bete

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Eigentlich ist es unsinnig, das bete, also die Gesundheitspflege, als besondere Aufgabe betrachten zu wollen. Krankheit oder Gesundheit sind nima-abhängig, also ein Aspekt der ganzen Lebensweise. bolo'bolo selbst ist schon das wichtigste bete, denn es fallen viele Krankheiten weg, die direkt oder indirekt Folgen der Arbeitsgesellschaft sind: Verkehrsunfälle, industrialisierte Massenkriege, stress- und umweltbedingte Krankheiten, viele Berufskrankheiten und -unfälle, psychische Krankheiten.

Die bolos bestimmen (abgesehen von Epidemien) selbst, was sie unter krank oder gesund verstehen wollen. Falls ihnen rituelle Verstümmelungen und Schönheitsnarben gefallen, hindert sie niemand daran. Definitionen von verrückt oder normal verlieren jeden Inhalt. Sie entscheiden auch über die Art von Medizin, die sie praktizieren wollen. (16) Jedes bolo wird einfachere Verletzungen und häufige Erkrankungen selbst behandeln können. Es kann dafür eine bolo-Klinik einrichten und einige besonders erfahrene ibus damit betrauen oder in Bereitschaft halten. 

Es gibt vielleicht ein Kranken-Haus, wo man die 200 gängigsten Medikamente, einige Pflegezimmer, Verbandsmaterial, Notfall­ausrüstung und Transportgeräte bereit halten wird. Der Rahmen des bolo erlaubt es, Kranke und Gesunde nicht mehr trennen zu müssen (eigentlich sind ja alle ibsu immer krank und gesund zugleich). 

Bettlägerige, Chronischkranke, Alte, Gebärende, Geistesschwache (z.B. Mongoloide), Invalide, bleiben in ihrem bolo und müssen nicht in Anstalten isoliert werden. Die Konzentration und Isolation arbeitsunfähiger ibus in Krankenhäusern, Altersheimen, Irrenhäusern, Erziehungsanstalten usw. ist eine Folge der Schwäche der Kleinfarnilie, die schon so zwischen Arbeit und Haushalt durchrationalisiert ist, dass sie keine «Störungen» mehr verträgt. Schon Kleinkinder werden für sie zu einem Problem.

Es ist aber auch möglich, dass bestimmte bolos aus einer Krankheit oder einem «Defekt» eine (positive) Lebensweise machen. Es sind Blinden-bolos vorstellbar, wo alles auf die Bedürfnisse von Blinden ausgerichtet ist. Es sind auch enge Verbindungen zwischen Blinden- und Invaliden-bolos denkbar, oder Taubstummenbolos, wo alle ibus miteinander stumm über die Fingersprache verkehren. Vielleicht gibt es auch «verrückte» bolos, wo alles verkehrt abläuft (am Morgen geht man zu Bett, alle gehen rückwärts, Schwarze schminken sich weiss und umgekehrt usw.). Diabetiker, Asthmatiker, Bluter, Epileptiker, Depressive und Paranoiker können sich im bolo ihr eigenartiges Universum einrichten - oder es aber auch bleiben lassen.

Neben den bolos können sich auch Nachbarschaft und Bezirk mit bete befassen. Für schwere Unfälle, komplizierte Krankheiten und die Verhütung von Epidemien wird es ein abgestuftes System geben, das auch den Zugang zur «Spitzenmedizin» (auf Stadtoder Regional-Ebenen) möglich macht, wenn die ibus dies wünschen . Der gesamte Aufwand für dieses bete-System wird aber unvergleichlich kleiner sein als heute für das Spitalwesen. Gerade weil ergeringer ist, wird auch der Einsatz von Ambulanzen, Helikoptern und Flugzeugen durchaus sinnvoll sein können.

Zwar bestehen gute Chancen, dass es uns gesundheitlich besser gehen wird als heute. Doch können Gesundheit und langes Leben nicht als allgemeine Werte dekretiert werden. Heute geschieht dies ja auch nicht aus Humanismus, sondern weil beides Arbeitsfähigkeit bedeutet und profitabel ist. Es gibt Naturvölker, wo das Leben nur kurz ist, dafür anderweitig interessant - und es gibt andere, deren Tradition den «Wert» langes Leben kennt (z.B. die oft erwähnten himalayischen Hunzas). Genauso wird es in den bolos sein. All das ist keine Frage der Medizin, sondern der Selbstbestimmung.

 

nugo

Das nugo ist eine Goldkapsel, 3,7 cm lang und 0,9 cm im Durchmesser, die mit einem Drehkombinationsschloss gesichert ist, dessen siebenstellige Code-Zahl nur das betreffende ibu selbst kennt, und die eine bei Einnahme sofort tödliche Substanz enthält. Jedes ibu kann sein nugo von seinem bolo jederzeit beziehen, ähnlich wie das taku. Das ibu kann das nugo zusammen mit den taku-Schlüsseln an einer Halskette tragen, damit es sofort erreichbar ist, wenn es aus bolo'bolo aussteigen möchte. Wenn das ibu wegen einer Lähmung oder Verletzung sein nugo nicht selbst einnehmen kann, sind die ibus verpflichtet (siehe: sila), ihm dabei zu helfen.

Wenn das ibu genug von bolo'bolo, nima, yalu, fasi, yaka und anderem hat, dann hat es immer die Möglichkeit, endgültig zu verschwinden und dem (Reform-)Alptraum zu entkommen. Es soll nicht die Ausrede haben, dass es zum Leben verpflichtet sei, weil es Verantwortung für bolo'bolo oder andere ibus trage.

Das nugo erinnert das ibu daran, dass auch bolo' bolo keinen Sinn hat, dass niemand und keine Gesellschafts­form dem ibu in seiner Verlassenheit und Verzweiflung helfen kann. Das Leben ist zum vorneherein ein fataler Fehler und es gibt keinen größeren Schrecken als nicht sterben zu können.


pili

Jedes bolo ist in einem gewissen Sinn eine «kleine Welt» oder ein «Heim», also ein Ort vertrauter Zeichen. Die Art dieses Zeichen-Heims, der Austausch dieser Zeichen, der Umgang mit ihnen, ist ein wichtiger Teil der kulturellen Eigenart eines bolo. Gefühle, Sinneseindrücke, Ideen, Erfahrungen, Kenntnisse, Ereignisse, Geschichten und Gedichte, Kommunikation, Musik, Pädagogik, Forschung, Medien usw. - all das gehört zu pili.

Kommunikation und Erziehung bilden heute mächtige Monopole des Staates und der Grosskonzerne. Schulen, Universitäten, Gefängnisse und Medienkonzerne sind dazu da, die Kommunikation so zu regulieren, dass die Maschine weiter funktionieren kann. Die bolos brauchen keine solchen Institutionen mehr. Lehren und Lernen wird wieder ein Teil des Lebens selbst. Jeder wird zugleich Lehrling und Lehrer sein. Die jüngeren oder lernenden ibus werden den älteren zuschauen. In den bolo-Werkstätten, Küchen, Laboratorien, Bibliotheken, Landgütern, Apotheken, Ateliers, werden sie das lernen, wofür sie sich interessieren. Die Weitergabe von Wissen und Fertigkeiten wird alle produktiven oder intellektuellen Vorgänge begleiten und «stören». Das bolo-Leben wird ein Gewirr von «didaktischen Digressionen» (lehrhaften «Abschweifungen»).

Schulpflicht und Zwangsalphabetismus verschwinden. Je nach kultureller Eigenart können bolos Lernkabinette einrichten, wo ibus, die gerne unterrichten, Schreiben, Lesen und Rechnen lernen. (Ein bolo ist gerade gross genug, dass einige Schülergruppen gebildet werden können.) Es kann auch sein, dass ein bolo besondere pädagogische Leidenschaften entwickelt hat und daher Schüler von andern bolos dorthin gehen, um bestimmte Fächer zu studieren (im Rahmen von Tauschabkommen oder «gratis»). Vielleicht gibt es sogar Quartiere oder Städte, wo die Übereinstimmung so gross ist, dass eigene Schulen eingerichtet werden können. Doch wird all das völlig freiwillig sein und von Ort zu Ort verschieden. Es wird keine offiziellen Lehrpläne geben, kein hierarchisch gegliedertes Schulsystem, keine Selektion, keine Noten, Dipolome, Titel usw.

Auch spezialisierte Unternehmungen wie Eisenbahnen, Industriebetriebe, Spitäler, Bergwerke, Luftlinien usw. werden «Lehrlinge» ausbilden. Jeder Ingenieur, Arzt, Pilot, Handwerker, Philosoph, wird mit Lehrlingen zu tun haben und sie persönlich betreuen. Daneben unterhalten solche Unternehmungen vielleicht auch spezielle Kurse oder schicken Lehrlinge zu «Meistern» in andern Regionen. Das Wissen kann frei zirkulieren und keine formellen Barrieren werden es behindern. Jeder kann sich «Doktor» oder «Professor» nennen, wenn ihm danach zumute ist. «Fakultäten» oder Fächer können je nach Bedürfnis entstehen. Alle Arten wissenschaftlicher oder «magischer» Traditionen können nebeneinander bestehen.

Um den Austausch von Kenntnissen und Fähigkeiten zu erleichtern, können Nachbarschaften oder Städte auch Akademien auf Gegenseitigkeit (nima' sadi) einrichten. Jedes ibu kann dort Kurse oder Lektionen anbieten und dafür andere belegen. Als Räume können dafür ehemalige Schulhäuser, Fabriken, Warenhäuser, Lagerhäuser, benützt werden, die mit Kreuzgängen, Wandelhallen usw. versehen werden. Kinos, Cafes, Foyers, Galerien, Volieren und Glashäuser, Theater, könnten mit solchen Akademien kombiniert werden und sie zusammen mit dem Markt (sadi) zu Zentren von Quartieren oder Städten machen.

Da die bolos den ibus die meisten Alltagssorgen abnehmen und ihnen viel freie Zeit lassen, können sie sich unbeschwert mit wissenschaftlicher, magischer, praktischer oder spielerischer Vermittlung von Wissen befassen. Die Entdeckung und Entfaltung persönlicher Fähigkeiten wird wohl zur wichtigsten Tätigkeit der ibus überhaupt werden. Die zentralistisch-bürokratische, formalistische Wissenschaft wird überflüssig werden, weil auch die meisten zentralistischen, hochenergetischen (und daher «gefährlichen») Systeme verschwinden. Deswegen bricht aber noch lange kein neues «dunkles Zeitalter» an, im Gegenteil. Es wird mehr Zeit und Möglichkeiten für Forschung und eigene Information geben, weniger «geheimes» Wissen, keine Trennung von Wissenschaft und (verantwortungsloser) Anwendung. Die ibus werden zum vorneherein Techniken bevorzugen, die sie selbst beherrschen können und sich nicht von Spezialisten abhängig machen. Es ist besser, die Abhängigkeit von grossen Informationssystemen zu verhindern, statt immer mehr Energien in die Bewältigung nutzloser Informationsmengen zu stecken. Wissen ist manchmal nichts «Gutes an und für sich», sondern nur akkumulierte Dummheit.

Gewisse bolos oder Akademien werden wegen der Kenntnisse, die man dort erwerben kann, berühmt werden und von ibus von überall her aufgesucht werden. Meister, Gurus, Weise, Hexen, Erfinder und Lehrer von weltweitem Ruf werden Schüler und Adeptenum sich scharen. Schulen, Sekten, Geheimgesellschaften, Zünfte, planetare Netze aller Art, werden sich entwickeln. Gelehrte Debatten, Schismen, Polemiken, Exkommunikationen, Ausschlüsse, Duelle, werden stattfinden. Das allgemeine Gastrecht (sila) wird diesen «wissenschaftlichen» Tourismus und Austausch fördern, mehr als es heute Stipendien vermögen. Die Universität wird universal.

Auch die Medien werden eine andere Bedeutung bekommen. Statt Austausch, Kontakt, wechselseitige Verständigung haben wir heute nur eine funktionale, von Zentren ausgehende Kommunikation und Information. Diese Zentren (Fernsehen, Radio, Zeitungsverlage usw.) bestimmen, was wir wissen müssen, um uns systemgerecht verhalten zu können. Da es kaum «horizontalen» Nachrichtenaustausch gibt, ist zentrale Information notwendig, um ein auf Spezialisierung und Isolation aufgebautes System am Zusammenbrechen zu hindern. Weil niemand mehr Zeit hat, sich darum zu kümmern, was um ihn herum vor sich geht, entsteht eine ganze Flut von Nachrichten. Man erfährt aus dem Radio, dass um die Ecke jemand umgebracht wurde. Statt von weitgereisten Besuchern Neues aus aller Welt zu vernehmen oder selber herumreisen zu können, müssen wir uns das wirkliche Erleben durch zentralisierte Medien simulieren lassen. Je weniger Zeit für wirkliches Wissen zur Verfügung steht, desto mehr «Information» brauchen wir. Die Medien werden so sehr zu einer Ersatz-Welt, dass wir unfähig werden, die erste Welt überhaupt noch wahrzunehmen.

bolo'bolo verringert durch seine intensiven inneren Wechselwirkungen und Austauschverhältnisse die Menge nicht erlebter Ereignisse und damit auch das Bedürfnis nach Information. Lokale Neuigkeiten müssen nicht durch Zeitungen oder übers Radio verbreitet werden, weil die ibus genug Zeit haben, sie selbst mündlich auszutauschen. Plaudern und Klatschen an Strassenecken, auf Märkten usw. ersetzen Lokalzeitungen. Auch die Art der Neuigkeiten verändert sich: es gibt nichts mehr über Politiker (Spiegel adee!), Staatsaktionen, Kriege, Bestechungsskandale, also zentralistische Ereignisse zu berichten, ganz einfach, weil sie nicht mehr stattfinden. Es «passiert» nicht mehr viel, d.h. das tägliche Spektakel verlagert sich von der abstrakten Medienwelt in die bolo-Küche.

Das erste Opfer dieser neuen Verhältnisse wird die Massenpresse. Nicht nur erlaubt dieses Medium wenig Zwei-Weg-Austausch (Leserbriefe als Alibi), es bedingt auch eine grosse Papier-, Wasser- und Energieverschwendung. Papierene Information wird sich auf unregelmässige Bulletins, Veröffentlichung von Kommissions-Verhandlungen und Zeitschriften aller Art beschränken.

Die Massenbücherproduktion wird stark reduziert werden können. Es werden viel weniger Bücher benötigt, weil die bolos eigene Bibliotheken einrichten können. Dazu braucht es etwa 100 mal weniger Bücher als mit der heutigen Kleinhaushaltverteilung. Das braucht weniger Bücher, bringt aber dem einzelnen ibu zugleich Zugang zu einer grösseren Vielfalt. Technisch-wissenschaftliche Bücher können in Datenbanken gespeichert werden und am Bildschirm abgelesen werden. Dadurch wird das Buch als solches wieder aufgewertet. Es wird wieder ein kostbares, solid gebundenes, gepflegtes Luxusobjekt wie etwa im Mittelalter. Es wird als Buch geschätzt und nicht einfach als Informationsquelle benutzt und weggeworfen (wie heute Taschenbücher). In gewissen bolos werden in Schreibstuben sogar kunstvoll illumierte Handschriften hergestellt - zum Tausch auf den Märkten oder als Erinnerungsgeschenke zur Besiegelung wichtiger Abkommen.

Da die bolos eine grosse Selbständigkeit besitzen und auch gemeinsame Aktivitäten im Quartier und in der Region von ihnen direkt mitbestimmt werden, bekommen elektronische Medien eine andere Bedeutung. Zum einen sind sie nicht mehr so wichtig und man kann ganz gut auf sie verzichten, da viele andere kulturelle «Kanäle» offen sind (die bolos sind selber eine permanente «show»). Schnelle Information ist nur in Notfällen erforderlich und im übrigen kann man selber hingehen, wenn einen etwas interessiert. Radio, Fernsehen, Computer-Dateien, bilden Hobbies einiger bolos, die darin ihre Eigenart verwirklichen. Daneben gibt es vielleicht an einigen Orten lokale Kabelfernsehnetze, Radios, Videotheken, die von Quartieren oder Städten betrieben werden. Im Unterschied zu heute werden die direkt Beteiligten die Möglichkeit haben, solche Projekte selber zu kontrollieren, sodass die Gefahr zentralistischer Manipulationen vermieden werden kann. Kein Medium wird eine «zentrale» Position beanspruchen können und es kann auch keinen Platz dafür geben.

Das gilt auch für den Einsatz von Computern. Sie werden nicht als technische Prothesen für mangelnde Kommunikation dienen, sondern entweder spezielle Hobbies sein oder Zusatzfunktionen übernehmen. bolo'bolo ist kein Computersystem und auch nicht von Computern abhängig. Jedes bolo entwickelt seine Tauschbeziehungen allmählich auf Grund persönlicher oder kultureller Vorlieben und riskiert so nicht, die Übersicht über seine Verpflichtungen oder Ansprüche zu verlieren. Gewohnheit, Listen, Karteien, genügen notfalls, um Lieferungen zu organisieren. Selbstverständlich ist es möglich, zu solchen Zwecken das reichlich herumliegende elektronische Material zu verwenden. Es gäbe heute schon für jedes der zehn Millionen bolos auf diesem Planeten einen Terminal. Und da Banken, Grossfirmen, Versicherungen usw. keine Computer mehr brauchen, würden theoretisch grosse Kapazitäten frei. Doch Okonomie steht bei den bolos nicht im Vordergrund und es wäre absurd, sich all diese Mühe mit Programmen, Anschlüssen usw. zu geben, wenn man auch ohne gut durchs Leben kommt. In Kombination mit dem Telephonnetz (das ganz nützlich wäre) wären Computernetzwerke zur Verbesserung des Güteraustauschs, zur Abstimmung der Produktion («Planung», «Optimierung», Prognosen) und zum Abruf von Daten vorstellbar. Da jedoch kaum alle bolos mitmachen würden und andere nur teilweise, wäre ein solches System immer unvollständig und könnte es auch nie verbindlichen Charakter haben. Die bolos sind von ihrem Wesen her einfach zu wenig von der Elektronik abhängig, um ein Interesse an einem solchen Netz zu haben. Für einige bolos könnte die Elektronik aber sicher zusätzlichen Reichtum bedeuten, z.B. für Tüftler, Spieler, Mathematiker und Logiker. Ein allgemein zugänglicher Informationspool - organisiert von solchen bolos - könnte verschiedene Menus bereithalten, aus denen man erfahren könnte, wo welche Produkte, Kenntnisse oder Fertigkeiten gerade verfügbar sind. An zentralistischer Verwaltung, für die heute Computer am meisten eingesetzt werden, würde aber so wenig anfallen, dass es kaum mehr die Mühe lohnen würde.

Wie andere Technologien würde auch die Informatik lokalen, bestenfalls regionalen Charakter haben und mehr von kulturellen als ökonomischen Faktoren bestimmt sein. Eine Abhängigkeit von einer solchen Technologie wäre daher unmöglich und sie selbst würde in engen Grenzen bleiben und nicht das Herzstück irgendeiner «Entwicklung» bilden. Hingegen wäre der Aufbau eines planetaren Telephonnetzes als Notkommunikationssystem (eventuell mit Funkanlagen und Satelliten) sinnvoll. Jedes bolo sollte mindestens einen (aber nicht 500!) Anschluss besitzen. Das würde bedeuten, dass jedes ibu mit iedem andern jederzeit reden kann, wenn es dringend ist. Für diese 10 Millionen Anschlüsse (auch da machen ein paar Millionen sicher nicht mit) gibt es heute schon genug Material - es müsste nur richtig verteilt und eingesetzt werden. Das Telephon ist energetisch billig und könnte so doch helfen, Transportarbeit zu sparen. Es könnte ein Kommunikationssicherheitsnetz bilden für Katastrophen, Mangelsituationen, Seuchen, Unfälle. Doch das «elektronische Weltdorf» erscheint an keinem Horizont...


kene

Die Aufteilung von nötigen Arbeiten innerhalb eines bolos (Wer wäscht ab?) ist von dessen Lebensweise abhängig und es kann darüber keine allgemeinen Regeln geben. Anders verhält es sich, wenn bolos zusammen etwas unternehmen oder gemeinsame Werke auf der Ebene von Quartieren, Regionen usw. organisiert werden. Jedes bolo entscheidet selber, ob es an solchen Unternehmungen teilnehmen will, aber es schliesst sich natürlich auch von gewissen GratisDiensten aus, wenn es nicht mitmacht.

Gemeinsame Unternehmungen wie Spitäler, Energieversorgung (Elektrizität, Bergwerke), Spitzentechnologien, Medizin, Landschaftspflege, Transportwege, Kommunikationsmittel, Wasserversorgung, Rohstoffgewinnung, Massenproduktion ausgewählter Güter, Grosstechnologien (Raffinerien, Stahlwerke, Fabriken, Werften) brauchen eine bestimmte Zahl ibus, die bereit sind, dafür zu arbeiten. Selbstversorgung und handwerkliche Eigenproduktion werden den industriellen Bereich drastisch verkleinern, sodass relativ wenige Arbeitskräfte benötigt werden. Entscheidend ist nicht irgendeine wirtschaftliche Konjunkturdynamik, sondern der Wille der beteiligten Gemeinschaften. Arbeitstempo und -qualität wird durch jene bestimmt, die die Arbeit tun. Es gibt weder Löhne noch Chefs, weder Eile noch Rentabilität. Da jeder Arbeiter in sein bolo «desertieren» kann, bleiben solche Unternehmungen eine relativ lahme, harmlose und gemütliche Sache, die kein ibu gross erschrecken kann. Trotzdem ist es vernünftig, einige Fabriken und zentralisierte Institutionen zu unterhalten - so macht z.B. ein sorgfältig geplantes und mit allen Umweltschutzschickanen versehenes mittelgrosses Stahlwerk die Natur weniger kaputt als ein Schmelzofen in jedem Hinterhof.

Zu einem grossen Teil wird es möglich sein, für solche gemeinsamen Unternehmungen ibus zu finden, die darin ihre Lebensauffassung verwirklichen können, ja sogar ihren «Beruf» sehen, um es altmodisch auszudrücken. Warum sollten nicht ibus Interesse daran haben, Ingenieur, Pilot, Giesser, Lokomotivführer, Bergwerksarbeiter usw. zu werden? Es braucht ja nicht für immer zu sein und die Arbeitsbedingungen können selbst bestimmt werden. Ein Problem stellt sich erst, wenn die gleichen bolos, die beschliessen, eine gemeinsame Unternehmung zu starten, unter ihren ibus niemanden finden, der die Arbeit gerne tut. Dieser «Rest» kann sehr verschieden gross sein - wenn er allzu gross wird, werden sich die bolos überlegen müssen, ob ein solches Unternehmen für sie wichtig genug ist. Halten sie daran fest, so besteht eine Lösung darin, die Restarbeit auf alle bolos zu verteilen und sie als Fronarbeit zu verrichten. Diese Form der gemeinsamen Arbeit besteht in den meisten Kulturen, die keine Lohnarbeit und daher auch kein Steuersystem kennen.

kene ist eine Art «Naturalsteuer» in der Form von Arbeitskraft. So könnte es sein, dass die bolos 10% ihrer Arbeitszeit dem Quartier zur Verfügung stellen, die Quartiere 10% ihrer Arbeitszeit der Stadt usw. Innerhalb der bolos würde sie nach dem Rotationsprinzip verteilt. Es ist denkbar, dass kene vor allem aus notwendiger, aber wenig anspruchsvoller oder unangenehmer Arbeit bestünde, z.B. Bewachung stillgelegter AKWs, Reinigung von Kanälen, Strassenreparaturen, Bergbau. Wenn es gelingt, solche Arbeit zu reduzieren, fällt kene tendenziell bald weg. Inzwischen bleibt es eine jener Grenzen, die wir dem Fortschritt seit dem Paläolithikum verdanken... Wir können nicht alle sammlen und jagen.


tega

Durch Nachbarschaft, gemeinsame Unternehmungen und praktische Arrangements entstehen Verbände von bolos. Die Form solcher Föderationen, bolo-Bündel oder Koordinationen wird von Region zu Region und Kontinent zu Kontinent verschieden sein und von unterschiedlichen Traditionen beeinflusst. bolos können auch isoliert bestehen (z.B. im Dschungel) oder in Gruppen von zwei oder drei. Sie können nur locker organisiert sein, oder sehr eng verwoben (in Städten). Es kann Überlappungen geben, Enklaven und Exklaven, Wechsel usw.

Eine häufige Form der Zusammenarbeit von zehn bis zwanzig bolos ist sicher das tega: ein Dorf, eine Nachbarschaft, eine Kleinstadt, eine kleine Talschaft, ein Landgebiet, ein Quartier.

Ein tega kann zustande kommen durch geographische Zusammengehörigkeit, städtische Struktur, kulturelle oder geschichtliche Faktoren oder einfach aus gegenseitiger Vorliebe. Ein tega (Nachbarschaft) erfüllt für seine bolos oder einzelne ibus bestimmte praktische Aufgaben: Strassen, Kanäle, Wasserversorung, Energie, kleine Betriebe und Werkstätten, Verkehrswesen, Spitäler, Gewässer- und Waldpflege, Materiallager, Feuerwehr, Markt, allgemeine Hilfe und Reserven für Notfälle, Theater, Kinos, Restaurants usw. Die bolos organisieren für solche Dinge eine Art Selbstverwaltung auf lokaler Ebene. Entscheidend ist dabei nicht das Territorium, sondern die Unternehmung. Ein bolo kann also zu mehreren tegas gehören; tegas können fliessend ineinander übergehen. Im Gegensatz zu heutigen Formen lokaler Verwaltung (Quartier-Räte, Blockkomitees, Gemeinden, Sowjets usw.) sind tegas von unten bestimmt und nicht einfach Kanäle zentraler Verwaltungen. Die bolos mit ihrer grossen Selbständigkeit begrenzen die Macht solcher «Regierungen» und verhindern, dass sie eine bürokratische Eigendynamik entfalten. Die bolos sind die Garantie dafür, dass die tegas «riskiert» werden können.

Wenn die bolos das wollen, können Nachbarschaften auch gesellschaftliche Funktionen ausüben. Sie können Ausschüsse haben, die sich mit Konflikten zwischen bolos oder ibus befassen, die Duelle überwachen (siehe: yaka), die helfen neue bolos zu gründen oder ausgestorbene bolos aufzulösen, die tega'bolos einrichten (für ibus, die sich auf keine bestimmte Lebensweise einigen können, aber doch in einem bolo leben möchten...) Im Rahmen der Nachbarschaften sollte es auch Platz haben für Lebensweisen ausserhalb der bolos: für Eremiten, Kleinfamilien, Vagabunden, Nomaden, Misanthropen, Dandies, Genies, Kommunen oder Zweierbeziehungen. Diese Individuen oder Gruppen können mit bolos oder dem tega Abkommen treffen über ihre Versorgung mit Lebensmitteln, Unterkunft usw. Sie bilden einen Teil des Reichtums einer Nachbarschaft. Diese kann sogar eigene Landwirtschaftsbetriebe (tega'kodu) unterhalten und bestimmte Produkte für die ganze Nachbarschaft erzeugen. Kurz, das tega entfaltet so viele Aktivitäten, wie die beteiligten bolos wünschen: Bäder, Klein-Opern, Häfen, Springbrunnen, Feste, Eisbahnen, Galerien, Regatten, Pastetenbackwettbewerbe, Schlachthäuser, Bäckereien... Die bolos müssen dabei nur aufpassen, dass sie nicht zuviel von ihrer Unabhängigkeit verlieren - die ersten Schritte auf dem Weg zum Staat sind oft sehr harmlos.

Schematisch vereinfacht könnte ein städtisches tega etwa so aussehen:


 

Gesellschaftliche Einrichtungen, auch solche mit scheinbar nur praktischen Aufgaben, haben die fast natürliche Neigung, eine Eigendynamik zu entwicklen und ihre Mitglieder zu «verraten» . Zusammenarbeit erzeugt Macht und es gibt immer Gruppen, die sich diese Macht aneignen wollen. Wenn man ihn nicht bewusst verhindert, erwächst der Staat aus jeder Art gesellschaftlicher Organisation. Das beste Hindernis gegen diese Tendenz ist die Unabhängigkeit der bolos. Ohne sie müssen alle formalen demokratischen Machtbegrenzungsmethoden scheitern, sei es nun das Prinzip der Delegation von unten, Ämterrotation, Gewaltenteilung, Öffentlichkeit, Informationspflicht, Wahl durch das Los usw. Kein demokratisches System kann demokratischer sein als die materielle, existentielle Selbständigkeit seiner Mitglieder. Es gibt keine Demokratie für ausgebeutete, wirtschaftlich und kulturell erpresste Leute.

Ausgehend von der Autarkie der bolos können einige Vorschläge gemacht werden, wie das Risiko des Staats trotz gesellschaftlicher Zusammenarbeit vermindert werden kann. Innerhalb des bolos gibt es keine Regeln - die Art der Entscheidungsfindung wird durch die jeweilige Lebensweise bestimmt. Doch auf höheren Ebenen (Nachbarschaft, Stadt, Region) könnten folgende Verfahren sinnvoll sein (viele andere sind auch denkbar).

Die Nachbarschaftsangelegenheiten werden in einer Delegiertenversammlung (tega'dala) diskutiert und ausgeführt. Jedes bolo entsendet zwei Delegierte und dazu kommen zwei externe Vertreter (dudis) aus andern Versammlungen (siehe unten). Die boloVertreter werden durch das Los bestimmt und die Hälfte davon müssen Männer sein (damit die Fraugen wegen ihrer «natürlichen» Mehrheit nicht das Übergewicht haben). Altersgrenzen gibt es keine. Kinderdelegierte können ihre Mütter, Väter oder Onkel/Tanten mitbringen.

Das tega'dala wählt aus seinen Mitgliedern zwei dudis, ebenfalls durch das Los. Diese Delegierten werden durch ein weiteres Los-System in andere dalas (Nachbarschaft, Städte, Regionen) anderer Stufen entsandt. So schickt vielleicht ein tega'dala Barceloneta (Barcelona) einen Vertreter ins sumi'dala Andalusia, das sumi'dala Bayern einen ins tega'dala Kreuzberg (Berlin), das fudo'dala Tsüri einen Vertreter ins tega'dala Appenzell oder umgekehrt. Solche auswärtigen Vertreter hätten volles Stimmrecht und wären natürlich nicht etwa zur Diskretion verpflichtet - im Gegenteil. Sie sollen «fremde» Gesichtspunkte ins Spiel bringen, interne Mauscheleien ausbringen, Gewohnheiten durchbrechen, also beobachten, stören, spionieren. Ähnlich wie die überall auftauchenden Gäste und Nomaden können sie helfen, Isolationserscheinungen in bolos und Nachbarschaften zu durchbrechen. Sachunkenntnis, Unabhängigkeit, Unbekümmertheit, sind ihr wichtigster Beitrag.

Zusätzlich könnten alle Amtszeiten aller dalas auf ein Jahr begrenzt werden. Die Sitzungen sollten öffentlich sein oder durch Radio/Fernsehen übertragen werden. Jedermann sollte an Sitzungen zu Wort kommen können, nicht nur Delegierte. All das erinnert an Häuptlingstreffen (nur sind die «Häuptlinge>) hier verlost) oder Thing-Räte.

Die bolo-Vertreter hätten je nach bolo-Eigenart verschiedene Stellungen. Manche wären ganz unabhängig, andere an strenge Instruktionen «gebunden» (eigentliche Sanktionen wären kaum möglich), je nach dem, ob sie ein mehr liberales oder mehr soziales bolo vertreten. Alle Vertreter wären selbst zuständig für die Ausführung der Beschlüsse und würden in verschiedenen Ausschüssen mitwirken, sodass ihre Tätigkeit als eine Form der Fronarbeit (kene) betrachtet werden kann.

Die dalas aller Ebenen können nicht mit Parlamenten oder Regierungen verglichen werden. Sie verwalten nur, was die bolos ihnen übrig lassen und was die bolos zulassen. Ihr Spielraum ist gering, ihre Legitimation schwach (Los), ihre Unabhängigkeit bedroht, ihre Aufgaben praktischer Art und lokal begrenzt. Sie gleichen eher den alten Tagsatzungen, Senaten oder «Oberhäusern», d.h. es sind Treffen selbständiger Eiheiten, eine Art Feudal-Demokratie ahne Adel. Es sind nicht einmal Konföderationen und sie können leicht an Uneigkeit zerbrechen. Physische Sanktionen, Rechtsetzung, Zwang (alles, was den «Rechtsstaat» ausmacht) fällt ins Leere, weil jedes ibu ungehindert «fliehen» oder in einem bolo «Asyl» (sila) finden kann. Der «rechtsfreie Raum» umzingelt die gesellschaftlichen Einrichtungen, sodass sie kaum gedeihen können. Volksversammlungen sind immer und überall möglich. Was sollen dagegen 40 oder 60 dala-Delegierte ausrichten?


fudo

Die bolos und ihre Nachbarschaften können die meisten Probleme allein regeln. Aber da sie oft Landsitze oder andere Ressourcen ausserhalb der engeren Nachbarschaft haben, braucht es eine weitere Koordination zwischen ihnen. Zehn oder zwanzig tegas könnten so ein fudo (eine Stadt, eine Klein-Region, einen Kanton, einen Bezirk, eine Talschaft usw.) bilden.

Die Grösse solcher Bezirke müsste sehr flexibel sein, je nach geographischen Bedingungen und bestehenden Strukturen. Es könnte einen Lebensraum für etwas 200000 ibus oder 400 bolos bilden. Möglichst wenige Güter sollten über die Grenzen eines fudo hinaus verschoben werden. In seinem Rahmen sollten Agri-kultur (kodu) und Fabri-kultur (sibi) eine Einheit bilden und bis zu 90No oder mehr selbstversorgend sein (Bio-Region). Innerhalb eines fudo kann jedes ibu herumreisen und innert eines Tages wieder nach Hause kommen (und dabei noch Zeit haben, etwas zu erledigen). In dicht bevölkerten Gegenden könnte das eine Fläche von ca. 50 x 50 km sein - also noch mit dem Velo zu bewältigen.

Ein Bezirk hätte etwa die gleichen Aufgaben wie eine Nachbarschaft, nur in grösserem Rahmen: Energie, Transport, bestimmte Technologien, Notfall-Spital, Märkte und Messen, Reserven, Rohstoffe usw. Eine besondere Aufgabe der fudos wäre es, sich um Wälder, Gewässer, Berggebiete, Moore oder Wüsten zu kümmern, also um Gebiete, die nicht zu einzelnen bolos oder Nachbarschaften gehören und die gegen allerlei Gefahren geschützt werden müssen.

Ein fudo könnte durch eine Bezirks-Versammlung (fudo'dala) organisiert werden. Jede Nachbarschaftsversammlung (tega'dala) würde zwei Delegierte (I Mann + 1 Frau) entsenden, die durch das Los bestimmt werden. (siehe: dala, dudi)

Einige Bezirke wären besonders gross, weil sie Städte mit mehreren Millionen Bewohnern umfassen. Zwar können viele Grossstädte durch Abwanderung auf vielleicht 500000 Bewohner ausgedünnt werden, doch einige werden schon gross bleiben müssen, damit sie ihren besonderen Charakter nicht verlieren (Paris, New York, Hong Kong, Rio usw.). Grossstädte sind nicht leicht auf Selbstversorgung umzustellen. Die Bildung von Stadt-bolos stellt keine besonderen Probleme - sie entsprechen meist schon bestehenden Strukturen. Die landwirtschaftlichen Basen solcher Grossstadt-bolos wären jedoch sehr weit weg, sodass andere Formen gesucht werden müssen. Grossstadt-fudos könnten zu diesem Zweck Tauschabkommen mit benachbarten LandBezirken oder Regionen abschliessen und ihre Dienste (Theater, Kino, Druckerein, Restaurants usw.) gegen Lebensmittel tauschen: für Besucher wäre dann alles gratis. bolos in Aussenquartieren könnten hingegen ohne weiteres auch landwirtschaftlich selbständig sein. So entstünden in Grossstädten bolos, die direkt von Regionen (sumis) oder Regionskoalitionen versorgt werden. (17)

 


 

sumi

Die autonome Region (sumi) ist für bolos und ibus die grösste unmittelbar erlebbare gesellschaftliche Einheit. Solch eine Region kann eine unbeschränkte Zahl von bolos, Nachbarschaften oder Bezirken umfassen, vielleicht 20 bis 30 Bezirke mit 8000 bolos und mehreren Millionen ibus. In besonderen Fällen können es auch mehr sein, in andern nur einige Tausend ibus - z. B . auf Inseln, in Gebirgen, im Eis oder in der Wüste. Es gibt einige hundert Regionen auf diesem Planeten; die meisten von ihnen wird man auf dem gleichen Kontinent bei ihrem Namen kennen.

Eine Region ist zuerst einmal eine geographische Einheit: eine Gebirgsgegend, ein Gebiet zwischen zwei Flüssen oder Gebirgszügen, eine grosse Insel oder Halbinsel, ein Küstenstrich, eine Ebene, ein Dschungel, ein Flussbassin, ein Archipel usw. Sie bildet eine Einheit bezüglich der Verkehrsmöglichkeiten und sie sollte genug Ressourcen haben, um weitgehend autark sein zu können. Der grösste Teil des Austauschs und der Kommunikation unter den bolos wird sich im Zusammenhang der Region abspielen. Sie ist keine administrative, sondern eine Einheit des praktischen Alltagslebens. In gewissen Fällen kann sie heutigen Staaten (USA) entsprechen, oder Republiken (UdSSR, Jugoslawien), Herzogtümern, Provinzen, offiziellen Regionen (Italien, Frankreich), Ländern (Deutschland) usw. Aber in vielen Fällen sind diese Einteilungen rein administrativ oder unpraktisch und nicht lebensfähig. Oder sie wurden sogar absichtlich geschaffen, um kulturell eigenständige Regionen zu zerreissen und gefügig zu machen.

Es gibt in der Tat viele Regionen, die nicht nur geographisch bestimmt sind, sondern wie die bolos eine kulturelle Eigenart besitzen (dies braucht aber nicht immer der Fall zu sein). Sie haben z.B. eine typische Sprache oder einen Dialekt, eine Geschichte gemeinsamer Kämpfe, einen ähnlichen Lebensstil, bestimmte Wohnformen und Architekturen, eine Religion, traditionelle Einrichtungen und Feste, eine eigene Küche usw. All das und einige Zufälligkeiten können eine regionale Identität ausmachen. Für die Verteidigung solcher Identitäten haben seit jeher und auch heute noch Kämpfe gegen zentralistische Unterdrückung stattgefunden: die Iren, die Indianer, die Indios, die Basken, die Ibos, die Korsen, die Katalanen, die Jurassier, die Palästinenser, Kurden, Armenier usw. Die Geschichte der meisten Nationalstrassen besteht in der Unterjochung regionaler Kulturen.

Die regionale Eigenart kann mehr oder weniger stark ausgeprägt sein als jene der dazugehörigen bolos und auch von ihr abweichen. Im allgemeinen sind regionale Kulturen, die sich frei entfalten können, auch wieder sehr tolerant mit andern Kulturen: die Abgrenzung ist dann keine Überlebensfrage mehr. Die Stärke der bolos ist gerade die Stärke einer Region. Die bolos wählen sich die Region, an deren Unternehmungen sie teilnehmen möchten, selber. Sie können in bestimmten Bereichen auch zu mehreren Regionen gehören, denn diese sind nicht territorial bestimmt und brauchen keine Grenzen. Indem eine Region bolos «verliert» oder «gewinnt» kann sie sich dauernd neuen Verhältnissen anpassen. Eine Region geht so in die andere über und man weiss nie, ob man nun noch in Turonia oder schon in Mandoland ist. Solch lebendige Regionen sind eine Möglichkeit, alle jene Probleme zu lösen, die durch absurde nationale Grenzen verursacht wurden. Die Nationen, die geschaffen wurden zur Sicherung der Herrschaft des Zentralstaats, werden in einem Patchwork «weicher» Regionen aufgelöst. (18)

Typische bolos, deren Lebensweise auf einer Regionalkultur aufgebaut ist, sind zugleich «Botschaften» der Regionen unter einander und fördern so den Austausch und damit die gegenseitige Toleranz. (Anatol-bolos in Berlin, Alp-bolos im Kongo, Britobolos in Rio, Sizilo-bolos in Boston usw.) Keine regionale Kultur wird für andere zu einem Meltingpot, sondern sie lässt sich von der Andersartigkeit von «Gast-Kulturen» bereichern. (Vergessen wir aber nicht, dass regionale Traditionen nur eine Quelle kultureller Selbstbestimmung unter vielen sind!)

Autonome Regionen können sich mit allen Aufgaben befassen, die die beteiligten bolos ihnen übertragen wollen. Darunter wären vielleicht besonders zu erwähnen: Bewachung stillgelegter Atomkraftwerke und radioaktiver Depots (Minenfelder, Stacheldraht, MG-Nester, rotierendeWachmannschaften usw. für einige zehntausend Jahre), Unterhalt einiger Bahn-, Bus- oder Schiffslinien, spezielle Kliniken, Laboratorien, Energie-Exporte/Importe, Katastrophenhilfe, Schlichtung bzw. Austragung von Streitfällen, Teilnahme an kontinentalen oder planetaren Unternehmungen. Die allenfalls für solche Aufgaben notwendige Arbeitskraft kann von den Bezirken in der Form von Fronarbeit (kene) erbracht werden.

Eine Regionalversammlung (sumi'dala) könnte etwa so aussehen: zwei Delegierte aus jedem Bezirk, weitere 40 Delegierte aus 20 verlosten bolos - etwa 60 Mitglieder. Dazu kommen neben den üblichen beiden auswärtigen Vertretern (dudis) noch je zwei aus allen angrenzenden Regionen. In der Regionalversammlung Burgund sässen also auch stimmberechtige Vertreter aus der Champagne, aus Lothringen, dem Jura usw. und umgekehrt. Solche Nachbarschaftsvertretungen könnten die Zusammenarbeit unter Regionen verbessern und Isolationstendenzen vermindern. Benachbarte Regionen könnten darüber hinaus auf vielen Gebieten eng zusammen arbeiten, z.B. im Verkehrswesen und bei der Rohstoffgewinnung.

In Europa (in einem lockeren geographischen Sinn) gäbe es ungefähr 100 autonome Regionen, in beiden Amerika 150, in Afrika 100, in Asien 300 und auf dem Rest der Welt nochmals 100, zusammen 750. Die Welt sähe dann so aus: (wobei die Grenzen nicht als Linien, sondern als Übergangszonen zu verstehen sind)

 


 

asa               

asa ist der Name des Raumschiffs «Erde». Die autonomen Regionen sind die einzelnen Räume dieses Raumschiffs und wir alle seine Passagiere. Die Regionen können sich an planetaren Unternehmungen beteiligen, die von der planetaren Versammlung, dem asa'dala, organisiert werden. Jede Region schickt eine Zweiervertretung (1 Frau + 1 Mann) zu seinen Sitzungen, die abwechselnd je ein Jahr in Beirut und in Quito abgehalten werden. (Jemand müsste diese beiden Städte noch fragen, ob sie Lust haben, 1500 Leute zu beherbergen.) Das asa'dalaist ein Forum für Kontakte unter sumis, es fördert Begegnungen, Geplauder, den Austausch von Gütern, Projekten, Ideen und Beschimpfungen. Es könnte sich auch um ein paar planetare Hobbies kümmern, wie etwa: Meeresnutzung, Rohstoffverteilung, interkontinentale Eisenbahnlinien, Fluglinien, Ozeanschiffahrt, Epidemiebekämpfung, Meteorologie, Telephon, Forschungsprogramme aller Art, Medikamente, Aufforstungen, asa'pili-Wörterbuch, Post, Spitzentechnologien, Gespräche mit Delphinen und Walen, Raumfahrt usw. Die Sessionen des asa'dala und seiner zweihundert Kommissionen bilden den Anlass für völkerwanderungsähnliche Aufläufe zehntausender ibus. Sie nehmen an verschiedenen Versammlungen teil, «stören» alle möglichen Sitzungen, reden auf Delegierte ein. Wichtige Sitzungen werden vom Fernsehen per Satellit weltweit übertragen.

Welche Regionen an planetaren Unternehmungen teilnehmen und wieviele es sein werden, hängt ganz von ihren Interessen und Neigungen ab. Es wird sicher Regionen geben, die abseits stehen und auf die Dienstleistungen des asa'dala verzichten werden. Dank der mehrfachen Selbstversorgungsnetze wird kein bolo oder keine Region von planetaren Strukturen wirklich abhängig sein. Der Ruf der Regionen, ihr Ansehen, werden oft wichtiger sein als «praktische» Vorteile.

Ohne die Selbständigkeit der bolos und der Regionen bestünde eine gewisse Gefahr, dass aus dem asa' dala eine Art Weltregierung entstehen könnte. Doch das asa'dala wird sich hauptsächlich um Gebiete kümmern, für die kein einzelnes bolo oder keine Region «zuständig» ist: Meere, die Atmosphäre, Polargebiete, Wüsten usw. Das asa'dala wird nur über die Dinge beschliessen, die ihm von den Regionen zugewiesen und übrig gelassen werden.


buni

Die einfachste und alltäglichste Form des Austauschs von Dingen zwischen ibus, bolos und Regionen sind Geschenke - buni. Vieles wird einfach zirkulieren und benützt werden, ohne dass nach einem Eigentümer gefragt werden muss. Lokale Kreisläufe und intensive persönliche Kontakte sorgen dafür, dass nichts «verloren» geht und dass «Geschenke» (der Begriff wird unter diesen Bedingungen überflüssig) immer wieder zurückkehren. Da Ansehen, Freundschaft und persönliche Beziehungen wichtig sind, wird der Wert von Sachen oder Arbeitsleistungen relativ. Auch wenn Verbrauchsgüter verschenkt werden, «lohnt» sich das immer wieder.

Geschenke haben viele Vorteile für den Gebenden und den Nehmenden. Wer etwas gibt, bestimmt dessen Form und Qualität und betreibt daher mit seiner Gabe eine Art kulturelle Propaganda. Das Geschenk erinnert den Beschenkten an den Geber, dessen gesellschaftlicher Ruf und Einfluss so verstärkt wird. Gaben wirken als Verlängerung der Person über diese hinaus - und der Beschenkte erhält zugleich einen Anlass sich zu revanchieren. Das Schenken und Wieder-Schenken bildet so einen wichtigen Teil der gegenseitigen Verständigung, eine Form der nonverbalen Kommunikation. (Auch Worte sind eigentlich Geschenke - heute werden sie von manchen als Dienstleistungen berechnet.)

Schenken ist auch darum eine günstige Form des Austauschs, weil wenig Arbeit in den Tauschvorgang gesteckt werden muss. Es muss kein Wert kalkuliert werden, es gibt keine Abrechnungen, keine Buchhaltung. Es braucht keine Zeit für das Handeln oder für den Abschluss von Verträgen. Schenken kann überall spontan geschehen. Es gleicht in seiner Wirkung den Regeln der Gastfreundschaft: persönliche Austauschformen sind langfristig «profitabler». Die heutigen schnellen und anonymen Verkaufstransaktionen sind hingegen auf die Länge unbefriedigend. Oder wo liegt der persönliche Gewinn im Supermarkt, am Bankautomat, im Warenhaus? Was verbindet uns mit Kassiererinnen, einem Kreditcomputer?

Die Bedeutung des Schenkens wird von der örtlichen Situation abhängen. In einem relativ geschlossenen, eng zusammenlebenden Kreis ist es die ideale Form des Austauschs. Da Geschenke aber unregelmässig und unzuverlässig sind, werden bolos, denen es auf einen geregelten, vorhersehbaren Lebensablauf ankommt, sich mehr auf andere Formen des Austauschs abstützen (siehe unten). Einige Lebenseinstellungen vertragen sich besser mit dem Geschenksprinzip als andere. Doch lassen sich alle andern Formen als Unterkategorien des Geschenks betrachten, als geplante oder irgendwie sonst definierte Geschenke. Was heute als «Gegenwart» in Geld ausgedrückt wird, ist eine lebensfremde Abstraktion, denn der Gewinn jedes Austauschs hängt von vielen Aspekten und nicht nur von der in ein Ding investierten Arbeitszeit ab. Der Kauf/Verkauf ist eine brutale Reduktion des Schenkens und betrogen sind dabei schliesslich alle Beteiligten.


mafa

Das mafa ist ein von den bolos geschaffener Geschenk-pool. Im Rahmen eines Quartiers oder einer Region legen die bolos gemeinsam einige Reserven an, aus denen sich dann jedes bolo je nach Bedürfnis bedienen kann. mafa gibt also den beteiligten bolos mehr Sicherheit im Falle von Notsituationen, Katastrophen, Engpässen oder Pannen. Das mafa bildet das Netz unter dem bolo-Trapezakt der Selbstversorgung.

mafa gleicht im Prinzip den heutigen Sozialversicherungs­systemen, es ist eine Versicherung in der Form von Naturalien. Das können Grundnahrungsmittel (Milchpulver, Getreide, Salz), Betriebsstoffe (Erdöl), Medikamente, Ersatzteile, Kleider, Baumaterialien usw. sein. mafa kann auch die Form eines Werkzeug- und Maschinenverleihs haben, eines Fahrzeugpools. Es ist eine Art Gratis-Warenhaus, zu dem jeder seinen Beitrag leistet und von dem jeder bezieht, was er braucht. mafa wird von den beteiligten bolos selbst verwaltet und so besteht kaum die Gefahr, dass es - wie andere «sozialistische» Systeme - Abhängigkeiten von einer zentralen Bürokratie schafft. Natürlich können Streitigkeiten entstehen, wenn ein bolo mafa übermässig zu beanspruchen scheint. doch in einem überschaubaren Rahmen, wo alle sich kennen, wird das höchst selten sein.

mafa ist auch möglich auf kontinentaler Ebene oder sogar weltweit. Einige Regionen zusammen können solche Pools schaffen, die vor allem in der Übergangszeit, wenn noch viele bolos im Entstehen sind, wichtig sind. mafa kann den bolos in bisher elend gehaltenen Gebieten (Dritte Welt) dabei helfen, ihre Selbstversorgungsbasis aufzubauen. Es kann den direkten Austausch zwischen bolos ergänzen, wenn die Probleme zu gross sind.


feno

Die meisten bolos brauchen oder wünschen eine grössere Vielfalt an Gütern oder Dienstleistungen als sie selber herstellen können. Einige dieser Güter werden sie regelmässig und langfristig benötigen - Geschenke eignen sich da nicht und auch mafa ist nicht dafür bestimmt. Für solche dauernden Lieferungen schliessen die bolos unter sich Naturaltauschabkommen ab - fenos. Dabei geht es vor allem um Produkte des täglichen Bedarfs, die regelmässig und in grösseren Mengen gebraucht werden: Lebensmittel, Reparaturdienste, Stoffe, Dünger, kosmetische oder medizinische Dienstleistungen usw.

Solche Tauschabkommen bereichern die Selbstversorgung und machen sie auch weniger arbeitsaufwendig, weil sie parallele Spezialisierungen vermeiden. Für bestimmte Güter sind grössere Produktionseinheiten und eine gewisse Spezialisierung auch für die Umwelt weniger belastend. Durch den Abschluss beliebig vieler und verschiedenartigster fenos vergrössert sich der Reichtum der bolos entsprechend. Dabei werden sie lediglich darauf achten müssen, nicht zuviel von ihrer Autarkie preiszugeben.

Die Anzahl und Bedeutung solcher Tauschverträge wird je nach innerer Struktur und kultureller Eigenart eines bolo verschieden sein. Eher verschlossene, stille bolos werden wenige fenos haben, offene extravertierte mehr. fenos entstehen nicht aus rein praktischen Erwägungen (wie Tauschverhältnisse, Distanz, Qualität), sondern auf Grund persönlicher oder kultureller Kontakte und Vorlieben. Man wird mit jenen bolos tauschen, die man auch sonst mag, die eine ähnliche (oder gegensätzliche Lebensauffassung haben, die bestimmte Herstellungsmethoden anwenden. (19)

Da das feno-Geflecht eines bolo (oder auch eines Quartiers, einer Region) sich allmählich entwickeln wird, besteht kaum die Gefahr, dass es unübersichtlich wird und man grosse Karteien, Listen oder gar Computer brauchen wird. Das Eintreffen bestimmter Lieferungen (Lämmer im Frühling, Obst im Herbst, Wein im Winter) wird vielleicht ein Bestandteil der Folklore eines bolo werden und durch Feste markiert sein. Trotzdem ist es denkbar, dass bolos, die weniger gefühlsmässige Beziehungen zu ihren fenos haben, diese mit Hilfe von Computern verwalten. Mit einfachen Optimierungsprogrammen könnten Distanz, Menge, Qualität und Zeitpunkt der Lieferungen im Rahmen mehrerer bolos aufeinander abgestimmt werden. Doch ein grosser Vorteil ergibt sich daraus kaum, da ja andererseits ein ganzer Reichtum an direkter Kommunikation verloren geht. Diese muss dann auf andere Weise, mit besonderen Veranstaltungen, wiederhergestellt werden. (siehe: pili)

Mit der Zeit werden die Tauschabkommen ein gut ausbalanciertes, dichtes Netz von Beziehungen bilden. Es kann sich wechselnden Verhältnissen dauernd anpassen und Doppelspurigkeiten können immer mehr vermieden werden. Um den Transportaufwand niedrig zu halten, werden häufige Lieferungen oder solche von grossen Mengen durch benachbarte bolos gemeinsam ausgeführt. Das feno-System spielt sich so ein und wird ein organischer Kreislauf, der viele Aspekte berücksichtigt. Wenn ein bolo z.B. 500 fenos hat, wird es 300 davon mit benachbarten bolos unterhalten. Nachbar-bolos können dadurch so intensiv zusammenwirken, dass eigentliche Bi-bolos, Tri-bolos oder Pluri-bolos entstehen, bolo-Bündel. Je weiter entfernt ein Tauschpartner ist, umso leichter, raffinierter, werden die Produkte sein und umso weniger häufig die Lieferungen. Von weit entfernten bolos werden nur noch typische Spezialitäten in kleinen Mengen bezogen: Kaviar aus Odessa, Tee aus Sri Lanka, Haselnussöl aus Anatolien, Trockenfleisch aus Graubünden, Gewürzbrot aus dem Burgund usw.

Naturaltauschabkommen spielen auch eine grosse Rolle für den Austausch zwischen Regionen und Kontinenten. Dort wird es vor allem um bestimmte Industrieprodukte und Rohstoffe gehen. Da die daran beteiligten Partner eine gewisse Autarkie haben, kann über die Austauschverhältnisse (terms of trade) gleichberechtigt verhandelt werden. Es geht nicht mehr so sehr um Arbeitsstunden und Werte, sondern auch um die sonstigen Beziehungen zwischen Regionen (die ihrerseits durch Kontakte zwischen einzelnen bolos beeinflusst werden). Es ist nicht denkbar, dass bolos untereinander enge persönlich/kulturelle Beziehungen haben, aber die entsprechenden Regionen sich gegenseitig erpressen.



sadi

Geschenke, gemeinsame Reserven und Tauschabkommen verringern zusammen mit der Eigenversorgung das Bedürfnis nach einem ökonomischen, d.h. (arbeits-)zeitkalkulierenden Austausch drastisch. Die Vielfalt der kulturellen Identitäten macht Massenprodukte und daher auch das Entstehen von Massenmärkten unmöglich. Es wird kaum für einen anonymen Markt und fast immer für sich selbst, für bestimmte Abnehmer oder für Freunde produziert. Die für ein Produkt aufgewendete Arbeitszeit wird wegen der Einzigartigkeit der Produkte schwer zu vergleichen sein und genaues Wertmessen (ausgedrückt in Geldbeträgen) deshalb höchst unsicher. Der «Wert» wird - wie heute z.B. bei Kunstwerken von zu vielen Faktoren bestimmt sein und der Markt daher zu einer Art Glücksspiel.

Trotzdem kann es natürlich vorkommen, dass einzelne ibus (sie haben ja immer noch taku, ihren Eigentumskoffer) oder bolos für bestimmte Zwecke einen kalkulierenden Austausch vorziehen. Dafür gibt es die lokalen (städtischen, regionalen) Märkte sadis. Sie ergänzen die anderen, wichtigeren Formen des Austauschs.

Die meisten Quartiere oder Bezirke (Städte) halten tägliche, wöchentliche oder monatliche Märkte ab, Regionen veranstalten Messen aller Art. Solche Märkte können in Fabrikhallen, Schulgebäuden, Kirchen oder Lagerhäusern untergebracht werden, damit sie auch bei Regen und Kälte stattfinden können. Darum herum entwickeln sich verschiedenste gesellschaftliche Aktivitäten: Bars, Theater, Kaffeehäuser, Billiardsalons, Zirkusse, Lese-Zirkel, Klubs usw. Der Markt wird zu einem belebten Treffpunkt, zu einem informellen Kommunikationsforum wie die orientalischen Bazars. Kauf/Verkauf sind nur ein «Vorwand» für alle möglichen Interessen. Vieles, was sonst durch besondere Bürokratien erledigt werden müsste, kann ganz direkt/persönlich auf dem «Markt» geregelt werden.

Umgekehrt zeigt sich auf dem Markt der «Charakter» eines Quartiers. Er kann chaotisch, ordentlich, armselig, bunt, laut, verschlafen, freundlich oder missmutig sein. Je nach dem wird ein Marktkomitee (sadi'dala) den Markt gemäss den Wünschen der bolos organisieren, die Art der zugelassenen Waren bestimmen, die Dauer, die Währung, hygienische und qualitative Erfordernisse. Märkte sind ideal für nicht lebenswichtige, leicht transportierbare, seltene, in kleinen Mengen gebrauchte und hoch spezialisierte Produkte. Das können Einzelstücke sein, individuelle Werke, Antiquitäten, Delikatessen, Drogen, Parfüms, Schmuckstücke, Kleidungsstücke, Lederartikel, Kunstwerke, Kuriositäten, Bilder, Bücher, Programme, Waffen, elektronische Teile, Farben usw. Wenn ein ibu so etwas sucht, kann es sich weder auf eventuelle Geschenke verlassen, noch für einen einmaligen Tausch ein Abkommen (feno) schliessen. Eventuell gibt es auch elektronische «Inseratenmärkte», mit deren Hilfe wichtige Einzelstücke (z.B. Ersatzteile) gesucht werden können.

Da die grossen interkontinentalen oder regionalen Güterverschiebungen geldlos erfolgen, gibt es auch keine internationalen Währungen: jeder Markt kann sein eigenes, lokales System entwickeln. Ein Quartier oder eine Stadt können eine eigene Geldwährung alten Typs einführen (Schillinge, Zechinen, Dublonen, Taler, Gulden, Heller in Papier, Metall oder Plastik). Sie können in Gold oder Silber rechnen, mit Muscheln oder Jadestücken. Andere bevorzugen Chips wie in einem Kasino, die man bei Verlassen des Markts abgeben muss (dafür gibt es Soll oder Haben auf einer Marktbank). Mit Hilfe von Computern und magnetischen «Kreditkarten» kann der Markt «geldlos» organisiert werden: jeder Marktbesucher eröffnet ein Konto und wenn er geht, wird automatisch registriert, wieviel er vom Markt zu gut hat oder ihm schuldet. Um die Ansammlung allzu grosser Positivsaldi (Vermögen) zu verhindern, könnte durch ein Zufallsprogramm eine Art elektronischer Potlatsch eingebaut werden: in Zeiträumen zwischen einem halben und zwei Jahren werden alle Vermögen getilgt. Einige Währungen werden konvertibel sein, andere nicht. Auch Gold wird nicht mit Sicherheit überall angenommen werden. Die Märkte werden zu einem numismatischen Abenteuer, weil Geld eben an sich nur noch ein Hobby ist, kein existentielles Problem wie heute. Die Märkte werden eine Rolle spielen, die mit jener im Frühen Mittelalter zu vergleichen ist: unterhaltsame Ergänzung eines selbstversorgerischen Lebensstils. (20)




fasi

Ist das ibu ein sesshaftes oder ein nomadisches Wesen? In seiner (von ihm selbst erfundenen) Geschichte erscheint es als Steppenreiter und Kathedralenerbauer, als Bauer oder Zigeuner, als Schrebergärtner oder Globetrotter. Die bolos setzen eine gewisse Sesshaftigkeit voraus (wegen der Landwirtschaft) und eine reine Sammlerinnen- und Jägerzivilisation wird erst wieder möglich, wenn die Weltbevölkerung auf einige Millionen abgenommen haben wird. bolo ' bolo soll aber die freie Bewegung auf dem ganzen Erdball für alle wieder möglich machen. Keine zwangsweise Sesshaftmachung wird nomadische bolos oder Sippen mehr daran hindern herumzuziehen. Keine Landesgrenzen oder Gesetze werden sie behindern.

Auch die einzelnen ibus fühlen sich erst wohl, wenn sie sicher sein können, dass sie jederzeit nach Patagonien, Alaska, Kamtschatka, Zanzibar oder Paris verreisen können. Dies ist möglich, weil alle bolos den Reisenden Gastrecht gewähren und diese darum unbeschwert losziehen können. Da niemand Angst haben muss, dass das Geld ihr/ihm ausgeht, fehlt jeder Zeitdruck und wird das Reisen geruhsamer. Der heutige immense Energieaufwand für Schnellverkehrsmittel kann drastisch reduziert werden, weil es nicht mehr darum geht, möglichst schnell möglichst weit zu kommen. Es sind keine Charterflüge mehr nötig, um Westafrika oder Südamerika in drei Wochen abzuklappern, weil der Job auf einen wartet. Die Reisenden sind keinegehetzten Touristen mehr. Reisen wird wieder zu einem Erlebnis.

Das bolo'bolo-Transportwesen ist darauf ausgerichtet, möglichst wenig Güter und Pendler hin- und herzuschieben. So viel wie möglich wird lokal hergestellt und die ibus wohnen und arbeiten meistens im gleichen Quartier oder Dorf. Berufsverkehr, Einkaufsverkehr, Massentransporte, Massentourismus, verschwinden - die Verkehrsmittel werden vor allem für Personentransporte, die der Lust am Reisen dienen, verwendet. Denn Reisen ist ein Vergnügen an sich und es gibt keinen Ersatz dafür. Hingegen hat der Kopfsalat nichts davon, wenn er aus ökonomischen Gründen (niedrige Löhne) tausend Kilometer bis zum Konsumenten «reist».

Da sich das Leben zum grössten Teil im bolo und im Quartier abspielt, kann das ibu die meisten Ortsveränderungen zu Fuss vornehmen. Die Quartiere sind Fussgängerparadiese mit vielen Durchgängen, Brücken, Arkaden, Galerien, Passagen, Vordächern. Im Sommer und im Winter, bei Regen und Schnee gibt es immer trockene Pfade durchs ganze Quartier. Unbehindert durch lästige Lichtsignalanlagen (kaum mehr Autoverkehr) kann das ibu sogar schneller herumkommen als heute. Vor allem aber wird es weniger gestresst.

Innerhalb des Bezirks (Stadt, Nahverkehrsbereich, bis ca. 20 km) ist das Fahrrad das ideale Verkehrsmittel. Neben persönlichen wird es bolo-eigene und allgemein benützbare Fahrräder an Tram- und Bahnstationen geben. Das Fahrrad ist zusammen mit dem ibu (das den Treibstoff in Form seiner Nahrung aufnimmt) das energetisch wirkungsvollste Transportsystem überhaupt. Dazu braucht es jedoch einigermassen gepflegte Wege. In gebirgigen Gegenden, bei schlechtem Wetter oder im Winter ist es unpraktisch (immerhin würde es sich lohnen, ein Netz überdachter Velowege anzulegen). Wo es genug Schnee hat, eignen sich hingegen für den Nahverkehr Langlaufskis, Hundeschlitten oder Troikas.

Im Gebirge und auf dem Land überhaupt sind Tiere sinnvoll, da ihr Futter sozusagen am Wegrand wächst: Esel, Maultier, Kamel, Pony, Pferd, Yak, Hund, Ochse, Elephant. Auch in den Städten können z.B. Pferde (oder noch besser Maultiere, die bezüglich Futter weniger heikel sind, aber dafür mehr Erfahrung im Umgang erfordern) in einem beschränkten Rahmen ganz nützlich sein. Das vor allem für Transporte zwischen Landgütern und Stadtsitzen (sibi'bolo und kodu), weil dann ihr Futter nicht noch zusätzlich in die Stadt gebracht werden muss. In der Stadt jedoch ist das ibu selbst (+ Fahrrad, +Ski, +Rollschuh, +Schlitten) das universale Verkehrsmittel.

Als Rikscha, mit Anhängern, als Dreirad, kann das Fahrrad auch gut für Kleintransporte (bis 100kg) verwendet werden. Ein Pentadem kann mehrere ibus transportieren und dazu erst noch etwas 350kg Nutzlast befördern:

Verglichen mit dem Fahrrad sind auch die relativ wenig Energie benötigenden Massenverkehrsmittel wie Trolleybus, Tram oder U-Bahn sehr aufwendig, weil sie eine komplizierte Infrastruktur erfordern (Geleise, Wagenmaterial, Leitungen usw.). Sie sind zudem laut, oft schlecht ausgelastet (ein Fahrrad fährt nie leer) und manchmal gefährlich. In einer mittelgrossen Stadt (ca. 300000 Einwohner) würde ein reduziertes öffentliches Verkehrsnetz von drei Linien genügen. Wenn an den Haltestellen Fahrräder bereit stehen, können innerhalb der Stadt die meisten bolos in einer Viertelstunde erreicht werden (aber wahrscheinlich hat es ohnehin niemand so eilig).



In ländlichen Gegenden sind Buslinien, Sammeltaxis oder sogar Privatautos geeignete Nahverkehrsmittel.

Da jedes bolo (bzw. sein Landgut) nur eine Zufahrtsstrasse braucht und der Verkehr ohnehin sehr gering ist, kann das arbeitsaufwendige Strassennetz stark reduziert werden. Die meisten Stadtstrassen, Autobahnen, Überlandstrassen werden entweder überflüssig oder können auf eine einzige Spur reduziert werden. Auch der Bedarf an Parkplätzen, Parkhäusern usw. wird entsprechend kleiner. Was an Automobilverkehr bleibt, ist langsam (20kmh innerorts), sporadisch und rücksichtsvoll (man kennt die Fahrer). Es handelt sich vorwiegend um Lastwagen und Busse (betrieben mit Biogas, Dampf, Holzvergaser, etwas Diesel und Benzin), Ambulanzen, Feuerwehrwagen und Spezialtransporte.

Wenn das ibu will, kann es per Velo nach Palermo, Ulan Bator oder Luanda gelangen. Es kann sich aber auch regionalen Verkehrsmitteln anvertrauen, die von Bezirken, Regionen oder Regionalverbänden unterhalten werden. Meist sind dies langsame, mit Dampf, Gas, Elektrizität oder Kohle betriebene Eisenbahnen, die selten fahren und oft anhalten. Sie fahren oft nicht nach starren Fahrplänen, sondern nach Bedarf - danach kann man sich telephonisch erkundigen. An andern Orten gibt es Kanalschifffahrt, Küstenschiffslinien, Buslinien oder Pferdekutschen. In Kombination mit Nahverkehrsmitteln in einzelnen Bezirken und mit Fahrrädern genügen oft zwei regionale Verkehrslinien (in einer «normalen» Region):



Wenn ein ibu weit reisen will, wird es sich zum nächsten Bahnhof der interkontinentalen Eisenbahn, die von einer Kommission des asa'dala betrieben wird, begeben. Ihr Schienennetz sieht so aus:


Dieses Schienennetz kann weitgehend auf bestehenden Linien aufgebaut werden, nur in Afrika und Südamerika braucht es noch einige Ergänzungen. Damit das Reisen etwas bequemer wird, könnte man einige Strecken auf russische Breitspur umstellen (z.B. Lissabon-Wladiwostok oder Helsinki-Kapstadt). Die interkontinentale Eisenbahn und die dazu gehörenden Ozeanlinien (San Francisco-Wladiwostok, Lissabon-New York, Singapur-Sydney usw.) bilden das Rückgrat des planetaren Verkehrsnetzes - innert einiger Wochen kommt man überall hin.

Das Flugzeug wird nur in besonderen Regionen (Polargebiet, Wüsten, Archipele, Dschungel) und für Sonderfälle, wo Geschwindigkeit wichtig ist (Krankentransporte, Katastrophen­hilfe, Beerdigungen, Ersatzteile, Medikamente usw.) benützt werden, weil Infrastruktur und Treibstoff einen unverhältnis­mässigen Aufwand verursachen. Vergnügungsflüge werden durch Verlosungen zugeteilt.

Da alle ibus (und nicht nur wie heute die reichen) die Möglichkeit haben werden, längere Reisen zu unternehmen, entstehen mit der Zeit auch zwischen weit entfernten bolos persönliche Verbindungen (Freundschaften, Liebschaften, Schwangerschaften, Hirngespinste, Projekte, Tauschabkommen) und entwickeln sich neue Lebensauffassungen. Die bolos werden zu weltoffenen Kreuzungspunkten von Leuten und Ideen. Obwohl die Verkehrsmittel an manchen Orten langsamer sein werden als heute, wird der weltweite Austausch allgemeiner und intensiver. Die ibus haben Zeit, sich mit fremden Kulturen und Sprachen zu befassen und mit andern ibus wirklich auf gleicher Ebene Kontakte anzuknüpfen. Das Reisen wird nicht eine einseitige, ausbeuterische Angelegenheit sein wie heute (reicher Tourist/armer Eingeborener), sondern gegenseitig: es werden Bantus in München auftauchen, Sikhs in Prag, Mongolen in Stockholm, Quiche-Indios in Zürich, Eskimos an der Cote d'Azur, nicht als Flüchtlinge, Asylanten oder Zirkusextoten, sondern als würdevolle Besucher.


yaka

Ist das ibu ein verträgliches, anlehnungsbedürftiges, liebes Wesen oder ist es streitsüchtig, abweisend, ja gewalttätig? Ist es heute nur darum so aggressiv, weil der Arbeits-Alptraum es neidisch, frustriert und reizbar macht? Das ist sehr wahrscheinlich. Und doch gibt es Eifersucht, verletzten Stolz, Zerstörungslust, Antipathie, Mordgier, Grössenwahn, Abenteuerlust, Jagdfieber, Rechthaberei, Raserei, Amok - denn bolo'bolo ist eine «Zivilisation» mit Grenzen und an diesen muss sich jeder stossen. Diese unvermeidlichen Frustrationen sollen sich nicht ansammeln, machtbezogen fixieren und zu Katastrophen führen. Darum braucht es vielleicht yaka. (21)

yaka ermöglicht Zwist, Streit, Gewalt und Krieg. yakas gibt es zwischen:

ibus und ibus
ibus und bolos
bolos und bolos
ibus und tegas
bolos und tegas
tegas und sumis
ibus und sumis
sumis und vudo
asa und bolos

usw.


 

Streit soll nicht unterdrückt oder staatlich umgeformt (Justiz, Polizei, Armee), sondern an Ort und Stelle durch die Betroffenen ausgetragen werden. Wie andere Arten des Austauschs (hier von heftiger, körperlicher Berührung), werden yakas (Duelle) durch eine Reihe von allgemeinen Abmachungen so geregelt, dass katastrophale Entwicklungen vermieden werden können. Diese yaka-Abmachungen könnten etwa so aussehen:

 

Die zuständigen Streitkomitees richten die Kampfplätze ein, stellen Richter (nötigenfalls auch bewaffnete), sorgen für den Abtransport Verletzter oder Toter, schützen unbeteiligte ibus, Tiere und Pflanzen. Wenn der Herausgeforderte nicht freiwillig verzichtet, kann ein Streitkomitee von sich aus kein Duell verhindern. Es sorgt lediglich dafür, dass andere Formen des Austauschs (Reden, Geschenke, Tanzen, Rituale, «sportliche» Wettkämpfe usw.) immer möglich bleiben.

Wenn sich größere Verbände wie bolos oder gar ganze Quartiere und Regionen herausfordern und bekriegen wollen, kann für die zuständigen Streitkomitees (regionale, kontinentale) ein beträchtlicher Aufwand entstehen, der später allerdings durch die Streithähne/hennen in Form von Lieferungen oder Fronarbeit wieder abgegolten werden muss. Grössere Verbände können aber auch Champions wählen, die für sie kämpfen oder nur kleinere Duellgruppen delegieren. Da es kaum wirtschaftliche Gründe für solche «Stammeskriege» geben wird (sie sind im Gegenteil sehr «kostspielig»), werden sie relativ selten und wenig hartnäckig sein. Je nach ideologischen Vorstellungen dienen die yakas dem Gewinn von Ehre und Ansehen oder gehören sie sogar zum kulturellen Leben gewisser bolos. Umgekehrt können streitsüchtige bolos deswegen auch ein Ansehen einbüssen und geschnitten werden.

 

Es ist schwer abzuschätzen, wie häufig, wie umfassend und wie blutrünstig Duelle und Kriege sein könnten. Da sie mit vielen «Nachteilen» verbunden sind (Schmerz, Schaden, Trauer, Angst, Verlust des Ansehens) und es keine vernünftigen materiellen Gründe geben kann, werden sie Ausnahme­erscheinungen sein. Und doch können sie nicht einfach durch Sport oder Spiele «sublimiert» werden - nur wenn yakas wirklich «ernst» sind, erfüllen sie ihren Zweck (nämlich Massenkriege zu verhindern).

Es ist möglich, dass einzelne bolos ohne periodische Kriege gar nicht bestehen können. Die Gewalt geht also weiter, aber nicht notwendigerweise die Geschichte.

  

E n d e

 

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