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bolo'bolo  — Die Grundrisse für das Projekt

 

 

Substruktion ist ein Prozess und ein Projekt in einem. Was die Maschine «ersetzen» wird, ist zugleich das, was sie auflöst. Vom konkreten Verlauf dieser Gegengeschichte hängt es also ab, welche «Utopie» dabei verwirklicht wird. Die Wünsche, die wir jetzt gegen die Maschine mobilisieren, werden sich dabei verändern. Unser Projekt ist also kein Programm, das nur noch ausgeführt werden müsste — es ist ein provisorischer Vorschlag, ein Ausgangspunkt. 

Trotz dieses «offenen Endes» ist es notwendig, dass wir uns jetzt schon darüber verständigen, wohin unsere Wünsche zielen und welche Grenzen wir für akzeptabel halten. Für diese Verständigung brauchen wir eine gemeinsame Sprache, eine Art Wunschgrammatik.

Einige Grundzüge eines Projekts lassen sich auf Grund des heutigen Stands der Diskussionen und Forschungen schon skizzieren. Es ist klar, dass wir kleinere, autonome, ja autarke Gemeinschaften aufbauen müssen, damit die Maschinen-Mechanismen Geld, Grossindustrie und Staat überflüssig werden. Andererseits ist es nicht mehr möglich, zum noch freieren Leben der Jäger und Sammlerinnen zurückzukehren, weil die natürlichen Grundlagen zerstört und wir zu zahlreich sind. Über die Größe dieser Gemeinschaften (bolos), über ihre Beziehungen untereinander, über zusätzliche Organismen, über die Verwen­dung der Technologien usw. müssen wir uns unterhalten können. 

Diesem Zweck dient bolo'bolo.

*

An Vorstellungen über eine post-industrielle Gesellschaft fehlt es heute nicht mehr: Ausbruch des Wassermann-Zeitalters, Paradigmenwechsel, Quartärgesellschaft, Dualwirtschaft, Ökotopia, Dezentralisierung, Rhizom, Vernetzung, kleine Kreisläufe, Sanfte Technologie — so lauten einige Stichworte der zunehmenden alternativen und ökologischen Literatur. Es ist von epochaler Krise, grosser Wende, Endzeit, Neuem Zeitalter, die Rede. Die Ökologie liefert wertvolles Material über die Grenzen, die uns heute gesetzt sind. Es ist wichtig, sie zu kennen. 

Was aber fehlt, sind Ideen für die neuen Möglichkeiten, den neuen Reichtum, der sich uns auftut, wenn wir die Maschine hinter uns lassen. Und oft sind diese Alternativ-Theorien unvollständig oder naiv, wenn es um die Frage der Zerstörung der Maschine, um die Strategie, geht. 

Es fehlt auch die wirklich planetare Sicht; meist sind die Vorschläge nur partiell (Energie, Verkehr, Gesundheitswesen) oder betreffen nur die fortgeschrittenen Industrie­gesellschaften. bolo'bolo ist der Versuch, ein planetares Projekt in einigen Grundzügen zu formulieren. Die konstruktiven Aspekte der substruktiven Bewegungen werden so zu einem zusammen­hängenden Bild verbunden. Es ist eine Momentaufnahme unserer (meiner?) augenblicklichen Wünsche und der heutigen Einschätzung der «technisch/biologischen» Grenzen. 

In vielen Punkten werden die Grenzen zu eng gesteckt sein, in anderen die Wünsche zu extravagant. Darum geht es nicht. Wichtig ist, dass eine Verständigung über ein gemeinsames, planetares Projekt gefördert wird. Die Zeit ist vorbei, wo wir uns in partiellen Diskussionen und lokalen Initiativen verzetteln dürfen. Wir leben nur 70 Jahre und Wünsche sind dazu da, noch in einer nahen Zukunft, sagen wir bis 1987, verwirklicht zu werden.

 

Fahrplan

Wenn alles gut geht, kann bolo'bolo bis Ende 1987 verwirklicht werden. Vielleicht dauert es auch ein paar Jahre länger, aber das wäre sehr schade. Für Verzögerungen sind nur wir selbst verantwortlich. Der folgende Fahrplan kann dazu dienen, unsere Fortschritte einzuschätzen:

1984
bolo'bolo-Broschüren, Plakate und Zeichen verbreiten sich weltweit in den wichtigsten Sprachen. ABC-Knoten entwickeln sich in Quartieren und Städten, Selbstversorgungskontakte werden geknüpft. Die ersten Trikos kommen zustande. Aus einigen Dyskos werden Pionier- und Experimental-bolos. In einigen Quartieren studieren Bewohner die Brauchbarkeit von Gebäuden für bolos, sadis usw. Schattenpläne werden angefertigt. Der Automobilverkehr wird überall eingeschränkt und Strassen werden blockiert. Die politische Maschine erleidet an vielen Orten Legitimationskrisen und kann die Kontrolle nur mühsam aufrecht erhalten. Polizei und Armee reagieren schwerfällig.

1985
Es bilden sich Triko- und Dysko-Netze, die immer mehr Alltagsaufgaben erfüllen: gegenseitige Hilfe in der Nahrungs­mittel­versorgung, planetare Patenschaften, Tauschbeziehungen mit Bauern oder Land-Dyskos. Es gibt heftige Auseinander­setzungen um Schattenpläne. Überall entstehen provisorische bolos, die untereinander Kontakte aufnehmen. Der Staat versucht, bolos zu zerstören, erleidet dabei aber Substruktions-Anfälle. Realpolitiker geben sich als Vertreter von bolo 'bolo aus, scheitern aber.

1986
Einzelne Gebiete entgleiten der Maschine, unter anderem in Wales, Schweden, Kolumbien, Estland, Wisconsin, der Schweiz, Nigeria, Sachsen, auf Mindanao und in Südafrika. In diesen Gebieten wird die Landwirtschaft auf Selbstversorgung umgestellt, werden Austauschverträge abgeschlossen und planetare Netzwerke aufgebaut. Gegen Ende des Jahres bildet sich ein planetares Leopardenfell von autonomen Regionen, bolo-Bündeln, Einzelbolos, Reststaaten, Maschinenfragmenten und militärischen «Wehrstädten». Allgemeine Wirren brechen aus. Die Maschine versucht, die bolos militärisch und wirtschaftlich zu zerschlagen und die Reststaaten von Dyskos zu säubern. Meist meutern die Truppen oder erfüllen sie ihre Aufträge nur andeutungsweise. Die beiden Supermächte geben ihr altes Blockspiel auf und schliessen sich zur USSAR (United Stable States and Republics) zusammen. Das erste Projekt der USSAR ist der Aufbau einer neuen, gereinigten Industriezone in Innerasien, Monomat.

1987
Die internationalen Transport- und Kommunikationssysteme brechen zusammen, der Welthandel versiegt. 200 autonome Regionen halten ihre erste planetare Zusammenkunft im nun friedlichen Beirut ab, um erste Schritte für ein weltweites Netzwerk einzuleiten. Planetare Unterstützungsprogramme für Regionen und bolos mit Übergangsschwierigkeiten werden in Gang gesetzt. USSAR kontrolliert nur noch Monomat und einige Dutzend Aussenposten. Seine Säuberungsexpeditionen verlaufen immer wieder ohne Wirkung. Im Herbst sind überall Selbstversorungsstrukturen eingerichtet, der Hunger und die Nationalstaaten sind verschwunden. Im Dezember fliehen die Monomat-Arbeiter in bolo-Gebiete. Einige USSAR-Generäle übernehmen freiwillig die Unschädlichmachung der Atomarsenale und organisieren die Bewachung der radioaktiven Depots. USSAR verschwindet ohne formelle Zeremonie und ohne die rot-weisse Flagge mit dem blauen Stern verbrannt zu haben.

1988-2346
bolo'bolo

2347
bolo'bolo verliert seinen Schwung, als die «Weissen» (eine kulturelle Seuche) sich ausbreiten und alle anderen bolo-Identitäten verdrängen. Es beginnt ein Zeitalter der Beschaulichkeit und des Chaos. Die Weltbevölkerung sinkt auf einige Millionen.

2764
Beginn von YOVUO. Alle Berichte über die Vorgeschichte (bis 2763) sind verloren gegangen. Tawhuac legt ein neues Band ein.

 

 

 


 

1.  ibu

Eigentlich gibt es nur das ibu und sonst gar nichts. Doch das ibu ist unzuverlässig, paradox und pervers . Es gibt nur ein einziges ibu und trotzdem tut dieses so, als ob es mehr als vier Milliarden davon gebe. Das ibu weiss auch, dass es selbst die Welt und die Wirklichkeit erfunden hat und doch glaubt es fest daran, dass diese Einbildungen real sind. Das ibu hätte sich eine angenehme, problemlose Wirklichkeit erträumen können, aber es hat sich darauf versteift, sich eine elende, brutale, widersprüchliche Welt einzubilden. (1)

Es hat sich eine Wirklichkeit zusammengeträumt, in der es ständig von Konflikten, Katastrophen und Krisen geplagt wird. Es ist hin-und hergerissen zwischen Glücksrausch und Trübsal, zwischen Begeisterung und Enttäuschung, zwischen Ruhe und Nervosität. Es hat einen Körper, der jeden Tag 2000 Kalorien benötigt, schnell müde wird, friert, krank wird und es ungefähr alle 70 Jahre wieder aus ihm vertreibt. Lauter unsinnige Komplikationen.

Auch die Welt des ibu ist ein einziger Alptraum. Unnötige Gefahren halten es dauernd in Angst und Anstrengung. Dabei kann das ibu dem ganzen Spuk jederzeit ein Ende bereiten, indem es sich umbringt und verschwindet. Da es nur ein einziges ibu und nur sein von ihm erfundendes einziges Universum gibt, braucht es sich dabei weder um Hinterbliebene, trauernde Freunde, unbezahlte Rechnungen usw. zu sorgen. Sein eigener Tod ist absolut folgenlos. Mit ihm verschwinden für immer Natur, Menschen, Geschichte, Weltall, Logik, einfach alles. Das ibu plagt sich also absolut freiwillig, behauptet aber zugleich, es sei nur ein Teil der Wirklichkeit. Wozu der Selbstbetrug?

Offenbar ist das ibu in seinen masochistischen Foltertraum verliebt. Es hat ihn sogar wissenschaftlich abgesichert und gegen das Nichts abgedichtet. Es definiert Träume als irreal und so wird sein Alptraum der Traum von der Unwirklichkeit des Träumens. Das ibu hat sich selbst in die Wirklichkeitsfalle eingesperrt.

Naturgesetze, Logik, Mathematik, wirtschaftliche Sachzwänge und gesellschaftliche Verpflichtungen bilden die Grenzen der Wirklichkeitsfalle. Da das ibu beharrlich seine eigene Ohnmacht träumt, kommt die Macht von äusseren Instanzen, denen es Gehorsam schuldet: Gott, Leben, Staat, Moral, Fortschritt, Wohlfahrt, Zukunft, Produktivität. Auf Grund dieser Ansprüche erfindet es sich den «Sinn des Lebens», den es natürlich nie ganz erreichen kann. Es fühlt sich dauernd schuldig und wird so in einer unglücklichen Dauerspannung gehalten, in der es sich selbst und seine Macht über die Welt vergisst.

Um sich daran zu hindern, zu sich selbst zu kommen und die Traumhaftigkeit der Wirklichkeit zu durchschauen, hat sich das ibu auch die «andern» ausgedacht. Es bildet sich ein, diese künstlichen Wesen seien wie es selbst. Wie in einem absurden Theater tritt es mit ihnen in «Beziehung», liebt oder hasst es sie, fragt es sie sogar um Rat oder philosophische Erklärungen. Es flieht so vor seinem eigenen Bewusstsein und delegiert es an andere, um es los zu werden. Es macht sich diese anderen fassbar, indem es sie zu Institutionen formiert: Paar, Familie, Verein, Stamm, Club, Volk, Menschheit. Es erfindet sich die «Gesellschaft» und unterwirft sich ihren Gesetzen. Der Alptraum ist perfekt.

Nur wenn sich in seiner Traumwelt zufällig Risse auftun, ist das ibu bereit, sich mit sich selbst zu befassen. Doch statt mit seiner perversen Existenz Schluss zu machen, bemitleidet es sich und bleibt tot am Leben. Der verdrängte Selbstmord hat sich nach aussen in die «Wirklichkeit» verschoben und kehrt von dort als kollektiver Weltuntergang (Atomkrieg, Oekozid, Katastrophe) wieder zum ibu zurück. Da es zu schwach ist, sich selbst umzubringen, muss seine Wirklichkeit es für es tun.

Um sich weiter zu foltern, stellt sich das ibu wunderschöne Utopien, Luftschlösser, Paradiese, harmonische Welten vor, die es natürlich nie verwirklichen kann. Sie dienen lediglich dazu, es in seinem Alptraum festzuhalten, ihm Hoffnung zu machen und es allerlei politischen Unternehmungen, Revolutionen, Anstren­gun­gen und Märtyrien anzutreiben. Das ibu lässt sich mit Illusionen und Sehnsüchten immer wieder ködern. Es ist unbelehrbar. Es vergisst, dass alle Welten, alle Wirklichkeiten, alle Träume und es selbst unendlich langweilig und mühsam sind und dass die einzige Lösung darin besteht, sich sofort ins wohlige Nichts zurückziehen.

 

 


 

2.  bolo

Das ibu ist immer noch da, was will es noch? Hofft es auf einen verbesserten Alptraum? Es ist immer noch allein, aber es glaubt, dass es seiner Einsamkeit entkommen kann, wenn es Übereinkünfte mit den «andern» vier Milliarden ibus abschliesst. Gibt es «sie» wirklich? Man kann nie sicher sein...

Also schliesst sich das ibu mit etwa 500 andern ibus zu einem bolo zusammen. Das bolo ist seine grundlegende Übereinkunft mit andern ibus, ein direkter, persönlicher Lebenszusammenhang. (2) Das bolo ersetzt die alte Übereinkunft, die wir Geld nennen. Im bolo und darum herum erhalten die ibus ihre täglichen 2000 Kalorien, Unterkunft, medizinische Betreuung, alles, was zum Überleben nötig ist und noch viel mehr.

In einem bolo wird das ibu geboren, verbringt es seine Kindheit, wird es gepflegt, wenn es krank ist, lernt es gewisse Dinge, werkelt es herum, wird es getröstet, wenn es traurig ist, kümmert es sich um die andern ibus, trödelt es herum, stirbt es. Kein ibu kann aus seinem bolo vertrieben werden. Hingegen darf es selbst sein bolo jederzeit verlassen und wieder dorthin zurückkehren. Das bolo ist das Heim des ibu auf dem Raumschiff Erde.

Kein ibu ist verpflichtet, in einem bolo zu wohnen. Es kann ganz allein bleiben, kleinere Gruppen bilden oder besondere Abkommen mit bolos schliessen. Es genügt, wenn ein grosser Teil der ibus in bolos leben, damit die Geldwirtschaft nicht mehr zurückkehren kann. Die fast vollständige Selbstversorgung der bolos garantiert ihre Unabhängigkeit. Damit sind sie der Kern einer neuen Form persönlichen, direkten gesellschaftlichen Austauschs. Die bolos sind notwendig, weil sonst die Geldwirtschaft von selbst wieder entsteht.

Ein bolo besteht aus seinen Wohn- und Werkstattgebäuden (sibi) und aus einem landwirtschaftlichen Grundstück (kodu), die zusammen seine Selbstversorgung garantieren. Die landwirtschaftliche Basis kann auch aus Weiden, Alpen, Fischgewässern, Jagdgründen, Palmenhainen, Algenkulturen, Sammelgebieten usw. bestehen, je nach geographischen Bedingungen. Das bolo ist weitgehend selbständig, was die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs, vor allem mit Lebensmitteln, betrifft. Es kann auch seine Gebäude und Maschinen selber unterhalten und reparieren. Damit es die Gastfreundschaft (sila) gewährleisten kann, muss es im Stande sein, zusätzlich 30 bis 50 Gäste oder Durchreisende mitzuversorgen.

Selbstversorung bedeutet keineswegs Isolation oder Verzicht. Die bolos sind im Gegenteil Zentren vielfältiger Beziehungen nach aussen. Sie schliessen Tauschabkommen mit andern bolos ab und gelangen dadurch zu einem grösseren Reichtum an Lebensmitteln oder Dienstleistungen (siehe: feno). Diese Zusammenarbeit kann bi- oder multilateral sein und wird nicht durch eine zentrale Organisation geplant. Die bolos können, gerade, weil sie selbständig sind, frei wählen, ob sie mehr oder weniger autark oder kooperativ sein wollen. Entscheidend ist dabei ihr Lebensstil (nima).

Die Grösse von bolos und die Zahl ihrer Mitglieder können überall auf der Welt etwa gleich sein . Seine Grundaufgaben und Verpflichtungen (sila) sind überall die gleichen. Aber ihre territorialen, architektonischen, organisatorischen, kulturellen Formen sind ganz verschieden. Genauso wie kein ibu wie das andere ist, gleicht kein bolo einem andern. Jedes ibu oder bolo kann seine eigene Identität haben (oder mehr oder weniger darauf verzichten). bolo'bolo ist also kein einheitliches System, sondern ein Flickenteppich kleiner Welten.

bolos brauchen nicht im leeren Raum aufgebaut zu werden - sie sind vielmehr der neue Gebrauch vorhandener Gebäude. In grösseren Städten kann ein bolo aus einem oder zwei Häusergevierten bestehen, aus einer Nachbarschaft, aus einigen zusammenhängenden Bauten. Lauben, Arkaden, Brücken, Überund Unterführungen können die Häuser verbinden. Das Erdgeschoss kann gemeinschaftlichen Nutzungen vorbehalten werden, Mauern können durchbrochen werden, Strassen werden aufgehoben usw. Ein typisches Häusergeviert in einem älteren Stadtteil ergäbe dann etwa folgendes bolo:

 

 

Auf dem Land ist ein bolo ein kleines Dorf, eine Gruppe verstreuter Weiler oder Höfe (z.B. Appenzellerland), oder eine Talschaft. Ein bolo braucht architektonisch nicht zusammenhängend zu sein. Im Pazifik ist es eine grössere Koralleninsel oder setzt es sich aus einigen kleineren Atollen zusammen. In der Wüste ist es eine Nomadenroute ohne festen Ort: das bolo ist unterwegs und all seine Mitglieder treffen sich vielleicht nur ein- oder zweimal pro Jahr zu einem grossen Fest. Auf Flüssen oder Seen können bolos aus Wohnbooten bestehen. Im brasilianischen Dschungel entsprechen sie einem maloka. In Sibirien einer Jäger-Kooperative. Unter stillgelegten Autobahnen kann es «Schlangen»-bolos geben (mit Gärten auf dem «Dach»). Leere Fabrikgebäude, Schlachtschiffe, Paläste, Gefängnisse, Klöster, Höhlen, Museen, Zoos, Regierungsgebäude, Shopping-centers, Fussballstadien, Parkhäuser, Kasernen, können bolos beherbergen. bolos können sich überall einnisten - gemeinsam haben sie nur ungefähre Grösse und die Regeln der Gastfreundschaft (sila).

Einige mögliche Formen von bolos:

 


3. sila

 

Vom einzelnen ibu aus gesehen besteht die Aufgabe der bolos darin, sein Überleben zu sichern, sein Leben angenehm zu machen, ihm ein Heim zu geben oder es aufzunehmen, wenn es unterwegs ist. Die Abmachung zwischen den ibus und der Gesamtheit der bolos (bolo'bolo) heisst sila. Das ibu hat ja kein Geld (3) (und auch keinen Job!) und ist auch nicht verpflichtet, sich einem bolo anzuschliessen (eine solche Verpflichtung wäre ihr Tod). Und so pflegen die bolos eine allgemeine Gastfreundschaft (4) gegenüber allen ankommenden Einzel-ibus. Jedes bolo ist zugleich ein Hotel, jedes ibu ein möglicher (nicht zahlender) Gast. (Wir alle sind ohnehin nur Gäste auf diesem Planeten.)

sila umfasst also mindestens folgende Abmachungen:

taku Jedes ibu bekommt von seinem bolo einen Behälter aus solidem Material (50 x 50 x 100 cm), über dessen Inhalt es als sein exklusives Eigentum verfügen kann. (siehe unten)

yalu Jedes ibu bekommt in jedem bolo mindestens eine Tagesportion ortsüblicher Nahrung von 2000 Kalorien.

gano Jedes ibu erhält in jedem bolo Unterkunft während eines Tags.

bete Jedes ibu erhält überall die best mögliche medizinische Betreuung.

fasi Jedes ibu kann überallhin reisen, wo es will es gibt keine Grenzen, (siehe: sumi)

nima Jedes ibu kann seine Lebensweise, Kleidung, Sprache, sein Liebesleben, Religion, Philosophie, Ideologie usw. selber bestimmen, praktizieren und verbreiten wo und wie es will.

yaka Jedes ibu kann jedes andere ibu oder eine grössere Gruppe gemäss den Regeln zu einem Duell herausfordern.

nugo Jedes ibu kann von seinem bolo eine Kapsel mit einem tödlich wirkenden Gift erhalten und sich jederzeit umbringen. Es kann zu diesem Zweck auch Hilfe verlangen.

 

 

Solche Abmachungen hängen ganz davon ab, dass es überall viele bolos gibt, denn vereinzelte ibus wären nie in der Lage, sie sich gegenseitig zu gewährleisten (ausser, sie organisierten ihre wechselseitige Anonymität als Staat und gäben damit ihre Selbständigkeit ganz auf). Die bolos sind eine Art Kompromiss der ibus, um eine minimale Überlebensgarantie und Bewegungsfreiheit zu erhalten. Die bolos sind gross genug, um zu diesem Zwecke etwa 10% mehr Nahrung, Unterkunft, medizinische Dienst usw. bereit zu stellen, ohne dass es arbeitsmässig gross ins Gewicht fällt. Grössere Verbände (Quartiere, Städte) können den bolos einen Teil dieser Verpflichtungen abnehmen oder dann einspringen, wenn mehr als 10% Gäste auftauchen (das vor allem auch bei Festen, Stammestreffe usw.). Umgekehrt sollte ein bolo auch das Recht haben, Gäste abzuweisen, wenn es schon mehr als 10% zusätzliche Bewohner beherbergt. All das hängt sehr von den jeweils herrschenden Traditionen und dem Verhältnis zwischen Gastgebern und Gästen ab.

 

Von unserer heutigen Mentalität ausgehend fragen wir uns natürlich sofort: Warum sollten die bolos die Gastfreundschaft einhalten? Könnte das nicht ein Vorwand für Parasitismus und Ausbeutung durch herumziehende Nichtsnutze werden? (In der Tat machen heute viele traditionelle Gesellschaften mit den «alternativen» Touristen gerade diese Erfahrung.) Dieses Risiko würde bestehen, wenn bolo'bolo nicht planetar wäre. Gastfreundschaft wäre dann nicht Austausch unter bolos, sondern eine einseitige Beziehung. Doch jedes ibu in jedem bolo ist zugleich ein möglicher Gast und so hat jedes bolo ein «Interesse» daran, Gastfreundschaft nicht nur zu gewähren, sondern Gast so grosszügig wie möglich zu empfangen. Es könnte immer noch sein, dass reisende Einzel-ibus ausschliesslich von der Gastfreundschaft sesshafter ibus lebten. 

Auch diese «Gefahr» ist gering, denn der nomadische Lebensstil hat auch seine Nachteile und Beschränkungen. Als Reisender kann man nie voll am inneren Leben eines bolos teilnehmen und muss man seine Lebensweise immer derjenigen der Gastgeber anpassen. Man hat kaum Einfluss auf die Entwicklung eines bolo, kann keine langfristigen Unternehmungen durchführen, muss menschliche Beziehungen immer wieder abbrechen. Schliesslich riskiert man es auch, auf eine Minimalration gesetzt zu werden. Andererseits können Reisende durchaus für die Gastgeber ein grosser Gewinn sein. Reisen kann sogar als eine Art «Arbeit» betrachtet werden, die man für sich und andere leistet. Reisende sorgen dafür, dass Neuigkeiten, Kenntnisse, Moden, Ideen, Geschichten, Produkte usw. zirkulieren. Reisen ist eine persönliche Form der Kommunikation, vor allem da sie nicht mehr unter Zeitdruck stattfinden. Die Gäste haben also ein «Interesse» daran, solche Kommunikationsarbeit zu leisten, weil sie dann auf eine grosszügigere Bewirtung rechnen können. Gastfreundschaft und Reisen sind ganz einfach eine Form gesellschaftlichen Lebens.

Und es wäre für Reiselustige wie bolos tödlich, wenn es behindert würde. Die bolos würden sich abschliessen, es entstünden Vorurteile und Ressentiments und damit das Risiko von kriegerischen Katastrophen. Gastfreundschaft ist auch eine Strategie zur Verhinderung von Staat und Krieg.

Ein gewisser Druck, die Gastfreundschaft zu beachten, wird auf die bolos auch durch munu, ihr Ansehen, ausgeübt. Die Erfahrungen, die Reisende bei einem bolo machen, sind nicht unwichtig, weil sie weit herum kommen und überall davon erzählen werden. Das so entstehende Ansehen eines bolo ist darum so wichtig für es, weil wechselseitige Abmachungen mit anderen bolos (feno) davon beeinflusst werden. Mit unfreundlichen, verschlossenen bolos wird man nicht gerne zu tun haben wollen. Da die anonyme Vermittlung (und Reduktion) durch das Geld wegfällt, werden Ruf und Ansehen wieder entscheidend. Geld stinkt nicht, aber Missachtung der Gastfreundschaft wird nie vergessen. Die bolos gleichen darin den alten Adelsgeschlechtern, für die die «Ehre» ein zentraler Begriff war. Ein bolo ist auch eine Burg ...

 


 

taku

Ein sehr merkwürdiger Bestandteil von sila ist taku, eine Truhe aus solidem Blech, die so aussieht:

Jedes ibu kann von seinem bolo ein taku beziehen. Über alles, was im taku Platz hat, kann das ibu nach eigenem Gutdünken verfügen - der Rest der Erdkugel wird gemeinsam benutzt.

Zu den Dingen, die sich im taku befinden, hat nur das dazu gehörende ibu Zugang und sonst gar niemand. Es kann hineintun, was es will. Es kann das taku überallhin mitnehmen und kein anderes ibu hat unter keinen Umständen das Recht, das taku zu inspizieren oder über seinen Inhalt Auskunft zu verlangen (auch bei Mord oder Diebstahl nicht). Das taku ist absolut unantastbar, heilig, tabu, sakrosankt, privat, exklusiv. Aber nur das taku. Das ibu kann darin schmutzige Wäsche aufbewahren oder Maschinengewehre (Django!!), Drogen oder alte Liebesbriefe, Schlangen oder ausgestopfte Mäuse, Brillanten oder Erdnüsse, Hifi-Anlagen oder Briefmarkensammlungen. Wir können nur raten. Solange es nicht stinkt oder lärmt (also über das taku hinaus wirkt), kann alles mögliche drin sein.

Weil das ibu möglicherweise sehr eigensinnig ist (da es auch eigenartig und pervers ist), braucht es auch sein Eigentum. Wenn nicht, dann umso besser. Das taku ist also die reine, raffinierte und absolute, aber auch klar begrenzte Form des Eigentums. Das taku könnte für das ibu wichtig sein, darnit es sich daran erinnern kann, dass es nicht ein abu, ubu, gagu oder sonst etwas Unbestimmtes, Unerhörtes, Beliebiges oder Unklares ist, sondern eben das (einzige) ibu. Das ibu hat viele Möglichkeiten, sich über sic selbst eine minimale Gewissheit zu verschaffen: Spiegel, Freunde (auch fiktive), Psychiater, Kleider, Tonbänder, Tagebücher, Narben, Muttermale, Photoalben, Souvenirs, Briefe, Gebete, Hunde, Steckbriefe usw. Es braucht nicht unbedingt Gegenstände, um seine Identität in der allgemeinen Ekstase nicht zu verlieren. Aber der Verlust intimer Dinge könnte für das ibu doch sehr unangenehm sein und darum muss es sich dagegen schützen. Vielleicht braucht es einen heimlichen Umgang mit obskuren Schatullen, Sammlungen, Fetischen, Büchern, Amuletten, Schmuckstücken, Trophäen und Reliquien, damit es etwas Besonderes sein kann. Es braucht auch etwas, dass es vorzeigen kann, wenn es ein anderes ibu ins Vertrauen ziehen will. Aber nur was sonst geheim und unantastbar ist, kann wirklich gezeigt werden. Alles andere ist offensichtlich, fad, hat weder Charme noch Glamour.

Wie das heutige unbegrenzte Eigentum bringt auch das taku Risiken mit sich, nur sind sie viel greifbarer und direkter. Ein taku kann Waffen, Gifte, magische Objekte, Dynamit oder unbekannte Drogen enthalten. Aber es kann nie jene unbewusste, unkontrollierbare gesellschaftliche Macht entfalten wie Geld und Kapital heute. Es gibt eine begrenzte Gefahr: Vertrauen, Ehre und menschliche Beziehungen erhalten so eine Chance sich in Konflikten zu bewähren.

 


kana

Das kana ist die wohl häufigste und sinnvollste Unterteilung eines bolo, da das bolo möglicherweise für das unmittelbare Zusammenleben zu gross ist. Ein kana umfasst etwa 15-30 ibus und ein bolo enthält etwa 20 kanas. (5) Ein kana bewohnt ein grösseres Stadthaus oder einige zu einem Haushalt kombinierte Einzelhäuser. Es entspricht einem Weiler, einer Jagdgruppe, einer Sippe, einer Grossfamilie, einer Hausgemeinschaft. Im kana findet das engere häusliche (hüttliche, zeltliche, schiMiche) Leben statt. Doch ist das kana in seiner Form und Funktion weitgehend vom Lebensstil des bolo definiert, da es zu klein ist, um sich selbst zu versorgen. Es wäre zu unstabil, um auf die Länge allein überleben zu können (siehe: Erfahrungen mit den Wohn­gemeinschaften der 60er Jahre). Umgekehrt ist es möglich, dass einige (ursprüngliche) kanas sich nur darum zu einem bolo zusammen­schliessen, um je auf ihre eigene Weise leben zu können. (Die relative Selbständigkeit der kanas wäre dann typisch für den Lebensstil dieses bolo.)

Je nach bolo kann es innerhalb der kanas oder im bolo selbst noch weitere, kleinere oder parallele Arrangements geben: z.B. Paare, Dreiecke, Verwandtschaftsgruppen, Familien, Kollektive, Totems, Banden und andere Kombinationen. Ein bolo kann auch aus 500 Einzel-ibus bestehen, die wie in einem Kartäuser-Kloster oder einem Grandhotel jedes für sich leben und nur ein Minimum von gemeinsamen Diensten unterhalten. Der Grad von Individualismus oder Kollektivität wird in jedem bolo von seinen Bewohnern selbst bestimmt und ist nur durch die Notwendigkeit der Selbstversorung und die Gastfreundschaft beschränkt. Gesellschaftsfeindliche bolos sind durchaus möglich. Jedes ibu kann das für es passende bolo finden, umwandeln oder neu gründen.


nima

bolos entstehen nicht einfach aus irgendwelchen Nachbarschaften oder weil es praktisch ist. Das wirkliche Motiv, das die ibus veranlasst, in bolos zusammenzuleben, ist ein gemeinsames nima. Bestimmte nimas kann das ibu nur dann voll ausleben, wenn es andere ibus findet, die das gleiche haben. In einem bolo verwirklichen, ergänzen und verändern die ibus ihr gemeinsames nima. Umgekehrt können ibus, deren nima keine gesellschaftlichen Formen zulässt (Einsiedler, Vagabunden, Misanthropen, Individual-Anarchisten, Narren, Weise usw.) allein bleiben und in den «Zwischenräumen» der überall vorhandenen, aber nicht obligatorischen bolos leben.

Das nima enthält eine Lebensauffassung, die Grundstimmung, Philosophie, Interessen, Kleidung, Ernährungsweise (Kochstil), Umgangsformen, Verhältnis zwischen den Geschlechtern, zu Kindern, Wohnräumen, Gegenständen, Farben, Tieren, Bäumen, Ritualen, den Tagesablauf, Musik, Tanz, Mythologie, kurz all das, was man als «Tradition» oder «Kultur» bezeichnen könnte. Das nima definiert das Leben, so wie das ibu es sich konkret wünscht.

Die Quellen des nima sind ebenso vielfältig wie es selbst. Es können ethnische Traditionen sein (noch lebendige oder wieder entdeckte), philosophische Schulen, Sekten, geschichtliche Gemeinsamkeiten, gemeinsam erlebte Kämpfte oder Katastrophen, Mischformen oder ganz neu erfundene. Ein nima kann sehr umfassend und detailliert sein (wie bei Sekten oder Volkstraditonen) oder aber nur Teilbereiche betreffen. Es kann extrem eigenartig sein oder nur die Variante eines andern nima. Es kann sehr offen und veränderungsbereit sein oder geschlossen und konservativ. nimas können auch wie Moden durch die bolos gehen, oder sich wie Seuchen verbreiten und wieder aussterben. Sie können sanftmütig sein oder rabiat, passiv-kontemplativ oder aktivextravertriert. Die nimas sind der eigentliche Reichtum der bolos. (Reichtum = Vielfalt der Möglichkeiten, geistig wie materiell!) (6)

Da alle möglichen nimas auftauchen können, ist es auch möglich, dass sich brutale, repressive, patriarchalische, stumpfsinnige, fanatische Terrorcliquen etablieren. Es gibt ja für die nimas weder humanistische, noch liberale, noch demokratische Gesetze oder Vorschriften und schon gar keinen Rechtsstaat, der sie durchsetzen würde. Niemand kann ein bolo daran hindern, Massenselbstmord zu begehen, an Drogenexperimenten drauf zu gehen, sich selbst in den Wahnsinn zu treiben. bolos mit einem Wikinger- oder Hunnen-nima können ganze Kontinente terrorisieren, Raubzüge veranstalten, brandschatzen: Freiheit und Abenteuer, soweit das Auge reicht.

Andererseits setzt die Logik von bolo'bolo der Möglichkeit und der Ausbreitung solcher Verhaltensweisen und Traditionen auch wieder Schranken. Plünderung und Raub haben ihre eigene Ökonomie. Es ist auch zum vorneherein absurd, Denkweisen aus der heutigen Geldwirtschaft einfach in einen andern Zusalnmenhang zu verpflanzen. (Damit nur schon bolo'bolo entsteht, müsste da ja einiges passiert sein.) Ein Banditen-bolo müsste relativ stark und gut organisiert sein und es braucht innere Disziplin und Unterdrückung. Für die herrschende Clique in einem solchen bolo bedeutet das dauernde Wachsamkeit und eine grosse Menge Unterdrückungsarbeit (Strafen, Einschüchtern usw.) Ihre ibus könnten das bolo jederzeit verlassen, das sie überall Aufnahme fänden. Fremde ibus könnten als Gäste auftreten, benachbarte bolos würden die seltsamen Vorgänge in einem Banditen-bolo von Anfang an beobachten. Diese könnten desse munu (Ansehen) ruinieren, den Austausch beschränken, den unterdrückten ibus gegen ihre Herren helfen usw. Schon die Ausrüstung eines Banditen-bolo würde daher grosse Probleme stellen. Woher die Waffen bekommen? Oder dann müssten sie zuerst einmal lange arbeiten, um überhaupt die ersten Überfälle machen zu können. Auch da riskieren die Häuptlinge schon Widerstand . Ohne einen Staatsapparat auf relativ hoher Stufe (zehntausende von Leuten) erfordert Repression zuviel Arbeit und lohnt sich für die Herren nicht. Raubzüge und Ausbeutung wären auch darum sinnlos, weil es keine Mittel gibt, gestohlenes Gut in leicht transportierbarer Form zu erhalten (kein Geld). Da keiner mit einem solchen bolo Tausch betreiben würde, müsste es alle Güter in ihrer Naturalform stehlen, was viel Transportarbeit erfordert. Die meisten Transportmittel wären öffentliche und stünden dem Banditen-bolo nicht exklusiv zur Verfügung, also könnte es nur umliegende bolos heimsuchen, deren Ressourcen bald erschöpft wären. Dazu kommt der aktive Widerstand der beraubten bolos, das Eingreifen von ad-hoc-Milizen grösserer Verbände (tega, vudo, sumi; siehe: yaka) und das Banditentum wird zu einem mehr zufälligen, seltenen und unlohnenden Verhalten.

Eroberung, Ausraubung und Unterdrückung unter Nationen entspringen nicht irgendeiner dunklen Seite der menschlichen Natur, sondern es sind Katastrophen, die entstehen, wenn Grössenverhältnisse aus dem Gleichgewicht geraten. Die bolos selbst sind gross genug, um eine gewisse Unabhängigkeit und Stärke haben zu können - das Einzel-ibu kann sich dort geborgen fühlen und kommt nicht in Versuchung, sich «starken Männern» oder mächtigen Organisationen anzuschliessen. Umgekehrt sind sie doch zu klein, um zu Nationen oder Staaten zu werden. Unterdrückung in ihrem Innern zahlt sich nicht aus, weil Unterdrücker und Unterdrückte sich zu nahe kommen. Sie sind wiederum unselbständig genug, um Kommunikation und Austausch zu einem Bedürfnis werden zu lassen. Und gerade diese Netzwerke planetarer Kommunikation (unterstützt durch Reisen, Telephon und einige transkontinentale Transportmittel) verunmöglichen Anonymität durch Distanz und damit den Aufbau von Feindbildern. Raub-nimas bleiben immer noch möglich, doch nur als eine Art l'art pour l'art und als Ausnahme. Die bolos müssen selbst wissen, was sie tun. Denn woher sollen wir die Welt-Kontrolleure nehmen, die uns vor uns selbst schützen?

In einer grösseren Stadt könnten wir also z. B . folgende bolos finden: Sym-bolo, Anti-bolo, Istan-bolo, Les-bolo, Play-bolo, Sado-bolo, Vegi-bolo, Arabolo, Hebro-bolo, Para-bolo, Franko-bolo, Italobolo, Ibero-bolo, Dia-bolo, Anglo-bolo, Bocks-bolo, Bier-bolo, Alko-bolo, Hasch-bolo, Pyramidobolo, Konstantino-bolo, Paläo-bolo, Agro-bolo, Modul-bolo, Maso-bolo, Biblio-bolo, Medito-bolo, Bi-bolo, Tri-bolo, Poly-bolo, Mix-bolo, Paranobolo, Tao-bolo, Disco-bolo, Nekro-bolo, Marx-bolo, HighTech-bolo, Öko-bolo, Sozi-bolo, Sowjetbolo, Marx-bolo, Helio-bolo, Ikaro-bolo, AIDSbolo, Anarcho-bolo, Logo-bolo, Mago-bolo, Tarabolo Clean-bolo, Coca-bolo, Palm-bolo, Thai-bolo, Mongolo-bolo, Olo-bolo, Anonymo-bolo, Intimo-bolo, Marl-bolo, Hyper-bolo, Medio-bolo, Barbolo, Wotan-bolo, Blue-bolo, Ton-bolo, Basketbolo, Mono-bolo, Metro-bolo, Krischna-bolo, Jesu-bolo, Alp-bolo, Bala-bolo, Inka-bolo, Alemanobolo, Frieso-bolo, Bom-bolo, Ur-bolo, Neo-bolo, Baby-bolo, Entro-bolo, Digito-bolo, Ana-bolo, Liban-bolo, Pluri-bolo, Orgo-bolo, Sparta-bolo, Thermo-bolo, Frigo-bolo, Punko-bolo, Norm-bolo, Waldmeister-bolo, Geissen-bolo, Inkommensura-bolo, Ras-le-bolo usw. Danebengäbeesnatürlich auch viele völlig normale und gewöhnliche bolos, die von sich selbst nichts wissen und von denen nichts bekannt ist, weil sie nicht einmal einen Namen haben (Banal-bolos).

Die Vielfalt der Lebensweisen löst unsere heutige Massenkultur, den individualistisch verbrämten Kollektivismus unseres Alltags, die zentral gesteueren Moden und auch die genormten Staatssprachen auf. Jeder kann das Leben wählen, das ihm passt, verreisen, wenn er will, so viel Individualität oder Gemeinschaftlichkeit erleben, wie er für gut hält. Viele bolos hätten auch ihre eigene Sprache. Das könnte eine bestehende Sprache sein, ein Dialekt, ein besonderer Slang oder auch neu erfundene Sprachen. Damit verliert die Normsprache ihre Wirksamkeit als Herrschaftsmittel und es entstehen «babylonische» Verhältnisse, d.h. Unregierbarkeit durch Dysinformation (siehe Einleitung). Damit aber Reisende oder sonst Leute, die mit vielen bolos verkehren, nicht ganz verloren sind, gibt es eine Art Not-Code, das asa'pili, Das asa'pili ist keine richtige Sprache, denn es besteht nur aus wenigen Wörtern (ibu, bolo, nima, asa, pili usw.) und den dazugehörigen Zeichen (für solche, die nicht reden oder schreiben wollen, können oder dürfen). Mit Hilfe des asa' pili kann sich jeder in drigenden Fällen behelfen und zu Nahrung, medizinischer Hilfe, Unterkunft usw. kommen. Und danngibtsgenugZeit, umdieörtliche Sprache in aller Ruhe zu lernen und zugleich mehr über die Gastgeber zu erfahren. Das Erlernen der jeweiligen Sprachen fördert die Kontaktaufnahme und das gegenseitige Verständnis der Kulturen. Warum sollte es jemand eilig haben.


kodu

Landwirtschaftliche Selbstversorung ist die Grundlage der Unabhängigkeit der bolos. Welches kodu ein bolo wählt, was es anbaut und mit welchen Methoden, ist von seiner kulturellen Eigenart bestimmt. Ein Vegi-bolo würde sich auf Gemüse, Früchte, Getreide spezialisieren und die Viehzucht andern überlassen. Ein Allah-bolo würde sich nicht mit Schweinen befassen; ein Franko-bolo einen grossen Kräutergarten unterhalten. Ein Italo-bolo braucht viel Tomaten, Oregano und Knoblauch. Ein Hasch-bolo pflanzt Cannabis an, ein Alko-bolo Hopfen und Malz (Brauerei in der Scheune), ein Azteko-bolo Mais und Bohnen.

Gewisse bolos würden ihre Lebensmittelversorgung stark mit Austauschverträgen ergänzen, weil sie Wert auf Abwechslung legen. Andere, für die die Gastronomie nicht so wichtig ist oder die gerne immer das gleiche essen, könnten sich fast ganz aus ihren eigenen Produkten ernähren.

Da die Landwirtschaft ein Ausdruck der Eigenart eines bolos ist, würde auch hier jedes zu einer andern Lösung kommen. Der Umgang mit der «Natur» zur Erzeugung von Lebensmitteln kann daher nicht auf allgemeiner Ebene beschrieben werden, weil «Natur» für jedes bolo einen andern Wert hat. Selbstverständlich setzt das voraus, dass sich alle über einige Grenzen einig sind - z.B. darin, dass zur Natur als landwirtschaftlicher Existenzgrundlage Sorge getragen wird. Daher ist es auch nicht vorstellbar, dass jedes bolo völlig isoliert Landwirtschaft betreibt. Selbstbestimmte Zusammenarbeit mit Nachbarn und innerhalb einer Region ergibt sich ganz von selbst, weil sie notwendig und für alle lohnend ist (z.B. Maschinenparks, Abstimmung der Fruchtfolgen, Kombination der Produktion, Energieversorgung, Transport, Schädlingseindämmung). Darüber hinaus bleibt noch viel Spielraum für die Entfaltung der eigenen Agri-kultur.

Diese Agri-kultur wird nicht in jedem bolo gleich wichtig sein. Sie kann als eine Art «Arbeit» erscheinen und wird dann wohl gleichmässig auf alle boloMitglieder verteilt, sodass jeder einen Monat im Jahr oder ca. 10°70 seiner aktiven Zeit auf dem Land verbringt. Wenn es Leute gibt, die ohnehin lieber auf dem Land leben oder in der Landwirtschaft ihren «Beruf» sehen, dann verringern sich die Verpflichtungen für die andern entsprechend. Auf jeden Fall ist kodu keine gravierende Einschränkung der kulturellen Freiheit jedes Einzelnen: die Landarbeit kann dank der Grösse der bolos (500 Leute) flexibel und individuell geregelt werden und sie fällt zeitlich nicht gross ins Gewicht. All das bedingt natürlich, dass jeder sich mit der Zeit einige landwirtschaftliche Grundkenntnisse und -fertigkeiten erwirbt - auch das geht schneller, als man denkt. Dies ist der Preis, der für die Unabhängigkeit der bolos zu bezahlen ist . Es gibt ja keine Läden mehr, keinen parasitären Zwischenhandel, keine Supermärkte, keine unfair billigen Importe aus wirtschaftlich erpressten Ländern. Es gibt auch keine zentralisierte Verteilung durch einen Staatsapparat (etwa in der Form von Rationierung oder zentralen Depots). Wenn die bolos autonom sein sollen, sind sie zu einem gewissen Grad auch auf sich gestellt. (8)

Die Unterscheidung Bauer/Städter wird durch das kodu hinfällig. Der Interessengegensatz zwischen den für höhere Preise kämpfenden Bauern und den auf billige Lebensmittel drängenden Konsumenten besteht nicht mehr. Niemand hat mehr ein Interesse an Verschwendung, Verknappung, Verschlechterung, Verteuerung, landwirtschaftlicher Produkte (das gilt für alle andern Produkte natürlich auch). Der schonende Umgang mit dem Boden, den Tieren und vor allem mit sich selbst wird ganz selbstverständlich, da jedes bolo langfristig seine Ressourcen bewahren muss. Die bolo-Mitglieder haben selbst das grösste Interesse an der Erzeugung gesunder Lebensmittel, da sie sie selbst essen und auch für ihre Gesundheitspflege (bete) selbst aufkommen müssen. Es können keine «sozialen Kosten» (in der Form von chemischer Verseuchung, Bodenerosion, Überarbeitung abgewälzt werden. Die Anwendung bio-dynamischer oder bewährter traditioneller Methoden ist auch darum wieder möglich, weil mehr und besser motivierte landwirtschaftliche Arbeitskräfte pro Fläche zur Verfügung stehen werden. (In der Schweiz würde das kodu mindestens zu einer Verdoppelung der auf dem Land arbeitenden Leute führen.)

Für die Aufteilung des Bodens (oder anderer Nahrungsquellen) unter die bolos einer Region sind verschiedene Lösungen möglich, die sich auch allmählich ergeben können. Selbständige Bauern können langsam mit Stadt-bolos zusammenwachsen. Städter helfen zuerst nur landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaften, verschmelzen dann mit diesen. Das kodu braucht auch nicht aus einem einzigen zusammenhängenden Landstück zu bestehen. Kleinere Kräutergärten sind schon in der Stadt in Höfen, auf Dächern usw. möglich. Reine Agro-bolos (Dörfer auf dem Land) haben ohnehin keine Probleme, da sie das umliegende Land bebauen. Anderes Land dazwischen gehört dann vielleicht zu Stadt-bolos (siehe S.92). Um grössere Städte, wo das zugehörige Land weiter weg ist, wäre es praktisch, einen Gartengürtel am Stadtrand anzulegen, wo die bolos Frischgemüse für den täglichen Verbrauch erzeugen. Diese Gärten wären noch zu Fuss oder mit Velos innert Minuten zu erreichen und die transportierten Mengen wären gering (einige Dutzend Kilos pro Tag). Die eigentlichen Landsitze, kodu'kanas, befänden sich dann weiter weg, bis zu 15 oder 20 km, oder auch weiter, wenn es sich um besondere Kulturen wie Jagdgebiete, Alpen, Fischgewässer, Wälder usw. handelt. Zu einem bolo könnte ein einziger Landsitz (ca. 80ha) oder auch mehrere Höfe (4 x 20 ha, etc.) gehören, je nach geographischen Gegebenheiten und persönlichen Beziehungen. Diese bolo-Höfe würden vor allem Grundnahrungsmittel haltbarer Art in grösseren Mengen erzeugen (Getreide, Kartofflen, Soja, Milchprodukte, Fleisch, Gemüse). Die Transportmengen würden sich hier im Tonnenbereich bewegen. Für das kodu grösserer Städte ergäbe sich ein dreistufiges System, das Frische, Transportmenge und Distand am besten kombiniert:



Damit kodu leichter funktionieren kann, sollte die heutige Entvölkerung grosser Städte (über 200000 Einwohner) noch etwas weiter gehen oder gerade von den bolos gefördert werden. Diese Entwicklung braucht keineswegs erzwungen zu werden; sie wird heute nur durch die Lage auf dem Arbeitsmarkt behindert. In vielen Gegenden (Frankreich, Spanien, Griechenland, Afrika...) würde dies zu einer Wiederbesiedlung verlassener Dörfer führen, da sie kulturell durch die bolos wieder attraktiver gemacht würden. (10)

Obwohl reine Agro-bolos natürlich möglich sind, kann jeder sowohl auf dem Land wie in der Stadt wohnen und die Vorteile beider Lebensweisen geniessen. Von der Stadt aus gesehen haben die koduBauernhöfe auch die Funktion erholsamer Landsitze, wo man Ferien machen kann, allerdings ohne falsche ländliche Idylle. Die Zersiedlung der Landschaft durch Wochenendhäuschen würde damit rückgängig gemacht. Umgekehrt beseitigt der enge Kontakt (es sind ja die gleichen Leute) zwischen Stadt und Land die oft dIückende kulturelle Isolation auf dem Land und belebt er die Städte. Die Stadtzentren werden nicht mehr von «Provinzlern» heimgesucht und als Vergnügungs- und Einkaufszentren missbraucht, mit all den negativen Folgen für die verbliebenen Stadtbewohner (Pendlerverkehr, City-Wüste, Sex-Business, Quartierverödung) . Die Bauern haben wie englische Adelige ihre Stadthäuser, ihre persönlichen Beziehungen, ihre kulturellen Interessen. Keiner braucht mehr an der Scholle zu kleben oder in der Stadt zu verkümmern. Keiner ist mehr Sklave seiner Kühe oder seines Geschäfts.

 


yalu

Das kodu führt dazu, dass die Lebensmittel so nah wie möglich beim bolo erzeugt werden. Reisen, Transporte würden sonst einen Grossteil der Arbeitszeit und der Energie verschlingen. Aus ähnlichen Gründen wird es viel weniger weiträumige Importe von Erdöl, Futtermitteln und Dünger geben. Das bedingt sorgfältige Anbaumethoden und eine geschickte Kombination von Kulturen auf knappem Boden (vor allem in Gebieten wie der Schweiz). Der gegenüber Grossanbaumethoden verringerte Flächenertrag kann durch Intensivkulturen und die Bevorzugung pflanzlicher Kalorien und Proteine ausgeglichen werden. Kartoffeln, Mais und Soja können zusammen die Grundversorgung garantieren. Die Tierzucht (die Unmengen von Futtermitteln verbraucht) wird stark reduziert werden, in einem geringeren Grad auch die Milcherzeugung. (11)

Wird also die Ernährung eintöniger werden oder gar die Kochkunst zusammenbrechen, weil exotische Importe (Ananas, Bananen, Orangen, Kiwis, Avocados usw.) und Edelfleischsorten (Filets, Poulets, Kalbfleisch usw.) rar werden? Bricht ein dunkles Zeitalter für Gourmets an? In den Supermärkten gibt es zwar fast überall Kokosnüsse, Mangos, Gemüse ausser Saison - doch ist zugleich das einheimische Angebot ärmlich und geschmacklich verflacht: kaum Kräuter, Beeren, wenig Apfel- und Birnensorten, keine Kürbisse, Rüben, wässrige Tomaten, lahme Bohnen usw. Die Massenvermarktung bringt nur eine Scheinvielfalt, kein raffiniertes Angebot, sondern industrialisierte, langweilige Produkte. Die Bananen z.B. werden schon grün eingeschifft und sind verglichen mit lokal gewachsenen, normal gereiften Bananen fade. (Abgesehen davon erhalten wir nur die gelbe Einheitsbanane, während es in den Tropen eine Fülle roter, blauer, grüner, violetter, kleiner, harter und grosser Bananen gibt.)

Ähnliches gilt für das Fleisch aus Tierfabriken und die Eier aus Legebatterien: es ist vor allem nicht gut genug.

Die wahre Kochkunst und die Qualität der Ernährung überhaupt ist nicht von exotischen Importen und dem Vorhandensein von Filet-Stücken abhängig. Sorgfältiger Anbau, natürliche Aufzucht, Zeit, Raffinesse und Erfindungskraft sind viel wichtiger. Gerade dies ist aber heute fast unmöglich, da der Kleinfamilienhaushalt es weder zeitlich (kurze Essenspausen) noch ausrüstungsmässig bieten kann. In den grösseren Haus- oder bolo-Küchen wird es aber bessere Geräte, reichhaltigere Lager, mehr Zeit, und Köche geben, die es wirlich aus Leidenschaft sind - und nicht nur, weil der Mann pünktlich um 12 Uhr irgendetwas zu Essen haben muss. In einem bolo kann es durchaus mehrere Ein- oder MehrStern-Restaurants geben - und der Gesamtaufwand an Arbeit, Rohmaterial und Energie wäre immer noch viel kleiner als heute.

Kochen ist meist ein wesentliches Element der Kultur eines bolo und das Kochen selbst unter diesen Bedingungen keine Arbeit, sondern ein Ritual. Das nima macht in Wahrheit die Vielfalt in der Gastronomie aus, nicht die teuren Zutaten. Daher kommt es auch, dass einfache (meist fleischarme) Gerichte eines Landes begehrte Spezialitäten in einem andern werden. Spaghetti, Mussaka, Pizza, Chili, Tortillas, Feijoada, Risotto, Nasi-Goreng, Cury, Rösti, Cassoulet, Sauerkraut, Gulasch, Pilav, Borschtsch, Kuskus, Paella usw. sind in ihren Ursprungsländern oft ganz billige Volksgerichte. (12)

Die Vielfalt der Lebensweisen bringt auch eine vielfältige Gastronomie mit sich. In einer Stadt hat es genauso viele Spezialitätenrestaurants wie bolos und der Zugang zu allen ethnischen oder andern Gastronomien wird kolossal erleichtert. Dank Gastfreundschaft und Tauschabkommen lässt sich ein intensiver Austausch zwischen Köchen und Essern arrangieren. Und es ist leicht einzusehen, dass die Qualität dieser bolo-«Restaurants» höher sein wird als diejenige der heutigen, die von Kostendruck, Stress und Hetzerei geplagt werden. Überhaupt wird für yalu wie auch für kodu insgesamt mehr Zeit zur Verfügung stehen und auch notwendig sein. Dafür gibt es keine Nahrungsmittelindustrie mehr, keine Läden, keine nervösen Kellner...

Da für eine gute Küche die Frische der Zutaten entscheidend it, sind die Küchengärten in der Nähe besonders günstig. Der Koch kann viele Zutaten gerade neben dem Haus anbauen oder sie sich innert fünf Minuten aus dem Garten bringen lassen. Es wird Zeit und Raum geben für solche kleinwirtschaftlichen Kulturen. Viele Strassen werden aufgehoben oder verschmälert, Parkplätze, Flachdächer, Terrassen, die Todesstreifen an den Häusern (auch Rasen oder Hecken genannt), rein repräsentative Parkanlagen, Fabrikareale, Innenhöfe, Keller, Autobahnbrücken, ergeben Boden für Kräuter- und Gemüsegärten, Hühnerhöfe, Schweinegehege, Enten- und Fischteiche, Kaninchenställe, Beerensträucher, Pilzkulturen, Taubenschläge, Bienenstöcke (keine Auspuffgase mehr!), Obstbäume, Haschpflanzungen, Weinreben, Gewächshäuser (im Winter auch als Wärmedämmzone verwendet) usw. Das Essen wächst den ibus sozusagen in den Mund. (Auch Hunde wären an sich gut essbar.)

Die ibus haben auch wieder Zeit, in Wäldern und sonst nicht genutzten Gebieten nach wildem yalu zu suchen. Pilze, Beeren, Flusskrebse, Muscheln, Weissfische, Schnecken, Kastanien, wilde Spargeln, Insekten aller Art, Wildtiere, Brennesseln und andere Wildpflanzen, Buckeckern, Eicheln usw. kann man bei uns finden und zu überraschenden Gerichten verarbeiten. (13)

Die Reisenden bringen Gewürze, Saucen, Zutaten aus fernen Gegenden mit und haben neue Rezepte kennen gelernt. Da jedes ibu selbst jederzeit eine Reise unternehmen kann und es überall verköstigt werden muss, kann es die Originalgerichte überall auf der Welt an Ort und Stelle probieren. Es ist einfacher, die ibus gehen hie und da auf gastronomische Weltreise, statt dass exotische Produkte massenhaft herumtransportiert und teilweise verdorben werden . Da es Zeit hat, ist die Welt selbst für das ibu der wahre «Supermarkt»...

Durch Einmachen, Dörren, Räuchern, Pökeln und Tiefgefrieren (für ein ganzes bolo ist das auch energetisch wieder sinnvoll) kann die Kost durchs ganze Jahr hindurch zusätzlich bereichert werden. Die Speisekammern der bolos werden viel interessanter sein, als es je ein Familienkühlschrank ist. Wein-, Bier-, Likör-, Käse-, Tabak-, Wurst- und Haschsorten werden sich in gewissen bolos zu raffinierten Spezialitäten entwickeln (wie es in den Klöstern geschah) und ausgetauscht werden. Der Reichtum der Genüsse, der durch die Massenproduktion zerstört wurde, kann wieder entstehen und Netze persönlicher Beziehungen zwischen Kennern über die ganze Welt legen.


sibi

Im bolo verbinden sich Agrikultur (kodu) und Fabrikultur (sibi). Die ibus brauchen nicht nur Nahrung, sondern auch Gebäude, Wasser, Elektrizität, Brennstoffe, Werkzeuge und Maschinen (vor allem für die Landwirtschaft), Kleider, Möbel, Rohmaterialien, elektronische und andere Bauteile, Geräte aller Art, Fahrzeuge, Geschirr, Schmuck, Schallplatten, Filme, Strassen, Leitungsrohre usw.

Ein grosser Teil der heutigen industriellen und handwerklichen Produktion wird überflüssig werden: Autos, Rüstung, Strassenbau, elektronische Massenprodukte usw. Oder es wird davon dank anderer Nutzung viel weniger gebraucht (1 Kühltruhe, 1 Fernseher, 1 Waschmaschine, 1 Kleinbus, 1 Computer, 1 Bohrmaschine pro Haus oder pro bolo). Trotzdem ist es möglich, die bolos so gut auszurüsten, dass sie die meisten handwerklichen Arbeiten, den Gebäudeunterhalt, Reparaturen an Geräten, Möbeln, Kleidern, Wagen, Velos, Sanitäranlagen, selbst durchzuführen können. Ein bolo wird weniger Geräte brauchen und trotzdem viel selbständiger sein als ein heutiges Quartier oder gar ein Haushalt. Da niemand mehr ein Interesse an der Herstellung defekter oder sich schnell verschleissender Produkte haben wird, fallen weniger Reparaturen an. Dank einer solideren und einfacheren Konstruktion sind diese Reparaturen auch leichter durchzuführen und werden Defekte weniger einschneidende Folgen haben. Die Befähigung, handwerkliche Arbeiten selbst ausführen zu können (vor allem im Bereich Landwirtschaft und Energie), ist eine weitere Garantie für die Unabhängigkeit der bolos. Sie können kurzfristig kaum erpresst werden. Zudem verkleinert sich dadurch der zeitliche und energetische Aufwand: Elektriker oder Klempner brauchen nicht durch die halbe Stadt zu reisen und Pannen können schneller behoben werden. Ein bolo ist gerade gross genug, um diese bescheidene handwerkliche Spezialisierung möglich zu machen.

Der Hauptinhalt des sibi ist aber das Ausleben produktiver Leidenschaften, die zur Lebensweise oder kulturellen Eigenart eines bolo gehören. Es gibt dann vielleicht Maler-bolos, Schuhmacher-bolos, Gitarren-bolos, Photo-bolos, Leder-bolos, Farbenbolos, Parfüm-bolos, Elektronik-bolos, Automobil-bolos, Buch-bolos, Holzschnitt-bolos, Flugzeug-bolos, Marmor-bolos, Video-bolos usw. In gewissen bolos wird sibi weniger wichtig sein. Sie werden sich nicht spezialisieren und von allem ein bisschen tun. Andere bolos werden Produktion und Gebrauch von Dingen bewusst auf ein Minimum reduzieren (Tao-bolos). Ihre «Produkte» sind dann immateriell. Produktion ist keine Verpflichtung - etwas Landwirtschaft und Instandhaltung genügen. Da die Leute nicht für einen Markt arbeiten und nur in zweiter Linie für den Austausch, gibt es keine Unterscheidung zwischen Handwerk und Kunst, zwischen Job und Berufung, zwischen Arbeitszeit und Freizeit, zwischen Neigung und wirtschaftlicher Notwendigkeit (abgesehen eben von Landwirtschaft und Unterhaltsarbeiten). Selbstverständnlich werden diese typischen Produkte oder Dienstleistungen zwischen den bolos ausgetauscht werden, genau so wie landwirtschftliche Spezialitäten. Durch Geschenke, Tauschverträge oder über Nachbarschaftsdepots und Märkte werden sie zirkulieren, persönliche Beziehungen schaffen und verbessert werden.

Im Rahmen eines bolo, eines Quartiers oder einer Stadt werden Handwerker oder kleine Industriebetriebe in engem Kontakt mit den Benützern ihrer Produkte stehen. Umweltzerstörung, Lärm, schlechte Qualität oder Missachtung der Bedürfnisse der «Verbraucher» werden an der Wurzel verunmöglicht. Viele Produkte werden persönlichen Charakter haben, weil der Benützer den Hersteller kennt. Defekte Güter können zurückgebracht werden und es gibt eine Wechselwirkung zwischen Anwendung und Entwurf. Diese Verhältnisse werden eine neue Technologie hervorbringen, die vielfältiger und raffinierter ist als die heutigen Massenfertigungen, die keine Rücksicht auf lokale Gegebenheiten und besondere Bedürfnisse nehmen. Es wird mehr Prototypen nach Mass geben, weniger Abhängigkeit von grossen Systemen, von hohem Energieverbrauch, von Spezialisten. Daneben bleibt die Massenproduktion ausgewählter Güter, vor allem von Bauteilen, die für vielfältige Zwecke verwendet werden können, weiterhin eine Möglichkeit (z.B. Elektromotoren, Glühbirnen, Benzin, Baumaterial, Gummistiefel usw.)

Der Bereich handwerklicher und industrieller Produktion ist breiter und vielfältiger als die Landwirtschaft, da er weniger «natürlichen» Beschränkungen unterworfen ist. Das bedeutet, dass die bolos in dieser Beziehung mehr auf Austausch und Zusammenarbeit im grösseren Rahmen angewiesen sind. Wasser, Energie, Rohstoffe usw. müssen regional, eventuell sogar weltweit gewonnen und verteilt werden. Dies kann durch gemeinsame Unternehmungen geschehen, an die alle beteiligten Gemeinschaften Beiträge in Form von Arbeitskräften (kene) leisten. Dabei wird man darauf achten, möglichst in der Nähe von Rohstoffquellen zu produzieren und überhaupt so wenig Güter wie möglich zu verschieben. Durch Wiederverwertungskreisläufe wird der Rohstoffverbrauch niedrig gehalten und damit auch Arbeitsaufwand und Abhängigkeit. Es wird sich eine neue Technologie entwickeln, die darauf aus ist, örtlich verfügbare Materialien einzusetzen und die heutigen internationalen Standardprodukte zu ersetzen (Holz statt Stahl, Steine statt Beton, Lehm statt Blech, Glas statt Kunststoff usw.). Wo die industrielle Fertigung wirklich Vorteile bringt, kann dies in Quartier-, Bezirks- oder Regionalwerkstätten geschehen. Zusammenarbeit im Produktionsbereich ist auch darum sinnvoll (d.h. arbeitsfeindlich), weil viele Maschinen und Einrichtungen von einem bolo allein gar nicht ausgelastet bzw. unterhalten werden können. Warum soll jedes bolo eine eigene Getreidemühle, Baumaschinen, medizinische Labors, Lastwagen, haben? Fahrzeugund Maschinenpools ergeben sich so von selbst. Oder bestimmte Güter werden in Quartierwerkstätten für alle beteiligten bolos gemeinsam hergestellt (z.B. Brot, Stühle, Druckerzeugnisse, Fensterrahmen, Bier, Leder, Bretter). sibi bedeutet keineswegs, dass einfach zu alten Produktionsweisen zurückgekehrt wird, denn diese sind meist auch nur Vorstufen der heutigen, auf Herrschaft ausgerichteten Technologie. Es geht darum, aus traditionellen Methoden zu lernen, was es zu lernen gibt. Einige industrielle Technologien können wie sie sind benutzt werden, in stark reduziertem Massstab. Andere können mit wenigen Veränderungen «umgenutzt» werden. Daneben können neue Technologien entwickelt werden, die auf die bolo'bolo-Bedrüfnisse abgestimmt sind. Der «andere» technische Fortschritt, der von der Herrschaftstechnologie seit Jahrtausenden unterdrückt wurde, kann dann beginnen...

 

pali            

Der Kern des sibi ist die Energieversorgung. pali wird gebraucht für die Landwirtschaft, die Transporte (vor allem von Nahrungsmitteln), die Heizung oder Kühlung, das Kochen, für die Produktion und die Energieerzeugung selbst. Die Lösung der Energiefrage erscheint hauptsächlich darum so schwierig, weil sie falsch gestellt wird. Es geht nicht darum, wie genügend Energie (auch mit alternativen Technologien) erzeugt werden kann, sondern welche Energie wofür benötigt wird. Eine andere Lebensweise braucht andere und vor allem auch viel weniger Energien. (14)

Örtliche Selbstversorgung, Zusammenleben in bolos, Zeit statt Tempo, verringern das Verkehrsaufkommen, den Bedarf für Heizung und mechanische Anwendungen aller Art. Ein grosser Teil der Energie wird heute dafür verbraucht, Dinge oder Menschen wieder zusammenzubringen, die man aus systembedingten Gründen auseinandergerissen hat: Wohnung und Arbeitsplatz, Produktion und Verbrauch, Vergnügen und Wohnen, Arbeit und Erholung. Der Energieverbrauch wächst zusammen mit der Isolation der Einzelnen und der Kleinfamilien, ist also ein rein negativer Aufwand. Die Grösse und der Aufbau der bolos erlaubt es, mit weniger Energie grössere Wirkungen zu erzielen, weil sich die verschiedenen Anwendungen gegenseitig stützen und ergänzen. Die bolos können die verschiedenen Energiearten in der jeweils güngstigsten Form anwenden. Elektrizität wird man hauptsächlich für Beleuchtung, elektronische Geräte, mechanische Energie und einige Verkehrsmittel (Bahn, Tram) einsetzen. Für einen gewissen Grundbedarf (Beleuchtung) kann diese an Ort und Stelle und sogar im bolo selbst erzeugt werden (Windgeneratoren, Sonnenzellen, Flusskraftwerke, Biogasgeneratoren usw.). Passive Sonnenenergie, Kollektoren, Bodenwärme, wird für Heizzwecke verwendet. Brennstoffe werden nur dort eingesetzt, wo wirklich hohe Temperaturen benötitgt werden: zum Kochen (Biogas, Holz, Kohle), für Dampfmaschinen (Dampflastwagen, Dampfschiffe, Generatoren) und für einige Explosionsmotoren (Benzin, Diesel, Kerosin für Ambulanzen, Rettungsflugzeuge, Feuerwehr, Notfallfahrzeuge aller Art).

Das bolo ist zugleich ein umfassendes Energiesystem, in dem lokale und externe Ressourcen genutzt werden. Die Abwärme aus Öfen oder Werktstätten kann zugleich zum Heizen verwendet werden, da Wohn- und Arbeitsplatz in 80No der Fälle zusammen fallen. Beheizte Räume können mehrfach und gemeinsam benutzt werden (z.B. Bäder, Salons, Hot Tubs, Saunas usw.). Exkremente und Abfälle können zu Biogas umgewandelt werden, statt die Gewässer zu belasten. Die Grösse der bolos erleichtert auch den rationelleren Einsatz der Energie, weil elektronische Steuerungsanlagen sinnvoll eingesetzt werden können (was bei einzelnen Haushalten ein unverhältnismässiger Aufwand wäre).

In warmen Gegenden können die bolos zu 90% bei uns zu 60-80% energieunabhängig sein. Quartiere und Bezirke ergänzen die bolos und können eine fast vollständige Selbstversorgung erreichen. Die Regionen treffen untereinander Abmachungen über Energieimporte/exporte (Erdöl, Kohle). Planetare Kommissionen (asa) können Koordinationsfunktionen übernehmen.

Der heutige Energiekonsum wird weitgehend durch die Erfordernisse des industriellen Normalarbeitstags bestimmt. Dadurch ergeben sich Spitzenzeiten, die Notwendigkeit einer schnellen und genormten Klimatisierung (21°C und 55% Feuchtigkeit) und es fehlt vor allem die Zeit, sich mit «energetischen» Elementen wie Feuer, Wasser und Wind überhaupt auseinanderzusetzen. Der tägliche und jahreszeitliche Rhythmus, der so viel Abwechslung bringen könnte, wird als störend möglichst verdrängt. So entsteht ein energetischer Scheinkomfort (ein Stecker für jedes Bedürfnis), der einerseits einen riesigen Aufwand (Überkapazitäten) erfordert, aber andererseits keinen wirklichen Genuss von Wärme oder Kühlheit bringt. (Darum lassen sich dann gewisse Leute neben dem Zentralheizungsradiator ein Cheminée einbauen, um wenigstens wieder einmal ein lebendiges Feuer zu sehen...)

Der Umgang mit Energie wird wieder durch die natürlichen Rhythmen bestimmt werden. Im Winter wird es nicht überall gleich warm sein, vielleicht nur 18°, dafür gemütlicher in Gemeinschaftsräumen; man wird wieder mehr Pullover tragen, näher zusammenrücken, früher zu Bett gehen, fettreicher essen - kurz: wirklich winterlich leben (so wie viele es zum Ausgleich auch heute schon in Skihütten tun). Die Kälte ist nicht an sich lästig, sondern nur, wenn man zugleich auch noch voll arbeiten muss. (Ähnliches gilt auch für den Schmerz, das Kranksein - viele andere «Störungen», die aber einen natürlichen Zweck haben.)

Einige ibus können im Winter auch - wie die Zugvögel - für einige Monate in den Süden ziehen, was energetisch trotz des Reiseaufwands noch vorteilhaft ist. Austauschabkommen mit bolos in Süditalien, Andalusien, Griechenland, Nordafrika usw. könnten so entstehen und die hiesigen bolos energetisch entlasten. (Abgesehen davon gibt es ibus, die die Kälte - Zentralheizung hin oder her - einfach nicht gerne haben .) Umgekehrt können ibus aus dem Süden bei uns einen kühleren Sommer erleben.

 

sufu    

Wie die Energie ist auch sufu, die Wasserversorgung, von der Lebensweise abhängig. Wasser wird heute vor allem zum Wegspülen von Abfällen und für Reinigungszwecke in grossen Mengen verbraucht. Es wird nicht in seiner besonderen Eigenschaft als Wasser verwendet, sondern als universelles Transportmittel.

Der grösste Teil des heutigen Spülens, Waschens, Duschens und Reinigens hat mit dem körperlichen Wohlbefinden und der Freude am Element sufu nur wenig zu tun. Die Dusche am Morgen bedeutet nicht Lust am Herunterrinnen des Wassers, sondern sie soll uns möglichst rasch wach schocken und unseren Körper desinifzieren und arbeitstauglich machen. Massenproduktion erzeugt Gefahr der massenhaften Ansteckung und erfordert so hygienische Disziplin. Waschen, tägliches Wechseln der Wäsche, weisse Hemden, sind Rituale der Arbeitsdisziplin und dienen den Chefs als Kontrollmittel bezüglich der «Hingabe» ihrer Untergebenen. Sie haben weder eine direkt produktive, noch eine hygienische Funktion. Das ersieht man auch daraus, dass viele sich in den Ferien weniger waschen, sich nicht mehr rasieren, die Kleider weniger wechseln. Für die Gesundheit sind allzu häufiges Waschen und die Verwendung von Seife, Shampoos usw. sogar schädlich - sie strapazieren bloss die Haut.

Das Verhältnis zum «Schmutz» ist heute geprägt von geradezu neurotischen Ängsten und von der Kontrollfunktion der «Sauberkeit». Es wird getan, als ob Sauberkeit ein objektiver Begriff wäre - dabei ist sie kulturell bedingt. Sauberkeit dient nur als eine Art Verdrängungsideologie. Doch Dreck kann gar nicht «aus der Welt geschafft», sondern nur verschoben oder verwandelt werden. (Das gilt vor allem für die gefährlichsten Drecksorten wie radioaktive Abfälle oder chemische Substanzen - sie werden merkwürdigerweise vom allgemeinen Sauberkeitswahn kaum wahrgenommen.) Was im Haushalt als Schmutz beseitigt wird, erscheint nachher in den Gewässern vermengt mit chemischen Putzmitteln als noch viel schädlicherer Dreck - nur ist er halt nicht mehr sichtbar. Wegen der Putzwut müssen dann teure Kläranlagen erbaut werden, was wiederum die Erzeugung grosser Mengen von Stahl, Beton usw. bedingt - also noch mehr Dreck, noch grössere Umweltbelastung durch die Industrie. Der Schaden, der durch übertriebenes Putzen angerichtet wird, steht in keinem Verhältnis zum (eingebildeten) Komfortgewinn. Die allgegenwärtige Reinigungsarbeit erzeugt überdies «Schmutz» in Form von Ermüdung und Frustration bei den Putzarbeitern. (Arbeit ist an sich die wichtigste Form der «Umweltverschmutzung» - weil wir uns durch sie selbst zerstören, zerstören wir auch die Natur.)

Da keine Disziplinierung durch Waschen und keine Kontrolle durch Sauberkeit mehr erforderlich sind und die meisten grossindustriellen Prozesse verschwinden, können die bolos den Wasserverbrauch leicht auf einen Drittel oder noch weniger reduzieren und damit auch die damit verbundene Arbeit . Durch Sammeln von Regenwasser auf den Dächern und Speicherung in Zisternen können die bolos in gewissen Gebieten Selbstversorgung erreichen. Doch im allgemeinen wird es günstiger sein, wenn die Quartiere und Städte eine (aufwandmässig angepasste) Wasserversorgung organisieren.

sufu wird wieder wegen seiner elementaren Eigenschaften verwendet werden: als Trinkwasser, für Bäder, Brunnen, Planschbecken, Saunas - also für lustvolle Zwecke, nicht als blosses Mittel zum Toilettenspülen, Autowaschen, Strassenputzen, Rasengiessen, für die Papierproduktion und chemische Industrien. Trotzdem werden die bolos nicht «schmutziger» sein als unsere Quartiere - ganz einfach darum, weil kein Dreck mehr anfällt, sondern alles wieder als Rohstoff für andere Verwendungen dient. Abfallverwertung an Ort und Stelle ist darum lohnend, weil die bolos gross genug für vielfältige Kreisläufe sind.

 

 

gano    

bolo'bolo bringt den ibus nicht nur mehr Zeit für ihre Leidenschaften sondern auch mehr Raum, gano. Ladenflächen, Garagen, Büros, Lager, viele Strassen, Fabrikgebäude werden frei für die Benützung durch die bolos. Da es kein Bodeneigentum mehr gibt, fallen private Beschränkungen, Spekulation, damit verbundene Bauvorschriften, weg. Die bolos können ihre Gebäude so gestalten, einteilen, bemalen, benutzen, wie es für ihr nima passend erscheint. Sie werden sich im Rahmen des Quartiers über die Zuteilung von Arealen und Gebäuden untereinander verständigen können.

Es geht für die bolos nicht in erster Linie darum, neue Bauten zu erstellen, sondern sich in vorhandene einzunisten und die im Überfluss schon angehäuften Baumaterialien zu verwenden und wieder zu verwenden. Da gano auch ein integrierender Bestandteil des Energiesystems ist (z.B. passive Sonnenenergie, Wärmezonen, Isolation usw.), stellt die Verwendung der heutigen energieintensiven Betonbauten und der verstreuten Einfamilienhäuser die bolos vor einige Probelem. Hochhäuser können terrassenartig abgetragen, bepflanzt und so mit verglasten Veranden versehen werden, dass ihr Energiebedarf drastisch sinkt. Die Nordwestseiten können im Winter abgedichtet und nicht mehr zum Wohnen (nur noch als Lager usw.) verwendet werden. Zwischen den Stockwerken können Treppensysteme eingebaut werden, wodurch kanas entstehen können. Umgekehrt können Einfamilienhaussiedlungen durch Zwischengebäude, Verbindungsgänge usw. so verdichtet werden, dass bolos sich einnisten können:

 

  

 

Da alle bolos ihre Eigenart auch architektonisch ausdrücken können, wird die heutige Monotonie der Siedlungen verschwinden. Die städtischen Zentren werden wieder vielfältig und lebendig werden, vor allem, weil die Trennung in City und Schlafstädte aufgehoben wird. Es wird zu jeder Zeit (auch nachts und sonntags - einige bolos werden vielleicht noch so etwas Perverses wie «Wochen», «Monate» und «Jahre» kennen...) irgendwelche ibus aus dem Quartier selbst auf den Strassen und Höfen haben. Es gibt keine Läden (ausser dem Markt) und daher auch keine Ladenschlusszeiten und verödete Strassen. Die bolos hingegen sind immer «offen».

Einnistung, Vielfalt, Bedürfnis nach dauerndem Umbau und Anpassung an wechselnde nimas werden dazu führen, dass die Städte einen eher «chaotischen», mittelalterlichen oder orientalischen Eindruck machen werden (d.h. sie werden an die Zeiten erinnern, wo sie noch lebendig waren). Improvisation, Provisorien aller Art, vielfältige Materialien und Stile werden die Bauweise charakterisieren. Zelte, Barracken, Hütten, Arkaden, Übergänge über die Strassen, Türme, Halbruinen, überdachte Verbindungsgänge usw. werden sehr häufig sein, weil benachbarte bolos durch besonders viel Austauschabkommen verbunden sind und die ibus selbst trockenen Fusses zu den einzelnen Häusern, zur Küche, zur Sauna, zu den Werkstätten, gelangen möchten.

Ingesamt wird es für die ibus mehr Lebensraum geben als heute - schon weil riesige Büro- und Lagerflächen frei werden, aber auch, weil viele gemeinsame Nutzungen möglich sind. Jedes ibu wird Platz für seine Werkstätte, sein Atelier, seinen Übungsraum, sein Kabinett oder Labor finden. Die Aufteilung des Wohnraums kann jedoch nicht durch irgendwelche Verordnungen (z. B .: j eder hat Anrecht auf 40 m2) geregelt werden, weil der Bedarf von der Lebensweise bestimmt wird. Gewisse Lebensstile bedingen grosse Schlafsäle, andere individuelle Zellen, andere Gruppenräume, Kultstätten, Hängematten, Türme Schubladen, Höhlen, Refektorien, viele Wände, wenige Wände, hohe Räume, niedrige Räume usw.

Obwohl die eigentlichen Ursachen für viele Formen entfremdeter Gewalt (Strassenraub, Vergewaltigung, Überfälle usw.) nicht nur in der Anonymität der heutigen Quartiere liegen, ist doch die ständige Belebtheit der öffentlichen und privaten Räume durch ortsansässige Bewohner ein Beitrag zur Verunmöglichung gesellschaftlicher Brutalität. Die bolos sind auch eine Form «spontaner» sozialer Kontrolle, also eine (passive) Polizei... (Allerdings verunmöglicht nur die totale Anonymität und die völlige Dunkelheit diese spontane soziale Kontrolle manchmal auch Solidarität genannt. Das wäre auch eine mögliche Utopie: sehen und nicht gesehen werden.)

 

 


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