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1  IN WELCHER GESELLSCHAFT WOLLEN WIR LEBEN?

PDF vom Verlag

Und ganz sicher kann keine Nation blühen und gedeihen,
deren Bevölkerung weithin in Armut und Elend lebt.
Adam Smith

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Es ist beschämend: Die Menschheitsentwicklung hat einen Umkehrpunkt erreicht, wir fallen zurück. Menschen zerstören heute mehr als sie erschaffen. Zwar wächst die Weltwirtschaft jährlich um 1,5 Billionen Dollar, doch verwüsten wir den Planeten gleichzeitig jährlich in einer Größenordnung von 4,5 Billionen Dollar.1 Die Menschheit hat demnach offiziell den Rückwärtsgang eingelegt, wir vernichten mehr als wir produzieren. Und doch nehmen die meisten von uns solche Zahlen gelassen zur Kenntnis. Natürlich weiß man, dass die Menschheit eine Menge Probleme hat. Wie auch nicht: die Tatsache, dass weltweit sieben Milliarden Menschen leben, muss sich ja auf den Zustand unseres Planeten auswirken. Aber viele von uns wollen diese Auswirkungen nicht wahrhaben und starren zum Trost auf den Gegenbeweis, unseren Fortschritt. Es ist wahr, wir haben im Laufe der letzten Jahrzehnte viel erreicht. Heute genießen mehr Menschen mehr Freiheit und können ihr Leben und ihren Konsum freier gestalten als in jeder früheren Epoche. In manchen Weltgegenden ist der Ernährungsstandard heute höher als je zuvor, ganz ähnlich die Lebenserwartung. Der Handel der Völker untereinander ist offener geworden.

Generationen von Menschen durften die Früchte eines unerhört schnellen und anhaltenden Wirtschaftswachstums ernten. Gegenwärtig hat auch eine größere Zahl von Personen einen höheren Bildungsgrad als in der Vergangenheit, und Millionen Menschen wurden aus absoluter Armut befreit. Die Rechte der Frauen wurden in vielen Weltregionen massiv erweitert, sie sind dort wesentlich besser in der Gesellschaft verankert und durchgesetzt als früher. Auch die Menschenrechte wurden gestärkt: Nach der weitgehenden Abschaffung der Sklaverei wurde unser Recht, zu sagen und zu tun, was und wie wir es wollen, in fast allen Ländern der Welt in den vergangenen 30 Jahren erheblich ausgeweitet. Selbstverständlich sind wir über von Menschen verursachte Umweltzerstörungen besorgt, besonders dann, wenn sich dadurch unser Klima verändert. Doch was erwartet man? Ist es denn keine logische Folge der menschlichen Evolution, dass die Erde heute einen anderen Anblick bietet als früher? Begleiterscheinungen des Rohstoffabbaus wie Luftverschmutzung, Entwaldung und verwüstete Landschaften sind eben die Kehrseite des Fortschritts der Menschheit.

Wahrscheinlich wird außerdem ein großer Teil der menschengemachten Zerstörung gar nicht von Dauer sein. Nehmen wir Europa: Einst bedeckten Wälder riesige Flächen des Kontinents. Sie wurden vor vielen Jahrhunderten gerodet, aber davon ging die Welt nicht unter. Oder werfen wir einen Blick nach England: Dort wurde die Lebensdauer von Millionen Menschen noch in der jüngeren Vergangenheit durch giftige Gase aus Kohleheizungen in Wohnungen und Fabriken verkürzt – aber da wir mittlerweile mit dem Problem umgehen können, hat sich die Qualität der Luft bis heute erheblich verbessert. Oder betrachten wir die Vereinigten Staaten: Industrieabwässer hatten in mehreren amerikanischen Flüssen alles Leben vernichtet. Gleichwohl haben sich die Flüsse wieder erholt. Und obwohl die Menschheit Tausende von Arten ausrottet, bemerken wir keine negativen Auswirkungen auf uns selbst. Wir haben den Dodo von Mauritius nicht gebraucht. Weshalb soll es bei Tigern anders sein?

 

Und haben wir denn eine Alternative zum Ressourcenabbau? Wachstum basiert auf Rohstoffen. Durch den Abbau von Metallen und fossilen Brennstoffen sichern wir unseren Fortschritt. Stoppen wir hingegen die Förderung dieser Rohstoffe, so verwehren wir dem weitaus größten Teil der Menschheit die Chance, jemals zu Wohlstand zu kommen und in einer gesunden, modernen Gesellschaft zu leben. Es genügt schon, wenn wir das Tempo des Kohleabbaus oder der Ölgewinnung drosseln, um Milliarden Menschen zum Leben in dauerhafter Armut zu verurteilen. Und bis die Ölreserven endgültig verbraucht sind, haben wir außerdem längst ein Ersatzmodell entwickelt, ein auf Wasserstoff oder Sonnenenergie basiertes, komplett schadstofffreies soziales Zusammenleben. Der Mensch ist von Natur aus erfinderisch. Wir sind auch gut informiert über die in vielen Regionen der Welt herrschende Nahrungsmittel- und Wasserknappheit. Über eine Milliarde Menschen sind chronisch unterernährt. Doch wir sind der Überzeugung, dass auch dieses Problem lösbar ist, und dass wir uns also nicht von den Ideen eines Thomas Malthus infizieren lassen sollten, der als Prediger mit allerlei düsteren Vorhersagen über weltumspannende Hungerkatastrophen an die Öffentlichkeit trat: Der Mann irrt, heute so gut wie vor zweihundert Jahren. Mit Hilfe unserer Gentechnik können wir Saatgut optimieren, Ernten erhöhen und sogar Meerwasser entsalzen. Es stimmt wohl, dass wir mehr vernichten als wir erzeugen. Das liegt in unserem Wesen. Wir finden aber auch diesmal bestimmt eine Lösung – so wie stets in der Vergangenheit, nicht wahr? Doch leider ist die Zerstörung unseres Planeten nicht die einzige große Herausforderung der Gegenwart. Wir haben enorme Finanzprobleme. Wegen der Finanzkrise von 2007 sind viele der weltgrößten Volkswirtschaften so gut wie pleite; es ist unwahrscheinlich, dass sie ihre Schuldenberge jemals zurückzahlen können. Selbst Billionen Dollar an Nothilfen konnten nicht verhindern, dass die Weltwirtschaft seither gefährlich instabil ist. Und vor ihr liegt ein steiniger Weg.

 

Es gibt Anzeichen schwelender sozialer Konflikte. Die finanziell bedingte Ungleichheit der Menschen nimmt zu. In den meisten Ländern war die Kluft zwischen Arm und Reich in Jahrzehnten nicht so groß wie heute. In den Vereinigten Staaten klafft die Schere weiter auseinander als in den 1920er-Jahren. Weltweit werden Milliarden Menschen immer dicker, was ihrer Gesundheit schadet. In den entwickelten Ländern sinken häufig die Bildungsstandards. Auch demokratische Grundvorstellungen lösen sich auf.

Anscheinend sind für eine ganze Reihe unserer Politiker persönlicher Profit und Macht Hauptanreize für ihre Beschäftigung. Nur wenige von ihnen haben den redlichen Wunsch, das Leben ihrer Mitmenschen zu verbessern und ihnen Hoffnung für die Zukunft zu geben; und nur wenige ermuntern uns zu höheren Zielen.

Ihre mit Nachrichtenfetzen gespickte Talkshow-Rhetorik soll kaschieren, dass sie moralische oder soziale Grundsätze weitgehend verloren haben. Deshalb gibt es im Westen mittlerweile Millionen gelangweilter, apathischer Wähler, die sich weder um die weltbewegenden Systeme noch um die Wahrung irgendwelcher notwendigen Prinzipien scheren. Mehr noch, wie schon vor Jahrhunderten stehen wir heute wieder auf einer Stufe, auf der wir Religionskriege führen. Noch alarmierender ist, dass wir mittlerweile auch an den Grundfesten der Freiheit rütteln. Wenn heute das Schnüffeln in privaten Daten vielfach staatlich sanktioniert wird, höhlen wir unsere ältesten Begriffe individueller Freiheit aus. Doch das Beunruhigendste ist, dass kaum ernst zu nehmende Vorschläge zur Lösung dieser Probleme gemacht werden. Es grassiert die unsinnige Hoffnung, dass viele der erwähnten Probleme nur jetzt auftreten und am Ende alles wieder gut wird. Dass unser Erfinder- und Entdeckergeist uns schon irgendwie aus der Patsche hilft. Dass wir einen Ersatz für das Erdöl finden, wenn es verbraucht ist. Dass wir irgendwie alle Schulden zurückzahlen können. Dass wir neue Möglichkeiten finden, die Weltbevölkerung zu ernähren.

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Und dass wir unsere hart erkämpften Rechte schon wiederherstellen werden, sobald der Krieg gegen den Terror gewonnen ist. Doch es gibt wenig konkrete Anlässe zu solchen Hoffnungen. Uns fehlt ein klares Schema, ein Fahrplan, mit dem wir die Vielzahl der vor uns liegenden Aufgaben angehen können. Statt an materielle Fortschritte, denken wir nur an finanzielle Gewinne. Was noch schlimmer ist, wir ignorieren einen zentralen Aspekt: Die genannten Probleme sind oft eng verknüpft, denn sie haben die gleichen Ursachen. Rohstoffknappheit, Finanzierungsengpässe, politische und soziale Unruhen, all das gründet auf unserer veränderten Wahrnehmung der Welt. Wir denken die Welt heute anders als früher, und unsere neuen Rationalisierungsmuster haben sich nahezu alle in den letzten dreißig Jahren verfestigt. In dieser Zeitspanne haben wir fast unmerklich viele Zukunftsentwürfe und Leitvisionen aufgegeben, die uns vorher lange Zeit überaus wichtig gewesen waren. Der Preis dafür sind Umweltzerstörung, Schulden und Hunger. Um besser zu verstehen, was heute geschieht und weshalb es geschieht, empfiehlt es sich, zweihundert Jahre zurückzugehen, in die Zeit der Aufklärung und zu den Theorien von Adam Smith, dem Gründervater der modernen Nationalökonomie und einem der wichtigsten Protagonisten seiner Zeit. In den meisten westlichen Gesellschaften genießen insbesondere seine Ideen über den freien Markt und die »unsichtbare Hand« höchste Wertschätzung. Auf ihnen beruht unsere ökonomische Welt und zugleich ein Großteil unserer Probleme. Wir haben Smiths Prinzipien in den vergangenen dreißig Jahren gründlich verwässert und sie durch neue, paradoxe Ideen ersetzt, die unsere Wirtschaft in Gang halten sollten. Das sind die Ursachen der meisten unserer Schwierigkeiten.

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Schon seit den späten 1970er-Jahren reden uns schlaue Politiker und akademische Wirrköpfe ein, wir könnten mehrere Grundgedanken in Smiths Theorien ruhig vergessen. Damals empfahl man uns, an seinen Begriffen festzuhalten – aber gleichzeitig war es gar nicht so wichtig, dass wir sie richtig verstanden. Folglich entstellten wir Smiths ursprüngliche Ideen, so wie wir auch andere Prinzipien der Aufklärung – einschließlich Demokratie, soziale Verantwortung und Gerechtigkeit – verfälschten, bis sie für unsere Zwecken brauchbar wurden. Wir benutzten die gleichen Wendungen wie die Denker der Aufklärung, legten sie jedoch anders aus. Ähnlich wie mutierte Gene entdeckten wir Lesarten weit über den ursprünglichen Entwurfsplan hinaus. Smith selbst dachte bei der Abfassung seiner Prinzipien keineswegs nur in ökonomischen Kategorien; ihm ging es um wesentlich mehr als den bloßen Marktmechanismus. In gewisser Hinsicht verkörperten seine Gedanken und Ansichten die Essenz der Epoche der Aufklärung. Die Aufklärung brachte dramatische intellektuelle, soziale und politische Fortschritte. Sie fiel ins 18. und frühe 19. Jahrhundert und betraf hauptsächlich Europa und Amerika. Die Revolutionen in Amerika und Frankreich ermutigten die Menschen dazu, sich gegen ihre alte Gesellschaftsordnung aufzulehnen und überkommene Autoritäten infrage zu stellen. Wie Immanuel Kant, einer der wichtigsten zeitgenössischen Denker, es ausdrückte, lautete der Wahlspruch der Aufklärung: »Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.«2 Die Aufklärung brachte uns die moderne Wissenschaft; sie brachte uns das vernunftgeleitete Denken. Nach Jahrhunderten, in denen Kirche, Monarchie und Aberglaube die Herrschaft über die westliche Welt unter sich aufgeteilt hatten, entfachte die Aufklärung eine lebhafte Debatte darüber, was persönliche Freiheit und Demokratie für uns bedeuten können. In Amerika führten Vorstellungen der Republik zur Unabhängigkeitserklärung.

Spätere, ebenfalls von der Aufklärung inspirierte Ideen kreisten um Liberalismus

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oder Geschlechtergleichheit, Meritokratie oder das Recht auf Privatsphäre. Die Aufklärung war der fruchtbare Boden, auf dem neue Ideen zu einem riesigen Wald von Gedanken heranwuchsen, der uns über Generationen mit aller notwendigen Nahrung versorgte. Die Aufklärung erschöpfte sich jedoch nicht in reinen Ideen. Ihr substanzielles Motiv war ein Wertewandel, der allen Menschen Chancen auf ein besseres Leben eröffnen sollte; dieser Gedanke führte zu Erziehungsreformen und zur Gründung von Bibliotheken, in denen Menschen ohne Ansehen ihres Standes auf Bücher, Magazine und Zeitschriften zugreifen konnten; öffentliche Lesungen feuerten die Debatte weiter an. In Frankreich erschien eine 35-bändige Enzyklopädie, die nichts Geringeres zum Ziel hatte, als das Denken der Menschen zu verändern. Mit ihren über 70 000 Artikeln, die von einigen der einflussreichsten zeitgenössischen Philosophen und Schriftsteller verfasst wurden, stehen diese Bände für den Versuch, den Menschen der Bürgergesellschaft ein neues Bewusstsein ihrer Bestimmung, ihrer Welt und ihrer Existenz zu vermitteln. Die Autoren wollten Aberglauben durch Vernunft bekämpfen; wissenschaftliches Denken und moderne Ideen sollten in Zukunft allen Menschen offenstehen. Die Aufklärung führte zu einem eminenten Wandel des Denkens, dessen Bedeutung kaum zu überschätzen ist, denn auf ihm gründet fast alles, was westliche politische und intellektuelle Kultur seither ausmacht. In dieser Welt des Wandels entwickelte Smith seine Ideen. Seine theoretischen Grundlagen bezog er nicht etwa aus der Volkswirtschaftslehre, sondern aus der Moralphilosophie. In seinem Denken waren die Prinzipien der Gerechtigkeit, Toleranz und Fairness allgegenwärtig: Diese galt es hochzuhalten. In den vergangenen drei Jahrzehnten haben wir nicht wenige der Prinzipien, für die Smith eingetreten war, entweder beiseite gewischt oder verfälscht.

Wir haben Kernsätze seiner Lehre in den Wind geschrieben, haben Vorstel-

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lungen von Gerechtigkeit und Fairness gering geachtet und trivialen Modellen der Individualität und der uneingeschränkten Handelsfreiheit den Vorzug gegeben. Diese veränderten Denkmuster hatten nicht nur entscheidenden Anteil an der Entstehung der europäisch-amerikanischen Finanzkrise von 2007, sie sind auch der Grund für die tiefer werdenden Gräben, die viele Gesellschaften durchziehen. Nach der modernen Wirtschaftsrationalität ist es schlüssig, wenn wir den Wert unserer materiellen Umwelt gering ansetzen; dadurch zerstören wir den Planeten noch schneller. Wir schürfen in der Erde, damit Fabriköfen geheizt und Automobile betankt werden können, und damit in unseren Häusern die Lampen brennen. Sobald es aber darum geht, die Preise für die globalen Ressourcen zu bestimmen, denken wir nur noch daran, dass die Förderkosten gedeckt sind und die Dividende hoch ist. Uns kümmern nicht die Kosten, die, nachdem die Weltressourcen verbraucht sein werden, auf künftigen Generationen lasten werden, uns kümmern nicht die Umweltschäden, die wir mit ihrer Ausbeutung und Nutzung verursachen. Indem wir für die Nutzung tellurischer Rohstoffe Billigpreise veranschlagen, wälzen wir den größten Teil der Zeche auf spätere Generationen ab. Was uns heute interessiert, ist in erster Linie schneller Profit – und wesentlich weniger der langfristige soziale Ertrag unseres Handelns. Das wird weder Adam Smiths politischen Ideen gerecht, noch entspricht es seinen wirtschaftlichen Prinzipien. Aus der gleichen Kurzsichtigkeit heraus haben heute aber auch andere Prinzipien der Aufklärung ihre Geltung verloren. Statt die Ambitionen und höheren Ziele unserer Mitmenschen zu fördern, was noch die französischen Enzyklopädisten gewollt hatten, lassen wir es heute zu, dass Massenphänomene wie der alberne Kult um Prominente und Markennamen und unsere irrtümliche Annahme, dass Information und Wissen identisch und gleichwertig seien, unseren geistigen Horizont einengen.

Dadurch, dass wir Smiths Ideen über soziale Fairness

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mert haben, sind wir zu dem Glauben gelangt, wachsende Einkommensunterschiede wären bedeutungslos.

Sie sind aber nicht nachhaltig, und sie sind gefährlich – der Stoff, aus dem Revolutionen gemacht werden. Wenn wir heute nicht den Kurs ändern, droht uns bald das Ende unserer Sozialsysteme und wir treten stattdessen in eine Ära schwindender Überschüsse, abnehmender Rechte und verschärfter Konflikte ein. Wenn wir heute nicht aufhören, unsere wertvollsten Ressourcen zu verschwenden, können viele arme Länder auch in Zukunft niemals eine eigene Industrie aufbauen – denn China und die westlichen Industrieländer werden sie immer schon geplündert und der Mittel für ihre eigene Entwicklung beraubt haben: Ihre Ölfelder werden leer gepumpt, ihre Wälder gerodet und ihre Kohleflöze leer geschürft sein. Viele Ressourcen dieser Welt wird auch der größte menschliche Erfindungsgeist nicht wiederbeschaffen können, wenn sie verbraucht sind. Wenn heute optimistisch denkende Wirtschaftswissenschaftler daran irgendwelche Zweifel hegen, sollten sie sich einmal mit ihren Kollegen aus den »harten« Wissenschaften, der Physik oder der Chemie, unterhalten. Im Gegensatz zu den Gesetzen des Marktes ändern sich die Naturgesetze nie. Wir können keine neuen Kupfer-, Zink- oder Ölressourcen generieren, wenn die natürlichen erschöpft sind. Die moderne Wirtschaftsrationalität hat falsche Ziele definiert: Weil wir Wachstum als Selbstzweck denken, haben wir den Konsumwahn und somit die Plünderung der Erde gefördert, um ein bequemes Leben zu haben. Zum Ausgleich, so ließen wir uns einreden, bekämen wir Fortschritt. Und wir erlebten wirklich ein schnelles Wirtschaftswachstum, schufen aber zugleich eine instabile Welt. Heute beobachten wir in mehreren Ländern seit Jahrhunderten erstmals wieder eine sinkende Lebenserwartung. Kämpfe um Nahrungsmittel, Wasser und Öl werden umso wahrscheinlicher, je weiter der Raubbau an den Ressourcen fortschreitet. Die Politik muss sich mit widerstreitenden politischen Ideologien und erstarkenden nationalistischen Strömungen auseinandersetzen.

Wir ließen uns einreden, es gebe keine Grenzen des Wachstums. Wir meinten, wir bräuchten uns um die Folgen unserer Taten nicht zu kümmern, andere wären dazu da, unsere unbegrenzten Kreditaufnahmen zu verantworten, und andere – nur nicht wir – hätten die Pflicht, die globalen Ressourcen respektvoll zu nutzen. Wie wir jetzt einsehen müssen, war das falsch.

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