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Alice MillerAbbruch
der
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1990 183 Seiten Bing.Buch Googl Buch
detopia: |
Inhalt
Vorwort (7)
Literatur (184)
Wie die vorhergehenden Bücher Alice Millers ist auch dieses Buch unbequem. Miller macht es sich und ihren Lesern niemals leicht. Statt schonender theoretischer Ausführungen konfrontiert sie mit Fakten, die für viele aufgrund ihrer eigenen Kindheitsgeschichte schwer erträglich sind. Wer diese Fakten mit intellektuellen Argumenten abwehrt, bringt sich selbst allerdings um eine lebenswichtige Chance, ein freieres Leben zu führen, und er drückt sich vor der Aufgabe, die Zukunft unserer Kindheit nicht dem Glück zu überlassen! Frankfurter Rundschau |
1. Öffnungen und Durchblicke (19)
2. Fakten (91)
3. Der Verzicht auf Heuchelei (149)
4. Befreiung vom Selbstbetrug (Nachwort zur Paperback-Ausgabe) (174-183) |
Vorwort
7-16
Die Wahrheit über die Kindheit, wie viele von uns sie erleiden mußten, ist unfaßbar, empörend, schmerzhaft, nicht selten monströs und immer verdrängt. Diese Wahrheit auf einmal zu erfahren und dieses Wissen zu integrieren ist schlicht und einfach unmöglich, auch wenn wir uns das sehnlichst wünschen.
Die Fähigkeit des menschlichen Organismus, Schmerzen zu ertragen, ist zu seinem Schutze begrenzt, und alle Versuche, die diese Grenze mißachten und die Verdrängung gewaltsam aufheben, haben nur negative und oft gefährliche Wirkungen, wie jede andere Form von Vergewaltigung auch.
Die Folgen eines traumatischen Erlebnisses wie etwa einer Mißhandlung können nur aufgelöst werden, wenn alle traumatischen Facetten dieses Erlebnisses in einer behutsam aufdeckenden Therapie erlebt, artikuliert und verurteilt werden konnten.
In den letzten Jahrzehnten gab es verschiedene gefährliche Versuche, die Folgen von Kindheitstraumatisierungen auf gewaltsame Art zu beheben, die alle gescheitert sind und scheitern mußten. Die Behandlungen mit LSD, Hypnose und isolierten Geburtserlebnissen führten nicht nur nicht zur Integration der persönlichen Wahrheit, sondern sehr häufig zur verstärkten Flucht vor ihr in neue Formen der Abwehr wie Ideologien, Süchte und andere Arten der Verleugnung.
Viele junge Menschen, die mit psychedelischen Drogen experimentierten, aus Neugier und aus Not, haben eine extrem beängstigende, zugleich entmutigende und höchst irreführende Erfahrung gemacht, die ihnen später den Zugang zu einer wirksamen, aufdeckenden Therapie verbaut hat. Sie sahen sich in bestimmten Situationen plötzlich, unvorbereitet, dem Grauen ihrer Kindheit schutzlos ausgeliefert, dies auch noch in symbolischen Bildern, ohne Bezug zur Realität, und auf keinen Fall wollten sie sich später diesen Erfahrungen erneut aussetzen. Eigentlich mit Recht.
Aber sie wissen nicht, daß das, was sie erlebt hatten und was ihnen zuweilen als Therapie verkauft worden war, eigentlich das Gegenteil einer Therapie war: eine Traumatisierung, die die Verwirrung der Kindheit mit Hilfe von symbolischen Inhalten zementierte und eine starre, schwer auflösbare Version ihrer Kindheit zurückließ.
Die Konsequenzen solcher Erfahrungen sind sehr bedauerlich, denn die Betroffenen vertrauen nun lieber der Lüge der Sucht, der Medikamente oder der falschen Theorien als der Wahrheit. Sie ahnen nicht, daß sie in einem langsamen Prozeß durchaus die Wahrheit ertragen könnten und daß nur diese ihnen auf Dauer helfen kann.
Wir bauen hohe Mauern, um uns vor den schmerzhaften Fakten abzuschirmen, weil wir nie gelernt haben, daß und wie wir mit diesem Wissen leben können. "Warum sollten wir?" könnte man fragen. "Was vergangen ist, ist vergangen. Warum sollten wir uns damit befassen?" Die Antwort auf diese Frage ist sehr komplex. Ich versuche in diesem Buch anhand verschiedener Beispiele zu zeigen, weshalb wir sowohl als Individuen als auch als Gesellschaft nicht auf die Wahrheit über die eigene Kindheit verzichten können noch dürfen.
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Hinter der Mauer, die uns vor der Geschichte dieser Kindheit schützen soll, steht nämlich immer noch das mißachtete Kind, das wir waren und das einst verlassen und verraten wurde. Es wartet darauf, daß wir den Mut finden, es anzuhören. Es möchte von uns geschützt, verstanden und aus seiner Isolierung, Einsamkeit und Sprachlosigkeit befreit werden. Aber dieses Kind, das so lange auf unser Verständnis, auf Achtung und Zuwendung wartet, hat nicht nur Bedürfnisse, auf deren Erfüllung es angewiesen ist. Es hält auch ein Geschenk für uns bereit, das wir dringend brauchen, um wirklich zu leben, das wir nirgends kaufen können und das uns nur dieses einzige Kind in uns geben kann. Es ist das Geschenk der Wahrheit, die eine Befreiung aus dem Gefängnis der destruktiven Meinungen und etablierten Lügen bedeutet, und schließlich das Geschenk der Sicherheit, die uns die wiedergewonnene Integrität gibt. Das Kind wartet nur darauf, daß wir bereit sind, uns ihm zu nähern, um mit seiner Hilfe die Mauern abzureißen.
Viele Menschen wissen das nicht. Sie leiden unter quälenden Symptomen und fragen Ärzte um Rat, die ähnlich wie sie das so notwendige Wissen abwehren. Sie befolgen diesen Rat, lassen z.B. völlig unnötig schwere Operationen über sich ergehen oder lassen andere leiden. Oder sie konsumieren Schlaftabletten, um ja nicht von Träumen beunruhigt zu werden, die sie an das hinter der Mauer wartende Kind erinnern könnten. Aber das Kind kann sich nur in der Sprache der Schlaflosigkeit, der körperlichen Symptome und der Depressionen artikulieren, solange wir es zum Schweigen verurteilen. Tabletten und Drogen können da nicht helfen, sie können den Erwachsenen nur noch mehr verwirren.
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Viele Menschen wissen auch dies nicht, aber viele wissen es seit langem und können sich doch nicht helfen. Einige spüren, daß die Verdrängung der Traumen ihrer Kindheit ihr Leben vergiftet; sie wissen, daß diese Verdrängung einst für das Kind notwendig war, um ihm das Überleben zu sichern, weil der kleine Organismus sonst an den Schmerzen hätte sterben müssen. Einige beginnen zu ahnen, daß die Aufrechterhaltung der Verdrängung im Erwachsenen zerstörerische Folgen hat. Aber sie meinen, daß man sich damit abfinden müsse, weil sie keine Alternativen kennen. Sie wissen nicht, daß es durchaus möglich ist, in einer nicht gefährlichen Weise, im Verlauf eines langsamen Prozesses, die Verdrängung der Kindheit aufzuheben und die Wahrheit ertragen zu lernen. Nicht plötzlich, nicht durch gewaltsame Eingriffe, sondern langsam, mit Rücksicht auf die jeweilige Abwehr, in einzelnen Schritten.
Auch ich habe das lange nicht gewußt. Meine psychoanalytische Ausbildung und Tätigkeit verunmöglichten mir, dieses Wissen zu entdecken. Doch seitdem ich selbst den Prozeß der langsamen Integration von einzelnen Aspekten meiner Kindheit erfahren habe, möchte ich jeden darüber informieren, der unter seinem Abgetrenntsein von den eigenen Wurzeln leidet. Mit dieser Information mußte ich so lange warten, bis die Therapie, die ich an mir selbst erprobt habe, beschrieben und publiziert wurde. Das ist nun inzwischen geschehen (Vgl. J. Konrad Stettbacher, Wenn Leiden einen Sinn haben soll, Hamburg 1990, Hoffmann und Campe).
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Ich weiß aufgrund einzelner Beispiele, daß diese Beschreibung der Stettbacherschen Primärtherapie helfen konnte, wenigstens zum Teil Blindheiten abzubauen, Folgen von alten Verletzungen teilweise aufzulösen, Öffnungen zur Wahrheit zu finden und den dringend nötigen Kontakt mit dem Kind in uns herzustellen, um das verlorengegangene Bewußtsein zu erlangen.
Was für die Therapie des einzelnen gilt, gilt auch für die Entwicklung des gesellschaftlichen Bewußtseins. Auch hier kann die monströse Wahrheit über die Ursachen und Folgen von Kindesmißhandlungen und über die Brutstätten der Gewalt nicht auf einmal zugelassen werden, sondern nur schrittweise (Vgl. Alice Miller, Am Anfang war Erziehung, 1980; Das verbannte Wissen und Der gemiedene Schlüssel, 1988 a+b). Ich will das an einem Beispiel aus meiner eigenen Aufklärungsarbeit verdeutlichen:
Nach dem Erscheinen meiner ersten drei Bücher Anfang der achtziger Jahre wurde ich von einigen Zeitschriften und Zeitungen um einen Beitrag gebeten. Doch sobald ich ankündigte, daß ich über die Gewalt in der Familie schreiben würde, erlahmte das Interesse an einer Zusammenarbeit mit mir vollständig. Die einzige Ausnahme war die Redakteurin der Zeitschrift <Brigitte>, die 1982 meinen Artikel über sexuelle Mißhandlungen von Kindern gegen die Widerstände einiger Kollegen veröffentlichen konnte. Der Artikel trug den Titel: <Die Töchter schweigen nicht mehr> und wurde später in einer Neuauflage von <Du sollst nicht merken> abgedruckt.
Er berichtete vom Mut einiger amerikanischer Frauen, die Geschichten der schweren Verletzungen in ihrer Kindheit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, um nicht länger mit diesem schrecklichen und zerstörenden Geheimnis allein zu leben, aber auch um anderen Frauen zu helfen, am Abbruch der Schweigemauer zu arbeiten, mit der sich die Gesellschaft vor dem Wissen über die Kindheit schützt.
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Diese Frauen haben erkannt, daß der angebliche Schutz dieser Mauer eine destruktive Wirkung auf die Überlebenden der Kindesmißhandlungen hat und daß die Zahl dieser Überlebenden mehr als die Hälfte der gesamten Bevölkerung umfaßt.
Zur damaligen Zeit war das Thema der sexuellen Kindesmißhandlungen in Deutschland ein absolutes Tabu, und die Wirkung des Artikels glich einem Dammbruch. Hunderte von Frauen aus allen sozialen Schichten schrieben an die Redaktion und an mich. Sie erzählten von brutalen Mißhandlungen in der Kindheit und von der Schweigemauer, die sie von diesen Erlebnissen und damit von einem großen Teil ihrer Persönlichkeiten trennte. Durch alle diese Briefe zog sich wie ein Refrain der gleiche Satz: "Es ist das erste Mal, daß ich darüber berichte."
Ergänzend dazu schrieben die meisten: "Sie können meine Geschichte veröffentlichen, damit andere Frauen, die das erlebten, erfahren, daß sie nicht alleine damit sind, denn bis zu Ihrem Artikel habe ich immer gemeint, nur mir sei das widerfahren. Aber bitte, erwähnen Sie auf keinen Fall meinen Namen." — Die meisten dieser Frauen waren verheiratet, Mütter von mehreren Kindern, viele von ihnen hatten "Therapien" hinter sich, aber weder mit dem Ehemann noch mit den Therapeuten wagten sie über das Trauma ihrer Kindheit zu sprechen.
Das, was ihr ganzes Leben prägte, sie in der Phantasie weiterbedrohte, vergiftete, mußte so lange und so gründlich verschwiegen werden, weil sie in ihrer ganzen Umgebung offenbar keinen wissenden Zeugen fanden, der ihnen zumindest eine teilweise Befreiung von diesem isolierenden Geheimnis ermöglicht hätte — und sei es zunächst nur durch das bloße Sprechen über erlittene Qualen.
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Jede dieser Frauen kam mir damals vor wie ein kleines Mädchen vor einer riesigen Mauer, in der auch nicht die kleinste Öffnung zu finden war, die diesem Mädchen in seiner Einsamkeit ein Stück Hoffnung geboten hätte.
Seitdem hat sich vieles geändert. Zuerst wurde in Berlin die Selbsthilfegruppe "Wildwasser" gegründet, deren Beispiel viele ähnliche Gruppen im ganzen Land folgten. Sie stoßen zweifellos noch auf Widerstände, Gleichgültigkeit und Ignoranz, wenn sie auf Zuschüsse der Behörden angewiesen sind, um weiteren Kreisen von Betroffenen helfen zu können. Aber die Schweigemauer steht nicht mehr so unerschütterlich wie vor sieben Jahren — zumindest. was die sexuelle Ausbeutung der Mädchen anbetrifft.
Ohne die Hilfe der Frauenbewegung wäre diese schnelle Entwicklung kaum denkbar. Ihr vor allem ist es zu verdanken, daß die skandalöse Praxis der Gerichte immer wieder offenbar und die Öffentlichkeit auf die Einsamkeit, der Opfer aufmerksam gemacht wird. Das entlarvt jene Grausamkeiten, die bisher als völlig selbstverständlich erschienen. Doch auch die Frauenbewegung konnte nicht sofort auf alle Augenbinden verzichten — was ja eigentlich auch kaum anders denkbar ist.
Um eine monströse Wahrheit aus unserer kollektiven Vergangenheit zu erkennen und zu integrieren, brauchen wir viel Zeit, wie in der Therapie. Sonst besteht die Gefahr, daß die Verdrängung noch verstärkt wird. Wir brauchen noch lange Illusionen, Stützen, Krücken, um uns immer wieder einem neuen schmerzhaften Aspekt der Wahrheit auszusetzen, bis wir das ganze Ausmaß der Situation des Kindes wahrnehmen können.
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Daher konnte die Frauenbewegung auf einige Illusionen nicht verzichten, als sie die skandalöse Tatsache der sexuellen Mißhandlungen von Mädchen zur Sprache brachte; sie brauchte vor allem die Illusion, die Mütter seien unschuldig an diesen Verbrechen. Es fiel mir auf, daß feministische Zeitschriften sich mit meinen Büchern schwertaten, weil ich nicht gewillt war, für Mißhandlungen an Kindern nur Männer verantwortlich zu machen, sondern darauf bestand, daß beide Eltern dem mißhandelten Kind Schutz und Liebe schuldig geblieben waren und daß eine beschützende Mutter Mißhandlungen nicht zugelassen hätte (Vgl. Alice Miller, 1988a+b).
Inzwischen hat offenbar auch die Frauenbewegung eine Stufe erreicht, auf der die Illusion, nur Männer seien gewalttätig gegen Kinder, abgebaut werden kann.
Eine Feministin schickte mir die Ergebnisse ihrer Untersuchung über junge Männer, die in Gefängnissen ihre Strafen absitzen, weil sie auf der Straße Frauen überfallen und vergewaltigt haben. Die Vergewaltigung und Erniedrigung anonymer Frauen hatte überhaupt nichts mit Sexualität zu tun, obwohl man diese Männer Triebverbrecher nennt. Sie handelten aus Rache für die eigene, einst erlittene, total verdrängte Wehr- und Hilflosigkeit, die sie, auf Kosten anderer, weiterhin verdrängten.
Es stellte sich heraus, daß alle diese Männer in ihrer frühen Kindheit von ihren Müttern vergewaltigt wurden, entweder mit Hilfe von offenen sexuellen Praktiken oder durch Einläufe oder beides. Allerlei perverse Praktiken hielten das Kind ständig in Schach, ohne daß es die mindeste Chance gehabt hätte, sich dagegen zu wehren.
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Noch vor 30 Jahren galten Einläufe als medizinische Maßnahme, obwohl sie im Grunde eine Vergewaltigung sind, eine Maßnahme, die die natürliche Darmtätigkeit des Kindes unter der Kontrolle des Erwachsenen halten sollte. Dies klar zu sehen und diese Form destruktiven Verhaltens entlarven zu können, setzt ein offenes Bewußtsein der Soziologin voraus. Glücklicherweise mußte diese Frau die Mütter nicht schonen, brauchte die Wahrheit also nicht zu verschleiern.
Ich bin weit davon entfernt, mit diesem Hinweis auf die Vergangenheit des Täters seine Tat entschuldigen zu wollen. Denn das verbrecherische Ausagieren ist keine Notwendigkeit. Es könnte vermieden werden, wenn diese Männer bereit wären, ihre Verdrängung aufzugeben. Sie sind nicht dazu bereit, und sobald sie Väter geworden sind, können sie die Rache an ihren Müttern sogar unbehelligt ausüben: in ihren vier Wänden, an Frau und Kind, nun ohne daß die Polizei einschreitet.
Ihre Taten müssen beim Namen genannt werden, genauso wie die Taten ihrer Eltern, Großeltern und der Millionen Ausbeuter von Kindern in früheren Generationen, deren Produkt diese Vergewaltiger sind. Auch ihre perversen Mütter waren schon ein Produkt dieser verhängnisvollen Ereigniskette.
Damit das jahrtausendealte Verbrechen der Kindesmißhandlung nicht länger sein Unwesen treiben kann unter verharmlosenden Etiketten wie: Tradition, Normalität, Erziehung zu "deinem Besten", muß, zumindest auf der kognitiven Ebene, der Zugang zur ganzen Wahrheit gewährleistet werden. Diesen Zugang versuchen die folgenden Kapitel dem Leser zu vermitteln, immer aus anderem Blickwinkel, um ein bestimmtes Thema kreisend, damit einzelne Öffnungen in der Mauer gefunden werden, durch die sich ein freier Blick bietet.
Was ist schon ein Blick, könnte man fragen, das kann doch kaum genügen? Gewiß, ein Blick kann die eigene Therapie nicht ersetzen. Aber er kann den Sinn dafür wecken, wie es diesseits der Mauer aussieht, und er kann vor allem die gesunde Neugier aufs Leben wecken.
Diese Funktion hatte bei mir das spontane Malen, mit dem ich 1973 begann. Ohne diese Erfahrung hätte ich kaum den Mut gefunden, mich einer neuen Therapie auszusetzen (Vgl. Alice Miller, 1985 + 1988b).
Menschen, die nur die Schweigemauer kennen, klammern sich an diese Mauer, verhalten sich so, als böte sie ihnen die Rettung vor allen Ängsten. Aber Menschen, die einmal durch eine Öffnung geschaut haben, können die Existenz dieser sinnlosen Mauer nicht länger ertragen. Sie können sich nicht vorstellen, jemals wieder so zu leben wie zuvor, ohne das jetzt erlangte Bewußtsein, weil sie realisiert haben, daß das, was sie früher ihr Leben nannten, gar kein Leben war.
Zu ihrer Tragik und zu ihrem Schicksal gehörte, dies so lange nicht gemerkt zu haben. Diese Tragik möchten sie den anderen ersparen, soweit dies möglich ist. Sie möchten die anderen informieren, wie deren Leiden entstanden und daß es auflösbar ist. Sie möchten die anderen wissen lassen, daß das Leben, jedes Leben, viel zu kostbar ist, um versäumt, vergeudet oder weggeworfen zu werden. Und daß es sich lohnt, die alten Schmerzen zu fühlen, um frei von ihnen zu werden — für das Leben.
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Abbruch der Schweigemauer Die Wahrheit der Fakten