damals schon die Temperaturen aufzeichneten, gelangten noch zu Fuß auf den Berg und hatten kein Auto. Auch steckte die Industrie noch in zarten Anfängen und blies deshalb keine Unmengen von CO2 in die Atmosphäre. CO2 entsteht bei der Verbrennung aller fossilen Stoffe wie Öl, Kohle oder Holz. Wir wissen, daß es sich wie eine Decke um den Erdball legt. Die Treibhaustheorie sagt nun, daß sich die Erde dadurch mehr und mehr aufheizt. Aber wie ist es dann zu erklären, daß es schon Mitte des 18. Jahrhunderts vergleichbare Temperaturanstiege gab? Liegt der gegenwärtige Trend möglicherweise doch im Bereich der natürlichen Schwankungen?

Die meisten Forscher glauben, daß der Mensch den Temperaturanstieg zumindest mit verursacht. Es sind viele Kräfte am Werk, der Mensch ist eine davon. Über den Anteil und die Auswirkungen der «anthropogenen» (menschengemachten) Klimaveränderungen wird jedoch heftig gestritten. Einem Wetterbeobachter, der hier auf dem Hohenpeißenberg arbeitet, kommen beim Blick auf die Temperaturkurve der letzten 200 Jahre «zumindest einige delikate Fragen». Auch der normale Bewohner des Ostallgäus wundert sich: Warum hat Großvater die letzte Klimakatastrophe so gut überlebt?

Szenenwechsel. 

Wir befinden uns auf einer Anhäufung winziger Inselchen mitten im Nordatlantik, etwa 1600 Kilometer vor der amerikanischen Ostküste. Im Umkreis von vielen Flugstunden gibt es nur tiefes Wasser und sonst gar nichts. Der Name der Inselgruppe: Bermudas. Das nördlichste Korallenriff der Welt ist «ein Klassenzimmer für Ozeanographien», erklärt Dr. Anthony Knap, Leiter der Bermuda-Biological- Station. Die angesehene Forschungsstation liegt unter Palmen in einer riesigen weißen Villa und gehört den USA. Unten am Pier dümpelt Weatherbird II, das Forschungsschiff der Station. Schon seit 1954 fahren die Ozeanographen einmal pro Woche hinaus zu den Tiefen des Atlantiks und messen die Ozeantemperatur.

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Dr. Knap und seine Mitforscher besitzen dadurch die weltweit älteste und zuverlässigste ozeanographische Temperaturkurve. Und die wirft ebenfalls pikante Fragen auf. Anstatt sich — wie bis vor kurzem angenommen — allmählich zu erwärmen, schlägt der Atlantische Ozean überraschende Kapriolen. Zunächst klingt alles noch ganz schlüssig: Das Wasser nahe an der Oberfläche erwärmte sich von 1970 bis heute — eine Entwicklung, die in den Trend der Klimaforscher paßt. Die Temperatur in größeren Tiefen aber sank im Gegenzug stark. Anthony Knap erläutert, was dies für die durchschnittliche Gesamttemperatur bedeutet: «Der Atlantische Ozean war 1954 wärmer als heute.» Und dies paßt nun überhaupt nicht mehr in den Trend.

Die Bermuda-Ozeanographen wollten mehr wissen und packten alle ihre Meßdaten aus 42 Jahren in ein großes Experiment. In einem großen grafischen Computer erzeugten sie einen dreidimensionalen Wasserwürfel. In dem Würfel wurden gleichsam die Meßpunkte in den verschiedenen Wassertiefen installiert. Dann begann der Computer langsam die übers Jahr wechselnden Temperaturen farblich darzustellen (von rot bis blau). Die Wissenschaftler kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus: Strömungen von kaltem Wasser stiegen periodisch auf, um sich mit wärmeren Schichten zu vermischen, ein Effekt, den die Wissenschaftler «Winter-Mixing» nannten. «Der Ozean tut einfach nicht das, was er nach den theoretischen Klimamodellen tun müßte», sagt Dr. Knap, «er tut statt dessen etwas ganz anderes.»


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Die Erde ist ein Wasserplanet, und die Ozeane sind der Schlüssel zum Klima. So transportieren die nach oben steigenden kalten Wasserströme riesige Mengen von Nährstoffen an die Oberfläche. Auf diese Dreisternenahrung stürzen sich Algen und vermehren sich stark. «Algen sind Wasserpflanzen, die riesige Mengen des Treibhausgases CO2 absorbieren», erklärt Dr. Knap. Die Menschheit weiß zwar ziemlich genau, wieviel CO2 sie in die Atmosphäre bläst, sie kann aber nur vermuten, wieviel davon wo wieder absorbiert wird. Ein Teil des CO2 wird gleichsam «vermißt» gemeldet, keiner weiß so recht, wo es bleibt. Welche Rolle spielen dabei die Ozeane? Die Kardinalfrage: Entsteht zum atmosphärischen Klima eine positive Rückkoppelung oder eine negative Rückkoppelung? Einfacher ausgedrückt: Wirken die Wassermassen ausgleichend, oder könnte es sein, daß sie den Treibhauseffekt im Endeffekt sogar noch verstärken?

Nach dem Stand der Dinge öffnet sich für die Klimaforscher jedenfalls eine zweite Front: die unter Wasser. Sie ist genauso komplex wie das Geschehen in der Atmosphäre und mindestens genauso wichtig — aber die Forscher wissen noch weniger darüber. In den Tiefen des Meeres gibt es ebenfalls Gebirge und Täler, Wüsten und Tropen, Wirbel und Ströme, Vulkanausbrüche und Erdbeben. Welche Rolle spielt beispielsweise der Meeresstrom El Nino, der in den letzten Jahren für extreme Wetterumschwünge verantwortlich gemacht wurde? Einige Wissenschaftler glauben, die zunehmende Unberechenbarkeit von El Nino sei eine Folge des Treibhauseffekts. Der Geophysiker Daniel Walker von der Universität Hawaii vertritt nun eine völlig andere — umstrittene — These, indem er behauptet: El Nino ist die Folge von Vulkanausbrüchen im Ostpazifik. Der Meeresstrom trat nach Walkers Beobachtungen immer dann auf, wenn sich die Erdbeben im Bereich des mittelozeanischen Rückens häuften.

Walkers Theorie mag hier nur als Hinweis auf ein großes Defizit der bisherigen Klimaforschung gelten: Das so wichtige Geschehen in den Weltmeeren wurde viel zu vereinfacht und schematisch gesehen, die Rechnung gleichsam ohne den Wirt gemacht.


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Erst in jüngster Zeit beginnen die Forscher, die Komplexität des Meeresklimas mehr zu berücksichtigen. Dabei war die Sache auch bisher schon kompliziert genug. Denn auch über unseren Köpfen gibt es noch genügend Rätsel, und das größte davon kann jeder in Form hübscher weißer Wolken sehen. Auch bei den Wolken wissen wir nicht, ob sie unser Klima nun zusätzlich aufheizen oder abkühlen. Sie tun nämlich beides: Zirruswolken in großer Höhe wirken beispielsweise kühlend, Kumuluswolken über dem Meer heizen auf. Dr. Knap von der Bermuda Biologkal Station bestreitet keineswegs, daß der Mensch das Klima beeinflußt und daß daraus Gefahren entstehen können. Aber er wehrt sich vehement gegen einfache Erklärungen und voreilige Schlüsse.

Noch ein Szenenwechsel. 

Ein Camp europäischer Forscher im Grönlandeis. Sie haben ein mehr als drei Kilometer tiefes Bohrloch ins Eis getrieben. Je tiefer sie bohren, desto älter werden die Eisproben, die sie zu Tage fördern. Ganz unten sind es 100.000 Jahre. Mit Hilfe moderner Methoden können die Forscher nun faszinierende Aufschlüsse über das Klima der Jahrtausende vor uns erlangen. «Das alte Eis hat Details preisgegeben, die wie kaum ein anderes Ergebnis der letzten Jahre unter Klimatologen für Furore sorgten», faßt die Zeitschrift Geo die Ergebnisse zusammen:


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Extreme Klimaschwankungen sind in der Erdgeschichte nichts Außergewöhnliches. Selbst in den jüngsten tausend Jahren hat das Klima immer wieder Kapriolen geschlagen. «Grönland gänzlich eisfrei, Weinbau an der Weser — alles schon dagewesen in diesem Jahrtausend», schreibt das Zeit-Magazin und fügt spitz (aber zutreffend) an: «Hinter vorgehaltener Hand geben manche Forscher schon zu bedenken: Die nächste Eiszeit kommt bestimmt.» Doch leider lassen sich beide Entwicklungen nicht gegeneinander aufrechnen.

Vegetation und Lebewesen mußten sich während der gesamten Evolution veränderten Umständen anpassen. Ein dauerhaftes klimatisches Gleichgewicht hat es niemals gegeben und wird es niemals geben. Solange sich die Erde um die Sonne dreht, wird unser Planet im Wandel bleiben. Dies ist für die Menschheit nun keineswegs ein Freifahrtschein, so weiterzumachen wie bisher. Der amerikanische Paläoklimatologe James White bringt die Situation so auf den Punkt: «Wir wissen nicht, weshalb wir so glücklich dran sind. Gäbe es für die Erde eine Gebrauchsanweisung, könnte das Kapitel über das Klima mit dem Hinweis beginnen: Das System ist auf optimalen Komfort eingestellt. Also rührt nicht daran.»

Szenenwechsel nach Hamburg. 

Die Erde glüht. «Wir haben den Computer berechnen lassen, was bei einem ungebremsten CO2-Anstieg in den nächsten hundert Jahren passiert», erklärt der Wissenschaftler, der an einem Schaltpult mit mehreren Monitoren sitzt und die Erde kreisen läßt. Wir sind am Deutschen Klimarechenzentrum im Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie. Deutschland ist führend bei der Programmierung sogenannter «Klimamodelle», die die künstliche Erwärmung der Erde und ihre Folgen im Großrechner simulieren sollen. Hier strömen Daten und Klimaerkenntnisse aus aller Welt zusammen und werden in endlose Zahlenreihen verwandelt.


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Die physikalischen und chemischen Naturgesetze, die geographische Beschaffenheit der Erde und ihre Umlaufbahn um die Sonne gelangen so in den grauen Großrechner. Das Elektronengehirn imitiert den Austausch von Luft und Wasser, die Verteilung von Land und Meer, Sommer und Winter, kurz den klimatischen Kreislauf der Erde. Der Computer versucht ein Modell der Erde zu schaffen, das möglichst gut mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Und hier liegt das Problem. Das Geschehen ist so komplex, daß die Wissenschaftler mit groben Vereinfachungen arbeiten müssen.

In Computermodellen wird ein gedachtes Gitter über den Globus gelegt und für jeden Kreuzungspunkt Temperatur, Feuchte, Wind und Luftdruck bestimmt. Viele Modelle sind so grob, daß beispielsweise Japan und Großbritannien überhaupt nicht auf dem Kunstglobus vertreten sind. Selbst die feinsten virtuellen Welten schaffen nur eine Maschenweite von einigen hundert Kilometern. Doch innerhalb so eines Planquadrats können sich Küsten und Berge, Wälder und Wüsten abwechseln — für den Computer spielt dies keine Rolle. Ein ganzes Bundesland stellt für ihn gleichsam eine Durchschnittsfläche mit einem Durchschnittsklima dar. Mit den tatsächlich in Bayern, Belgien oder Bermuda herrschenden Verhältnissen hat die Computersicht oft nicht viel zu tun.

Auch die Struktur der Wolken kann noch nicht zufriedenstellend im Rechner dargestellt werden — das feine Spiel der Wasserdampfgebilde ist viel zu kompliziert. Weil die Wolkenbildung aber — wie bereits erwähnt — einen der wichtigsten Klimafaktoren überhaupt darstellt, bezweifeln viele Kritiker schon deshalb die Zuverlässigkeit der Berechnungen. In Klimamodellen dominieren Schätzungen und Mittelwerte, die viele Unsicherheiten bergen, bevor der Computer überhaupt startet. Wenn die Programmierer es dann geschafft haben, ein halbwegs funktionierendes Klima zu erzeugen, ohne daß der Computer abstürzt, wird es spannend. 


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Amerikanische Wissenschaftler haben ihre Modelle folgendermaßen überprüft: Sie gaben die Daten von vor 50 oder 100 Jahren ein und starteten das Klimamodell in der Vergangenheit. Am Schluß hätte unser heutiges Klima herauskommen müssen. Genau dies tat es aber nicht. Die Abweichungen bewegten sich zwischen plus 5 Grad und absurden minus 450 Grad.

detopia-2022:  wikipedia  Absoluter_Nullpunkt  (-273,5 °C). Hier müssen MM einen Hinweis geben und mehr sagen als: "amerikanische Wissenschaftler".

Die Möglichkeiten des Scheiterns sind nahezu unbegrenzt: Das eine Modell weigert sich, eine Eiszeit zu simulieren, das andere kann kein Gewitter und wo weiter und so fort. «Schon kleine Programmierfehler schaukeln sich nach wenigen Tagen zu komplettem Unsinn auf», erklärt der renommierte Klimaforscher und Verfechter der Treibhausthese Professor Hartmut Graßl.

Aus diesem Grund werden Klimamodelle «geeicht», «getunt» oder «frisiert» (je nachdem wie kritisch der Betrachter diesem Umstand gegenübersteht). Wenn der Computer Wirbel oder Strömungen erzeugt, die einfach nicht plausibel sind, dann werden die Modelle so weit umgebaut, bis die Rechnungen mit den Beobachtungen in der Natur übereinstimmen. «Die Klimamodelle geben nicht die Bedingungen auf der Erde wieder», schreibt der Münchner Wissenschafts­journalist Gerhard Wisnewski, «sondern schon eher den jeweiligen Stand der Computer- und Programmiertechnik.»

Spucken die Rechner nun plausible Ergebnisse aus, kann endlich mit der Suche nach der Klimazukunft begonnen werden. Die Forscher erhöhen dann beispielsweise den CO2-Gehalt auf ihrem virtuellen Planeten und schauen, was in den nächsten 50 Jahren passiert. Der Hamburger Rechner besitzt eine Leistung von 16 Gigaflops, das heißt, er kann pro Sekunde 16 Milliarden Rechenschritte machen. Dennoch rechnet er unter Umständen monatelang an einem Szenario. Der Hamburger Wissenschaftsjournalist Hans Schuh ist gegenüber der Aussagekraft der Computervorhersagen skeptisch und schreibt in der Zeit: «Ähnlich wie das Wetter ist auch das Klima ein Produkt aus sehr vielen, sich teilweise unberechenbar verhaltenden Faktoren. Diese rechnerisch in den Griff bekommen zu wollen ist mutig, aber vorläufig illusorisch.»


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Die Werte, die uns heute erschrecken, können schon morgen überholt sein — im Positiven wie im Negativen. Professor Hartmut Graßl spricht denn auch von «grob als richtig erkannten Klimamodellen». An der prinzipiellen Richtigkeit seiner Computersimulationen hat er keinen Zweifel: «Vor zehn Jahren konnten wir nicht einmal Zahlen angeben, inzwischen liegt bei den Temperaturen nur noch der Faktor zwei oder drei zwischen dem niedrigen und dem hohen Wert; und das werden wir weiter einengen.» Immerhin: Mit wachsender Zuverlässigkeit tendieren die Modelle bisher auch zu etwas geringeren Temperaturanstiegen.

Die vielen Fragezeichen innerhalb der Klimadebatte fallen in der Öffentlichkeit jedoch meist unter den Tisch.

«Im Jahre 2100 werden weite Teile der Erde unbewohnbar sein», titelte im Dezember 1995 die Frankfurter Rundschau und malte ein wahres Horrorszenario aus. «Wissenschaftler aus 120 Ländern» halten dies laut Rundschau «nicht für möglich, sondern für wahrscheinlich». Basis für den Artikel war die Vorstellung des jüngsten Klimaberichts der Vereinten Nationen in Rom. Er wurde von den Wissenschaftlern der sogenannten IPCC-Kommission (Intergovernmental Panel on Climatic Change) erarbeitet.

Da staunt der Laie, und der Fachmann ärgert sich. Beispielsweise der UN-Chefkoordinator für Klimaforschung: Professor Hartmut Graßl. Er muß sich über die Schlagzeile irgendwie aufgeregt haben. Jedenfalls kam er nur einen Tag später in einem Interview der Frankfurter Rundschau zu Wort. Überschrift: «Die Sintflut bricht nicht herein». Professor Graßl sagte darin: «Man darf nicht übertreiben. Warum wird immer gleich mit dem Untergang gedroht? Wenn wir so weiterreden, werden wir die Leute mit Sensationsmeldungen so müde machen, daß sie überhaupt nichts mehr glauben.»


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Der wichtigste Satz im IPCC-Bericht ist laut Graßl, «daß in den beobachteten Klimadaten ein Einwirken des Menschen erkennbar ist». Wie hoch dieser Anteil ist, ob das Klima nun in den nächsten 100 Jahren um 1,3 oder 3,5 Grad ansteigt, ob sich der Meeresspiegel um 20 oder um 80 Zentimeter erhöht, all dies ist derzeit spekulativ. Insbesondere nach Erdteilen differenzierte Voraussagen sind überaus problematisch. «Alle Versuche, aus Modellrechnungen grobe regionale Klimaänderungen abzuleiten», so sagt Professor Graßl, «sind zunächst in der nördlichen Erdhälfte zum Scheitern verurteilt.»

Aber schauen wir uns überhaupt einmal an, was sich hinter dem IPCC-Bericht verbirgt. Es handelt sich nämlich keineswegs, wie der Leser annehmen könnte, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern um das Ergebnis politischer Verhandlungen. 2500 Wissenschaftler aus aller Welt arbeiteten dem 3000 Seiten starken Bericht mit ihren bisherigen Daten und Forschungsergebnissen zu. Diese wurden in mühsamen Diskussionen in einen Textkompromiß gegossen, der dann in noch mühsamerem Gezerre von 100 Ländern akzeptiert wurde. 

Professor Steven Schneider, einer der Pioniere der Klimaforschung aus den USA, war ebenfalls an dem Bericht beteiligt. Er beschreibt das Prozedere gegenüber der tageszeitung so: «Erst kommen die Kollegen aus aller Welt, die am Text nörgeln, einer nach dem anderen natürlich, dann politische Beamte, die bereits in der Schule Physik und Chemie geschwänzt haben, dicht gefolgt von den Umweltverbänden, für die ein heißer Sommer schon die Klimakatastrophe ist, während sich die Normalbürger am Meer erfreuen. Schließlich beehren uns die Kohlelobbyisten mit ihren gezinkten Gutachten. Ist das alles überstanden, muß das Plenum des IPCC die Belagerung durch Klimadiplomaten überstehen, die sich schon bei der Klimakonvention nicht einigen konnten.» Merke: Der IPCC-Bericht ist gewissermaßen das demokratisch ermittelte (vorläufige) amtliche Endergebnis der Klimaforschung.


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Was bislang sicher ist: Sicher ist, daß sich die Temperatur auf der Erde in den letzten hundert Jahren um etwa 0,5 Grad erhöht hat. Sicher ist auch, daß dieser Wert alleine überhaupt nichts aussagt, weil es in der Vergangenheit solche Schwankungen auch gab. Sicher ist aber auch, daß diese 0,5 Grad Klimamodelle bestätigen, die bald eine größere Erwärmung prognostizieren. Sicher ist schlußendlich, daß unser Klima von verschiedenen Faktoren beeinflußt wird und daß der Einfluß des Menschen größer wird. Sicher ist ferner, daß es Möglichkeiten gibt, diesen Einfluß zumindest zurückzuschrauben.

Keineswegs sicher ist hingegen, daß gelegentliche Wetterkapriolen von heute irgend etwas mit der erwarteten Erderwärmung zu tun haben. Spätestens wenn es in Deutschland mal wieder keine weiße Weihnacht gibt, schallt es landauf, landab: Treibhauseffekt. Die Statistik der letzten 100 Jahre verrät freilich, daß nur alle zehn Jahre mit Schnee zur Bescherung gerechnet werden darf.

Als Indiz dafür, daß wir schon mitten in der Katastrophe stecken, werden auch gerne die Schadensstatistiken der Rückversicherungsgesellschaften in Anspruch genommen. In der Tat haben Sturm und Unwetterschäden stark zugenommen. Für die gestiegene Höhe der Schäden gibt es freilich auch eine weniger spektakuläre Erklärung: Immer mehr Menschen bauen an Küsten, und immer mehr Menschen versichern ihre Gebäude.

Wer heute schon jeden Wirbelsturm und jede Überschwemmung auf vom Menschen verursachte Klimaveränderungen zurückführt, verläßt die Wissenschaft und wendet sich dem Kaffeesatz zu. In einer 14seitigen Broschüre subsumiert beispielsweise Greenpeace sämtliche Launen der Natur unter dem Stichwort «Zeitbombe Klima»: vom warmen Winter in Moskau über starke Regenfälle in Australien bis zu den Waldbränden in Kalifornien.


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Auch der Worldwide Fund for Nature (WWF) wagte sich im Dezember 1995 mit einer eigenen Computersimulation weit vor: «Klimaerwärmung verursacht Dürre im Süden Afrikas», meldeten die Naturschützer und prophezeiten: «Der Lebensraum von Kap-Bergzebras, Buntböcken, Weißschwanzgnus und anderen bedrohten Arten wird durch die verschlechterten Klimabedingungen eingeschränkt.»

Die vorschnelle Einteilung der Welt in Gewinner und Verlierer einer Klimaänderung ist gefährlich und sabotiert letztendlich die Einigung über Maßnahmen zum Klimaschutz. Die Schweden freuen sich heute schon aufs Mittelmeerklima, und die Russen rechnen die größere Weizenernte hoch: Na prima, uns kann die Sache ja nur nutzen! Wer weltweite Maßnahmen zur Schonung des Klimas erreichen will, schießt sich mit regionalen Katastrophenszenarien (Motto: Landunter in Bangladesch und Krokodile in Moskau) selbst ins Knie.

Weite Teile der Klimadiskussion sind auch moralisch problematisch.

So werden Mittel und Maßnahmen nicht zuletzt im Hinblick auf die Gesundheit kommender Generationen gefordert. Der IPCC-Bericht warnt beispielsweise davor, daß in den nächsten 100 Jahren die Zahl der Malariafälle aufgrund steigender Regenfälle stark ansteigen könnte. Nach den Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben allerdings schon heute in den armen Ländern 3,8 Millionen Kinder jährlich an verseuchtem Wasser und Darmkrankheiten. 

Dem tödlichen Schicksal heute lebender Kinder wird erheblich weniger Aufmerksamkeit geschenkt als dem hypothetischen Risiko für kommende Generationen. Das kann nicht richtig sein. 

«Das soziale und medizinische Elend sowie der fehlende Katastrophenschutz in den armen Ländern sind ungleich größere und konkretere Gefahren als das vieldebattierte Klimaproblem», schreibt Hans Schuh in der Zeit und fügt an: «Dem Klimaproblem sollten wir uns auch widmen, aber etwas leiser als bisher.»


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Das Schöne an Maßnahmen zum Klimaschutz ist ja, daß sie aus vielen Gründen vernünftig sind: Das Sparen von Energie beispielsweise bringt technischen Fortschritt und ökonomische Vorteile. Das Erhalten von Wäldern freut die Artenschützer. Das Wiederaufforsten erzeugt neue Rohstoffe. Investitionen in den Umweltschutz armer Länder verbessern die dortigen Lebensverhältnisse. Eine investierte Mark bringt der Umwelt beispielsweise in Indien oder China viel mehr Profit als bei uns. In Indien wandern jährlich noch etwa 400 Millionen Tonnen Mist in Öfen und offene Feuerstellen. «Für die Gesundheit der Menschen ist dies ein Verbrechen», sagen Mediziner. Von den zehn Städten mit der dicksten Luft befinden sich bereits fünf in China. Ein überaltertes Kohlekraftwerk kann schon mit relativ geringen Mitteln erheblich verbessert werden. Das hilft den Menschen dort ganz sicher. Dem Klima hilft es wahrscheinlich auch.

In absoluten Zahlen produzieren die Entwicklungsländer heute schon in etwa soviel Kohlendioxid wie die Industriestaaten, in Zukunft wird es wesentlich mehr sein. Die deutsche CO2-Bilanz sieht deshalb relativ gut aus, weil die wirtschaftlich kollabierende DDR als Pro-Kopf-Entlastungs-Geschenk hinzukam (CO2-Grab Ost). «Gorbatschow hat der Welt mindestens ein Jahrzehnt erkauft», sagt Klimaforscher Hartmut Graßl unter Hinweis auf den Zusammenbruch des Sowjetreichs mitsamt seiner Wirtschaft.

Die gegenwärtigen Voraussagen für eine Erwärmung der Erde gehen meist von einer Verdoppelung der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 aus. Tritt diese Verdoppelung aber erst später, also beispielsweise 2045 ein, so ist der Effekt überproportional günstig. «Schon geringere Zuwachsraten erlauben der Natur, den anthropogenen Überhang prozentual stärker abzubauen», kommentiert Professor Graßl die möglichen Ergebnisse der gegenwärtigen «Realpolitik».

Hinzu kommt: Die Menschheit hat etwas mehr Zeit, die Klimavorgänge überhaupt erst richtig zu verstehen und daraus Maßnahmen herzuleiten. Es kommen ja fast täglich neue Erkenntnisse und Ideen hinzu.

«Wer nur die Hälfte des aus unseren Kohlebergwerken ungenutzt entweichenden Methans in Nutzenergie überführt», berichtet Graßl, «entlastet die Atmosphäre in 20 Jahren im selben Größenumfang, wie wenn er die CO2-Emissionen der Bundesrepublik um 5 Prozent reduzierte.»

Schließlich: Neue Formen der Energieversorgung wie die Solartechnik könnten im gestreckten Zeitrahmen zum Durchbruch kommen. Professor Graßl: «Ein 5000stel der die Erdoberfläche erreichenden Sonnenenergie wäre für zehn Milliarden Menschen ausreichend.»

Dennoch muß sich die Menschheit damit abfinden, daß unser Einfluß auf künftige klimatische Bedingungen im positiven wie im negativen Sinne begrenzt ist.

Panik bringt gar nichts.

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