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Vorwort der Autoren 1991

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Vor zwei Jahrzehnten haben wir das Buch 'Die Grenzen des Wachstums' (1) verfaßt. Es berichtete über die im kommenden Jahrhundert zu erwartenden Folgen der ständigen Zunahme der Weltbevölkerung und der Weltwirtschaft und stellte grundlegend wichtige Fragen:

Wir arbeiteten damals am Massachusetts Institute for Technology (MIT) in Cambridge (USA) für den Club of Rome, eine internationale Vereinigung renommierter Geschäftsleute, Politiker und Wissenschaftler. Sie hatten uns beauftragt, im Rahmen einer zweijährigen Forschungsarbeit die Ursachen und Folgen des Wachstums der Bevölkerung, des Industriekapitals, der Nahrungs­mittelproduktion, des Rohstoff­verbrauchs und der Umweltverschmutzung zu analysieren. Dazu entwickelten wir ein umfassendes Computer­programm, das Weltmodell World32. Es ermöglichte uns, die zahlreichen Wechselwirkungen zwischen den wachsenden Größen zu verfolgen, und ließ erkennen, in welche Richtung sie sich wahrscheinlich weiterentwickeln werden.

»Die Grenzen des Wachstums« machten die Ergebnisse unserer Forschungen der Öffentlichkeit bekannt.3) - Sie erregten sofort weltweites Aufsehen. Die Zusammenarbeit des angesehenen MIT mit dem bereits weltweit bekannten Club of Rome, der sich aus Sorge um die Zukunft der Menschheit konstituiert hatte, und die Arbeit mit damals fast noch geheimnisvollen Computern wirkten offensichtlich sensationell. Die Weltpresse berichtete mit Schlagzeilen wie:

»Computer berechnet Zukunft und gerät ins Zittern«, 
»Studie erkennt Katastrophe um 2100«, 
»Wissenschaftler warnen vor Welt-Katastrophe«.
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Das Buch wurde vielfach so mißverstanden, als hätten wir eine Zukunft des Schreckens prophezeit. Es enthielt aber keine Prognose und beschrieb auch keine vorherbestimmte Zukunft, sondern neuartige Chancen für die Menschheit. Es stellte zwar eine eindringliche Warnung dar, doch die war verknüpft mit Hinweisen auf die sich bietenden Auswege, die recht vielversprechend waren.

Hier folgen nun die drei summarischen Schlußfolgerungen aus den <Grenzen des Wachstums>, wie wir sie 1972 formuliert hatten. Deren zweite enthält eine Verheißung — eine sehr optimistische —, die aber nach unseren damaligen Analysen durchaus berechtigt war — und noch immer ist. Vielleicht hätten wir sie zuerst aufführen sollen.

1. Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umwelt­verschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit führt dies zu einem ziemlich raschen und nicht aufhaltbaren Absinken der Bevölkerungszahl und der industriellen Kapazität.

2. Es erscheint möglich, diese Wachstumstrends zu ändern und einen ökologischen und wirtschaftlichen Gleichgewichtszustand herbeizuführen, der auch lange in der Zukunft aufrechterhalten werden kann. Es könnte so erreicht werden, daß die materiellen Lebens­grund­lagen für jeden Menschen auf der Erde sichergestellt sind und noch immer Spielraum bleibt, individuelle menschliche Fähigkeiten zu nutzen und persönliche Ziele zu erreichen.

3. Je eher die Menschheit sich entschließt, diesen Gleichgewichtszustand herzustellen, und je rascher sie damit beginnt, um so größer sind die Chancen, daß sie ihn auch erreicht.5)

(»Die Grenzen des Wachstums«, 1972)

Uns schien, daß diese Sätze keine Bedrohung, sondern eine Herausforderung formulieren, eine Gesellschaft anzustreben, die materiell zureichend ausgestattet, sozial ausgeglichen und ökologisch nachhaltig ist — eine Gesellschaft, die schließlich für die Menschen befriedigender sein könnte als die vom Wachstum besessenen Gesellschaftsformen heutigen Zuschnitts.


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Auf die eine oder andere Weise haben wir uns seitdem ständig mit dieser Herausforderung befaßt. Und Millionen anderer Menschen taten dies auch. Sie erforschten und verbesserten die Nutzung der Energie, entwickelten neue Materialien, gewalt­freies Konflikt-Management, neuartige basisdemokratische Formen kommunaler Entwicklung, Methoden zur Schadstoffverhütung in Fabriken und zum Abfall-Recycling in den Städten, sie schufen ökologisch verträgliche Anbauformen in der Landwirtschaft und setzten internationale Vereinbarungen zum Schutz der Ozonschicht durch. 

Viel ist in den beiden letzten Jahrzehnten geschehen, um neue Technologien, Ideen und Institutionen zu entwickeln, die eine nachhaltige Zukunft sichern können. Aber gleichzeitig wurde in alter Weise weiter gesündigt: Viele Millionen leben fortgesetzt in hoffnungsloser Armut, natürliche Ressourcen werden weiter vergeudet, noch mehr Schadstoffe wurden in der Umwelt angehäuft, und weiterhin wird die Natur zerstört. So wurde die Kapazität der Erde, die Lebensformen zu erhalten, noch weiter geschmälert.

Zwanzig Jahre nach dem ersten Erscheinen der »Grenzen des Wachstums« wollten wir zunächst lediglich diese widersprüchlichen Trends dokumentieren und das Buch auf aktueller Datenbasis neu herausgeben. Als wir dann aber unser Computermodell mit den neuesten Daten wieder arbeiten ließen, zeigte sich bald — und auch angesichts unserer eigenen Erfahrungen in den letzten zwei Jahrzehnten —, daß eine Aktualisierung des damaligen Buches nicht ausreichen würde. Denn durch das Weiterwirken der Wachstums­trends war die Menschheit in eine völlig neue Lage auch im Verhältnis zu ihren Grenzen gelangt.

1971 sah es so aus, als werde man erst nach einigen Jahrzehnten die materiellen Grenzen für die Nutzung vieler Rohstoffe und der Energie erreichen. 1991 aber zeigten die Computerläufe und die Neubewertung der Daten, daß die Nutzung zahlreicher Ressourcen und die Akkumulation von Umweltgiften bereits die Grenzen des langfristig Zuträglichen überschritten haben — trotz verbesserter Technologien, trotz des mittlerweile gewachsenen ökologischen Bewußtseins und trotz strengerer Umweltgesetze.

Das war nicht allzu überraschend. Wir hatten es insgeheim schon zuvor befürchtet. Denn wir haben ja auch die Zerstörung der Wälder, die Erosion landwirt­schaftlicher Nutzflächen und die verschmutzten und verschlammten Flüsse vor Augen. Wir wußten Bescheid über die chemischen Veränderungen in der Ozonschicht und kannten den Treibhauseffekt. Wir haben die statistischen Zahlen über die Fischerei auf den Weltmeeren ebenso verfolgt wie die über Grundwasserabsenkungen und das Aussterben biologischer Arten. 


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Als wir Kollegen gegenüber erstmals von einer »Welt jenseits ihrer Grenzen« sprachen, gab es keinen Widerspruch. Auch in der Literatur der letzten zwanzig Jahre fanden sich viele Belege dafür, daß die Ausbeutung der Rohstoffe und die Umweltschädigung bereits zu weit fortgeschritten seien. Einige dieser Veröffentlichungen werden in unserem Buch zitiert.

Allerdings, bevor wir mit der Arbeit an den vorliegenden <Neuen Grenzen des Wachstums> begannen, hatten sich diese Eindrücke noch nicht zu dem neuen Befund geformt: Die Menschheit hat ihre Grenzen überzogen; unsere gegenwärtige Art zu handeln läßt sich nicht mehr lange durchhalten. Eine lebenswerte Zukunft muß zu einer Epoche des Rückzugs werden, in der man die Aktivitäten zurückfährt und die entstandenen Schäden ausheilen läßt. Es hat sich erwiesen, daß das materielle Wachstum die Armut nicht beseitigen kann. Man muß sie jetzt bekämpfen, während sich die wirtschaftliche Tätigkeit vermindert. Das ist zunächst keine erfreuliche Erkenntnis. Auch wir konnten sie nicht sofort akzeptieren.

Aber je weiter wir mit den neuesten Zahlen rechneten, um so eindeutiger wurde das Gesamtbild. Nur zögerlich setzten wir das Computermodell World3 wieder in Gang, um neue Zukunft-Szenarios ablaufen zu lassen. Denn jetzt - so fürchteten wir - könnte sich zeigen, daß es auf längere Frist keine Möglich­keiten mehr gibt, der Menschheit eine erträgliche und stabile Zukunft zu sichern.

Aber solche Möglichkeiten zeigten sich dann doch. Zwar waren in den letzten zwanzig Jahren einige der Optionen von 1971 nur noch sehr beschränkt nutzbar geblieben. Dafür haben sich aber andere Möglichkeiten ergeben. Mit Hilfe der neuentstandenen Technologien und Institutionen ist es möglich geworden, den ständigen Strom von Ressourcen aus der Umwelt und von Schadstoffen in die Umwelt zurück zu reduzieren und dabei dennoch die Lebensqualität anzuheben. Sogar die Massenarmut ließe sich beheben, so zeigten die Analysen trotz des durch die heutige Altersstruktur noch vorprogrammierten Bevölkerungswachstums. Keine dieser Möglichkeiten jedoch läßt sich realisieren, wenn das Bevölkerungswachstum ungezügelt weitergeht und wenn nicht rasch die Wirkungsgrade der Energie- und Ressourcennutzung erhöht sowie der Rohstoff- und der Energieeinsatz weltweit ausgewogener verteilt werden.

Die vorliegenden globalen Daten, die Computerläufe und auch unsere eigenen Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre lassen darauf schließen, daß die zitierten drei Schlußfolgerungen aus den alten »Grenzen des Wachstums« noch immer gültig sind. 

Freilich müssen sie jetzt entschiedener formuliert werden:


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1. Die Nutzung vieler natürlicher Ressourcen und die Freisetzung schlecht abbaubarer Schadstoffe haben bereits die Grenzen des physikalisch auf längere Zeit Möglichen überschritten. Wenn der Einsatz dieser Materialien und die Energieflüsse nicht entscheidend gesenkt werden, kommt es in den nächsten Jahrzehnten zu einem nicht mehr kontrollierbaren Rückgang der Nahrungsmittelerzeugung, der Energieverfügbarkeit und der Industrieproduktion.

2. Das ist aber vermeidbar, wenn zwei grundsätzliche Änderungen erfolgen: Die politischen Praktiken und Handlungsweisen, die den Anstieg des Verbrauchs und der Bevölkerungszahlen begünstigen, müssen umfassend revidiert werden; daneben sind die Wirkungsgrade des Energieeinsatzes und der Nutzeffekt materieller Ressourcen drastisch anzuheben.

3. Eine dauerhaft existenzfähige Gesellschaft ist technisch und wirtschaftlich noch immer möglich. Sie könnte lebenswertere Perspektiven haben als eine Gesellschaft, die ihre Probleme durch konstante Expansion zu lösen versucht. Der Übergang zu einer dauerhaft existenzfähigen Gesellschaft erfordert den sorgfältigen Ausgleich zwischen langfristigen und kurzfristigen Zielvorstellungen; der Nachdruck muß auf ausreichende Versorgung, gerechte Verteilung und Lebensqualität und weniger auf Produktionsausstoß gelegt werden. Dazu ist mehr erforderlich als nur Produktivität und Technologie; gefragt sind Reife, partnerschaftliches Teilen und Weisheit.

Diese Schlußfolgerungen stellen keine Vorhersage, sondern eine an Bedingungen gebundene Warnung dar. Sie bieten eine Lebenschance und sind kein Todesurteil. Das aufgezeigte Ziel ist keine graue Zukunft. Es verdammt die Armen nicht, in ständiger Armut weitervegetieren zu müssen, und verurteilt die Reichen nicht, jetzt arm zu werden. Es könnte uns endlich die Ziele erreichen lassen, die die Menscheit in ihrem ständigen Bemühen um materielles Wachstum schon immer verfolgt hat.

Wir hoffen sehr, daß sich die Menschheit für Nachhaltigkeit entscheiden wird. Das ist der Sinn unseres Buches. Wir verkennen aber nicht die gewaltigen Schwierigkeiten, die dabei zu überwinden sind. Wir vertreten die Ansicht, daß der Übergang zu einer dauerhaft existenzfähigen Gesellschaft technisch und wirtschaftlich möglich ist; vielleicht erweist er sich sogar als leicht begehbarer Weg, wenn erst die Anfänge gemacht sind.


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Aber er stellt ohne Zweifel ein psychologisches und politisches Wagnis dar, da doch bislang alle Erwartungen, das Selbstverständnis unzähliger Menschen und die moderne industrielle Kultur fast ausschließlich auf die erhofften Segnungen beständigen materiellen Wachstums ausgerichtet sind.

Ein Hochschullehrer hat klug beobachtet, wie seine Studenten auf die Erkenntnis reagiert haben, daß es auf dieser Welt Grenzen gibt. Er schrieb:

»Wenn wir mit der Möglichkeit eines Zusammenbruchs konfrontiert werden und erkennen, daß wir unbedingt eine Form der Stabilität zu wählen haben, wenn wir also die Unabweisbarkeit eines neuen existenzfähigen Zustands einsehen, empfinden wir zunächst eine Art von Hilflosigkeit - ob wir uns das nun eingestehen oder nicht. Wenn man so auf seine eigenen Kräfte zurückgeworfen wird, sieht man sich einer Art kosmischer Verlassenheit ausgesetzt, die man bisher nicht gekannt hat. Man fühlt sich verwaist, nicht mehr als wohlbehütetes Kind einer kosmischen Ordnung und als begünstigter Erbe eines historischen Prozesses. Die Grenzen des Wachstums schließen solche Empfindungen aus und lassen uns erkennen, vielleicht zum erstenmal im Rahmen der menschlichen Erfahrung, daß der einzig entscheidende Plan unser eigener sein muß. Mit einem Schlag werden wir aller Sicherheiten einer irgendwie gearteten Vorsehung und des Fortschritts beraubt. Alle Verantwortung für die Zukunft wird uns in die Hände gedrückt.«6

Auch wir haben so empfunden, als wir vor zwei Jahrzehnten am Forschungsprojekt des Club of Rome gearbeitet haben. Viele andere Menschen haben gleichartige emotionale Prozesse durchgemacht. Aber man kann sie überstehen. Sie können sogar neuartige Perspektiven für die Zukunft eröffnen. Doch solche Zukunftsformen werden sich nur dann realisieren lassen, wenn sich die gesamte Menschheit zu ihnen bekennt. Die Vorstellungen von den Begrenzungen, von Nachhaltigkeit, von ausreichender Versorgung, von gerechter Verteilung und Effektivität wirken dann nicht länger als Mauern, Hindernisse oder Bedrohung. Sie wandeln sich zu Leitlinien in eine neue Welt. Die Nachhaltigkeit - und nicht bessere Waffen, Machtkämpfe und Ansammlung materiellen Reichtums sind die entscheidende Herausforderung für die Aktivität und Kreativität der Menschen.

Wir halten die Menschheit heute für fähig, diese Herausforderung anzunehmen und der Welt eine bessere Struktur zu geben. Wenn akzeptiert wird, daß es materielle Grenzen des Wachstums gibt, ist das bereits der erste Schritt auf dieses Ziel zu. Wir empfinden das Zurücknehmen nicht länger durchhaltbarer ökonomischer Aktivitäten nicht als ein Opfer, sondern im Gegenteil als eine Chance: So könnte man das ständige Anrennen gegen die uns auf der Erde gezogenen Grenzen beenden und die selbstgewählten und unnötigen Zwänge überwinden, die wir uns mit unseren Institutionen, Denkvorstellungen, Glaubenssätzen und unserer Moral aufgebürdet haben.

Aus diesem Grund haben wir »Die Grenzen des Wachstums« nicht einfach auf die Ebene der neuesten Daten gehoben, sondern mit den neuesten Analysen ein völlig neues Buch gemacht.

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Durham, New Hampshire, November 1991
Donella H. Meadows, Dennis L. Meadows, Jorgen Randers 

 

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