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2. Bewußtseins-, Gesinnungs- und Verhaltensformen des Menschen im Rahmen Ökologischer Religion

 

 

 

   Naturgemäßheit, öko-logische Natürlichkeit — aber kein Naturalismus   

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Die eben abgeschlossenen Ausführungen, die darin gipfelten, daß Öko-Religion in einem spezifischen Sinn und auf einer höheren Bewußtseinsstufe der menschheitlichen Entwicklung »Natur-Religion« ist, dürfen nicht naturalistisch mißverstanden werden. Das dieser spezifischen Öko- oder »Natur-Religion« entsprechende Verhalten auf der Seite des menschlichen Subjekts heißt nicht Naturalismus im Sinne der Leugnung oder Abwertung des Geistigen, im Sinne des Eintauchens oder gar Untertauchens im Seelisch-Triebhaften.

Im Rahmen Ökologischer Religion stellt der Geist keinen »Widersacher der Seele« (L. Klages) als des erdverbundenen Leibes- und Lebensprinzips dar, geht es nicht um Abstreifung der rationalen und überhaupt der höheren Schichten des menschlichen Geistes zugunsten einer Rückkehr auf unter- und unbewußte Stufen unserer Naturverbundenheit, unseres Naturzusammenhangs. Eine solche Rückkehr wäre ohnehin ohne Geist, ohne geistiges Bewußtsein nicht vollziehbar, auch wenn dies widersprüchlich klingt. Aber es wäre in der Tat ein intentionaler Akt des geistigen Bewußtseins notwendig, das sich aus seiner Selbstbezüglichkeit und Selbstgegenwart herauslösen und in die Sachgegenwart, in das reflexlose Empfinden von Natur (verstanden als grobe materielle Sinnlichkeit) hineinbegeben müßte. Das bewußte Erleben der Natur würde einem quasi unbewußten weichen, aber selbst dies wäre, wie gesagt, ohne geistig-intentionalen Entscheidungsakt nicht möglich.

Wenn Natur im Rahmen Ökologischer Religion so umfassend aufgefaßt wird, wie dies im ersten Kapitel beschrieben worden ist, dann muß menschliches Verhalten allen Elementen der Wirklichkeit in ihrer Ordnung und Stufung, ihrer Vernetzung zu immer umfassenderen Öko-Systemen gerecht werden, dann geht es zwar um Einübung in neue Naturgemäßheit, Natürlichkeit, Naturverbundenheit, auch (warum denn nicht?) in eine neue Naturfrömmigkeit, aber diese Haltungen sind mit Naturalismus, Biologismus, Materialismus nicht identisch, auch wenn diese drei Ismen in der Regel pseudoreligiös verbrämt auftreten.

Natürlichkeit im Rahmen Ökologischer Religion bedeutet also zunächst einmal nur das ganz natürliche, sachgemäße Verhalten zu allen Elementen der Wirklichkeit. Sachgemäßes Verhalten bedeutet hier keineswegs, daß die Natur oder Teile der Natur, z.B. Tiere oder Pflanzen, als Sachen aufgefaßt und behandelt werden sollen. Es sagt lediglich ein Verhalten aus, das der gemeinten Wirklichkeit so weit wie möglich zu entsprechen, also »sachgerecht« zu sein versucht. Das impliziert, daß z. B. auch den geistigen und/oder psychischen Wesensbezügen in Tier und Pflanze Rechnung getragen werden muß, wenn wir auf diese stoßen oder sie auch nur vermuten. Wir kommen später noch darauf zurück.

Naturgemäßheit, Naturgerechtigkeit, öko-logische Natürlichkeit ist schlicht und einfach das Verhalten, das der Natur entspricht. Sieht und anerkennt man Natur in ihrer universalen Weite und Tiefe, d. h. in der Vielfalt ihrer Erscheinungen, des Seienden der Dinge und Lebewesen, und in der Tiefendimension ihres hervorbringenden absoluten Prinzips, dann geht diese Naturgemäßheit, diese Natürlichkeit als Sachgerechtigkeit gegenüber allem, was existiert und wirkt, ohne weiteres in die religiöse Haltung über. Insofern ist öko-logische Natürlichkeit auf der menschlichen Subjektseite genau das, was auf der Objektseite die Natur als umfassendster Gegenstand der Ökologischen Religion ist.

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In der ökologischen Natürlichkeit als universaler Naturgemäßheit haben wir deshalb jene fundamentale und umfassende Gesinnung und Haltung vor uns, in der alle nachfolgend zu besprechenden Bewußtseins- und Verhaltensformen bereits impliziert, im Keim schon enthalten sind. Insofern sind alle diese noch zu behandelnden Verhaltensformen Spezifizierungen, Konkretisierungen, Aussonderungen, Herauskristallisierungen aus der universalen Haltung der Naturgemäßheit, die die eigentliche Grundhaltung gegenüber der Wirklichkeit sein muß, wenn der Mensch seiner Struktur, seinem Sein und seiner Sinn-Aufgabe entsprechen will. Daher mußte hier im Rahmen des Versuches einer Systematisierung der zur ÖkoReligion gehörenden Bewußtseins-, Gesinnungs- und Verhaltensformen die Haltung der Naturgemäßheit, der ökologischen Natürlichkeit an die Spitze gestellt werden. Es folgen nun die Implikationen dieser Haltung. Eine solche ist das Bewußtsein unseres Naturzusammenhangs.

 

Das religiös-ökologische Bewußtsein unserer Einheit mit der Natur

Zunächst einmal ist diese Einheit des Menschen mit der Natur nur in unser ganz gewöhnliches Alltagsbewußtsein zu heben, ohne daß dabei schon irgendeine Art von Religiosität ins Spiel kommen müßte. Denn der moderne Massenmensch, auch der heutige Durchschnittsintellektuelle, hat ja praktisch gar kein Wissen mehr von seiner Naturzugehörigkeit. Ein latenter Glaubenssatz unserer technisierten und säkularisierten Welt redet uns stetig ein, wir Menschen hätten uns mit Hilfe der Technik von der Natur emanzipiert. Demgegenüber müssen wir uns alle wieder bewußtmachen, daß Natur die umfassendste und durchdringendste Wirklichkeit (geblieben) ist, aus der auch der Mensch, selbst als homo faber und homo technicus, nicht herausfallen kann, von der er sich nie ganz zu befreien vermag. 

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»Natur! Wir sind von ihr umgeben und umschlungen — unvermögend aus ihr herauszutreten und unvermögend tiefer in sie hineinzukommen. Ungebeten und ungewarnt nimmt sie uns in den Kreislauf ihres Tanzes auf und treibt sich mit uns fort... Wir leben mitten in ihr und sind ihr Fremde... Wir wirken beständig auf sie und haben doch keine Gewalt über sie... Die Menschen sind alle in ihr und sie in allen... Auch das Unnatürlichste ist Natur, auch die plumpste Philisterei hat etwas von ihrem Genie. Wer sie nicht allenthalben sieht, sieht sie nirgendwo recht... Man gehorcht ihren Gesetzen, auch wenn man ihnen widerstrebt; man wirkt mit ihr, auch wenn man gegen sie wirken will.«110)

Das ist zwar dichterische Prosa. Aber ohne weiteres ins Nüchtern-Naturphilosophische übersetzbar und auch vernünftig einsehbar. Nüchtern philosophisch hat denselben Sachverhalt beispielsweise Karl Marx zum Ausdruck gebracht: »Die Natur ist der unorganische Leib des Menschen, soweit sie nicht der menschliche Leib selbst ist. >Der Mensch lebt aus der Natur<, dies bedeutet, daß die Natur sein Leib ist, mit dem er in ständigem Zwiegespräch bleiben muß, wenn er nicht sterben soll. Daß des Menschen physisches und spirituelles Leben mit der Natur verbunden ist, bedeutet ganz einfach, daß die Natur mit sich selbst verbunden ist, denn der Mensch ist Teil der Natur.«111)

Der Mitbegründer des Marxismus, Friedrich Engels, hat aus dieser Zugehörigkeit des Menschen zur Natur die richtige Konsequenz in Gestalt der Einsicht gezogen, daß diese Naturzugehörigkeit den Menschen zur Natürlichkeit im Sinne der richtigen Erkenntnis und Anwendung der Gesetze der Natur verpflichtet, eine Einsicht, die leider die sich auf Marx berufenden sozialistischen Gesellschaften des Ostblocks meist ebensowenig beherzigen wie die kapitalistischen des Westens. Engels weist nämlich darauf hin, daß wir »bei jedem Schritt daran erinnert werden, daß wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht — sondern, daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehen, und daß unsere ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug zu allen anderen Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können«.112)

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In der Tat: Wer könnte heute, nach mehr als hundert Jahren intensivster Evolutionsforschung, den unerhört engen Zusammenhang des Menschen in seiner geistig-psychisch-physischen Beschaffenheit mit der Natur als ganzer, vor allem aber mit dem Tier- und Pflanzenreich leugnen? Der Mensch ist Glied, auf diesem Erdplaneten letztes Glied, einer zusammenhängenden Kette von Evolutionsschritten, die ihn mit den allerersten, primitivsten Stufen tierischen Lebens verbindet, und das über unvorstellbare Zeiträume von Millionen von Jahren hinweg. Der phylogenetischen Zeitdimension, die alles Lebende verbindet, entspricht die ontogenetische. Denn mit den Tieren, ja auch den Pflanzen mit geschlechtlicher Fortpflanzung, hat der Mensch nicht nur die Prozesse der Evolution, sondern auch die der Vererbung, der Befruchtung und Keimentwicklung gemein. Wie sie ist er dem ehernen Prozeßgesetz der Geburt, des Wachsens, Reifens und Vergehens unterworfen. Auch die Sinnesapparatur des Menschen weist neben Besonderheiten zahlreiche Übereinstimmungen, Ähnlichkeiten, Verwandtschaften mit dem Wahrnehmungsapparat höherer Säugetiere auf. Wir brauchen diese Zusammenhänge hier nicht weiter auszuführen,113 sie sind sattsam bekannt. Es nimmt nur wunder, daß der sogenannte moderne Mensch diese Zusammenhänge bewußt-theoretisch oder praktisch durch seine technisch-industrielle Zerstörung der Natur verleugnet, verdrängt, brutal mit Füßen tritt.

Die Tatsache der Allgegenwart der Natur, ihr umfassendes, uns und alles Existierende bestimmendes und durchdringendes Sein kann der moderne Massenmensch, bis hinauf zu den intellektuellen politischen, ökonomischen, industriellen Eliten, zwar mental verdrängen, das ändert jedoch nichts an der Tatsache selbst. Diese muß aber heute angesichts der ökologischen Krise wieder ins allgemeine Bewußtsein gehoben werden, was um so dringlicher ist, als ja diese Krise auch daraus resultiert, daß der moderne technokratische Mensch glaubte, sich über die Natur und ihre Gesetze erhe-

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ben, sich von den Notwendigkeiten der Natur emanzipieren zu können. Nur auf diese Weise konnte er dem Irrglauben anhängen, die Natur sei nur Rohstoff, Ressource, Objekt; die Materie, auch die lebende bis in ihre höchsten Formen (mit Einschluß des menschlichen Leibes) sei reines Material, chaotische Masse, einfache Faktizität, bloßes Vorhandenes, dessen Strukturen und Gesetzmäßigkeiten des Wirkens, soweit er dieser überhaupt ansichtig wurde, für reine Zufallsprodukte gehalten wurden.

Das Wissen darum, daß der Mensch ein Teil der Natur ist, ist (wieder-)erlernbar. Aber es ist noch nicht mit dem Öko-religiösen Bewußtsein unserer Einheit mit der Natur identisch. Wie entsteht dieses Bewußtsein? Antwort: Das Wissen um die Einbettung in die erhabene Einheit alles Lebendigen, der Natur insgesamt, muß zum Erlebnis werden. Ökologische Religiosität ist selbst Leben, genauer: die Innenseite des Lebens, die Innerlichkeit der Natur. Sie ist Erleben des Lebens in seiner Einheit, seinen allesumfassenden Beziehungen, Zusammenhängen, Vernetzungen. Ökologische Religiosität ist die intimste, subtilste, sensibelste, emotional empfindsamste Weise, die Natur in ihrer Tiefenmelodie der Einheit alles Seienden wahrzunehmen, das innere Strömen des Lebens der Natur zu entdecken, im Gleichklang mit ihr mitzuschwingen.

Einige Zweige der modernen Psychologie, vor allem die humanistische und die transpersonale Psychologie, haben es sich zur Aufgabe gemacht, menschliche Spitzenerfahrungen, kosmische und transpersonale Erlebnisse zu analysieren, in denen das Einssein mit der Natur, dem Universum zur religiös-spirituellen Gewißheit wird. Aber auch verschiedene Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaft verdichten sich heute zu der Einsicht, der George Leonard folgenden unvergleichlichen Ausdruck gegeben hat: »In jedem von uns, so unvollkommen er auch sei, schlägt ein lautloser Puls von vollkommenem Rhythmus, ein Komplex von Wellenformen und Resonanzen, der absolut individuell und einzigartig ist und uns gleichzeitig mit dem ganzen Universum verbindet. Gelingt es uns, dieses Pulsschlages innezuwerden, dann kann sich unsere persönliche Erfahrung von Grund auf verändern und damit in gewisser Weise auch unsere Umwelt.«114)

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Die Innewerdung dieses Pulsschlages, des vollkommenen Rhythmus, der uns mit dem Gesamtrhythmus des Kosmos verbindet, das ist Ökologische Religiosität. Ökologische Religiosität ist sozusagen die Musik, die Seele, die Innenmelodie unseres faktischen, oft aber kaum gefühlten oder empfundenen Einsseins mit der Natur. Unsere Existenz, der Kosmos, jedes lebende Wesen, alles Seiende der Natur ist Schwingung, Resonanz, Bewegung, Rhythmus, Musik, Tanz. Die intime Bewußtmachung dieses Sachverhalts, das Zum-Erlebnis-Bringen dieses Tatbestandes ist Religion. »Alles ist Eins, alle Lebensformen sind Teile des immerwährenden Tanzes der Materie/Energie, der anschwillt und verebbt, anschwillt und verebbt«. Wer die Natur und seinen eigenen Geist aufs genaueste beobachtet und erlebt, erfährt »die profunde Wahrheit des Eins-Seins und des ewigen Strömens... sogar bis hin zur Ebene der winzigsten Schwingungen, die unaufhörlich in uns und um uns herum vibrieren.«115

Das alles klingt zunächst für den zum erstenmal davon Hörenden befremdlich, vielleicht sogar unglaubwürdig. Aber vieles deutet darauf hin, daß die Tiefenstruktur der Musik identisch ist mit der Tiefenstruktur des Universums der Natur. Das würde auch erklären, warum große Musik und echte Religion so eng verwandt sind, so daß selbst ein skeptisch-pessimistischer und oft sehr rational-diskursiv vorgehender Denker wie Schopenhauer sich zu der Äußerung veranlaßt fühlte, nichts sei so befähigt, Menschen unmittelbar ins Transzendent-Metaphysische vorstoßen zu lassen wie die grandiosen Schöpfungen der Musik. Vor zweieinhalb Jahrtausenden behauptete der Philosoph und Mathematiker Pythagoras vor seinen Anhängern, daß selbst ein Fels Musik, steingewordene Musik sei. Und im 17. Jahrhundert war der große Astronom Johannes Kepler, der die Gesetze der Planetenbewegungen erarbeitete, fest davon überzeugt, daß jeder der Planeten seine eigene spezifische Musik habe. Er verwendete sogar viel Zeit dafür, die Musik, die Eigenmelodie jedes Planeten anhand seiner Umlaufbahn um die Sonne zu errechnen.

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Der große Johann Sebastian Bach produzierte die monumentalsten musikalisch-religiösen Kunstwerke. Dieses musikalische Genie schuf seine Kompositionen auf der Grundlage intuitiver Aneignung der Sphärenmusik des Universums. Empirisch gesehen, war er in vieler Hinsicht bildungsmäßig unterentwickelt. Man denke an seine vielfach belegte Unwissenheit, seine grammatikalischen Fehler, seine konfuse Diktion, seine häßliche Handschrift. »Dennoch nahm er am Himmel Maß und reproduzierte in Klängen die großartigsten kosmischen Kreisläufe.«116

Der große Vertreter der Romantik, Novalis, sprach von der »unendlichen schöpferischen Musik des Weltalls«117 und generell hat man von den Großen der Musik gesagt, es werde »in großen Intervallen ... ein Mozart geboren, um uns die Verbindung vor Augen zu führen, die zwischen dem individuellen Bewußtsein und der Form des kosmischen Ganzen möglich ist«.118

Die in keinem Jahrhundert der Vergangenheit ganz untergegangene intuitive Gewißheit einer musikalischen, mystischen inneren Ordnung der Natur läßt sich heute mit zahlreichen wissenschaftlichen Belegen erhärten. Die Eigenschaften der kleinsten Teilchen der Natur, der subatomaren Partikeln, sind durch ihren »Gesang«, d. h. durch Frequenz, Muster und Obertöne ihrer speziellen Schwingungen bestimmt. Auch die vier Grundkräfte der Natur,119 alle Formen von Strahlung und alle Informationen und Kommunikationen in der Natur (teilweise auch in der Menschenwelt) haben im selben Sinne ihren »Gesang«. Allen Dingen eignen rhythmische Eigenschaften. Jede Form von Strahlungsenergie, wie Radiowellen, Wärme, Licht, Röntgenstrahlen usw., zeichnet sich durch bestimmte Schwingungsraten aus, die man in einer aufsteigenden Reihe anordnen kann. Das dabei entstehende elektromagnetische Spektrum umfaßt die gewaltige Dimension von 70 Oktaven (das sichtbare Licht bildet nur eine dieser Oktaven!). Alle »Töne« in diesem Spektrum haben ihre eigenen harmonischen Obertöne; bestimmte, in Oktavintervallen auftretende Ähnlichkeiten sind feststellbar. Auch die Periodentafel der Elemente, auf der alle chemi-

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schen Elemente in der Reihenfolge ihres Atomgewichts angeordnet sind, besteht aus sieben Oktaven. Sodann lassen sich Lebewesen sachlich begründet als rhythmisch pulsierende, rhythmisch sich verändernde Funktionsgestalten deuten. Sie sind Oszillatoren. Man nehme den einfachsten einzelligen Organismus: er oszilliert in jedem Bereich seines Seins, auf der atomaren und molekularen, der subzellularen und zellularen Ebene in einer Reihe verschiedener Frequenzen. Ein so hochorganisiertes Lebewesen wie der Mensch ist ein Komplex fast zahlloser Oszillationsfrequenzen und der Wechselwirkungen zwischen ihnen. Unsere inneren Systeme, wenigstens die meisten von ihnen, funktionieren in rhythmischen Beziehungen. Aber nicht nur die inneren Rhythmen unseres Organismus' sind aufeinander abgestimmt, wir stellen uns auch synchron zu den Rhythmen der Außenwelt ein. Körperliche und psychische Befindlichkeit, Empfindungen, Zustände sind immer auch unter einem bestimmten Gesichtspunkt die Resonanz, die harmonische Reaktion auf den Tages- und Nachtzyklus, auf die Gezeiten, auf den Rhythmus des jahreszeitlichen Umlaufs der Erde um die Sonne, vielleicht sogar auf umfassendere kosmische Rhythmen, die die Wissenschaft möglicherweise bald entdecken wird. Wo diese harmonische Reaktion nicht anzutreffen ist, haben wir es mit mangelndem Wohlbefinden oder Krankheit zu tun.

Die biologische Rhythmusforschung steckt ja im großen und ganzen noch in den Anfängen. Doch vermochte sie bereits einige sichere Erkenntnisse an den Tag zu bringen. Danach zeigen lebende Organismen in ihrem Verhalten eine wesenhafte — rhythmische, periodische oder synchrone — Beziehung zur Zeit. Die Zeitstruktur lebender Organismen ergibt sich durch biologische Rückkopplungs- oder Feedback-Systeme, die, sobald sie sich gebildet haben, spontan oszillieren, jedoch auch mit der Umwelt synchron sein können. Die Natur, hier als physisches Universum verstanden, wirkt auf und in uns durch ihre verschiedenen Zeitstrukturen, durch die Tages- und Nacht-, sowie die lunaren und jahreszeitlichen Zyklen. Alle Lebensformen, auch der Mensch, stehen in Resonanz mit diesen Zeitstrukturen, die physiologische Welt schwingt mit der physischen »zeitgemäß« mit.

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Freilich hat der Mensch durch die Technik, das künstliche Licht, durch Luft- und Raumfahrt, Unterseebootreisen usw. eine gewisse Trennung von der Natur, hier: von den Zeitabfolgen der Natur, vollzogen und damit verschiedene Rhythmusstörungen in Kauf genommen, aber einige Biochronologen warnen schon, weil auch in dieser Trennung ein Grund für den in den Bereich des Wahrscheinlichen gerückten Untergang unserer Spezies liegen könnte.

Unbezweifelbar ist heute schon, daß Individuen mit verminderter Fähigkeit zur Synchronisierung ihres biologischen Oszillators mit der Umwelt krank werden. Dies gilt, obwohl der »Mechanismus«, wie lebende Organismen, also biologische Oszillatoren sich mit denen der Umwelt synchronisieren, in der biologischen Rhythmusforschung (auch Biochronologie genannt) noch weitgehend im dunkeln bleibt. Denn auch das Umgekehrte ist möglich, nämlich daß ein Organismus spontan schwingen kann, obwohl die Umwelt unverändert bleibt. Es gibt z.B. bei Menschen und auch bei Tieren und Pflanzen einen autonomen 24-Stunden-Rhythmus, der spontan ist und sich bei konstanten Umweltbedingungen durchhält. Aller Wahrscheinlichkeit nach bestehen auch zu diesem sog. zirkadianen Rhythmus lunare und jahreszeitliche Gegenstücke.

Fest akzeptiert ist heute in der Fachwelt die Definition des lebenden Organismus als eines sehr komplexen Feedback-Systems mit unerhört großen Möglichkeiten und Fähigkeiten für periodische Tätigkeit. Viele Biologen sind obendrein heute schon überzeugt, daß wir durch die Art und Weise, wie ein lebendiges System sich bewegt, mehr über es erfahren als durch seine Morphologie allein. Dabei hat man sich in etwa darauf geeinigt, eine Bewegung, einen Vorgang als rhythmisch anzuerkennen, bei dem nachgewiesen werden kann, daß er eine periodische Komponente enthält, die auf das Vorhandensein eines stabilen, ihn erzeugenden Mechanismus hinweist.

In der biologischen Rhythmusforschung sucht man intensiv nach dem Grundrhythmuszentrum oder nach der »Uhr«, die die vielen Schwingungsformen des Verhaltens auf allen Ebenen des lebenden Organismus, auf der zellulären, metabolisch-humoralen, neuroendokrinen und zerebralen, leitet.

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Da biologische Rhythmen bei allen Tieren und Pflanzen, mit (wahrscheinlicher) Ausnahme der Bakterien und Viren, anzutreffen sind, liegt die Annahme eines Zusammenhangs zwischen biologischer Uhr und Zellkern-Struktur nahe. Eine permanente Reproduktion zirkulärer DNS (Desoxyribonukleinsäure) könnte die Hauptuhr des biologischen Organismus regulieren. Jedenfalls müssen wir annehmen, daß die »Zentraluhr« universell ist, d. h. für praktisch alle biologischen Arten von Protozoen und Algen bis hinauf zu Säugetieren und Vögeln gilt.

Es ist hier völlig unmöglich, das ganze Spektrum der biologischen Rhythmen auch nur aufzuzählen. Das ist an anderer Stelle auch schon mehrfach geschehen.120 Wir können nur generell zusammenfassen, daß von den kleinsten subatomaren Partikeln der sogenannten unbelebten Materie über die lebenden Organismen, mit Einschluß des menschlichen, bis hin zu den Galaxien und Metagalaxien, die Natur eine Welt von Vibrationen, Schwingungen und Rhythmen ist. Der Atomkern ist im Grunde nichts anderes als ein oszillierendes Feld, als rhythmische Wellen. Innerhalb des Kerns sind Protonen, Neutronen und auch die kleineren Teilchen, bis hin zu den merkwürdigen subatomaren Einheiten, die wir Quarks nennen, letztlich keine festen Partikeln, sondern bloße Schwingungen, Beziehungen und Schwingungsmuster. Auch die Moleküle, die unseren Körper und den der Pflanzen und Tiere bilden, sind Schwingungsmuster. Sie bestehen ja aus Atomen, die im Molekülverband um ihren festen Platz tanzen und dabei bisweilen, in übereinstimmendem Rhythmus mit ihren Partnern, die Position tauschen. Die Muskelfasern unseres Fleisches, des Fleisches aller lebenden Organismen, bestehen aus langen, wohlgeordneten Molekülspiralen. Alle diese Moleküle schwanken wie Getreide im Wind. Aber es sind unsichtbare Wellen, die viele Billionen Male in der Sekunde pulsieren, durch welche die Moleküle unseres Körpers miteinander verbunden sind und in ihrer Position festgehalten werden. Woraus besteht also der Körper, fragt G. Leonard. »Er besteht aus Leere und Rhythmus.

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Im Innersten des Körpers, im Herzen der Welt gibt es keine feste Materie. Es gibt nur den Tanz«,121 denn dieser Tanz ist universal: »Ob wir nun auf der Suche nach dem Proton sind oder nach den Energiemustern innerhalb des Protons, die man als Quark bezeichnet, ob wir es mit Galaxien oder großen Anhäufungen von Galaxien zu tun haben, schließlich haben wir es immer mit tanzenden Feldern von Rhythmen und Beziehungen zu tun.«122

Wie gesagt: Die tiefe Bewußt- und Innewerdung dieses Sachverhalts, daß der Mensch eine Form rhythmischer Wellen ist und innerhalb der Natur als dem Gesamtfeld rhythmischer Wellen im Gleichklang mit allem existiert oder existieren soll — auch das ist Ökologische Religiosität. Gute und große Musik kann ein Vehikel zur Ökologischen Religiosität sein, weil sie uns die Rhythmik der Natur und aller Dinge und Lebewesen plausibel und fühlbar, weil sie uns für die Annahme aufgeschlossener macht, die Musik spiegele in der Form von Klängen die Strukturen des Universums wider. Wir können dann eher glauben, daß das letzte Zentrum des Universums der Natur Rhythmus und Tanz ist, die sich im Spiel geordneter Frequenzen in der Dimension der Zeit auseinanderfalten, daß nach einem ähnlichen Modus wie Musik auch das Universum der Natur, der Objekte und Ereignisse entstanden ist bzw. noch ständig entsteht, weil alles aus Schwingungen besteht.123

So mancher hat schon Momente des vollkommensten Rhythmus erlebt. Oft spielten dabei Musik und Tanz eine entscheidende Rolle, weil sie am ehesten befähigt sind, den Pulsschlag des Körpers mit dem Rhythmus des Universums eins werden zu lassen (Verschmelzungserlebnis). Es gibt Tage, an denen wir uns ganz besonders harmonisch fühlen, den Eindruck haben, mit allem, was existiert, synchron zu schwingen. Ein Gefühl der Allverbundenheit erfüllt uns, zugleich haben wir die feste Gewißheit, daß es so richtig ist, daß wir an der richtigen Stelle des Universums postiert sind, von wo aus auch alle anderen Dinge aus unserer Perspektive die richtige Ordnung und Einstufung aufweisen.

Ökologische Religiosität besteht darin, durch die Fassaden des Rollen-Ich, der Gewohnheiten und Vorurteile zu jenem Quellpunkt der eigenen

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Existenz vorzustoßen, der den wahren, vollkommenen Rhythmus hervorbringt, der jeder sein sollte und in seiner tiefsten Schicht auch ist.

Der Durchbruch zu dieser Quelle, die erkenntnismäßige Und praktische Identifizierung mit ihr führt automatisch zum Gleichklang mit der Gesamtnatur, mit all ihren Schwingungsfeldern, mit allen anderen Zentren des vollkommenen Rhythmus. Dann erst wäre die wirkliche Gesamtökologie des Universums erreicht, wenn dieser Durchbruch bei allen Menschen, bei allen intelligenten Lebewesen überhaupt stattgefunden hätte. Im letzten war jede Religion, waren vor allem die großen Weltreligionen einzig und allein der Versuch, Wege zu jenem vollkommenen Rhythmus aufzuweisen und zu bahnen, der im Innersten jeder menschlichen Psyche schwingt. Heilige, große Yogis und Gurus waren stets die Sinnbilder und »Beweise« dafür, daß diese Wege realisierbar sind. Ihre Strahlkraft, ihre innere und äußere Harmonie, vor allem aber ihre Macht heiligenden Einflusses auf die Umgebung, ihre Wunderheilungen galten als Symptome und Indikatoren dafür, daß sie den vollkommenen Rhythmus im Innersten ihrer Existenz gefunden hatten und daß dieser die Resonanz, der Widerhall der fundamentalen Verbundenheit ist, der ein entscheidendes Wesensmerkmal der Gesamtnatur darstellt. In diesem Sinne kann man in bezug auf das tiefste Anliegen aller Religionen mit dem großen T. S. Eliot sagen: »Es gibt nur den Tanz«, nämlich als die Harmonie aller Bewegungen und Schwingungen im Kosmos.

Das alles kann man selbstverständlich mit einem überlegenen Lächeln abtun. Aber es gibt doch viele Hinweise darauf, daß die eben vorgetragene Sicht den tiefsten Intentionen des Universums zumindest sehr nahezukommen scheint. In der Pädagogik z. B. kommt man immer häufiger darauf, daß Tanz und Musik, die Verschmelzung rhythmischer Klänge mit der Bewegung, den (sonst eher abstrakten) Lernprozeß fördern, beflügeln, intensivieren. Bekannt ist ja auch, daß Schädigungen des Gehörs, das uns mit der Welt der Töne verbindet, für den Lernprozeß und überhaupt die Lernfähigkeit meist störender sind als Beeinträchtigungen des Sehvermögens.

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Nachgewiesen ist ferner, daß Kinder und Erwachsene mit Lernstörungen häufig ein mangelhaftes Rhythmusgefühl haben. Eine Reihe privater, freier Schulen begreift und praktiziert inzwischen Lernprozeß und Leben als eine Einheit. Man versucht, den Lernprozeß im Leben zu lassen. Er soll keine aufgesetzte Motivation sein, sondern eine fließende Bewegung, die aus der Lebendigkeit des Menschen entspringt, mit ihr konform schwingt. Die Räume und Zeiten des Lebens, seine unterstützenden und konfrontierenden Begebenheiten sollen auch Teile des Lernprozesses sein, so daß durch Lernen das Leben selbst in jedem menschlichen Individuum wächst. Lernen müßte in solch einer Perspektive ebenso viel Spaß machen wie Tanzen oder Schwimmen. Hier eröffnen sich noch sehr ergiebige Möglichkeiten für eine Pädagogik, die sich strikt weigert, das Lernen vom Leben abzutrennen, durch unbiologische Lern- und Lehrmethoden Lebenszeit verlorengehen zu lassen.

In der Psychiatrie gibt es eine Richtung, die das autistische Kind als Bündel widersprüchlicher Rhythmen zu sehen versucht und die Heilung darin erblickt, daß es den Pulsschlag vollkommenen Rhythmus findet, der jedem menschlichen Individuum einzigartig-unwiederholbar eignet und es zugleich mit dem Ganzen des Lebens, der Natur schwingungsmäßig versöhnt. In der Verhaltensforschung hat man bemerkt, daß Rhythmus und Takt wesentliche, keineswegs nebensächliche Elemente der Verhaltensorganisation und Kommunikation sind. Kommunikation ist bei Menschen wie bei den meisten Tieren als eine Art von Tanz auffaßbar, bei dem alle Beteiligten differenzierte, aber synchron abgestimmte Bewegungen ausführen. Mit den Bewegungen werden verschiedenste subtile (bei den Menschen unterhalb der Ebene der Sprache, der Verbalisierung liegende) Inhalte vermittelt, ohne daß sich die Beteiligten dessen reflex bewußt sind. Auch der Laie kann ja ohne weiteres feststellen, daß bei einem engagierten, echten Gespräch Sprecher und Zuhörer eine »Schwingungs«-Einheit bilden.

Aber schon ein normales neugeborenes Menschenkind bewegt sich synchron mit den Sprechmustern der mütterlichen Stimme, obwohl es

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die Begriffe der Sprache der Mutter noch gar nicht versteht.

Dagegen hat man bei autistischen, bei lese- und lernschwachen Kindern verzögerte Reaktionen auf akustische Reize ausgemacht. Für sie ist die Welt dissonant. An sich aber scheint es so zu sein, daß schon das Gehirn der normalen Kleinkinder eine Einheit ist, die mit der fortlaufenden rhythmischen Einheit, die diese Welt darstellt, verschränkt ist. »Wenn ein Kind geboren wird, trägt es die Ordnung der Welt bereits in sich.«124 Die Ökologie unseres Daseins besteht in der Fähigkeit, Welt zu haben, genauer, in dem Vermögen, mit ihr in Resonanz zu schwingen. Das Wissen, die Überzeugung, das Gefühl, die Empfindung, eins mit der Gesamtnatur zu sein, ist für die geistig-psychisch-körperliche Gesundheit des Menschen von entscheidender Bedeutung. Psychopathologie und Neurosenlehre erklären neuerdings neurotische Verhaltensänderungen und auch psychotische Umstrukturierungen der Persönlichkeit immer häufiger als Störungen der Kommunikation und Interaktion nicht nur mit den anderen Menschen, sondern auch mit der Welt, mit der Gesamtwirklichkeit. Dabei kommt es, so darf hinzugefügt werden, keineswegs immer auf eine subordinative Anpassung an die Mit- und Umwelt an, man kann auch eine neue Existenz- und Aktionsmelodie, ein neues Schwingungsfeld in die Welt setzen und damit eine neue Resonanzbewegung der Welt auslösen. Sodann kann man im Bereich der Inneren Medizin eine ganze Reihe von funktionellen Störungen und selbst von Krankheiten heute kommunikationstheoretisch und kybernetisch als Regel-, Betriebsund Schwingungsstörungen betrachten und behandeln. Auch die Neurophysiologie orientiert sich in zunehmendem Maße kommunikationstheoretisch und stellt in diesem Zusammenhang das zentrale Nervensystem als ein Netzwerk dar, das sehr schnell ablaufende Kommunikationsprozesse ermöglicht, die sich zwischen dem offenen System und seiner Umgebung vollziehen.

Ferner sei auf gewisse Resultate der Linguistik hingewiesen. Die Rolle der Rhythmik bei der Genese und Evolution der Sprachen ist fundamental. »Der Rhythmus ist sicher eines der fundamentalsten Kennzeichen einer gesprochenen Sprache und für ei-

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nen Ausländer oft am schwierigsten zu erlernen... Es steht außer Frage, daß den weitgehenden Veränderungen im Laufe des Übergangs vom Lateinischen zum Französischen eine profunde Veränderung des Rhythmus zugrunde liegt. Der neue Rhythmus hat eine neue Sprache hervorgebracht, er hat die alten Worte umgeformt, Silben eliminiert und die Betonung von Silbe zu Silbe verschoben ... Eine derartige Veränderung von Rhythmik und Betonung ist auch beim Hebräischen gegenüber dem Arabischen und beim Tschechischen gegenüber dem Litauischen, sowie beim Französischen im Vergleich zum Italienischen festzustellen.«125

Kulturpsychologen und -philosophen verweisen darauf, daß von Kulturen ausgesagt werden könne, daß sie eine Sprache haben, aber ein Rhythmus sind. Jedes Volk scheint seinen eigenen Rhythmus zu haben, aber auch von der Rhythmik der Landschaft hat man, haben vor allem Dichter gesprochen.

Auch darauf sei hingewiesen, daß das Wachstum bei vielen Pflanzen rhythmisch oder pulsierend verläuft.126

Wir wissen heute auch, daß wir durch unsere Sinne mit einem sehr breiten Spektrum rhythmischer Schwingungen der Natur in Verbindung stehen. Sinnesorgane lassen sich als Rhythmustransformatoren vor- und darstellen. Selbst für viele schwache Kräfte, wie z. B. Strahlung, elektrostatische und magnetische Felder, Luftionisation, atmosphärische Druckfronten usw. ist der lebende Organismus aufgrund seiner biochemischen Struktur empfindlich. Ein rhythmischer Vorgang ist selbst der Akt der Zeugung. Echte Sexualität gibt es nicht ohne gemeinsamen Rhythmus in den Lebensvorgängen zweier Menschen. Aber selbst bei den meisten Säugetieren und Insekten haben die Bewegungen und Laute, die der Paarung vorausgehen, eine Resonanz, eine Einstimmung und gewissermaßen Einschwingung der körperlich-seelischen Vorgänge zum Ziel. Wir kennen ja inzwischen eine ganze Menge unwahrscheinlich komplexer Balztänze und -rituale bei Tieren. In Anbetracht dessen stellt sich der Akt der Vergewaltigung bei Menschen als die disrhythmischste Aktion heraus.

In vielen Religionen ist aber der Sexualakt nicht nur die Harmonisierung von zwei

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Schwingungsfeldern, nämlich zweier Menschen, sondern zugleich Einschwingung in den Gesamtrhythmus des Kosmos, wodurch auch eine Vergeistigung und Sublimierung dieses Aktes stattfinden kann.

So etwas ist prinzipiell immer möglich, selbst in unserer, diese Möglichkeiten meist vernachlässigenden oder theoretisch und praktisch leugnenden säkularistischen Zivilisation: Es war da — so lese ich in einem Bericht über ein solches kosmisches Erlebnis — ein totales Einvernehmen in jedem Blick, jedem Wort, jeder Berührung, ein Abstreifen jedes Hemmnisses. »An einem bestimmten Punkt ließen sie das Ich, selbst die Begierde hinter sich und gelangten in einen Zustand, in dem es nur das Gefühl des Daseins in seiner ursprünglichsten und vibrierendsten Form gibt. Vielleicht ist es dieser Zustand, zu dem trotz aller verschlungenen Umwege, die wir erfunden haben, jede geschlechtliche Liebe führt. Er wird jedoch in unserer selbstbewußten Kultur selten erreicht.«127

Es ist in diesem Zusammenhang vielleicht nicht uninteressant zu erwähnen, daß, wie neueste Entdeckungen zu beweisen scheinen, selbst Hormone, die bei Sexualität, Schwangerschaft, Pubertätseintritt usw. eine Rolle spielen, von der Natur in rhythmischen Abständen, sozusagen pulsierend abgegeben werden. Das gilt offenbar für das erst vor wenigen Jahren entdeckte Gonadotropin Releasing Hormon (Gonadotropin-Freisetzungshormon), das vom Hypothalamus am Boden des Zwischenhirns ausgeschüttet wird und die darunterliegende Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) dazu anregt, ihrerseits Gonadotropine freizusetzen. Diese Botenstoffe regen dann auf dem Weg über die Blutbahn die Keimdrüsen an und setzen den Ausstoß der Geschlechtshormone Testosteron und Östrogen in Gang, die ja bei der Entwicklung der Geschlechtlichkeit eine wichtige Rolle spielen. Bei der Anwendung des Gonadotropin Releasing Hormons in der Medizin, im Heilbereich, hat sich nun gezeigt, daß das Hormon die Gonadotropin-Ausschüttung der Hirnanhangsdrüse nur dann anregt, wenn es in rhythmischen Abständen, etwa alle 90 bis 120 Minuten, verabreicht wird.

Das scheint seinen tieferen Grund darin zu haben, daß der Hypothalamus sein Gonadotropin-Freisetzungshormon auch

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von Natur aus pulsierend, in rhythmischen Abständen abgibt.

Nutzanwendung dieser Rhythmik: Unter Verwendung elektronisch gesteuerter Kleinstpumpen, die alle 90 Minuten einen Stoß dieses Hormons unter die Haut abgeben, ist es in letzter Zeit immer wieder gelungen, zuvor unfruchtbaren Frauen erstmals eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Dieses Hormon, in Form von Nasenspray verabreicht, leistet auch bei der Behandlung unfruchtbarer Männer gute Dienste.

Auch gewisse ernstzunehmende, selbst für sehr kritische Geister kaum anfechtbare Forschungsergebnisse der Parapsychologie scheinen das öko-religiöse Bewußtsein der Einheit des Menschen mit der Natur zu bestätigen. Wir sagten bereits, daß die Sinne ein Instrumentarium darstellen, das unser Selbst als Komplex organisierter Schwingungsfelder mit allen Schwingungsrhythmen der Welt verbindet und es zur Konstruktion des Bildes führt, das wir uns von der Wirklichkeit machen. Aber im Universum der Natur scheint es noch mehr Verbindungslinien zu geben, außersinnliche Verbindungen zwischen allen Geschöpfen, eine Art »primärer Wahrnehmungsgabe«, die allen Lebewesen immanent ist.128 Immer wieder hat man in Trance versetzte Medien gefragt, wodurch denn Psycho- oder Telekinese, Telepathie und Trancezustände einträten. Stets auch kam die in etwa gleichlautende Antwort, daß dafür Vibrationen verantwortlich seien. Der menschliche Körper bestehe aus einem »Energiekörper« oder einem vibrierenden »Feld«. Werde die Frequenz der Vibrationen dieses Feldes gesteigert, könnten Energie oder »Informationen« aus einer anderen »Dimension« zu uns gelangen.129 Dr. Harold Burr, Professor der Neuroanatomie an der Yale-Universität, war dann der erste, der die unsichtbaren Energiefelder des Körpers wissenschaftlich entdeckte, der nachweisen konnte, daß jede lebende Materie, von der Keimzelle bis zum ausgereiften, erwachsenen Organismus, von elektrodynamischen Feldern umgeben ist und durch sie kontrolliert wird. Burr bezeichnete diese Energiehülle um den Körper als eine Art elektronische Gußform.

Bei der ständigen Erneuerung des Körpers trage dieses Kraftfeld dafür Sorge, daß die neuen Ge-

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webe die geeignete Form annehmen.130

Später erbrachte Dr. Leonard Ravitz, Neuropsychiater, ebenfalls in Yale, den Nachweis, daß der menschliche Geist dieses Kraftfeld um den Körper zu beeinflussen vermag. Ravitz führte Messungen dieses elektromagnetischen Feldes auf der Haut durch und bemerkte dabei, daß er sogar die Tiefe einer Hypnose und geistige Zustände bei den Testpersonen bestimmen konnte. Dieser Forscher ist auch überzeugt, daß die kosmische Strahlung und Gammastrahlung, die Position der Sonne, die Sonnenfleckenstrahlung und andere Störungen des Magnetfelds der Erde und die Mondphasen Einfluß auf die Kraftfelder um unseren Körper ausüben. Er konnte auch die zyklische Natur dieser Einflüsse nachweisen, wodurch er der Wissenschaft der Biorhythmik wichtige Impulse lieferte. Nachweisbar übt z. B. der elfeinhalbjährige Sonnenfleckenzyklus einen fühlbaren Einfluß auf das Wetter, das Pflanzen Wachstum und die Aktivität des Menschen aus.

Gerade die Sowjets, die am wenigsten im Verdacht stehen, einen überweltlichen Geist oder auch nur das Vorhandensein geistiger, von der Materie unabhängiger Zustände beweisen zu wollen, haben in den letzten Jahrzehnten die parapsychologische Forschung stark vorangetrieben, was allerdings im Westen weithin unbeachtet blieb. Auf einen Großteil der Ergebnisse dieser Forschung und die Art ihres methodisch exakten Zustandekommens kann hier nicht eingegangen werden. Es kann hier nur auf einige Resultate hingewiesen werden, die die in einer tieferen Dimension liegende Einheit alles Lebendigen, ja der belebten und unbelebten Natur überhaupt zu bestätigen scheinen. Die Kirlian-Methode der Hochfrequenzfelder und der Hochfrequenzfotografie scheint zu beweisen, daß alle lebenden Zellen eine unsichtbare Strahlung erzeugen, daß aus Pflanzen, Tieren und Menschen seltsame Strahlen und Lichtfelder hervorschießen, die alle anderen lebenden Wesen beeinflussen.

Kraft- und Schwingungsfelder, die ja beispielsweise von Kraftfelddetektoren im Laboratorium für biologische Kybernetik des Physiologischen Instituts der Universität Leningrad als »elektrische Aura« aufgezeichnet wurden, ermöglichen allem An-

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schein nach die Kommunikation unter Fischen, Insekten und auch unter einigen anderen Tierarten.

Auch Wasser, Mineralien, wahrscheinlich noch viele andere Dinge sind von unbekannten Kraftfeldern umgeben, und zumindest manche Menschen sind in der Lage, diese Kraftfelder zu fühlen. Das Kraftfeld des menschlichen Körpers tritt in Wechselbeziehungen zu den Kraftfeldern aufspürbarer Dinge, wenn z. B. der Wünschelrutengänger mit seinem Gerät sich in Bewegung setzt. Es scheint, als ob jedes Lebewesen zwei Körper hat, den für jedermann sichtbaren physischen Körper und einen »Energie-Körper«, den das sowjetische Ehepaar Kirlian in seinen berühmten Hochfrequenzfotos beobachten konnte. Dieser Energiekörper scheint fundamentaler zu sein als der physische. Er ist nicht einfach die (Ab-)Strahlung des letzteren, vielmehr spiegelt der physische Körper das wider, was im Energiekörper geschieht. Störungen des ökologischen Gleichgewichts im Energiekörper beispielsweise einer Pflanze signalisieren schon längst eine Krankheit, ehe diese dann allmählich auf den physischen Körper der Pflanze übergreift. Das Kuriosum liegt hier darin, daß man mit Hilfe des Kirlian-Effekts Pflanzenkrankheiten tatsächlich diagnostizieren kann, bevor sie tatsächlich eintreten. Es gibt Ärzte, z. B. den berühmten Dr. Walter Kilner in London, die auch beim Menschen Diagnosen anhand der Flammen und Farben der menschlichen Aura erstellen. Eine Reihe von Wissenschaftlern in Ost und West vertritt die Ansicht, daß die durchgängige Biolumineszenz, die Lichtstrahlung, die von Menschen, Pflanzen und Tieren ausgeht, weder elektrisch noch elektromagnetisch sei, vielmehr eine noch unbekannte Energieart darstelle. Der deutsche Chemiker Karl von Reichenbach nannte sie schon vor etwas mehr als hundert Jahren, in Anlehnung an den nordischen Gott Odin, etwas pathetisch die »odische Kraft«, um das Allgegenwärtige, Allesdurch-dringende und Allesverbindende dieser Energie auf einen kurzen Nenner zu bringen. Das Allesdurchdringende dieser Kraft zeigt sich z. B. daran, daß, wie beobachtet und nachgewiesen, auf die Tötung von Garnelen, also kleiner Meerkrebse, alle anderen Lebewesen einschließlich Pflanzen in einem weiten Umkreis reagieren.

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»Nichts scheint diese Kommunikation verhindern zu können, nicht einmal Bleiplatten.«131 Tausende von Kubikmetern Seewasser bilden keine Barriere für diese lebendige Kommunikation.

Immer schon haben Dichter und Mystiker behauptet, daß alles, was lebt und existiert, in einer tieferen Dimension seiner Natur ganz eng mit- und untereinander verbunden sei. Nicht wenige von ihnen waren der Meinung, diese Verbundenheit sei telepathischer Natur. Das buddhistische Axiom: »Reißt du den Stengel einer Blume ab, reißt du dir dein eigenes Bein aus« hat als dichterisches Gegenstück den Zweizeiler William Blakes (1757-1827): »Jeder Aufschrei des gehetzten Hasen reißt eine Faser dir aus dem Gehirn.«

Die parapsychologische Forschung scheint die alte ökologische Weisheit der Mystik zu bestätigen, daß alles im Grunde eins sei und die Individualität ein besonderes Vibrations-, Schwingungs-, Energiefeld innerhalb der Sinfonie des Ganzen aller Energien und Schwingungen darstelle. Dem Individuum gehe es nur gut, wenn es die Harmonie in sich und mit dem Ganzen suche. Viele sowjetische Parapsyehologen sind überzeugt, daß Kommunikationsströme im Zickzack unter der unruhigen Oberfläche der Dinge laufen. Insgesamt legt die Parapsychologie ein Bild der Individuen nahe, die wie vulkanische Inseln aus dem Meer aufragen. Doch »unter dem Wasserspiegel fallen sie zum Meeresgrund ab, und durch ihn sind sie alle miteinander verbunden«.132 Mit dieser Ansicht eines bekannten westlichen Parapsyehologen stimmt das Bild des Menschen überein, das in der sowjetischen Parapsychologie allmählich Gestalt gewinnt. Dieses Bild zeigt ihn »als pulsierendes Feld, das dynamisch mit allen anderen Feldern zusammenwirkt, wie ein Ton, der mit allen anderen Tönen in einer Sinfonie zusammenklingt«.133 Gefordert ist eine Kosmobiologie, die das Leben des Menschen, der Tiere und Pflanzen im Gesamtnetz der Einflüsse, Veränderungen, Energieflüsse und Schwingungen des Universums integrativ beobachtet und untersucht.

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Es ist vielleicht recht bezeichnend, daß es im Osten, in der Sowjetunion, eine ganze Reihe bekannter Kosmobiologen gibt, im Westen jedoch kaum ein Wissenschaftler so etikettiert werden möchte. Vielleicht wird einmal die Kosmobiologie eine Einsicht Nietzsches, des genialen philosophisch-psychologischen Vor-Denkers in so vieler Hinsicht, in aller Form wissenschaftlich bestätigen können, eine Einsicht, die er folgendermaßen formuliert hat: »Ich habe für mich entdeckt, daß die alte Mensch- und Tierheit, ja die gesamte Urzeit und Vergangenheit alles empfindenden Seins in mir fortdichtet, fortliebt, forthaßt, fortschließt, — ich bin plötzlich mitten in diesem Traume erwacht, aber nur zum Bewußtsein, daß ich eben träume und daß ich weiterträumen muß, um nicht zu Grunde zu gehn: wie der Nachtwanderer weiterträumen muß, um nicht hinabzustürzen.«134

Vielleicht ist Nietzsches eben angeführte Intuition nur die Innenseite, der Bewußtseinsaspekt des von der modernen Physik entdeckten Sachverhalts, daß »keine Theorie der Realität, die mit der Quantentheorie vereinbar ist, davon ausgehen kann, daß räumlich getrennte Ereignisse voneinander unabhängig sind«,135 daß vielmehr eine wechselseitige Verbundenheit selbst entferntester Ereignisse angenommen werden muß. Wenn die Quantentheorie, die heute von allen ernstzunehmenden Physikern anerkannt wird, funktionieren soll, muß jedes Elektron gleichsam »wissen«, was alle anderen Elektronen im Universum tun, sonst kann es selbst nicht »wissen«, was es zu tun hat. »Jedes Ereignis wird vom gesamten Universum beeinflußt, und obwohl wir diesen Einfluß nicht in Einzelheiten beschreiben können, erkennen wir doch eine Ordnung, die in statistischen Gesetzen ausgedrückt werden kann.«136 Ein Elementarteilchen ist keine allein für sich und unabhängig existierende Einheit. Es ist im Grunde eine Gruppierung von Zusammenhängen mit allen anderen Dingen.

Nimmt man diese Folgerungen aus der Quantentheorie ernst, dann ergeben sich noch kühnere, aber eigentlich unabweisbare Schlüsse in bezug auf unsere Einheit mit der Gesamtnatur.

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Nicht nur die subatomaren Teilchen, sondern alle Teile des Universums, die sich ja aus den ersteren zusammensetzen, einschließlich des Menschen, können nicht als isolierte Einheiten aufgefaßt werden. Vielmehr sind sie nur durch ihre Wechselbeziehungen annähernd wirklichkeitsgemäß definierbar. Die Vision des universalen Naturzusammenhangs des Menschen, die sich auf dieser Grundlage ergibt, hat G. Leonard unübertrefflich zum Ausdruck gebracht. Betrachtet man, was de facto legitim ist, »jedes menschliche Individuum als aus reiner Information in der Form von rhythmischen Wellen bestehend... — Information, die als die infinitisemalen Schwingungen subatomarer Partikel beginnt und sich nach außen als immer umfassendere resonante Hierachien fortsetzt, von Atomen und Molekülen zu Zellen, Organen und Organismen, über Familien, Sippen und Stämme bis hin zu Nationen, Zivilisationen und darüber hinaus«, dann gilt, daß »auf jeder Stufe dieses Weges jede Einheit an das große Informationsnetz angeschlossen ist, welches das Universum darstellt. Auf der fundamentalsten Ebene besteht die Verbindung nicht in der Vermittlung durch die Sinne, sondern liegt in der Struktur, denn wir befinden uns nicht in diesem Beziehungsnetz, sondern sind selbst ein Teil desselben. Als Teil des Netzes ist jeder von uns eine individuelle Identität, und diese Identität kann am leichtesten als eine Wellenfunktion, ein einzigartiger rhythmischer Pulsschlag ausgedrückt werden. Gleichzeitig ist jeder von uns paradoxerweise ein Holoid des Universums, und auch dieses Holoid drückt sich in Form von Wellenfunktionen aus. Wir sind mithin sowohl individuell als auch universell, und das Netz von Beziehungen schließt beide Aspekte unseres Seins ein... wir sind vollständig, unlösbar und absolut mit allem Existierenden verbunden.«137

Der nächste Schritt der Evolution dürfte darin bestehen, uns dieser Verbundenheit in leuchtend und eindringlich klarer Weise bewußt zu werden. Das wäre die stärkste Motivationsbasis für eine künftig nur noch ökologische, ökologisch-gerechte Behandlung aller Dinge innerhalb des einen, umfassenden Naturzusammenhangs.

Ökologische Religiosität greift diesem Evolutionsprozeß zunehmender Bewußtwerdung der Einheit des Menschen mit der Natur schon voraus, denn relativ unabhängig von allen wissenschaftlichen Hinweisen, Nachweisen, Beweisen, die hier angeführt wurden, war echte Religiosität zu allen Zeiten immer schon Erfahrung des vollkommenen Rhythmus im Innersten der menschlichen Geist-Seele-Leib-Einheit und Bewußtsein der Harmonie dieses Rhythmus mit allem, was existiert, mit allen Schwingungsfeldern und -mustern der universalen Wirklichkeit. 

Die hinduistische Formel »tat tvam asi« (»Das bist Du«), die das eigentlich religiöse Erleben als Bewußtwerdung der Identität aller Dinge und der Immanenz von allem in allem interpretiert, legt ebenso Zeugnis von jener religiös erfahrenen Einbettung des individuellen menschlichen Rhythmus in den Gesamtrhythmus der Natur als der umfassenden Allwirklichkeit ab wie der schlichte Bericht eines 17jährigen, dem auf einer verlassenen Insel an der amerikanischen Ostküste die grundlegende Sinngewißheit seines Lebens zuteil wurde: 

»Die ganze Zeit hatte ich das Gefühl der Harmonie auf allen Ebenen. Ich spürte, daß alles aus einem Grund geschah, einem Zweck diente... Ich erlebte ein tieferes Gefühl des Friedens, als ich es je gekannt hatte. Selbst körperliche Anstrengung war beruhigend, da etwas in mir, das normalerweise immer irritierend und antreibend wirkte, zur Ruhe gekommen und nun zu einem friedlichen und harmonischen Austausch fähig war. Wenn ich auch physisch von ihnen getrennt war, kannte ich doch einen Baum, Sandkörner, das Meer, fliegende Vögel. Alles war Gott, heilig; da Gott überall ist, war auch das Stück Treibholz heilig. Das muß es sein, worum es in der Religion geht. Niemals habe ich mich vorher oder nachher so lebendig gefühlt. Ich existierte jetzt, nicht einen Schritt zurückbleibend oder an die Zukunft denkend. Ich atmete wie das Meer. Ich hätte einem anderen Menschen ins Auge fliegen können wie Sand.« 138) 

Das religiös-ökologische Bewußtsein unserer Einheit mit der Natur kann uns ein solcher Text wie der eben angeführte nahebringen. Aber dieses Bewußtsein bezieht sich nicht nur auf unseren Naturzusammenhang, sondern auch auf unsere Aufgabe und Rolle in der Natur, wovon im nächsten Abschnitt zu sprechen sein wird.

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