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II. Äussere  Rahmenbedingungen  

III

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Die Vorgespräche zur Therapie, Einzelsitzungen und Gruppensitzungen fanden in dem gleichen, wohnzimmer­artig ausgestatteten Raum mit angenehmen Ledersitzmöbeln statt. Zur körperlichen Untersuchung wechselten wir mit den Patienten in einen angrenzenden Untersuchungsraum, der mit einer Untersuchungs­liege und den üblichen diagnostischen Hilfsmitteln ausgestattet war. Diese Aufteilung in einen "medizinischen" und einen "psycho­therapeutischen" Bereich, wurde von den Patienten als angenehm empfunden. Die Untersuchungs­ergebnisse selbst besprachen wir mit den Patienten im Therapieraum.

Während der Therapiesitzungen boten wir den Patienten Kräutertee oder sehr schwachen schwarzen Tee an, was in anbetracht der mehrere Stunden andauernden Sitzungen gerne angenommen wurde. Die Dauer der Einzelsitzungen betrug im Mittel etwa zwei Stunden mit Schwankungen von einer halben Stunde nach unten und einer Stunde nach oben. Alle vier Einzelsitzungen fanden im Zeitraum von drei Wochen statt.

Die Gruppensitzungen fanden einmal wöchentlich und mit Rücksicht auf berufstätige Patienten abends statt. Die Sitzungen dauerten dreieinhalb Stunden, konnten sich aber in seltenen Fällen auch bis zu fünf Stunden ausdehnen. Zur Verdeutlichung bestimmter Sachverhalte zeichneten wir Darstellungen auf eine Wandtafel oder benutzten anderes Anschauungsmaterial. Die Patienten konnten sich während der einzelnen Sitzungen Notizen machen und auf Wunsch empfahlen wir ihnen weiterführende Literatur.

Schon zu Beginn der ersten Einzelsitzung legten wir den Patienten den ersten Teil des Fragebogens vor, der im Anhang beigefügt ist. Mit diesem Fragebogen versuchten wir festzustellen, ob Patienten im Lauf ihrer Therapie auf künstliche Kompensations­mittel verzichten konnten und ob ihnen eine selbständige Anwendung der Therapie grundsätzlich gelang.

Wir erklärten ihnen, dass ihre Angaben vertraulich und nur zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet werden würden und baten sie um ihr Einverständnis, sie in halbjährlichen Abständen wieder befragen zu dürfen. Nur zwei Patienten lehnten dies von vorneherein ab und konnten daher nicht mit in die Untersuchung aufgenommen werden.9 (9)  Die Auswertung der Fragebögen soll in einer gesonderten Arbeit vorgestellt werden.

In der Regel finanzierten unsere Patienten die Therapiekosten selbst. Dies scheint durchaus auch die Motivation, die Therapie ernsthaft zu betreiben, über einen gewissen Zeitraum hinweg zu verstärken.

Die Sitzungen wurden bis auf wenige Ausnahmen von männlichem und weiblichem Therapeuten gemeinsam durchgeführt. Dieser Umstand wirkte sicherlich ungünstigen Übertragungssituationen entgegen, wurde von allen Patienten akzeptiert, von vielen sogar als besonders angenehm hervorgehoben.

Die Patienten lernten von Anfang an, selbstständig zu Hause zu arbeiten. Sie sollten sich auch wegen der Therapie keine besonderen Bedingungen verschaffen. Also nicht etwa aufhören zu arbeiten oder sich für eine Zeitlang von nahestehenden Personen zurückziehen. Wir rieten hierzu, weil die Erfahrung von Patienten, die sich einer Intensivphase unterzogen hatten, lehrte, dass sie während der Intensivzeit gerade jene Probleme, die ihnen in ihrem gewohnten Alltag die größten Schwierigkeiten bereiteten und dringend einer Klärung bedurft hätten, nicht bearbeitet hatten, weil sich dazu kein Anlass bot.

Zum selbständigen Arbeiten gehörte auch, sich Bedingungen so zu gestalten, dass darin eine ungestörte Anwendung der Therapie möglich war. Falls die Patienten zwischen den Therapiesitzungen dringliche Fragen zu stellen hatten, boten wir ihnen an, uns in Ausnahmefällen auch anzurufen. Das gleiche galt auch noch nach Beendigung aller vorgesehenen Therapiesitzungen. Dieses Angebot wurde nur von einer einzigen Patientin neurotisch überstrapaziert.

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III.  Indikations-Kriterien  

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Die Einteilung der psychischen und psychosomatischen Störungen, derentwegen Patienten unsere Praxis auf­suchten, nach den üblicherweise herangezogenen Indices (z.B. ICD- oder DSM-Code) war nicht das Haupt­kriterium für die Auswahl unserer Patienten. Abgesehen davon, dass die Auswahl der auffälligen Aspekte in der Verhaltenserscheinung eines Menschen stets von einer Momentaufnahme ausgeht, die seine Entwicklung nicht erfasst, müsste im Einzelfall jeweils eine ganze Reihe von Aspekten in Diagnosen gewürdigt werden, was trotz der Anhäufung von Begriffen die Vorhersagbarkeit des Therapieergebnisses nicht verbessert.

Wir haben auf eine solche Zuordnung verzichtet und versucht, die vordringlich erscheinenden Probleme und Störungen unserer Patienten deskriptiv zu erfassen. Dies schien uns auch deshalb angemessen, weil wir ja gleichzeitig nach einem möglichst unvoreingenommenen Verständnis für die bei einer Primärtherapie ablaufenden Vorgänge suchten. Kennzeichnend für die Störungen, derentwegen Menschen unseren therapeutischen Rat suchten, waren stets auffällige Dissoziationen zwischen kognitiver Einschätzung und realem Verhaltenspielraum.

Gleichgültig auf welchem sprachlichen Niveau sie ihre Probleme schilderten, zeigten sich regelmäßig weit fortgeschrittene Überlegungen über die eigene innere und äußere Lage, die offenbar nicht geeignet waren, das gleichzeitig vorhandene (und oft heimlich dominierende) physische Empfinden zu beeinflussen. Die Patienten fühlten sich hierdurch gequält und eingeengt und konnten meist nicht begreifen, weshalb ihre absichtlichen Bemühungen diese Empfindungen nicht veränderten.

Unabhängig von der Art und Genese der Störung war für uns bei der Auswahl unserer Patienten von größerer Wichtigkeit, ob sie bereit und auch in der Lage schienen, das von uns angebotene Verfahren selbständig über einen längeren Zeitraum hinweg anzuwenden. Ergaben sich in dem mehrstündigen Informationsgespräch, welches wir auch zur Indikationsstellung verwendeten, Hinweise auf neurologische Störungen oder auf psychotische Reaktionsweisen, so baten wir diese Patienten sich zunächst einem Facharzt vorzustellen, um das Vorliegen von Störungen zu erkennen, für deren Behandlung sich unser Therapieverfahren nicht eignet.

Ein Ausschlusskriterium war es darüber hinaus, wenn Patienten angaben, mit Hilfe der Therapie gezielt gegen eine manifeste Sucht angehen zu wollen. Solchen Patienten empfahlen wir spezialisierte ambulante oder stationäre Therapieeinrichtungen, da die Durchführung einer Primärtherapie im ungünstigen Fall sucht­ver­stärkend wirken kann. 


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Bei uns stellten sich Interessenten vor, die die Primärtherapie als eine Beschäftigung ansahen, die zu unab­lässiger Selbstbeobachtung veranlasst, worin wir einen Verlust von Selbstachtung sehen, der sich unter anderem suchtfördernd auswirkt. HEMMINGER hat in seiner kritischen Auseinandersetzung mit der Primär­therapie beschrieben, wie solche Patienten sich immer mehr in eine Innenwelt flüchten, anstatt sich aktiv mit der Realität auseinanderzusetzen.10)   (10)  Hemminger H.J. 1980: 176 ff  

Eine weitere Gruppe von Patienten, die sich von der Therapie eine garantierte Heilung von Allergien, Asthma bronchiale, endokrinen Störungen die einer regelmäßigen medikamentösen Substitution bedurften und anderen Krankheiten erhofften und von diesen Erwartungen nicht abzubringen waren, mussten wir ebenfalls abweisen, da wir eine solche Garantie selbstverständlich nicht übernehmen konnten. Wenn psychosomatisch Kranke jedoch akzeptieren konnten, dass die Therapie durch Abbau chronischer innerer Stressoren insgesamt zu einer entlastenden Funktion des Organismus beiträgt und von daher funktionelle Störungen günstig beeinflusst werden, ohne dass im einzelnen vorhergesagt werden kann, wie sich diese Veränderungen im Einzelfall auswirken werden, hielten wir die Primärtherapie für sie für geeignet.

Manche Patienten konnten oder wollten sich nicht vorstellen, ihre Therapie selbstständig durchzuführen. Damit schlossen sie sich selbst von unserem Verfahren aus.

Interessanterweise wurde die Entscheidung für oder gegen eine Selbsttherapie nicht davon bestimmt, wie krank oder belastet ein Patient war. Patienten, die sich unter Zuhilfenahme psychologischer Literatur schon selbst diagnostiziert und feste Vorstellungen davon entwickelt hatten, wie ihre Probleme entstanden wären und auch wie sie wieder davon loskommen könnten, beharrten manchmal sehr auf diesen Vorstellungen. Sie versuchten unsere Einwände und Erklärungsversuche ihrem Denkschema anzupassen, anstatt nach Sinn und Möglichkeiten des von uns angebotenen Verfahrens zu fragen, so dass wir solchen Patienten empfahlen, sich besser anderswo nach einer ihren Erwartungen entsprechenden Therapieform zu erkundigen. 

Denn sie erhofften sich rein geistige Veränderungskonzepte, die ohne Berücksichtigung psychobiologischer Wechsel­wirkungen "irgendwie" funktionieren sollten. Obwohl solche Patienten sich häufig als sehr sensibel und gefühlvoll einschätzten, hielten sie eine Beschäftigung mit ihren Empfindungen für irrelevant für den therapeutischen Prozess. Da sie selbst, trotz oft jahrlanger intellektueller Auseinandersetzung mit psycho­therap­eutischen Theoriemodellen ihren Zustand nicht hatten bessern können, insistierten sie auf der Anwesenheit eines Therapeuten, der sie als Seelenarzt dann über irgendeinen Weg heilen sollte. 

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass solche Menschen langfristig mit der Primärtherapie nicht zurecht kommen, da sie darauf bestehen, Erklärungen für ihre Konflikte und Gefühle von außen zu erhalten, nicht aus ihrem Inneren.

Körpersignale als Botschaften oder Alarmzeichen aus ihrem Inneren aufzufassen, war den Patienten nach ihren biografischen Berichten zumeist bereits in der frühen Kindheit ab-erzogen worden. Deshalb scheint diese Form der Primärtherapie für die Behandlung psychosomatischer Störungen besonders gut geeignet zu sein, auch dort, wo eine gewisse Reserviertheit der Patienten gegenüber psychologischen Krankheits­erklärungen üblicherweise eine psychotherapeutische Intervention erschwert oder gar verhindert.

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