2.13 - Demoralisierung und Aufruhr
Der berstende Monolith (731). Verschwundene Sicherungen (735). Das revolutionäre Strandgut (738). Nihilistische Reaktionen (742).
Regressionssymptome (744). Der Kult des Anti-Lebens (748). Unfruchtbare Subjektivität (755). Der Optimismus der Pathologie (759).Mumford-1970
Der berstende Monolith
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Es besteht kaum ein Zweifel daran, daß zumindest in den meisten industriell entwickelten Ländern der megatechnische Komplex heute auf der Höhe seiner Macht und Autorität steht oder sich diesem Punkt rasch nähert. In objektiv meßbaren materiellen Kategorien — Energieeinheiten, Produktion, Destruktion, Fähigkeit zu Massenzwang und Massenvernichtung — hat das System seine Grenzen fast schon erreicht; und wenn man es nicht mit einem menschlicheren Maßstab mißt, dann erscheint es als ein überwältigender Erfolg.
In vielen Bereichen übt der Komplex der Megamaschine, sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Sowjetrußland, praktisch bereits eine totale Macht aus — obgleich das amerikanische System vielleicht wirksamer ist, da es im Notfall immer noch auf die alte polytechnische Tradition seiner Pionierzeit zurückgreift, desgleichen auf die tiefverwurzelten Gewohnheiten unabhängiger Initiative und Erfindung.
Abgesehen von ihrer Rivalität und ihrem offenen Antagonismus erscheinen diese beiden Systeme zunehmend unangreifbar und unbesiegbar; und die Denkgewohnheiten und irrationalen Pläne, die sie befürworten, werden von den Massenmedien einem immer größeren Teil der Menschheit übermittelt.
Schumpeter wies vor einem Menschenalter darauf hin, daß der Kapitalismus Methoden hervorbringt, die zu seiner Verdrängung durch eine Art unpersönlichen Kollektivismus führen werden, in dem es keinen Raum gibt für Privateigentum, private Werturteile, private Verträge und schließlich sogar für private Gewinne und Vergütungen, außer in den alten Formen von Status und Vorrecht.
wikipedia Joseph_Schumpeter *1883 in Mähren bis 1950
Was für die kapitalistische Wirtschaft gilt, hat nun für den gesamten Machtkomplex Geltung: Die Verwirrung und Demoralisierung, die in der avantgardistischen Kunst ihren Ausdruck findet, nähert sich rasch einem Punkt, wo das Medium nicht nur die Botschaft, sondern auch das Subjekt ersetzt, an das einst die Botschaft gerichtet war. Wie das Sanatorium und seine Insassen und Ärzte in Thomas Manns Zauberberg ist unser ganzes Machtsystem ein Betrug geworden: Seine Vorzüge werden zu Übeln, seine Gewinne zu Verlusten; seine nützlichen Erfindungen werden nutzlos und destruktiv; und anstelle von rationalen Zielen und voraussagbarer Ordnung schafft es maximale Voraussetzungen für Unordnung.
Es ist also nicht überraschend, daß der Machtkomplex in vielen Bereichen schweren Belastungen ausgesetzt ist. Obgleich immun gegen jeden Frontalangriff, es sei denn, er käme von einem anderen Machtsystem gleicher Größenordnung, sind diese Giganten doch besonders verwundbar durch lokale Guerillaattacken und Überfälle, gegen die ihre Massenarmeen so hilflos sind, wie es der schwergepanzerte Goliath gegenüber dem flinken David war, der nicht immer die gleichen Waffen benutzte oder dieselben Körperteile angriff.
Die gegenwärtigen Spannungen in der ganzen Welt enthüllen die Unfähigkeit der militärischen, der bürokratischen und der Bildungs-Elite, die menschlichen Reaktionen zu verstehen, die der leichte Erfolg ihres Systems bereits hervorgerufen hat. Noch weniger sind sie imstande, mit diesen Reaktionen fertig zu werden, außer durch Verstärkung der inhumanen Prozesse, welche die feindlichen Reaktionen hervorrufen. Wenn auch Desertion und Verweigerung zahlenmäßig unbedeutend sind, so mögen doch Abkehr und Umkehr in größerem Ausmaß bevorstehen.
Die Dynamik der Megatechnik, ihre scheinbar unerschöpfliche Fähigkeit, für menschliche Probleme technokratische Lösungen auszuhecken, macht ihre Herren und Meister blind für den Charakter dieser Reaktionen. Folglich verschlimmert das orthodoxe Heilmittel für Unzufriedenheit — Brot und Spiele des Wohlfahrtstaates — die Krankheit nur noch mehr. Aber leider: So wie kein Gewebe schneller wächst als Krebszellen, drohen im Körper der Gesellschaft Zersetzung und Zerstörung, die seit fünfzig Jahren mit zunehmender Geschwindigkeit fortschreiten, die Produktivkräfte zu überholen und selbst die Grundsätze kosmischer Ordnung und rationaler Zusammenarbeit zu untergraben, auf denen ihre wahrhaft konstruktiven Leistungen beruhten.
Obwohl ich die konkreten Beweise für die soziale Zersetzung und Rückentwicklung unseres megatechnischen Systems hauptsächlich anhand lange feststellbarer subjektiver Reaktionen untersuchen will, möchte ich doch vorerst auf die deutlich sichtbaren Sprünge in dieser scheinbar monolithischen Struktur hinweisen. Wahrscheinlich wird in jedem Industrieland die Mehrheit, dazu erzogen, die lukrativeren Produkte der Megatechnik zu akzeptieren und zu überschätzen, weiterhin auf materiellen Gewinn bestehen. Doch diese Nutznießer zeigen einen wachsenden Unwillen, das System durch willentliche Anstrengungen in Gang zu halten; stattdessen versuchen sie, aus ihm immer größere Geschenke, Prämien und Vergütungen herauszupressen, während sie mit wachsendem Widerwillen ein Mindestmaß an Arbeit leisten und ein Minimum an Verantwortung übernehmen. Es ist bezeichnend, daß der amerikanische Arbeiter sich von seinen Kollegen mit den Worten »Nimm's leicht!« verabschiedet.
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Die Ursache dieses allgemeinen Versagens dürfte klar sein. Nachdem Automation und zentralisierte Macht den Arbeitern die meisten Fertigkeiten und Entscheidungen aus den Händen genommen haben, bleiben hauptsächlich die negativen Eigenschaften übrig: Ablehnung, gedankenlose Gleichgültigkeit, Gereiztheit, Trägheit oder, um es in einem einzigen Ausdruck zusammenzufassen, psychologische Absentierung. Auch wenn der Arbeiter physisch anwesend ist, ist er nicht mehr »ganz da«.
Als Kompensation für ihre Unfähigkeit, den Arbeitsprozeß zu lenken oder dessen Produkte zu gestalten, zögern nicht einmal die privilegiertesten Mitglieder megatechnischer Organisationen, wie etwa der großen Industriegewerkschaften, die lebenswichtigen Tätigkeiten einer ganzen Nation zu zersetzen oder zu lahmen, um die Erfüllung ihrer manchmal willkürlichen Forderungen zu erzwingen. Da nicht vernünftige Verteilung und soziale Gerechtigkeit, sondern profitbringende Expansion das Kriterium megatechnischen Erfolges ist, kann das Establishment keine attraktive moralische Alternative bieten. Die Hartnäckigkeit, mit der Bummelstreiks, Sitzstreiks und wilde Streiks, oft aus trivialen Ursachen, geführt werden, scheint ein bewußter Versuch zu sein, durch sporadische Störungen etwas von der menschlichen Initiative, die das System unterdrückt hat, wiederherzustellen. Deshalb richten sich Arbeiterrevolten oft gegen die von den Arbeitern gewählten Führer, die zu Recht mit der etablierten Ordnung identifiziert werden.
Zugegebenermaßen wurde die Elite der Technokraten, durch die und für die in wachsendem Maße das ganze System arbeitet, nie stärker beansprucht, ja überansprucht, besser entlohnt, mehr geschätzt, verherrlicht, verhätschelt und öffentlich gepriesen als heute. Wie ihre priesterlichen Vorgänger im Altertum ernähren sie sich ausgezeichnet von den Brandopfern, die auf den heiligen Altären des Sonnengottes dargebracht werden.
Für alle, die immer noch dem archaischen Mythos der Maschine anhängen und Vollmitglieder des neuen Pentagons der Macht sind, bestätigen die vom Sonnengott geforderten Opfer nur die Intensität ihrer Hingabe. Astronauten setzen sich, wie wir gesehen haben, den schwersten körperlichen Belastungen aus, um den rituellen Vorschriften der Raumfahrt zu fernen Teilen des Sonnensystems zu genügen. Die miterlebende Teilnahme der übrigen Erdenbewohner an diesen Riten über Film, Fernsehen und Radio stellt bis zu einem gewissen Grad das schwindende Gefühl des großen Abenteuers wieder her; und die stets gegenwärtige Möglichkeit des Todes im Weltraum verstärkt, wie beim Autorennen, die tägliche Dosis hemmungsloser, gladiatorenhafter Gewalttätigkeit, die gewissenhaft von den Massenmedien geliefert wird.
Das Problem, um das es geht, liegt der westlichen Zivilisation seit fünfzig Jahren vor der Nase: daß nämlich eine überwiegend megatechnische Wirtschaft nur durch systematische, unaufhörliche Expansion in Gang gehalten werden kann.
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Anstelle einer ausgeglichenen, der Lebensförderung dienenden Wirtschaft fordert die Megatechnik unbegrenzte Expansion in riesenhaftem Ausmaß: eine Leistung, die nur Krieg oder Kriegsersatz — Raketenbau und Weltraumforschung — vollbringen können.
Je höher organisiert die Machtstruktur wird, desto weniger abweichende Faktoren können geduldet werden und desto anfälliger wird das ganze System für Pannen infolge mechanischer Defekte und natürlicher Unfälle — und noch mehr für Gegenangriffe jener Klassen und Gruppen, die vom System und dessen vielgerühmten Vorteilen ausgeschlossen sind. Da Krieg in der einen oder anderen Form die dynamische Triebkraft dieses Systems darstellt, ist kein Teil der Umwelt vor Angriffen sicher. Ohne Krieg würde das megatechnische System in seiner gegenwärtigen, räumlich erweiterten, erdumfassenden, ja kosmischen Gestalt an seiner eigenen sinnlosen Produktivität ersticken. Daher der so besonders treffende Titel von Herman Kahns Buch Thinking the Unthinkable. Wie er gleich zu Beginn klarstellt, ist das Undenkbare nicht der totalitäre Völkermord — sein Buch enthält nur verschiedene statistische Schätzungen zu diesem Thema —, sondern jeder Versuch, entsprechende Mengen von Geisteskraft und materiellen Mitteln zu investieren, um ein weltweites Gleichgewicht zu schaffen, das Gerechtigkeit und Frieden ermöglichen würde. Undenkbar ist nur, der Expansion irgendwelche Grenzen zu setzen.
Als die megatechnische Ökonomie noch im Aufbau war, konnten fortschrittliche Denker glauben, deren soziale Mängel und materielle Unzulänglichkeiten seien nur auf verfaulende Rückstände älterer, technisch weniger entwickelter Systeme zurückzuführen. So hielt der viktorianische Evolutionsphilosoph Herbert Spencer, ebenso wie Auguste Comte und die Saint-Simonisten, Militarismus und Krieg sowie alle Formen transzendenter Religion für Relikte einer barbarischen Gesellschaft, die bald von vernünftigen nützlichen Zielen und rationaleren Methoden der Wirtschaft und der Technik ersetzt werden würden (Comtes Gesetz der drei Stadien). Noch vor Ende des neunzehnten Jahrhunderts war Spencer ehrlich genug, die bestürzenden Gegenbeweise des Imperialismus anzuerkennen; aber der irreführende Versuch, das Ausmaß der bestehenden Übel zu erklären, ohne auf die Entwicklung der modernen Technologie Bezug zu nehmen, läßt einen wichtigen historischen Faktor außer acht.
Wie wir gesehen haben, hat die moderne Technologie den altersschwachen institutionellen Komplex, den man mindestens bis ins Pyramidenzeitalter zurückverfolgen kann, nicht verdrängt, sondern ihn wiederhergestellt, vervollkommnet und auf die ganze Welt ausgedehnt. Die potentiellen Vorzüge dieses Systems, würde es menschlicher geführt, sind immer noch ungeheuer. Aber die ihm innewohnenden Fehler, die Folgen seiner völligen Abkehr von ökologischen Beschränkungen und menschlichen Normen, heben seine Vorteile auf und bedrohen sogar schon alles Leben auf der Erde.
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Denn wer kann bezweifeln, daß die Zerstörungen und Massaker, die Umweltverwüstung und die Entwürdigung des Menschen, die in den letzten fünfzig Jahren überhand genommen haben, in direkter Proportion zu der Dynamik, der Macht, der Geschwindigkeit und der Sofortkontrolle stehen, die die Megatechnik hervorgebracht hat?
Heute sind also selbst die positivsten Errungenschaften der Technik eng mit gleichzeitigen negativen Erscheinungen verbunden. Im Landesmaßstab übertrifft die Summe der materiellen Zerstörung und der Menschenvernichtung in den letzten fünfzig Jahren an empfindungsloser Brutalität und sinnloser Destruktion bei weitem die schlimmsten Übeltaten der Assyrer, der Mongolen und der Azteken. Und dieser Wahnsinn beschränkt sich nicht auf den Krieg. Der charakteristischste Erfolg der modernen Massenproduktion, das Automobil, hat seit 1900, wie die Statistik beweist, weitaus mehr Menschen hingemetzelt, als in allen je von den Vereinigten Staaten geführten Kriegen getötet wurden; die Gesamtzahl der Verletzten oder für immer Verkrüppelten ist noch viel größer.
Die gefühllose Gleichgültigkeit der öffentlichen Meinung gegenüber den Folgen unserer Begeisterung für Kraft und Geschwindigkeit erklärt zum Teil unsere Duldsamkeit gegenüber den massiven Eingriffen der Technik in alle anderen Lebensbereiche. So sind bereits zwei Generationen herangewachsen, für die jede Spielart gedankenloser Gewalttätigkeit zur ständigen Begleiterscheinung des zivilisierten Lebens geworden ist, sanktioniert durch andere, ebenso entartete, aber modische Methoden und Einrichtungen.
Verschwundene Sicherungen
Betrachtet man rückblickend die Periode, in der unser Leben verlaufen ist, dann wundert man sich nicht über die Proteste und Zweifel, die nun laut werden, sondern eher darüber, daß sie nicht schon früher und in entschiedenerer Form gekommen sind. Gewiß hat die Verspätung der Reaktion eine Reihe von Ursachen; die erste war offensichtlich der Fortschritt der Technologie selbst, der, ungeachtet der verzweifelten Nachhutgefechte der alten Handwerker, auch bei den Arbeitern die Hoffnung auf eine bessere Zukunft bestärkte.
Im neunzehnten Jahrhundert stellten viele zeitgerechte Warnungen diese Hoffnung in Frage; da sie jedoch hauptsächlich aus Kreisen stammten, die außerhalb des Systems standen, wurden sie als altmodisch, als hoffnungslos idealistisch oder als absurde Realitätsflucht abgetan.
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Tatsächlich aber konnte das Machtsystem, dessen erster Akt die Verwerfung der traditionellen sozialen und moralischen Werte war, die menschliche Verständigung und Kooperation ermöglicht hatten — so wie es auch die traditionellen Erklärungen für die Naturerscheinungen verworfen hat —, nur weiterexistieren, solange ein aktiver Restbestand dieser Werte erhalten blieb, unterstützt durch jene Formen von Kunst und Ritual, die eine liebenswertere, lebensfördernde Welt geschaffen hatten. War die Macht erst einmal dieser historischen Hülle beraubt, so blieben vom Menschen nur zwei Komponenten übrig, die nicht mehr wahrhaft menschlich zu nennen sind: der Automat und das Es, jener ein Produkt wissenschaftlicher und technischer Abstraktion, dieses eine Äußerung roher organischer Vitalität, über deren oft zerstörerische Impulse der Geist noch keine Kontrolle erlangt hat. Dieses Fehlen menschlicher Dimensionen kann leider von jenen, die vom Machtsystem geformt und erzogen wurden, nicht erkannt werden. Daher die gegenwärtige Situation des Menschen, eine Situation, die sich stetig der totalen Demoralisierung nähert.
Es gab noch andere Umstände, die mehr als ein Jahrhundert lang die inneren Kräfte der Barbarei, die das System selbst erzeugte, mehr oder minder in Schranken hielten. Einer davon ist die Tatsache, daß bis zum Beginn unseres Jahrhunderts etwa vier Fünftel der Weltbevölkerung noch in relativ isolierten Dörfern und Bauerngehöften lebten und von der neuen Technologie kaum berührt wurden.
Bevor diese ländliche und kommunale Basis durch Mechanisierung und Urbanisierung zerstört wurde, blieb sie, obgleich ausgebeutet, außerhalb des Machtsystems. Was noch wichtiger ist, ihre archaische moralische Kultur hielt den Rest der Gesellschaft zusammen: Denn während sie einerseits viele verblaßte irrationale Sitten beibehielt, standen anderseits die Grundelemente des Lebens im Mittelpunkt: Geburt und Tod, Sexualität und Liebe, Opfer und Transzendenz, menschlicher Stolz und kosmische Demut. Selbst die primitivsten Stämme, nicht minder als die großen Völker, bewahrten sich ein Gefühl ihrer Bedeutung und ihres Wertes als bewußte Geschöpfe und Teil eines sozialen Systems, dessen Sinn nicht allein auf ihren Werkzeugen oder ihrer körperlichen Befriedigung beruhte. Dieses kulturelle Reservoir enthielt gerade infolge seiner Rückständigkeit einige grundlegende organischen Komponenten, die von der Megatechnik, der es nur um die Beseitigung aller Beschränkungen von Produktivität und Macht geht, vernachlässigt oder verachtungsvoll ausgemerzt wurden.
Eine Zeitlang erfüllte die Romantik, als Idee und als Bewegung, eine ausgleichende Funktion, indem sie Natur- und Lebensauffassungen, die im mechanistischen und utilitaristischen Weltbild keinen Platz hatten, aufgriff und in gewissem Maße rehabilitierte. Diese Bewegung war in jedem Sinne lebenswichtig und leistete auch wertvolle Beiträge zur Wissenschaft; denn die von Rousseau formulierten Ideen regten Humboldt, Goethe und eine ganze Generation von Naturforschern des neunzehnten Jahrhunderts an, mit Darwin und Wallace an der Spitze.
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Aber auf die Dauer war die Romantik unwirksam, weil sie sich nicht mit dem Machtkomplex verbinden konnte, ohne ihren Grundsätzen und Idealen untreu zu werden. Im Gegensatz zur Situation in Defoes Robinson Crusoe ging das von den Romantikern verlassene Schiff nicht unter, sondern wurde immer seetüchtiger und steuerte weiter entfernte Häfen an.
Aber ein noch wichtigerer Faktor, der das Machtsystem vor inneren Angriffen schützte, war der Fortbestand vieler historischer Institutionen, deren Sitten, Bräuche und Ideen ein wichtiges Wertsystem darstellten. An solchen wichtigen sozialen Verhaltensmustern fehlte es der tragenden Ideologie des siebzehnten Jahrhunderts und noch viel mehr ihren späteren technokratischen und pragmatischen Äquivalenten. Aber wer weiß, inwieweit die Hochschätzung christlicher Demut, christlicher Jenseitigkeit und christlicher Hoffnung, zusammen mit der frommen moralischen Buchführung der protestantischen Sekten, den schlimmsten Demütigungen entgegenwirkte, die den Töpfereiarbeitern von Stoke, den Textilarbeitern von Manchester und Lowell oder den Kohlenhäuern von Wales und Pennsylvania zugefügt wurden und deren unerschütterliche Geduld bestärkte? Viele fromme Seelen fanden in den überlieferten Formen der Religion zumindest noch die Hoffnung auf ein besseres Jenseits als Entschädigung für ihr zutiefst elendes und sinnloses Leben.
Mit dem Verschwinden dieses traditionellen Erbes verlor die Megatechnik ein gesellschaftliches Hilfsmittel, das für ihre volle Arbeitsfähigkeit äußerst wichtig war: Selbstachtung, Respektierung eines allgemeinen Moralgesetzes, die Bereitschaft, einer erstrebenswerten Zukunft unmittelbare Vorteile zu opfern. Solange diese grundlegende Moral mit ihren Tabus, Hemmungen, Schranken und Entsagungen in der Gemeinschaft lebendig war, besaß der Machtkomplex eine Stabilität und Kontinuität, die er heute nicht mehr hat. Das bedeutet, wie wir nun allmählich erkennen, daß die herrschende Minderheit, beispielsweise in Sowjetrußland und in China, um die Macht zu behalten, auf das brutale Zwangssystem zurückgreifen muß, das ihre Vorgänger im vierten vorchristlichen Jahrhundert hatten. Oder sie muß, um den Gehorsam zu sichern und Gegenaggression zu unterdrücken, wissenschaftlichere Methoden anwenden — so hat unlängst ein Wissenschaftler vorgeschlagen, dem Leitungswasser Beruhigungsmittel beizumengen. Heute, da die Religion nicht mehr das Opium des Volkes ist, wird das Opium (Marihuana, Haschisch, Heroin und LSD) immer mehr zur Religion des Volkes.
Heute fehlen die beiden Faktoren, die das Machtsystem vor innerer Rebellion und äußeren Störungen schützten: Flucht durch Auswanderung ist nicht mehr möglich, und die psychologischen Herrschaftsformen, die auf allgemein anerkannten Werten, feststehenden Ritualen und transzendenten Hoffnungen beruhten, sind zusammengebrochen.
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Unter diesen Bedingungen kann auch das höchstmechanisierte System auf die Dauer nicht funktionieren; denn es hat keine eigenen Werte außer seinem einzigen Daseinszweck: der Unterstützung des Machtkomplexes. Daher ist der einzig wirksame Weg, die echten Errungenschaften dieser Technologie zu erhalten, die Veränderung der ideologischen Basis des gesamten Systems. Dies ist ein menschliches, kein technisches Problem, und es gibt dafür nur eine menschliche Lösung.
Viele alte Rituale und Dogmen haben heute zweifellos ihre Bedeutung verloren. Aber welche Bedeutung kann man dem gegenwärtigen Trott des Büros, der Fabrik, des Laboratoriums, der Schule und der Universität zuschreiben, die doch weitgehend auf den sterilen, lebenshemmenden Postulaten des Machtsystems beruhen? Welcher Unterschied besteht zwischen einem Arbeitstag, der auf die Programmierung und Überwachung von Computern verwendet, und einem, der auf Wache oder am Fließband verbracht wird? Welche Überfülle materieller Güter könnte für ein Leben entschädigen, das menschlich so unergibig, ja entwürdigend ist, wie es die Knopfdruck-Aufgaben sind, auf welche die menschliche Arbeit sich zum Großteil beschränkt? Und wenn Macht und extravagante Vergnügungen, nicht Lebensfülle, für die höchsten Güter gehalten werden, warum sollten jene, die die Megamaschine zu umgehen suchen, diese nicht auf direkterem Weg erlangen?
Das revolutionäre Strandgut
Obwohl vom vierten vorchristlichen Jahrtausend an — und möglicherweise schon früher — Revolutionen gegen die bewaffnete Minderheit, welche die Zitadelle der Macht besetzt hielt, kaum Chancen hatten, scheint die Angst vor einer Revolution die herrschenden Klassen stets verfolgt zu haben. Und dies nicht ohne Grund; besitzen wir doch dokumentarische Beweise aus dem alten Ägypten, daß eine solche Revolte tatsächlich stattgefunden hat und dem Pyramidenzeitalter ein unrühmliches Ende bereitete.
Im achtzehnten Jahrhundert gipfelte die demokratische Volksbewegung, mit ihrer Forderung nach Abschaffung der Privilegien und nach Chancengleichheit, in der Französischen Revolution; und nach den Revolutionen von 1848 verstärkte sich die Furcht vor einem Angriff auf den Machtkomplex angesichts der aufstrebenden sozialistischen Bewegung, die die bestehende ökonomische Struktur umzustürzen drohte. Selbst in seiner liberalsten Periode stützte sich der Kapitalismus in hohem Maße auf die Polizei und das Militär, um allenfalls Revolutionen niederzuschlagen und die Führer solcher Protestbewegungen gefangenzusetzen, ins Exil zu schicken oder zu erschießen.
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Nun war der Sozialismus, wie eine Reihe einflußreicher Denker, von Saint-Simon und Enfantin bis zu Marx und Engels und deren Nachfolgern, ihn formulierten, eine geschickte Mischung aus utopischen Träumen, realistischen Zugeständnissen und hoffnungsvollen technologischen Projekten. Da die Bewegung eine völlige Umwandlung des Machtsystems anstrebte, nachdem die Arbeiterklasse den militärischen und bürokratischen Apparat des Staates einmal übernommen haben würde, intensivierte sie die Gegenbestrebungen der herrschenden Klassen, durch imperialistische Eroberungen und allgemeine Dienstpflicht die Megamaschine wiederaufzubauen.
In einem berühmt gewordenen Fall wurde ein Generalstreik der Eisenbahner in Frankreich abgewendet, indem die Männer im militärfähigen Alter zu den Fahnen gerufen wurden. Als die Gefahr einer gewaltsamen Revolution sich weiter verstärkte, wurde sie durch die Entwicklung der Taktik einer vorbeugenden Konterrevolution mit Hilfe eines Krieges auf gewogen.
Aber es gab für das Machtsystem eine noch weit wirksamere Sicherung, die nur ein so humaner Anarcho-Kommunist wie Peter Kropotkin erkannte: nämlich, daß die revolutionäre Arbeiterbewegung die ideologischen Prämissen des Machtkomplexes naiv übernommen hatte. Im Sinn der Marxschen Auffassung, wonach der mechanische Fortschritt unvermeidbar und faktisch automatisch sei, wollte der Sozialismus nur die Macht von einer herrschenden Klasse auf eine andere übertragen; der allgemeine Mechanismus blieb der gleiche. Seine am ehesten realisierbare Utopie war der revolutionäre Prozeß selbst; und wie man heute in Staaten wie Sowjetrußland sieht, ist es schwierig, die aus der Revolution hervorgegangene neue Ordnung von jener zu unterscheiden, die in anderen Ländern durch Gesetzgebung und freiwillige Vereinbarungen entstanden ist, denn überall wurden die einst revolutionären Forderungen des Kommunistischen Manifests von 1848 allmählich in der täglichen Praxis verwirklicht und vielfach sogar übertroffen.
So erwiesen sich die Befürchtungen des früheren kapitalistischen Establishments als unbegründet: Fürsorge, Pensionen, Versicherung gegen Krankheit, Unfall und Arbeitslosigkeit, höhere Einkommen und ein größerer Anteil an der Massenproduktion — alle diese einst revolutionären Forderungen haben in Wirklichkeit das Machtsystem gefestigt, nicht gestürzt. Mehr noch, diese Verbesserungen haben, in den Vereinigten Staaten nicht weniger als in Sowjetrußland und in China, sogar dazu beigetragen, die gesamte Bevölkerung an die offiziellen Institutionen der Macht zu binden.
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Nirgends aber, nicht einmal im frühesten Stadium der russischen Revolution, erfüllte sich der romantische Traum einer totalen Revolution, einer spontanen Transformation, aus der über Nacht der neue Mensch, die neue Frau, die neue Erziehung, die neue Gemeinschaft und die neue Welt hervorgehen würden: ein strahlender Flug befreiter kommunistischer Schmetterlinge, der häßlichen Larve des Kapitalismus entschlüpft.
Um die vielen regressiven Erscheinungen, denen wir heute begegnen, zu erklären, müssen wir sowohl an die ironische Erfüllung als auch an das elende Scheitern der maßlosen utopischen Hoffnungen des neunzehnten Jahrhunderts erinnern. Diese böse kollektive Enttäuschung fand schon sehr früh symbolischen Ausdruck in der Wandlung des utopischen Träumers Barthelemy Enfantin — der eine neue sozialistische Religion zusammengebraut hatte, mit eigenen Ritualen, Kostümen, Anredeformen, in Erwartung eines weiblichen Messias, als göttliche Krönung der neuen Ordnung — zum erfolgreichen Ingenieur, der ganz im Eisenbahnbau aufging. Der einzige weibliche Messias des neunzehnten Jahrhunderts war Mary Baker Eddy, die aber Enfantins Prophezeiungen nicht ganz entsprach.
Was diese Enttäuschung betrifft, war sie eher komisch als tragisch: doch gleichermaßen enttäuscht wurden nicht bloß erklärte Utopisten wie die Owenisten, die Fourrieristen, die Anhänger Hutters und solche verstreute Gruppen und Sekten wie die Mormonen, sondern tragischerweise auch die Massen, die sich zum Sozialismus bekannten: Als der Erste Weltkrieg ausbrach, waren es die Arbeiterführer Frankreichs und Deutschlands, die die militärische Megamaschine ihres Landes am eifrigsten unterstützten.
Die alten Schlagworte und Losungen, sowohl die des mechanischen Fortschritts als auch die der diktatorischen Revolution, werden von der heutigen Jugend - unter und über dreißig - immer noch lautstark wiederholt: Ihr Denken ist von der Vergangenheit so abgeschnitten, daß sie aus deren Fehlern, Frustrationen und Niederlagen nicht das geringste gelernt hat. Der Preis, den eine ideologische Minderheit zahlen muß, um ihren Willen rücksichtslos einer großen Bevölkerung aufzuzwingen, ist Massenmord, und das Opfer dieses Massenmords ist schließlich die Revolution selbst.
Der romantische wie der revolutionäre Utopismus kommt in Leben und Werk von William Morris mit einzigartiger Klarheit zum Ausdruck, zumal der innere Konflikt zwischen ihnen nie völlig gelöst wurde. Morris' ererbtes Vermögen, das aus Bergbauinvestitionen stammte, ermöglichte es ihm, einen großen Teil seiner Zeit der Dichtkunst und dem Kunsthandwerk zu widmen, wobei er auf eigene Faust den Handdruck, die Glasmalerei, die Teppichknüpferei, die Tapetenmalerei und die Typographie erneuerte. Die Lehren aus diesem Beispiel müssen noch nüchtern beurteilt und auf die heutige Gesellschaft angewandt werden — eine Gesellschaft, die durch den Mangel an attraktiver manueller Tätigkeit und ihren wachsenden Widerstand gegen jegliche Art aktiver Arbeit altersschwach geworden ist.
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Morris gab in seiner idyllischen Utopie News from Nowhere ein verklärtes Bild seines Lebens; er schrieb sie, nachdem er durch seinen Abscheu gegen Häßlichkeit, Armut und Ungerechtigkeit zum revolutionären marxistischen Sozialismus bekehrt worden war. Morris wußte zwar die Maschine als Erlöserin von physischer Plackerei zu schätzen, hat aber das Machtsystem selbst nie akzeptiert — obwohl er der Meinung war, daß der Übergang zu einer neuen Gesellschaft nicht ohne Gewalt zu erreichen wäre.
Aber welches Bild erwies sich als realistischer — die revolutionäre Umwandlung oder das süße Hirtenidyll? Morris wußte sehr wohl, daß das England der Zukunft, das er in News from Nowhere beschrieb, ein Produkt seiner Phantasie, eine Verklärung seiner Erfahrungen als Hausherr von Kelmscott war. Aber war sein Traum wirklich naiver als Lenins Glaube am Vorabend der russischen Revolution, daß das Geld abgeschafft werden, der Staat, wie Marx vorhergesagt hatte, absterben und der dialektische Prozeß somit zu einem Ende kommen würde? Weder Marx noch Lenin scheinen vorausgeahnt zu haben, daß nach dem Sieg der Revolution die alte Machthierarchie in Gestalt einer neuen privilegierten Minderheit wiedererstehen und die Megamaschine in der bereits beschriebenen streng klassischen Form restauriert werden würde. Sinngemäß sagte der offizielle bürokratische Kommunismus: Habt keine Angst vor der Revolution! Am Machtkomplex wird sich nichts Wesentliches ändern.
Verglichen mit dieser katastrophalen Fehlentwicklung hatte William Morris' Traum von einer Wiedergeburt einen nüchternen Vorzug: Er ging von den bestehenden Eigenschaften des Menschen aus. Die Form seiner Utopie war archaisch, und das Leben, das sie malte, allzu frei von Spannungen, Frustrationen, Einschränkungen und Konflikten, um menschliche Kreativität zu fördern. In dieser Idylle ignorierte Morris die Lehren aus seinem eigenen tragischen Leben. Dennoch war seine Nachricht von Nirgendwo eine gute Nachricht, denn sie wies auf eine Rückkehr zum menschlichen Zentrum hin: auf die Liquidierung des Machtkomplexes und der institutionellen Fixierungen, die seit dem Pyramidenzeitalter die menschliche Entwicklung behindert und fehlgeleitet haben.
Morris gab in diesem Bild nicht nur seiner Enttäuschung über das Industriesystem seiner Zeit Ausdruck, sondern auch seiner Enttäuschung über die revolutionäre Ideologie, die jenes ändern wollte. Diese Enttäuschung hat nun einen Großteil der Bevölkerung in den westlichen Ländern erfaßt; und sie erklärt zum Teil die innere Zersetzung, die unter der jüngeren Generation festzustellen ist. Wenn diese Zersetzung nicht nachläßt, wird sie schließlich alle, bestehenden Machtsysteme unterminieren, seien sie reaktionär, progressiv oder revolutionär.
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Nihilistische Reaktionen
Ohne die Ideen und Ereignisse, die ich allzu kurz gestreift habe, im Auge zu behalten, kann man die äußeren Störungen und den inneren Zerfall, die heute überall sichtbar werden, kaum verstehen. Nur vor diesem Hintergrund können die Enttäuschung, der Zynismus und der existentielle Nihilismus, die heute zutage treten, richtig bewertet werden. Die drohende Ausrottung des Menschen durch seine bevorzugten technologischen und institutionellen Automatismen hat ihrerseits zu einem ebenso verheerenden Gegenangriff geführt — zu einem Angriff gegen die Zivilisation an sich und sogar gegen die elementare Ordnung, die für die organische Kontinuität unentbehrlich ist. Wie bei der Auflösung des hellenistischen Machtkomplexes vom vierten vorchristlichen Jahrhundert an wird der Zufall zur Gottheit und das Chaos zum Himmel.
Doch die Folgen, die wir heute sehen, wurden von wachen Geistern des neunzehnten Jahrhunderts vorausgeahnt. »Ich muß lächeln«, schrieb John Ruskin, »wenn ich das optimistische Frohlocken vieler Leute über die neuen Leistungen der weltlichen Wissenschaft und die Kraft weltlicher Bestrebungen höre; als stünden wir wieder einmal am Beginn einer neuen Zeit. Es dämmert nicht nur am Horizont, es wetterleuchtet auch.« Delacroix erblickte in den neuen Landwirtschaftsgeräten, die in Paris ausgestellt waren, die schrecklichen Maschinen künftiger Kriege, als welche sich der Traktor, in der Form des Panzers, auch wirklich herausstellte; Tennyson sagte »Luftflotten« voraus, die den Tod vom Himmel herabregnen lassen würden. Die sensiblen Intuitionen der Dichter und der Maler erfaßten die kommenden Realitäten weitaus schärfer als die vermeintlich scharfsinnigen pragmatischen Spekulationen der Techniker, Wissenschaftler, Militärs und Staatsmänner. Wäre das subjektive Leben in den Kirchen, Schulen und Universitäten der westlichen Welt nicht so verdörrt und verknöchert, dann hätte die kollektive Reaktion auf dieses einseitige technologische Schema viel eher eintreten und einen rationaleren Verlauf nehmen können.
Was in den letzten fünfzig Jahren so schnell eingetreten ist, wurde von Dostojewski schon viel früher in den Dämonen, in Schuld und Sühne und in seinen erschreckend prophetischen Aufzeichnungen aus einem Kellerloch vorausgesehen. In der letztgenannten Erzählung prophezeite er durch den Mund einer seiner Gestalten, eines an Hitler gemahnenden larmoyanten Schwätzers, daß die gesamte Organisation der modernen Gesellschaft mit ihren Gesetzen, ihren Anstandsregeln und ihrem technologischen Fortschritt eines schönen Tages »in die Brüche gehen« werde, so daß das Leben wieder »nach unseren eigenen dummen Launen« gelebt werden würde — in der gleichen trotzig-verantwortungslosen Weise, wie die sich mehrenden Gruppen von Beatniks und Hippies in jüngster Zeit zu leben versuchen.
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In dieser Apotheose der Zerstörung geht Dostojewski selbst über den Nihilismus der Nihilisten hinaus, die Turgenjew in Väter und Söhne porträtiert hat. Vor mehr als einem Jahrhundert hat Turgenjew in diesem Roman die Generationskluft seiner Zeit aufgezeigt: eine fast exakte Parallele zu der unseren. Als philosophischer Nihilist will sein Antiheld Basarow mit den traditionellen Werten der Gesellschaft nichts zu tun haben. Er lehnt nicht bloß die Institutionen von Staat und Kirche ab, sondern weist auch den heuchlerischen Liberalismus der Generation seines Vaters zurück, mit deren zwiespältigem, aber ängstlichem Bestreben, das Leben der Mitmenschen zu verbessern, ohne an deren selbstgefälligem Trott etwas Wesentliches zu ändern. Diese nihilistische Ablehnung ist so heftig, daß Basarow mit gleicher Verachtung den Dichter und den Maler aus seiner Idealgesellschaft ausschließt. Er sei bereit, sagt er, sie alle gegen ein paar gute Chemiker einzutauschen.
Aber man beachte: Trotz Basarows Bereitschaft, die gesamte Sozialstruktur zu zerstören und von neuem zu beginnen, glaubt er doch unvermindert an das Absolutum des orthodoxen Rationalismus: Wissenschaft und Technik. Er merkt nicht, daß sein eigener wissenschaftlicher Rationalismus ebenso fragwürdig ist und der Kritik ebensowenig standhalten kann wie die verstaubteren Dogmen, die er ablehnt. Er übersieht, daß hei einer Zerstörung des angesammelten Erbes menschlicher Werte und Ziele auch die Werte der wissenschaftlichen Ordnung sich auflösen oder, schlimmer noch, zu willigen Werkzeugen schrecklicher Verirrungen werden könnten, die bis dahin zum Teil unter moralischer Kontrolle waren. Und Dostojewskis Raskolnikow, der eine alte Frau ermordet, um ein neues Gefühl zu erfahren, nimmt die Jugend- und Erwachsenenkriminalität unserer Zeit vorweg.
Diese Kriminalität ist nun durch den bewußten Kult des Anti-Lebens gefestigt und verstärkt worden. Die Helden dieses Kults, von Marquis de Sade bis Celine und Jean Genet, haben Sadismus, Perversion, Pornographie, Wahnsinn und Selbstzerstörung zum höchsten Ausdruck von Leben und Kunst erhoben. Auf ihrer negativen Wertskala gibt es keine moralische Grenze für die Kräfte des Anti-Lebens. So leistet dieser Kult in der praktischen Auswirkung den infamen Militärplänen, die auf totale Ausrottung berechnet sind, Schützenhilfe.
Der höchste Triumph des Anti-Lebens-Kults hat bereits stattgefunden, personifiziert durch zwei Ungeheuer in Menschengestalt, die nicht nur auf ein untermenschliches, sondern sogar auf ein untertierisches Niveau hinabsanken. Adam und Eva jenes Kults sind das männliche und das weibliche Wesen in England, die zwei kleine Kinder nicht nur zu Tode marterten, sondern mit bewundernswerter technokratischer Voraussicht Tonbandaufnahmen von deren herzzerreißenden Bitten und Schreien machten, um sich später daran zu ergötzen.
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Nur der letzte Akt dieses teuflischen Rituals wurde einem künftigen Apostel jenes Kults überlassen: die sofortige Tiefkühlung der Überreste der Opfer für späteren Genuß bei privaten kannibalischen Gelagen. Es gibt kein Prinzip im Anti-Lebens-Kult, das eine solche höchste Lust verbieten würde. In Hunderten Avantgardetheatern auf der ganzen Welt wurde das Szenario für dieses häßliche Ritual bereits geschrieben — und zum Teil auch schon aufgeführt.
Was Basarows vergleichsweise humane Nihilisten begannen, versuchen die wilden Nihilisten unserer Tage zu vollenden: einen blindwütigen Angriff gegen das Leben selbst und gegen all jene organisierten alten und neuen Geistesschöpfungen, die die kreativen Fähigkeiten des Menschen erhalten und entfalten, fördern und steigern.
Obwohl diese regressiven Reaktionen mit zunehmender Häufigkeit und in vielen verschiedenen Formen auf der ganzen Welt vorkommen, scheinen sie bis jetzt den arglosen Propheten der Megatechnik nichts zu sagen, geschweige denn sie zu beunruhigen. Diese negativen Reaktionen — desgleichen die positiven, die ich später beschreiben werde - bringen ihnen auch nicht die Notwendigkeit zu Bewußtsein, zumindest theoretisch mit der Möglichkeit einer Umkehr des Trends zur totalen Herrschaft der Technik zu rechnen, in der die Wortführer des Machtsystems das Endziel der menschlichen Gesellschaft erblicken. Während die herrschende Minderheit in der abstrakten mathematisch-technischen Sphäre oft eine wunderbar freie Phantasie entfaltet, ist ihr Denken in konkreten, organischen und menschlichen Dingen unglaublich borniert.
Bis jetzt kann die technokratische Elite sich nicht vorstellen, daß ihr eigenes System kein endgültiges ist oder daß heute ein Angriff von hinten (durch die sogenannte Avantgarde) auf die gesamte menschliche Tradition stattfindet. Obwohl sie wissen, daß Veränderung ein Seinsgesetz ist, glauben sie seltsamerweise, das Machtsystem sei davon ausgenommen.
Regressionssymptome
Seit Emile Durkheim die Diskussion über die Anämie eröffnete, erkennt man in wachsendem Maß Entfremdung und Selbstzerstörung als ein Problem des modernen Menschen. Wie bei ähnlichen Erscheinungen in anderen Kulturen — die hellenistische und die römische Gesellschaft haben nicht wenig schriftliche Zeugnisse dafür hinterlassen — haben wir es mit einer Massengesellschaft zu tun, deren typische Interessen, Zielsetzungen und Produkte nicht einmal ihren wohlhabendsten Nutznießern und natürlich noch viel weniger jenen, die ausgebeutet oder sogar vernachlässigt werden, ein ausreichend sinnvolles Leben ermöglichen.
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Außerdem ist der gesamte Lebensapparat so komplex geworden, und die Prozesse von Produktion, Distribution und Konsumtion sind dermaßen spezialisiert und unterteilt, daß der Einzelmensch das Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten verliert: Er ist zunehmend Befehlen unterworfen, die er nicht versteht, Kräften ausgeliefert, auf die er keinen Einfluß hat, und bewegt sich auf ein Ziel zu, das er nicht gewählt hat. Anders als der von Tabus umgebene Wilde, der oft kindisch an die Fähigkeit seines Schamanen oder Magiers glaubt, gewaltige Naturkräfte, auch feindliche, zu beherrschen, fühlt sich der maschinenhörige Mensch von heute verloren und hilflos, wenn er Tag für Tag seine Kontrollkarte stempelt, seinen Platz am Fließband einnimmt und schließlich seinen Lohn erhält, um den er keine echten Güter des Lebens erstehen kann.
Dieses Fehlen eines unmittelbaren persönlichen Interesses an der Tagesroutine führt zu einem allgemeinen Verlust des Kontaktes mit der Realität; anstelle einer ständigen Wechselwirkung zwischen Innen- und Außenwelt, mit fortwährender Rückkopplung und Korrektur und Anreizen m neuer Kreativität, übt nur die Außenwelt — und hauptsächlich die kollektiv organisierte Außenwelt des Machtsystems - Autorität aus; sogar Träume müssen über Fernsehen, Film und Schallplatte kanalisiert werden, um akzeptabel zu sein.
Mit diesem Gefühl der Entfremdung geht das typische psychologische Problem unserer Zeit einher, das Erik Erikson in klassischer Weise als Identitätskrise charakterisiert hat. In einer Welt flüchtiger Erziehung, flüchtiger menschlicher Kontakte, flüchtiger Arbeitsplätze und Wohnsitze und flüchtiger sexueller und Familienbeziehungen schwinden die Grundbedingungen für Kontinuität und menschliches Gleichgewicht. Das Individuum erwacht plötzlich, wie Tolstoi in seiner berühmten Lebenskrise in Arsamas erwachte, in einem fremden, finsteren Raum, fern von zu Hause, bedroht von dunklen, feindlichen Kräften, unfähig zu erkennen, wo oder wer er ist, erschreckt von der Aussicht auf einen sinnlosen Tod am Ende eines sinnlosen Lebens.
In primitiven Kulturen, ehe individuelles Denken und individuelle Identität sich entwickelt hatten, war es die persona des Stammes, welche die Identität ihre Mitglieder herstellte und aufrechterhielt. Etwas von dieser frühen Form der Identifizierung existiert glücklicherweise immer noch in Familien und Berufsgruppen, Wohnvierteln, Städten und Nationen, obwohl eine homogenisierte Massenkultur, verbunden mit der fortgesetzten Ausbreitung von Megalopolis — die selbst ein formloses, unbestimmbares urbanoides Nichts ist — sogar diese letzten Stützen des menschlichen Ichs bedroht.
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Die Wandlungen, die in allen großen Kollektivorganisationen infolge der unbarmherzigen Dynamik der Megatechnik vor sich gehen, erzeugen auch noch andere Identitätskrisen. Obwohl ich in New York geboren und aufgewachsen und mit meiner Heimatstadt wohlvertraut bin, haben Aussehen und Einwohnerschaft sich in den letzten zwanzig Jahren dermaßen verändert, daß ich die Stadt nicht mehr als die meine wiedererkennen noch meine Identität als New Yorker empfinden kann. Tolstoi fühlte, daß der fremde dunkle Raum, in dem er, fern von zu Hause, erwachte, ein Sarg war. Wie im Mutterschoßtraum der Kindheit fühlte er sich in einem beklemmenden Nichts treiben. Man könnte für den Zustand des modernen Menschen kein besseres Bild finden. Dieser kollektive Sarg ist heute die Hülle unserer gesamten Zivilisation: in den unterirdischen Bunkern und militärischen Kontrollzentren ist er nicht nur materialisiert, sondern auch treffend symbolisiert: das technokratische Grab der Gräber.
Indem der moderne Mensch sich dem Machtsystem mit seiner Automation der Automation auf Gnade und Ungnade ergab, verzichtete er auf einige der inneren Kraftquellen, die er braucht, um am Leben zu bleiben: vor allem auf das animalische Vertrauen in seine Fähigkeit, zu überleben und seine Art biologisch, historisch und kulturell zu reproduzieren. Mit der Absage an die Vergangenheit untergrub er seinen Glauben an die Zukunft; denn nur durch deren Konvergenz in seinem Gegenwartsbewußtsein vermag er in der Veränderung die Kontinuität zu wahren und die Veränderung in sich aufzunehmen, ohne die Kontinuität zu verlieren. Dies und nichts anderes ist der Lauf des Lebens.
Der Psychiater Viktor Frankl, der die vorletzte Stufe des Grauens in einem Nazi-Konzentrationslager überlebte, stellt in seiner Erklärung des existentiellen Vakuums unserer Zeit fest, daß der Mensch, wenn kein Instinkt ihm sagt, was er tun muß, »und keine Tradition ihm sagt, was er tun sollte, bald nicht mehr wissen wird, was er tun will«. Leerer Überfluß, leere Müßigkeit, leere Erregung und leere Sexualität sind nicht gelegentliche Fehler oder Pannen unserer maschinenorientierten Gesellschaft, sondern ihre vielgerühmten Endprodukte. Welchen vernünftigen Grund gibt es, am Leben zu bleiben, wenn das Leben auf diesen Zustand hilfloser Trägheit reduziert ist? An einem solchen kritischen Punkt kann Selbstmord als letzte verzweifelte Äußerung von Autonomie entschuldigt, wenn nicht empfohlen werden.
Wir haben es also mit einer überorganisierten, übermechanisierten, überreglementierten und überbestimmten Kultur zu tun. Im Verlauf der öden ökonomischen und sozialen Spiele, die diesem automatischen Prozeß dienen, werden Menschen zu Dingen und Spielmarken, die ebenso behandelt werden wie ein beliebiges Stück roher Materie.
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Und während das System sich der Vollkommenheit nähert, werden die restlichen menschlichen Komponenten vollends vom Mechanismus absorbiert; so bleibt nur Nichtleben zurück, das sich mit seinen letzten Kräften bald in eine bösartige Negation des Lebens verwandelt. Jedermann kennt die konkreten Erscheinungsformen dieses Prozesses: denn der Kult des Anti-Lebens — der Anti-Ordnung, der Anti-Vernunft, der Anti-Form — beherrscht heute die Kunst.
Wenn es nicht zu einer Reaktion kommt, die stark genug ist, um unsere l Herrschende Ideologie mit ihren institutionellen Strukturen und Idealfiguren umzugestalten, dann wird eine bloße Verweigerung, selbst in dem Ausmaß, wie das Christentum sie im vierten Jahrhundert übte, auch nicht genügen. Wie in Herman Melvilles Bartleby kann eine passive Verweigerung letztlich nur zum Tod führen. Aber jene, die diesen Weg gewählt haben, können mit Bartleby wahrheitsgemäß sagen: »Ich weiß, wo ich bin.« Kartleby erkannte, daß eine lebenslängliche Tätigkeit als Kopist in einer Kanzlei nicht wirklich Leben genannt werden kann. Die rebellischen Arbeitsunwilligen von heute, die langweilige Jobs, verbürokratisierte Akademikerposten und entwürdigenden Militärdienst ablehnen, stehen auf der Seite des Lebens. Mit ihrem letzten verzweifelten Versuch, ihre Identität und ein natürliches Leben wiederzugewinnen, und sei es auch nur, indem sie trotzig ihre Haare lang tragen oder modische Dinge und die den Anpassungswilligen gebotenen finanziellen Vorteile ablehnen, zeigen sie, daß sie lebendiger sind als jene, die nur versuchen, »das Beste für sich herauszuholen«.
Leider wird diese negative Reaktion auf die Megamaschine zum Teil gerade von jenen Kräften bestimmt, gegen die sie gerichtet ist, im Sinn des Aphorismus: »Der Mensch wird zum Ebenbild dessen, was er haßt.« ratsächlich droht diese Negation bereits zu einem negativen Machtsystem /u werden, das ebenso willkürlich und absolut ist. So weisen die zunehmend gewalttätigen Reaktionen unserer Zeit häufig die gleichen Symptome pathologischer Aggressivität und krampfhafter Dynamik auf, die für die Siege der Megatechnik bezeichnend sind. Was als Gegenbewegung zum Machtkomplex begonnen hat, ist zur bewußten Zerstörung und Demolie-i ung nicht nur der Machtstruktur, sondern aller organisierten Strukturen, ,iller objektiven Kriterien und aller rationalen Urteile geworden. Kurz, ein Kult des Anti-Lebens. Aber es ist vielleicht mehr als bloßer Zufall, daß dieser Kult des Anti-Lebens, sei es auch nur als überraschendes Exempel /ur Jungschen Hypothese vom synchronen Verlauf, zur gleichen Zeit entstanden ist wie das Konzept der Physiker von der Anti-Materie: die Theorie von einer Kraft, die Materie bei Berührung vernichtet.
Eine auch nur summarische Darstellung dieser Massenreaktionen, -interaktionen und -transaktionen, die sich heute über große Teile der Welt ausbreiten, zu liefern, übersteigt wahrscheinlich die Kräfte eines einzelnen Denkers.
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Glücklicherweise haben jedoch alle Aspekte des Anti-Lebens-Kults bereits in der modernen Kunst symbolischen Ausdruck gefunden. Wenn wir uns auf diese Symbole beschränken und versuchen, statt einer ästhetischen Bewertung eine Einschätzung ihrer Bedeutung zu geben, die sich in vielen Fällen radikal von der Auffassung des Künstlers selbst unterscheidet, werden wir zu einem besseren Verständnis der politischen und technischen Irrationalitäten unserer Zeit gelangen - einer Zeit, die in der Form vielfach unerbittlich rational, in Inhalt und Zielsetzung aber, wie die nukleare Massenausrottung beweist, hoffnungslos irrational ist.
Der Kult des Anti-Lebens
Bis in die jüngste Zeit wurden die inneren und äußeren Defekte der megatechnischen Zivilisation erfolgreich von deren großen konstruktiven Errungenschaften verdeckt. Trotz zweier Weltkriege, trotz der praktisch totalen Vernichtung Dutzender Großstädte sind die Spuren der Zerstörung bis jetzt so rasch wieder beseitigt worden, daß sie innerhalb eines halben Menschenlebens verschwunden und fast vergessen waren wie ein böser Traum - auch von Augenzeugen, die schwer darunter gelitten hatten.
Äußerlich scheint diese Fähigkeit, sich so rasch von einer Reihe erschütternder Schläge zu erholen, auf einen Zustand strotzender sozialer Gesundheit hinzuweisen. Aber das baldige Wiederauftauchen solider Strukturen und altgewohnter Routinen, die vorübergehend die Angst zum Verstummen bringen, hat nur zu einem weiteren Zerfall in noch größerem Ausmaß beigetragen, denn es hat die öffentliche Reaktion auf die rasche, unaufhaltsame Expansion des Machtkomplexes verzögert, dessen destruktive Möglichkeiten in direkter Proportion zu seiner technologischen Findigkeit und seiner finanziellen Einträglichkeit wachsen.
Die Stelle, wo ein solcher kollektiver Zersetzungsprozeß zuerst registriert wird, sind die tieferen Schichten der Psyche. Doch jeder Versuch, eine quantitative Schätzung der hier eingetretenen Entartung vorzunehmen, indem man die neuesten Statistiken über Verbrechen, Geisteskrankheiten, Drogensucht, Morde und Selbstmorde hernimmt, kann nur eine partielle und oberflächliche Erklärung dessen ergeben, was tatsächlich vor sich geht, selbst in bezug auf das Ausmaß. Eines steht fest: Der Umfang sowohl der privaten als auch der institutionellen Gewalttätigkeit und Irrationalität ist im letzten halben Jahrhundert ständig gewachsen. Die Tatsache, daß diese Imponderabilien nicht erfaßbar sind, bedeutet nicht, daß sie kein Gewicht haben.
Wer kann die ungeheuren kollektiven Folgen zweier Weltkriege mit ihren Orgien von Haß, Sadismus und blindwütiger Ausrottung beschreiben?
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Wer könnte den Schaden ermessen, den die Atombomben bereits angerichtet haben, nicht nur jene, die in Japan abgeworfen oder zu Versuchszwecken gezündet wurden, sondern auch die noch verheerenderen geistigen Bomben, die zu gesetzlich bewilligten Experimenten mit atomarem, bakteriellem und chemischem Massenmord führten, welche durch Geheimhaltung, systematische Fehlinformation und unverschämte offizielle Falschmeldungen vor kritischen Angriffen geschützt sind?
Die Millionen Insassen von Irrenhäusern und Gefängnissen sind kaum eine Gefahr für die Menschheit, verglichen mit den offiziellen Terroristen, deren kostspielige Pläne zur totalen kollektiven Ausrottung immer noch von den Staatsregierungen verschwenderisch unterstützt und von den Staatsbürgern als Garantie für Stabilität und Frieden angesehen werden. Diese Massenausrottungspläne sind nicht weniger morbid, weil sie unter strikter offizieller Leitung ausgearbeitet werden; sie sind auch nicht minder wahnsinnig, weil sie aus der Traumwelt ausgebrochen sind und von wissenschaftlichen Laboratorien, militärischen Hauptquartieren und Regierungsämtern Besitz ergriffen haben.
Diese pathologischen Gegebenheiten lassen sich nicht quantitativ erfassen, außer in Form grober Schätzungen der vergangenen oder der künftigen Opfer an Kranken, Verstümmelten und Toten. Wenn wir den Zerfall und die Regressionen, die heute die Existenz der Menschheit zu untergraben drohen und unsere echten technologischen Fortschritte ad absurduni führen, untersuchen wollen, müssen wir uns an die qualitativen Beweise halten, die wir in der Welt der Kunst finden; denn entfernte Erschütterungen der Psyche werden zuerst in der bildenden Kunst, in der Literatur und in der Musik wie von einem Seismographen schwach registriert, oft schon ein ganzes Jahrhundert, ehe sie sichtbar und greifbar wurden.
Nach den russischen Nihilisten erschien das erste reale Anzeichen des heutigen Anti-Lebens-Kults bei den italienischen Futuristen, die, angeführt von Marinetti, sich leidenschaftlich - und nicht ohne Grund - gegen die Neigung auflehnten, Italien unter seinen alten Traditionen zu begraben, die seine Bewohner in reine Museumsverwalter und -Wächter zu verwandeln drohten. Diese totale Ablehnung der Vergangenheit war charakteristischerweise, wie bei Turgenjews nihilistischen Helden, mit einer außerordentlichen Begeisterung für die Technik, ihre Macht und ihre Dynamik verbunden, die für Marinetti mit physischer Gewalttätigkeit in jeder Form verknüpft war: mit »Kampf« und »Aggressivität«, mit Krieg, Militarismus, Brandstiftung, mit »dem Schlag auf das Ohr, dem Faustschlag«, als ob er die primitivsten Gewaltäußerungen mit den raffiniertesten kombinieren wollte.
Es ist bezeichnend, daß sein Futuristisches Manifest nicht nur eine Verherrlichung der neuen technischen Möglichkeiten, sondern auch ein Lobgesang auf ungehemmte Gewalttätigkeit in jeder Form war. Marinetti hatte intuitiv bereits den letzten Sinn und Zweck der Megamaschine erfaßt.
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Marinettis Proklamation von 1909 diente als die Vorankündigung der mehr als fünfzigjährigen Periode von Krieg, Faschismus, Barbarei und Ausrottung, die darauf folgte. Zugegeben, diese Bewegung hatte, ebenso wie die Megatechnik, eine positive Seite. Der Futurismus war Teil einer allgemeinen Geistesbewegung zwischen 1890 und 1915, die den Jugendstil und den Kubismus miteinschloß, alles Richtungen, welche die Maschine als einen aktiven Bestandteil der modernen Kultur und als neues Formelement begrüßten.
Eine Zeitlang führten moderne Künstler bewußt, mit einer Art puritanischer Strenge, ein Programm durch, das bereits in den Arbeiten von Ingenieuren wie Rennie, Paxton und Eiffel und in den Schriften von Horatio Greenough und Louis Sullivan Ausdruck gefunden hatte. Diese ästhetische Verwertung der Technik war in der Tat ein Versuch, den menschlichen Resonanzbereich zu erweitern. Wenn der Künstler zu Zeiten auch in Versuchung geriet, die Funktionen der Wissenschaft und der Maschine zu übertreiben oder ausschließlich deren abstrakten Derivaten Wert beizumessen, so bestand die Absicht im allgemeinen doch darin, die Möglichkeiten des Menschen zu steigern.
Diese positive Resonanz auf die Technik darf nicht, das möchte ich betonen, mit Marinettis sentimentaler Verherrlichung von Dynamik und Gewalt verwechselt werden; und noch weniger mit einer ganzen Reihe von Angriffen auf die historische Kultur, selbst in deren wertvollsten und vitalsten Formen, die mit dem Dadaismus begannen und mit der Pop-Art schließlich in einen Abgrund inhaltslosen Stumpfsinns hinabgesunken sind.
Jeder, der in den zwanziger Jahren die neuen Bilder des Dadaismus betrachtete, konnte eine erste Vorahnung von der heutigen Welt gewinnen. Die Bewegung, die bei den Dadaisten als Pseudo-Kunst begann, sollte sich rasch in Anti-Kunst verwandeln und sehr bald zur Grundlage eines allgemeineren Anti-Lebens-Kultes werden. Hätte der Beobachter von den obszönen Klosett-Kritzeleien und Nachttopf-Skulpturen der früheren Dadaisten Notiz genommen, so wäre ihm das charakteristische Merkmal avantgardistischer Infantilität bereits vertraut gewesen. Es entbehrt nicht der Ironie, daß diese Bewegung, die mit einer totalen Ablehnung der Vergangenheit begann, sich damit zufrieden gibt, innerhalb der selbstgezogenen engen Grenzen eines vergangenen Zeitabschnitts, des letzten halben Jahrhunderts, zu leben. So klammert sie sich immer noch in rührender Treue an einst fortschrittliche Experimente, die in Wirklichkeit zu Archaismen und Akademismen geworden sind - schon genauso todgeweiht wie jene mittelmäßigen sentimentalen Bilder, gegen welche die robusteren Künstler des neunzehnten Jahrhundert rebellierten.
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Anfangs schien der Dadaismus mit seinen manchmal einfallsreichen Überraschungen nur eine ausgelassene Verspottung des Establishments zu sein, um die pompösen Plattheiten über Patriotismus, Ehre und Dienen, mit denen die Unfähigkeit der Regierenden und die sinnlosen Menschenopfer im Ersten Weltkrieg verschleiert wurden, zu entlarven: jenem Krieg, der vier Jahre lang wütete, weil keine Regierung Verstand genug besessen hatte, ihn zu verhindern, keine den moralischen Mut, sich aus ihm zurückzuziehen, und keine die Großmut, ihn zu beenden, ehe alle Beteiligten völlig ausgeblutet waren. Wie ein lauter Furz in einem vornehmen Salon lenkte der Dadaismus die Aufmerksamkeit seiner Zeitgenossen auf den traurigen Zustand des Menschen. Noch vor den faschistischen und den kommunistischen Diktaturen, vor der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre, vor dem Zweiten Weltkrieg mit seinem Massenmord aus der Luft, vor den stalinistischen und den nationalsozialistischen Vernichtungslagern wurden diese kommenden Ereignisse in den wüsten Landschaften und den deformierten Porträts der Dadaisten und der Surrealisten vorweggenommen. Von 1930 an wetteiferten die innere Welt der Kunst und die äußere Welt der Technik und der Macht in Wellenstößen wachsender Gewalttätigkeit und zwanghafter Zerstörung. Jeder neue Zuwachs an megatechnischer Ordnung und Reglementierung brachte einen subjektiven Gegensturm von Ablehnung und Rebellion.
Eine auch nur ein wenig ins Detail gehende Beschreibung dieser subjektiven Entstellung und Zerstörung zu geben, würde eine ganze Enzyklopädie erfordern. So werde ich aus der ungeheuren Masse des Belegmaterials nur einige Gegenwartsbeispiele herausgreifen, bloße Musterstücke einer viel gewaltigeren Masse gewollter Irrationalität, wahnwitzigen Dünkels, künstlich gezüchteter Idiotie und sinnloser Zerstörung. Die Reihenfolge, in der die Beweise präsentiert werden, ist ebenso zufällig wie die Ereignisse selbst.
Beweisstück A. Ein Orchesterkonzert in einem Saal, wo gewöhnlich Musik gespielt wird. Die Orchestermitglieder nehmen ihre Plätze ein. Einer von ihnen beginnt, eine Violine in zwei Teile zu zersägen. Andere folgen dem Beispiel mit Äxten. Lauter Lärm, der elektronisch erzeugt wird, begleitet diese Vorführung. Am Ende bleibt nichts zurück. Das Publikum, das diese Beleidigung tolerierte, hat angeblich die neue Musik genossen, während jene, die entrüstet den Saal verließen, mit ihrem berechtigten Ärger oder Abscheu den Erfolg der Anti-Musiker bestätigten.
Beweisstück B. Eine Aufführung der Komposition 4'33", von John Cage. Am Klavier auf dem Podium sitzt eine lebensgroße Puppe. Vier Minuten und dreiundreißig Sekunden lang erklingt kein Ton. Die De-Komposition ist beendet.
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Beweisstück C. Erklärung eines modernen Musikkritikers: »Als der Komponist John Cage 4'33" schrieb, öffnete er eine Tür zur neuen Musik. Dieses Werk ... wurde 1952 uraufgeführt. Die Musik bestand aus dem Husten und dem Knarren, das während der Aufführung vom Publikum ausging. So verlieh Cage unbeabsichtigten Geräuschen den Status absichtlich produzierter Musik und zerriß den letzten Zusammenhang mit den traditionellen Definitionen musikalischer Struktur ... Heute sieht der Komponist das Stück als veraltet an, weil dessen Dauer von vornherein festgelegt ist.«
Beweisstück D. Ein Happening. Eine Gruppe von Frauen baut ein Nest. Eine Gruppe von Männern errichtet einen Turm. Dann zerstört jede Gruppe die Arbeit der anderen. Zum Schluß umringen die Schauspieler ein mit Erdbeermarmelade beschmiertes Auto und lecken es ab. Dieser Vorgang findet an einer amerikanischen Universität statt.
Beweisstück E. Ein Zeitungsausschnitt berichtet von einem neuen Seminar an der Universität von Oregon (einer Lehranstalt): »Die Studenten in Morris Yarowskys Klasse zerstörten vor kurzem alles, was ihnen unter die Hände kam. Das gehörte zu einem Seminar über Zerstörung als künstlerischer Prozeß in einem Kurs über visuelle Semantik . . . Ein Mädchen seifte sich mit roter Seife ein und rasierte sich eine Augenbraue ab, ein Mann steckte einen Goldfisch in einen Mixbecher und streute etwas Tafelsalz darüber. Ein Student stand auf einem Stuhl und warf einen Kuchen auf den Boden, ein Vorschlaghammer wurde gegen einen Fernsehschirm geworfen, und ein Mann setzte einen Sturzhelm auf und sprang auf eine Tonskulptur.«
Beweisstück F. Ein Assistent des New Yorker Stadtrats für Erholung und Kultur leitet ein plastisches Happening. Zwei Totengräber, die nach dem gewerkschaftlichen Tariflohn (50 Dollar pro Tag) bezahlt werden, schaufeln im Central Park ein Grab. Nach einer Mittagspause schaufeln sie die Erde in das Loch zurück. Claes Oldenburg, der sich dieses vertrottelte Spiel ausgedacht hat, ist bekannt für seine Happenmgs und seine Pop-Kunstwerke, darunter zum Beispiel eine riesige Plastikwurst und ein hochaufragender phallischer Lippenstift. Der Bildhauerei-Konsulent der Stadtverwaltung unterstützt Oldenburgs Schwindel mit angemessenem Ernst. »Alles ist Kunst, wenn der Künstler es für Kunst erklärt.«
Wo bleibt das respektlose Gelächter? Wo bleibt die empörte Forderung, die mitwirkenden städtischen Behörden mögen sich für diese Beleidigung der Intelligenz ihrer Bürger und diesen Mißbrauch von Steuergeldern öffentlich entschuldigen? Es folgt nur respektvolles Schweigen. Diese öden Albernheiten sind zum Massenersatz für echte ästhetische Kreativität geworden. Die Anti-Kunst wurde tatsächlich zum neuen Establishment, das den Kunstkritikern zungenfertige Loblieder, den Kunsthistorikern todernste Analysen und gewichtigen Museumsdirektoren gute Ausstellungsräume
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und aufwendige Kataloge entlockt. Die Gründe für diesen Erfolg sollten klar sein. Die Nicht-Kunst wie auch die Anti-Kunst entsprechen genau den Eigenheiten des Machtkomplexes: uneingeschränkte Produktivität, sofortige Erfüllung, riesige Profite, großartiges modisches Prestige, marktschreierische Selbstanpreisung. Unter diesem Banner werden Regression und Demoralisierung zu authentischen Kennzeichen des Fortschritts.
Vor etwa einem Menschenalter erkannten Psychiater, daß Malen eine der vielen Handfertigkeiten ist, mit deren Hilfe die Patienten zur Realität zurückfinden können. Nicht-Kunst und Anti-Kunst erfüllen heute genau die entgegengesetzte Funktion: Sie sind Mittel, eine große Zahl von Gebildeten dazu zu bewegen, ihre ohnehin schwache Beziehung zur Realität zu lockern und sich ungehemmt verworrener Subjektivität hinzugeben - oder zumindest ihre Vorliebe für die Kräfte der Zersetzung zu manifestieren, indem sie sich den konzessionierten Verrückten bei deren Possen anschließen.
Dieser Kulturnihilismus, der als Reaktion auf die Reglementierung begann, wurde seinerseits zu einer Form von Gegenreglementierung, mit seiner ritualisierten Zerstörung und seiner Ablehnung aller kulturellen Prozesse, die die irrationalen Impulse des Menschen sublimiert und seine konstruktiven Energien freigesetzt haben.
Historisch gesehen erhielt das Programm der Anti-Kunst seine klassische Formulierung in Louis Aragons berühmter Dada-Deklaration:
»Keine Maler, keine Schriftsteller, keine Musiker mehr,
keine Bildhauer, keine Gläubigen, keine Republikaner mehr,
keine Royalisten, keine Imperialisten, keine Anarchisten mehr,
keine Sozialisten, keine Bolschewiken, keine Politiker mehr,
keine Proletarier, keine Demokraten, keine Bourgeois mehr,
keine Aristokraten, keine Armeen, keine Polizei, kein Vaterland mehr;
genug von all dem Schwachsinn: nichts mehr von irgend etwas,
überhaupt nichts mehr: NICHTS, NICHTS, NICHTS.«Seltsamerweise fehlte in dieser totalen Negation nur eines: Kein Dada mehr. Dada weigerte sich, seinem eigenen Kredo zu gehorchen - »Alle wahren Dadaisten sind Anti-Dadaisten.« Genau das Gegenteil geschah: Dada erhebt nun den Anspruch, alles zu sein.
In jedem Land akzeptiert heute ein großer Teil der Bevölkerung, gebildet oder halbgebildet, von den Massenmedien indoktriniert, von den Modepäpsten in Schulen, Hochschulen und Museen bestärkt, diese Irrenhaus-Kunst nicht nur als gültigen Ausdruck unseres sinn- und zwecklosen Lebens — was sie gewissermaßen auch tatsächlich ist —, sondern als den einzig annehmbaren existentiellen Zugang zur Realität.
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Leider besteht die Wirkung dieser Publicity und Indoktrinierung darin, die dem Machtsystem innewohnende Irrationalität zu intensivieren, durch Eliminierung der angesammelten Menschheitstraditionen, die — in energisch reaktivierter und erneuerter Form — nach wie vor notwendig sind, um dieses Machtsystem umzuwälzen.
Das Kennzeichen echter Erfahrung wäre also die systematische Beseitigung des Guten, des Wahren und des Schönen, sowohl in den vergangenen als auch in den möglichen künftigen Formen. Damit verbunden ist ein Angriff auf alles, was gesund, ausgeglichen, verständig, rational, diszipliniert und sinnvoll ist. In dieser verkehrten Welt wird das Böse zum höchsten Guten, und die Fähigkeit, moralische Unterscheidungen und persönliche Auswahl zu treffen, destruktive und mörderische Impulse zu unterdrücken und ferne Menschheitsziele zu verfolgen, wird zur Lästerung des wiedereingesetzten Gottes der Gesetzlosigkeit und des Chaos. Eine auf den Kopf gestellte Moral.
In allen ihren Formen, von Skulpturen aus Ramsch bis zu ramschigen Phantasiegebilden, vom ohrenbetäubenden Hämmern der Rockmusik bis zur bedrückenden Leere zufälliger Konzertsaalgeräusche, von der gewollten Nacktheit einer blanken Leinwand bis zu den Hirngespinsten drogen-umnebelter Geister, bezieht die Anti-Kunst ihre finanziellen und technologischen Mittel aus eben den Institutionen, die sie zu bekämpfen vorgibt. Die Mittel jener, die aus der Megatechnik »aussteigen« wollen, beweisen diese enge Verwandtschaft: Heroin, LSD, stroboskopisches Licht, elektronische Verstärker, Geschwindigkeit sowohl in chemischer als auch in mechanischer Form, sie alle sind mit wissenschaftlichen Entdeckungen und mit dem Profitmotiv verknüpft. Die chronischen Marihuanaraucher haben bereits den Boden bereitet für die Erweiterung der Zigarettenindustrie zur Pot-Produktion, mit noch größeren finanziellen Profiten: Berichten zufolge sind die verführerischen Verpackungen und Werbeslogans schon vorbereitet. Was wie eine Absage aussieht, ist nur eine andere Form aktive; Mitspielens und Aufgehens im Machtsystem. Ironischerweise hat sogar dt Hippie-Kleidung der Massenproduktion einen neuen Markt erschlossen.
Diese eifrige Parteinahme für die Anti-Kunst erklärt sich daraus, daß sie eine doppelte, wenngleich widersprüchliche Rolle spielt. Erklärtermaßen ist sie eine Revolte gegen unsere übermechanisierte, überreglementierte megatechnische Kultur. Doch wie sich herausstellt, dient die Anti-Kunst auch dazu, die Endprodukte des Machtsystems zu rechtfertigen: Sie gewöhnt den modernen Menschen an die Lebensbedingungen, die die Megatechnik schafft: an eine Umwelt, die durch Müllhalden, Autofriedhöfe, Schlackenhaufen, Atomreaktoren, Autobahnen und Betonwüsten verunstaltet ist — all das soll in einer weltweiten Megalopolis architektonisch homogenisiert werden.
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Indem der Anti-Künstler sich die subjektive Vernichtung, die von der Megamaschine her droht, zum eigenen Ziel setzt, gewinnt er die Illusion, diesem Schicksal durch einen freien Willensakt zu entrinnen. In der scheinbaren Herausforderung des Machtkomplexes und der scheinbaren Negierung seiner Ordnung akzeptiert die Anti-Kunst gehorsam sein programmiertes Ergebnis.
Betrachten wir die Bedeutung einer Skulptur aus Abfällen. Die Hersteller dieser Skulptur wollen uns damit vielleicht sagen, daß selbst nach einer Atomkatastrophe das Leben auf einer niedrigen, untermenschlichen Stufe weitergehen könnte und daß Künstler, die in den Trümmern nach Material suchen, mit Hilfe verrosteter Maschinen, geborstener Klosettmuscheln, verbogener Rohre und Drähte, zerbrochenen Geschirrs und ausgeweideter Weckeruhren immer noch etwas vorzuspiegeln vermögen, das, so verzerrt es auch sein mag, doch einen Rest schöpferischen Willens ausdrückt. Sollte dies tatsächlich das unbewußte Motiv sein, das der Anti-Kunst zugrunde liegt, so kann man sie verstehen und mit ernsthaften Vorbehalten als prophetische Warnung vor einer Zukunft werten, die es zu verhindern gilt.
In diesem Licht gesehen, schuldet die Gesellschaft der Anti-Kunst unserer Periode Dank; denn sie enthüllte, mehr als ein Menschenalter bevor unsere wissenschaftlichen Destruktionsmittel sich vermehrt und übersteigert hatten, die irrationalen Zwänge und die sterilen Ziele, die für die westliche Zivilisation von heute kennzeichnend sind. Wäre der prophetische Charakter dieser Kunst allgemein verstanden worden, so hätte sie, in verdünnter Dosierung, als Schutzimpfung gegen jene Krankheit dienen können, die nun vom gesamten gesellschaftlichen Organismus Besitz ergreift.
Unfruchtbare Subjektivität
Leider hat die Anti-Kunst unserer Zeit die Irrationalitäten unserer Gesellschaft nicht nur aufgedeckt, sondern sie auch verstärkt, mit Hilfe von Massenmedien wie Film 'und Fernsehen, die vergrößerte Modelle für kollektive Destruktionsphantasien liefern: Sie häuft Monstrum auf Monstrum, Horror auf Horror, Gewalt auf Gewalt und löscht damit im Denken selbst den rein animalischen Lebensglauben aus. In der Vergangenheit waren diese psychotischen Impulse wiederholt innerhalb der herrschenden Klassen ausgebrochen und in gräßlichen Ritualen von Folterungen und Gemetzeln abreagiert worden; der Rest der Menschheit war glücklicherweise zu sehr mit den täglichen Realitäten von Arbeit und Ernährung und Kindererziehung beschäftigt, um sich so völlig von der Wirklichkeit abschneiden zu lassen.
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Heute, da die Bande von Gewohnheit, Sitte und Moral sich gelockert haben, kommt ein wachsender Teil der Menschheit um den Verstand. Man braucht nur das Schwarze Manifest aus dem Jahre 1969 zu lesen, um zu erkennen, daß ein Teil der gebildeten Neger in den Vereinigten Staaten — zumindest zeitweilig — sich der gleichen Art verhängnisvoller Halluzinationen hingibt, die im neunzehnten Jahrhundert zur fast völligen Ausrottung des Xosa-Stamms in Afrika geführt haben. Im wesentlichen jedoch sind diese Phantasien nicht verrückter als der öffentliche Ausspruch eines Senators aus Georgia, der nichts dagegen hatte, daß ein atomarer Volkermord den Großteil der Menschheit ausrotten konnte, sofern nur ein amerikanischer Adam und eine amerikanische Eva — natürlich Weiße — übrigblieben, um den Planeten neu zu bevölkern!
Um zu erklären, wieso dieser Wahnsinn so rasch um sich gegriffen hat, muß ich auf eine prinzipielle Neuinterpretation zurückgreifen, die ich im ersten Teil dieses Buches erwähnt habe. Diese Auffassung wurde, noch bevor ausreichende Grundlagen dafür vorlagen, indirekt auch von anderen Interpreten, besonders von Alfred Russel Wallace, geäußert. Wallace wies darauf hin, daß das überdimensionierte Gehirn des Urmenschen, der eben erst seine Primaten- und Hominiden-Vorfahren hinter sich gelassen hatte, die Bedürfnisse rein tierischen Überlebens weit überstieg. Lange Zeit hindurch stellte dies eine Gefahr für das innere Gleichgewicht und die weitere Entwicklung des Menschen dar. Sein stets aktiver Geist, durch alle Organe mit der Umwelt verbunden und von der befreiten (nicht auf eine bestimmte Jahreszeit beschränkten) Sexualität stimuliert, war nur zu oft dem Unbewußten ausgeliefert, da der Mensch die genetischen Fixierungen und die instinktiven Hemmungen, die das Verhalten anderer Organismen einschränken, abgeworfen hatte. Bevor der Mensch sich mit Ritual und Sprache einen festen kulturellen Überbau geschaffen hatte, war er den zufälligen, oft destruktiven und selbstmörderischen Trieben seines eigenen Unbewußten in gefährlicher Weise ausgesetzt. Diese Gefahr besteht immer noch.
Diese subjektiven, in Traumbildern und motorischen Impulsen ausbrechenden Kräfte waren von den Bestrebungen seines Wachbewußtseins oft schwer zu unterscheiden — um so schwerer, als andere Mitglieder der Gemeinschaft unter den gleichen Halluzinationen litten Abgesehen von wiederholten Ruckschlagen und Katastrophen, die wohl jene eliminiert haben müssen, welche chronisch außerstande waren, zwischen Phantasie und Wirklichkeit zu unterscheiden, scheint es, daß der Mensch sich durch einen spezifischen Wesenszug gerettet hat, der heute noch bei Kindern zu beobachten ist — durch das positive Bedürfnis, Erfahrungen zu wiederholen, begleitet von einem ebenso positiven Vergnügen an repetitiven Körperbewegungen und Lautbildungen So stellten Gewohnheit, Sitte und Ritual die Ordnung wieder her, welche die übermäßige Entwicklung des Gehirns, die den Menschen von seinen Instinkten trennte, gestört hatte.
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Wenn diese Hypothese stimmt, dann bestand das große Problem des Menschen von Anfang an dann, die wunderbaren schöpferischen Möglichkeiten seines großen Gehirns und seines komplexen Sensonums zu nutzen, ohne von den vorrationalen und den vielfach destruktiven irrationalen Impulsen, die aus den Tiefen seines Wesens aufstiegen, gefährlich aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden Da am Ursprung der Kultur die besondere Eigenschaft des primitiven Menschen steht, sich an exakter Wiederholung zu erfreuen, vermochte der Mensch, eine feste innere Bedeutungsstruktur und eine geordnete, innerlich stimmige Lebensweise aufzubauen.
Wenngleich Gewohnheit und Sitte bekanntlich die Erfindungsgabe hemmten und selbst positive Veränderungen erschwerten, machten sie dies dennoch mehr als wett, indem sie die subhumanen Triebe des Unbewußten eindämmten. Doch die ungezähmten, undisziplinierten Impulse des Menschen sind von solch gefährlicher Infantilität, daß auch die stabilsten Kulturen außerstande waren, lebensbedrohende Ausbruche von Irrationalität zu verhindern Berserkerwüten, Amoklaufen, systematische Folterungen und Menschenopfer und - oft mit pseudorationaler religiöser Unterstützung - sinnlose Gemetzel und Zerstörungen in Form von Kriegen
Die Unberechenbarkeit der menschlichen Natur wurde weithin erkannt. Von Homer und Sophokles bis Shakespeare und Dostojewski wußten die Dichter aus den Regungen ihrer eigenen Seele um diesen chronischen Zug zum Wahnsinn, lange vor Freud Doch die Fähigkeit der Menschheit, nach massiven Ausbrüchen von Irrationalität ihr Gleichgewicht zurückzugewinnen, hat in der Vergangenheit - und heute wiederum - die Bemühungen beeinträchtigt, die menschliche Natur wirksamer zu beherrschen Viele seiner gefährlichsten Irrationalitäten sind dem Menschen zur Gewohnheit geworden und werden gläubig als Teil einer begreifbaren moralischen Ordnung angesehen als Gottes Wille.
In den letzten drei Jahrhunderten ist dieser störende Faktor eher starker als schwacher geworden Denn der Machtkomplex hat nicht nur mit voller Absicht nützliche Gewohnheiten zerschlagen und traditionelle moralische Werte zerstört, noch schlimmer ist, daß er all die stabilisierenden repetitiven Prozesse vom Organismus auf die Maschine übertragen und den Menschen mehr denn je seiner eigenen ungeordneten Subjektivität ausgeliefert hat Die tägliche Arbeit und das religiöse Ritual erfordern nicht mehr jene aktive Anteilnahme, die der Assimilierung der verschiedenen, für das Gleichgewicht in der menschlichen Psyche notigen Elemente dient Infolgedessen hat das Unbewußte heute seine alte Herrschaft über den Menschen wiedergewonnen Schlimmer noch, die vormenschlichen Eigenschaften des Unbewußten gebieten über mächtige technologische Kräfte, die ihnen früher nicht zur Verfügung standen.
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In einer Kultur, in der nur die Maschine Ordnung und Rationalität verkörpert, bedeutet die Befreiung des Menschen keinen Gewinn an Alternativen; sie bedeutet nur die Befreiung seines Unbewußten und seine Unterwerfung unter dämonische Impulse und Triebe. Da der Mensch alle Ordnung in die Maschine hineingelegt hat, ist er gerade von jenen repetitiven Handlungen und Ritualen abgeschnitten, die ihm so lange geholfen hatten, ein gewisses inneres Gleichgewicht und gewisse schöpferische Möglichkeiten aufrechtzuerhalten. Die Ordnung, die einst in den Formen der Kultur und in der Struktur der menschlichen Persönlichkeit verkörpert war, wurde rein technologischen Errungenschaften geopfert. Und es sollte bereits klar sein, daß es für diesen gefährlichen Zustand keine technologische Lösung gibt. Nur bei einer entsprechend leidenschaftlichen Reaktion der Menschen wird es möglich sein, diesen Prozeß umzukehren und dem verarmten menschlichen Organismus die autonomen Funktionen, die geordneten Handlungsweisen und die Formen des Zusammenwirkens zurückzugeben, deren er fast völlig verlustig gegangen ist.
Hier hat C. G. Jung in seinem Werk Erinnerungen, Träume, Gedanken wertvolles persönliches Erfahrungsmaterial beigesteuert. Es gab einen Augenblick in seiner Arbeit über die Rolle der Phantasie, so berichtet er, da er es als unerläßlich empfand, einen Rückhalt in dieser Welt zu haben, sonst hätte ihn das Unbewußte um den Verstand gebracht. Daß er ein medizinisches Diplom einer Schweizer Universität besaß, daß er Pflichten gegenüber seinen Patienten und eine Familie von fünf Kindern zu erhalten hatte, daß er in einem bestimmten Haus in einer bestimmten Stadt lebte — dies waren Gegebenheiten, die Forderungen an ihn stellten und ihm immer wieder bewiesen, daß er wirklich existierte und kein leeres Blatt war, das in den Winden des Geistes herumwirbelte.
Diese Bindung an solide Fakten und tägliche Kontinuität ist genau das, was unserer heutigen überhitzten Technik, in der jeder plausible technologische Einfall sofort in verkäufliche Waren verwandelt wird, so offenkundig fehlt. Eine Kultur, die sich ihrer unaufhaltsamen Dynamik rühmt, befindet sich in einem Stadium alptraumhaften Zerfalls, und ehe die Menschheit sich von diesem Alptraum befreit, könnte das Bett, in dem sie schläft - die Erde - verschwinden wie eine weggeworfene Schachtel. So werden die Grundbedingungen für geistige Stabilität — anerkannte Wertkriterien, anerkannte Verhaltensnormen, bekannte Gesichter, Gebäude, Orientierungspunkte, wiederkehrende Berufspflichten und Rituale - fortwährend untergraben; und in der Folge verwandelt sich unsere ganze mechanisierte Zivilisation in ein leeres Blatt, durch psychotische Gewaltanwendung in kleine Stücke zerrissen.
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Diese Analyse enthüllt die Oberflächlichkeit der panischen Gegenmaßnahmen, die heute zur Bekämpfung der sozialen Zersetzung und Verkümmerung vorgeschlagen werden. Eine wachsende Zahl von Individuen und Gruppen, innerhalb und außerhalb der Irrenhäuser, leidet an ebensolcher oder noch schlimmerer Geistesverwirrung, als ich am Beispiel der Anti-Kunst geschildert habe. Hier aber kann keines der uns zur Verfügung stehenden institutionellen Mittel Abhilfe schaffen. Dieser Zustand ist zu allgemein verbreitet, um in psychiatrischen Kliniken behandelt zu werden, selbst wenn noch viele gebaut würden; auch läßt sich das Problem nicht durch Gruppentherapie oder durch Vermehrung der Zahl von Psychiatern und Ärzten lösen; denn die pathologischen Symptome, unter denen die Patienten leiden, sind auch bei vielen zu erkennen, die als berufen gelten, jene zu beraten oder zu behandeln.
Soll die Menschheit die Gewalt über die Realität nicht vollends verlieren, so ist eine gründliche und letztlich weltweite Umorientierung der modernen Kultur, vor allem der schrecklichen neuen Kultur des zivilisierten Menschen, vonnöten. In meinem Buch Transformation of Man habe ich versucht, die historischen Voraussetzungen für eine solche Veränderung zu skizzieren.
Der Optimismus der Pathologie
Ärzte haben aus dem Studium des Körpers erfahren, daß eine Krankheit häufig keine permanente Verschlechterung bedeutet, sondern einen Versuch, ein gestörtes Gleichgewicht wiederherzustellen und natürliche Funktionen, die hintangehalten oder unterdrückt worden sind, zurückzuerlangen. Ohne erkennbare pathologische Symptome könnten dauernde Schäden entstehen, bevor die Krankheit entdeckt wird und geeignete Maßnahmen zu ihrer Überwindung ergriffen werden.
Zugegeben, diese Reaktion kommt spät; und es ist noch zu früh, aus den vorhandenen Anzeichen eine insgesamt zufriedenstellende Prognose zu stellen: Denn einigen der dargebotenen Alternativen fehlt es ebenso an menschlichen Dimensionen wie dem System, das sie ersetzen sollen. Trotzdem ist es bemerkenswert, daß seit langem eine unterschwellige Besorgnis über den Verlauf des mechanischen Fortschritts besteht, selbst bei Menschen, die sich für aktive Propheten der neuen technischen Ordnung halten.
Schon 1909 schrieb H. G. Wells in einem Artikel in The New World:
»Vielleicht schreitet das zwanzigste Jahrhundert doch nicht unermüdlich vorwärts; wir werden einen Rückschlag erleben, um unter einfacheren Bedingungen einige der notwendigen grundlegenden Lektionen zu wieder-
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holen, die unser Menschengeschlecht bis heute nur unzureichend gelernt hat: Ehrlichkeit und Brüderlichkeit, sozialen Kollektivismus und die Notwendigkeit einer gemeinsamen friedenserhaltenden Weltinstanz.« Dies wurde von demselben, aber anders gewordenen Wells geschrieben, der etwas früher im gleichen Jahrzehnt sein optimistisches Buch Ausblicke auf die Folgen des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts verfaßt hatte.
Das augenfälligste Zeugnis des Erwachens ist die Studentenbewegung; und das Bemerkenswerteste an dieser Bewegung ist wohl, daß sie weltumspannend ist und daß ihre unmittelbaren Motive und ihre Vorschläge so mannigfaltig sind, daß die Hauptursachen ihrer Existenz in allen Ländern die gleichen sein müssen, so verschieden ihre Traditionen oder ihre unmittelbaren Probleme auch sein mögen. Obgleich diese Vermutung nicht positiv beweisbar ist, meine ich doch, daß es heute nur ein einziges Phänomen gibt, welches so universal ist und eine solche Spanne von Unterschieden umfaßt: nämlich das Machtsystem selbst in seiner gegenwärtigen technologisch expansiven und zwanghaften Form. Kurz, es handelt sich um nichts Geringeres als um eine Revolte gegen die machtbesessene Zivilisation. Sie war schon lange fällig - seit etwa fünftausend Jahren.
Hinter der Revolte steht eine tiefe und, was kaum betont werden muß, sehr berechtigte Angst: daß der nächste Schritt im technologischen Fortschritt die Vernichtung der Menschheit herbeiführen könnte. Mit gutem Grund betrachtet die Jugend die grausamen Methoden der amerikanischen Kriegführung in Vietnam nicht nur als Bedrohung ihrer eigenen Existenz, sondern als ein ominöses Vorspiel zur Zukunft der ganzen Menschheit. Wenn die postnukleare Generation die Vergangenheit ablehnt, so vielleicht deshalb, weil die ihr Angehörenden glauben, die Zukunft habe bereits sie abgelehnt; deshalb besitzt für sie nur das existentielle Jetzt Wirklichkeit.
Paradoxerweise bedurfte es der fortgeschrittenen Instrumente der Technologie, um diese Erkenntnis herbeizuführen und die Revolte sich so rasch und in so gleichartigen Formen ausbreiten zu lassen. Es ist genau die Generation, die zur Welt kam, als die modernisierte, atombetriebene Megamaschine gerade montiert war — die Generation, deren Väter zum großen Teil passiv und verschüchtert schwiegen —, die plötzlich mit einem lauten Schrei des Entsetzens und der Bestürzung erwachte. Entsetzen und Bestürzung sind berechtigt. Ebenso die Wut, mit der die Jugend die verbündeten Kräfte angreift, die ihre Zukunft untergraben haben.
Ja, wenigstens die Jugend unserer Zeit ist aufgewacht; sie befindet sich in einem ähnlichen Schockzustand wie Young Goodman Brown in Hawthornes Fabel: Sie erkennt, daß die Älteren, trotz ihrer scheinheiligen Beteuerungen, an den obszönen Riten eines Hexensabbaths teilgenommen haben — der mit einer Reihe von kollektiven Blutopfern endete, den gleichen irrationalen Opfern, die periodisch die Annalen der menschlichen Geschichte befleckten und die höchsten Errungenschaften des Menschen schändeten.
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Wachsamer als die ältere Generation in ihren Reaktionen auf das, was sich vor ihren Augen abspielt, verhält sich eine aktive Minderheit unter der Jugend, als hätte eine Atomkatastrophe sich tatsächlich schon ereignet. In ihrer Vorstellung leben sie heute zwischen Ruinen, ohne dauerhafte Unterkunft, ohne regelmäßige Nahrung, ohne Bräuche und Gewohnheiten außer denen, die sie von Tag zu Tag improvisieren, ohne Bücher, ohne akademische Zeugnisse, ohne festen Beruf oder bevorstehende Laufbahn, ohne Wissensquelle auß.er der Unerfahrenheit ihrer Altersgenossen. Unglücklicherweise richtet sich die Revolte nicht nur gegen die ältere Generation: Sie ist faktisch zu einer Revolution gegen die gesamte historische Kultur geworden - nicht bloß gegen eine übermotorisierte Technologie und ein überspezialisiertes, falsch angewandtes Denken, sondern gegen alle höheren Manifestationen des Geistes.
In ihrem Unbewußten lebt die Jugend in einer Welt nach der Katastrophe; und in bezug auf eine solche Welt wäre ihr Verhalten rational. Nur indem sie in Massen zusammenrücken und einander mit ihren Körpern berühren, gewinnen sie ein Gefühl der Sicherheit und der Kontinuität. Deshalb flüchten viele von ihnen aufs Land, bilden zeitweilige Gruppen, Kommunen und Lager, härten sich ab gegen Kälte, Regen, Schlamm, Unbilden und schlechte sanitäre Verhältnisse und akzeptieren Armut und Entbehrung. Aber als Kompensation gewinnen sie ein elementares animalisches Vertrauen wieder, vollführen Akte der gegenseitigen Hilfe, der Gastfreundschaft und der Liebe, teilen freigebig, was immer sie zum Essen oder Trinken ergattern, und schöpfen Freude einfach aus der physischen Gegenwart des anderen - und aus der Rückführung des Lebens auf die elementarsten körperlichen Tätigkeiten und Ausdrucksweisen.
Da die Ruinen vorerst noch Phantasiegebilde sind, greifen diese Aussteiger auf eben die Ordnung zurück, die sie ablehnen. Zehntausende reisen lange Strecken mit Autos zu ihren kollektiven TPocfe-Festivals, erweitern aktiv ihr Ich, indem sie an Radio- und Fernseh-Happenings teilnehmen, und vernebeln absichtlich ihr Bewußtsein mit Drogen und drogenähnlicher, elektrisch verstärkter Musik. Und so ist die Jugend bei all ihren Gesten der Revolte gegen die Konsumgüter der Zivilisation in Wirklichkeit deren dekadentesten Massenprodukten verfallen. Dies ist eine rein megatechnische Primitivität. Indem sie ihre Welt auf eine Reihe wirrer Happenings reduzieren, tragen sie bei zu jenem letzten Happening, gegen das sie zu protestieren vermeinen.
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Dies ist zum Glück nur ein Teil des Bildes. In dem Augenblick, da ich dies schreibe, erhalte ich ein Rundschreiben, von drei jungen Studenten an etwa zweihundert Intellektuelle gerichtet, deren Hilfe sie erbeten. Diese Studenten, die dort ansetzen, wo ihre Eltern aufhörten, haben den typischen megatechnischen Wahnsinn der heutigen Zeit als den des alten Machtkomplexes erkannt, und sie schlagen optimistisch eine Zusammenkunft mit ihren Lehrern vor, um eine aktivere, vereinigte Opposition zu bilden.
Aber die wichtigste Zusammenkunft war Jene, die sie bereits zueinandergeführt hat. Sie fand in einem Kurs über The Irrational Man statt. Dort haben sie den Feind studiert — nicht unsere Raubtier-Abstammung, sondern einen weit schwerer greifbaren Feind in der menschlichen Seele den blinden Willen zur Macht, dieses gesichtslose Monstrum, das ins Bewußtsein heraufgezerrt werden muß, damit der Mensch alle seine geistigen und kulturellen Kräfte zu entfalten vermag. Diese Aufgabe hat Vorrang vor allen weiteren technologischen Fortschritten.
Leider stellte sich im Verlauf der Ausbreitung der Jugendrevolte heraus, daß die Ambivalenzen und Widerspruche der modernen Zivilisation in sie eingeflossen waren Einerseits hochinteressante Vorschlage für die Loslosung der Universität von ihren Bindungen an das Machtsystem, für die Überwindung der verbürokratisierten Lehrmethoden, für die Abschaffung der geschäftsmäßigen Praxis der Punkte und Noten bei Prüfungen und den rein formalen akademischen Graden — dem Doktor-der-Philosophie-Polypen, vor dem William Jones gewarnt hat, und auf der positiven Seite für aktiveie individuelle Teilnahme am taglichen Leben der Gemeinschaft, in der Verfolgung moralischer und sozialer Ziele, die nicht den Erfordernissen des Machtkomplexes entsprechen (diese Veränderung wurde vor mehr als einem halben Jahrhundert von Patrick Geddes vorgeschlagen) In dieser Neuordnung, wurde sie konsequent durchgeführt, wäre die Universität nicht mehr beschrankt auf das abgeschiedene höhere Studium, getrennt von Kunst, Politik und Religion, sondern wurde alle ihre spezifischen Mittel der geistigen Zusammenarbeit zur Wiederbelebung des gesamten Lebens der Gemeinschaft verwenden.
Anderseits aber hat der Machtkomplex den Methoden der Revolte seinen Stempel aufgeprägt und die idealen Ziele der Studentenbewegung deformiert siehe die Besetzung von Gebäuden, die Mißhandlung verantwortlicher Universitatsbeamter, die unannehmbaren Forderungen, unterstutzt mit Gewehren und Gewaltandrohung, die erneute Rassentrennung, ganz zu schweigen von der Unterstützung reaktionärer ideologischer und sozialer Moderichtungen (McLuhanismus, Black Power, Hexerei, obligate Pornographie, sexueller Exhibitionismus, Alkoholismus, Drogenkonsum) Dies ist nur die Kehrseite des Pentagons der Macht Was den offenen Versuch gewisser Kreise betrifft, die Universität als solche zu zerstören -was ist dies anderes als ein Versuch, die Autorität überlegener Geister zu vernichten, indem man die höchste Stelle in der Unterrichtshierarchie angreift einen Hauptspeicher der menschlichen Kultur, verkörpert, personifiziert und aktiviert in lebenden Männern und Frauen.
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Der Lebensimpuls, den die Jugend glücklicherweise bei sich selber entdeckte, ist die Fähigkeit zum unmittelbaren menschlichen Zusammenschluß. Indem sie diese Kraft auf der untersten Ebene nachbarlicher Gefühle anwendete, konnte sie dem System entgegentreten, es herausfordern, mit ihm brechen, wenn auch nicht es erschüttern Diese mutverleihende Demonstration war weit wichtiger als alle konkreten Ergebnisse Sie bewies die Fähigkeit des menschlichen Geistes, die Initiative zu ergreifen und die Bedingungen seiner endgültigen Befreiung zu formulieren Dies war eine echte Befreiung, und zwar eine von dauerhaftem Wert, denn wenngleich die unmittelbaren Ziele nicht erreicht wurden, gab die Bewegung den Anstoß zu ähnlichen Aktionen der Auflehnung und des Widerstandes in Nachbarschaftsgruppen und Wohnvierteln, die vorher verurteilt schienen, durch die unerbittliche Ausbreitung von Megalopolis verschluckt und ausgelöscht zu werden In Dutzenden verschiedenen Formen macht dieser Geist sich heute bemerkbar.
Die Revolte der jungen Generation ist nur der Jüngste und spektakulärste Angriff auf den Machtkomplex, ahnliche Herausforderungen gab es jedoch schon seit langem, und sie richteten sich gleichermaßen gegen archaische wie gegen moderne Strukturen Sowohl die nationalen als auch die regionalen Bewegungen sind, wie ich in Technics und Civthzatwn aufgezeigt habe, notwendige Gegenbestrebungen, kulturelle Identitäten und Autonomien wiederherzustellen, Literaturen und Sprachen, die unterdruckt oder praktisch ausgelöscht waren, wiederzuerwecken, und diese Bewegungen sind keineswegs schwacher geworden, im Gegenteil, sie haben im letzten halben Jahrhundert mit der Wiederbelebung des Galischen und des Hebräischen als Nationalsprachen an Starke gewonnen, ganz zu schweigen von ähnlichen Bestrebungen bei den Norwegern, den Bretonen, den Walisern, den Basken, den Tschechen und den Katalanen Dies ist jedoch nirgendwo augenfälliger als in den Rassenrevolten in Afrika und Asien, wo sie zu einer Wiedereroberung des europäischen Kolonialbesitzes durch jene Volker führte, deren Länder überfallen und deren nationale oder Stammestraditionen zerstört worden waren Im Reich der Natur spielt die Naturschutzbewegung, die nun in ein dynamisches Stadium eintritt, eine ähnliche Rolle Es geht nicht mehr bloß um die Erhaltung von Restbestanden, sondern um die Rettung der ökologischen Mannigfaltigkeit und der regionalen Integrität in Jedem Wohnbereich des Menschen.
Ein ähnlicher Angriff auf die einseitige Universalität der Megatechnik und auf die Regierungen, die sich den Bedürfnissen und Erfordernissen wechselseitiger Kommunikation gegenüber gleichgültig verhalten, geht Jetzt in einem bislang als unangreifbar geltenden Bollwerk vor sich in der römisch-katholischen Kirche.
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Die jähe Schwächung der katholischen Orthodoxie und der strikt hierarchischen Macht, die unter den Angriffen der Rationalisten im neunzehnten Jahrhundert noch dogmatischer, noch autoritärer und noch selbstbewußter geworden war, in solchem Maße, daß sie die Unfehlbarkeit des Papstes in Fragen des Dogmas und der Moral beanspruchte, ist bemerkenswert. Ist dies nicht ein weiterer Beweis für die tiefe Unzufriedenheit, die, selbst in ihrer vergeistigsten Form, von der Megamaschine nicht zur Kenntnis genommen wurde und zu deren Milderung sie nichts unternahm? Die Tatsache, daß diese Revolte innerhalb der einst antiliberalen katholischen Kirche und, noch überraschender, unter den Bischöfen und in den Mönchsorden stattfand, weist auf eine ebenso radikale Intransigenz wie in der Studentenbewegung hin. Diese vereinzelten Aktionen der Distanzierung und Abkehr sind noch wirksamer als ein organisierter Frontalangriff auf die Machtstruktur: Es sind Vorspiele zu Erneuerung und Auffrischung.
Manches weist darauf hin, daß sowohl an als auch unter der Oberfläche an vielen Punkten eine ähnliche, mehr oder minder spontane Reaktion im Gange ist. Doch die Kräfte, die den Machtkomplex herausfordern, haben einen besonderen Vorteil, der sich aus dem Fortschritt der Technologie ergibt: Die Beteiligten sind, sosehr sie auch räumlich getrennt sein mögen, zeitlich durch ein Netz von Kommunikationssystemen verbunden und über alle zeitliche Distanz hinweg räumlich verknüpft durch Bücher, Schallplatten, Tonbänder und häufige, kurzfristig arrangierte direkte Zusammenkünfte.
Deshalb ist der Widerstand gegen die Megamaschine nicht mehr so traurig sporadisch, sondern zunehmend durch ständige Kontakte und Kommunikation koordiniert.
So wie das altrömische Straßennetz mit seinen Wegweisern Paulus half, die Lehren und Bräuche der christlichen Kongregationen zu vereinheitlichen, geben die elektronischen Kommunikations- und Aufzeichnungssysteme, wenngleich sie zumeist unter zentralisierter Kontrolle arbeiteten, ansonsten isolierten und scheinbar alleinstehenden Gruppen Vertrauen und Unterstützung. Man bedenke, wie sogar die grundsätzlich unkämpferische Hippie-Bewegung sich durch vervielfältigte Untergrund-Zeitschriften, Video-Aufzeichnungen und persönliche Fernsehauftritte über die ganze Welt, selbst bis hinter den Eisernen Vorhang, ausgebreitet hat, ohne jegliche äußere Organisation. Diese amorphen Demonstrationen haben gezeigt, daß auch der stärkste megatechnische Rückenpanzer durchlässig ist. In weit verstreuten Bewegungen hat also die Dezentralisierung der Macht bereits begonnen. Die Demontierung der Megamaschine steht klar auf der Tagesordnung.
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Obwohl diese Anzeichen dafür, daß der moderne Mensch seine wirkliche Lage zu erkennen beginnt, erst in jüngster Zeit deutlich hervortraten, waren sie schon vor mehr als hundert Jahren in Bildern, Mythen und abweichenden Verhaltensformen aufgetaucht, anfangs nur schemenhaft wie ein Traum. Was auch immer Moby Dick in Melvilles Unbewußtem bedeutet haben mag, ob der weiße Wal Gott oder Teufel, calvinistische Prädestination oder cartesianischer Determinismus war, das körperverneinende Über-Ich oder das die Seele verneinende Es, der Roman Moby Dick symbolisiert in bewundernswerter Weise jene Konstellation institutioneller und technologischer Kräfte, die den Geist des Menschen lahmen und ihm sein rechtmäßiges Erbe als vollentwickeltes Lebewesen mit intakten Organen, ohne Verkümmerungen und Amputationen, zu rauben drohen. In Kapitän Ahabs blindem Zorn, seinem gnadenlosen Haß und seinem teuflischen Stolz brachte Melville die weitverbreitete Haltung verzweifelter nihilistischer Herausforderung zum Ausdruck.
In Ahab und in dem quasi-kriminellen Beatnik-Prototyp Jackson (aus Redburn) gab Melville sowohl den megatechnischen Khans des Welt-Pentagons als auch den Gegenkräften, die sie ins Leben gerufen hatten, Ausdruck. Und daß Ahabs Qual und Haß sich so weit entwickeln, daß er die Selbstkontrolle verliert und durch seinen wahnsinnigen Glauben an die Macht völlig in den Bann jener Kreatur gerät, die ihn zum Krüppel gemacht hat, läßt Melvilles Erzählung als eine Parabel, als Schlüssel zur Deutung des Schicksals des modernen Menschen erscheinen. Damit, daß Ahab auf dem Höhepunkt der Jagd Kompaß und Sextant wegwirft, hat Melville sogar die Ablehnung der ordnungsgemäßen Werkzeuge der Vernunft vorweggenommen, die für die Gegenkultur und die Anti-Leben-Happenings von heute so charakteristisch ist.
Ähnlich lehnt Ahab in seiner manischen Konzentration die innere Wandlung, die das Schiff und die Mannschaft hätte retten können, ab und bleibt taub für die Freundschaftswerbungen, die der nüchterne Starbuck in Worten und Pip, das primitive, unter Angstschock stehende Negerkind, in stummen Gesten äußern.
Nach außen hin ist die Menschheit immer noch mit der erbitterten Jagd beschäftigt, die Melville beschrieben hat, verlockt vom Abenteuer, von der Aussicht auf Tran und Fischbein, von den Versuchungen der Eitelkeit und vor allem von einem Machtstreben, das auf Liebe verzichtet. Sie hat aber auch begonnen, sich der Gefahr totaler Vernichtung bewußt zu werden, die von den Kapitänen droht, unter deren Befehl das Schiff heute steht.
Jeder gegen dieses sinnlose Schicksal gerichtete Akt der Rebellion, jede Bekundung von Gruppenwiderstand, jede Behauptung des Lebenswillens, jede Entfaltung von Autonomie und Selbstbestimmung, auf welch niedriger Stufe auch immer, bremst die Fahrt des dem Untergang geweihten Schiffes und schiebt den verhängnisvollen Augenblick hinaus, in dem der weiße Wal die Planken des Schiffes zerschmettern und die Mannschaft ertränken wird.
All die infantilen, kriminellen und idiotischen Darstellungen in der heutigen Kunst, alles, was heute nur mörderischen Haß und Entfremdung ausdrückt, könnte seine Rechtfertigung finden, wenn es die einzig vorstellbare rationale Funktion erfüllt — dem modernen Menschen seine Gefahr bewußt zu machen, so daß er das Steuer ergreift und, von den Sternen geleitet, das Schiff an ein freundlicheres Ufer führt.
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