Einleitung der Autorin
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Zuerst verlor Herr J. seinen Führerschein. Einige Monate später hingen an mehreren Bäumen seines Heimatdorfes Zettel, die ihn persönlich beleidigten und zutiefst demütigten. Er wurde als "Säufer", "Hurer", "Autoraser" und "Großmaul" beschimpft, und die Bewohner wandten sich von ihm ab. Auch in der Ehe begann es zu kriseln, da im Dorf das Gerücht kursierte, daß er seine Frau betrüge. Herr J. hatte außerdem wiederholt Ärger auf seiner Arbeitsstelle. Als er dann auch noch für ihn völlig unerklärlich wegen Diebstahls verhaftet und verurteilt wurde, war er am Ende seiner psychischen Kräfte.1)
Herr J. ahnte nicht, daß er Gegenstand eines "Operativen Vorgangs" geworden war und daß für all diese Ereignisse ein einziger Akteur verantwortlich zeichnete: das Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Für das Zusammenspiel der verschiedensten subtilen und vor allem anonymen Repressionen hatte das MfS einen eigenen Begriff geprägt: "Zersetzung".2) Die vielfältigen Zersetzungsmaßnahmen und -strategien sowie ihre Auswirkungen stehen im Mittelpunkt dieser Untersuchung.
Unter Zersetzung ist eine spezifische Methode der Repression zu verstehen, die in der DDR der Honecker-Ära angewandt wurde. Sie zielte darauf ab, bei Oppositionellen Lebenskrisen hervorzurufen, sie tiefgreifend zu verunsichern und psychisch zu belasten. Die subtilen Maßnahmen, die zu diesem Zweck vom Staatssicherheitsdienst konzipiert und initiiert wurden, unterscheiden sich von anderen einschneidenden Formen der Verfolgung, wie Folter, Haft und Tötung, wesentlich dadurch, daß sie nicht offen, sondern verdeckt gegen oppositionelle Personen eingesetzt wurden. Ihr Urheber, das MfS, sollte für die Betroffenen im Verborgenen bleiben.
Das oben angeführte Beispiel des Herrn J. gibt nur einen ersten Einblick in die Vielfalt der Mittel, die im Zuge des Zersetzens zum Einsatz kamen: Das MfS kompromittierte und isolierte Oppositionelle durch Gerüchte und falsche Informationen. Es kriminalisierte sie wegen Delikten, die in keinerlei Bezug zu ihrem politischen Engagement gesetzt werden konnten. Das MfS inszenierte verdeckt ihre berufliche Ausgrenzung und trieb sie in das soziale Abseits, um bei ihnen Existenzängste auszulösen.
1) MDA, X/1323/82.
2) Im folgenden Text wird der Begriff nicht mehr in Anführungszeichen gesetzt, wenngleich sich die Autorin deutlich von ihm distanziert. Zur Pervertierung der Sprache in totalitären Diktaturen siehe: Klemperer 1996.
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Die geräuschlosen Eingriffe gestaltete der Staatssicherheitsdienst aber noch vielschichtiger, da jedes Detail aus dem Leben eines Menschen für die destruktiven Sanktionen genutzt wurde: persönliche Schwächen, Ängste, Trinkgewohnheiten, alle intimen Dinge. Es gab nichts, was für die Organisierung von Zersetzungsmaßnahmen zu belanglos oder zu abwegig war. Die Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) lieferten dem Staatssicherheitsdienst diese Informationen. Die IM waren zusammen mit den sogenannten Partnern des "politisch-operativen Zusammenwirkens" (POZW), zu denen Mitarbeiter aus allen staatlichen und gesellschaftlichen Organen und Institutionen in der DDR gezählt werden müssen, die entscheidenden Kräfte, die die von den MfS-Offizieren entwickelten Maßnahmen in die Praxis umsetzten.
Die Detailversessenheit, die Akribie, mit der das MfS die Verfolgung von Oppositionellen betrieb, läßt ein zweites spezifisches Merkmal der Zersetzung hervortreten: Neben der Anonymität der Gewalt zeichnete sich die Zersetzung dadurch aus, daß sie eine persönlichkeitsorientierte Gewalt war; sie richtete sich wesentlich nach der Individualität des Opfers. Aber diese Ausrichtung, die gleichsam operative Anerkennung der Besonderheit des jeweiligen Individuums, diente allein dem Zweck der Zerstörung oder zumindest der erheblichen Beschädigung der Persönlichkeit. Am offenkundigsten wird dies durch die Tatsache, daß der Staatssicherheitsdienst an seiner Juristischen Hochschule (JHS) in Potsdam-Eiche eigens einen abnormen Zweig der Psychologie etablierte: die "Operative Psychologie". Systematisch wurden dort psychologische Wissensbestände und Erkenntnisse instrumentalisiert, um Menschen zu schaden.
Neben spezifischen politischen Gründen, die im Verlauf der Arbeit noch dargestellt werden, brachte es schon der enorme Aufwand, der mit der Anonymisierung und der Persönlichkeitsorientierung der Gewalt verbunden war, mit sich, daß Zersetzungsmaßnahmen nicht flächendeckend eingesetzt wurden. Anders als in Zeiten offenen Terrors, in denen jeder Bürger darauf gefaßt sein muß, von repressiven Maßnahmen betroffen zu werden, richtete sich die Zersetzung gezielt gegen eine ausgewählte und zahlenmäßig stark begrenzte Gruppe von Menschen. So kam die Zersetzung in der Regel nur im Rahmen von sogenannten "Operativen Vorgängen" (OV) zum Einsatz. Bei den OV handelt es sich um personenbezogene Akten, die alle Maßnahmen des MfS dokumentieren, die es vor allem gegen politische Gegner anwandte.
So skurril und geringfügig sich rückblickend einzelne Zersetzungsmaßnahmen auch ausnehmen mögen, im Zusammenspiel erzielten sie nur zu oft die verheerende Wirkung, die sie beabsichtigten: die schwere Beeinträchtigung, manchmal sogar die vollständige Zerrüttung der individuellen Psyche. Und das Perfide der Zersetzung ist, daß der mit ihr verbundene Schrecken für die Opfer nicht mit dem Untergang der SED-Herrschaft aufgehört hat. Aufgrund der Subtilität und Anonymität der Zersetzungsmaßnahmen passiert es den Betroffenen noch heute nicht selten, daß ihnen andere nicht glauben, wenn sie von ihren Erlebnissen mit der politischen Geheimpolizei berichten. Häufig werden ihre persönlichen Schilderungen als paranoides Gerede abgetan.
Neben der Darstellung und wissenschaftlichen Analyse der Zersetzung dient diese Untersuchung deshalb auch dem Zweck, den Betroffenen weiterzuhelfen. Zum einen sollen sie die Erkenntnisse dieser Arbeit nutzen können, um die Zersetzungsmaßnahmen in ihren OV besser zu verstehen und einzuordnen, zumal nicht hinter jeder im OV fixierten Sanktion steht, daß es sich dabei um eine Zersetzungsmaßnahme gehandelt hat und welche Strategie das MfS mit dieser verfolgte. Zum anderen ist zu hoffen, daß die konzentrierte Darstellung der Zersetzungsaktivitäten des MfS zu einer Sensibilisierung für dieses Thema in der Öffentlichkeit führt, denn nach wie vor finden Zersetzungsopfer bei der Rehabilitierung wenig Beachtung.
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Aufbau der Arbeit
In dieser Arbeit soll auf der Basis der Analyse von OV die Methode der Zersetzung rekonstruiert werden, die in der DDR seit Mitte der siebziger Jahre systematisch entwickelt und eingesetzt wurde. Mit Zersetzungsmaßnahmen verfolgte der Staatssicherheitsdienst vor allem jene Personen und Gruppen, die in seinen Augen die SED-Herrschaft grundlegend in Frage stellten: Das heißt, nicht jede kritische Äußerung nahm das MfS zum Anlaß, einen OV einzuleiten; gleichwohl wurden im Rahmen von OV auch einige Fälle von Schwerkriminalität, Zoll- und Devisenvergehen sowie unbefugtem Waffen- und Sprengstoffbesitz verfolgt.3) Mitunter wurden sogar IM mit Hilfe von OV überprüft; es handelt sich bei diesen Vorgängen aber nicht um Opferakten.
Aufgrund der immensen Materialfülle sind einige Begrenzungen des Untersuchungsfeldes notwendig. So wird sich die vorliegende Untersuchung allein mit politisch motivierten OV beschäftigen und vorrangig die Zersetzungsaktivitäten in den achtziger Jahren thematisieren. Die Analyse wird sich auf diejenigen Personen konzentrieren, die zur politischen Opposition gerechnet werden können, weil sie ansatzweise organisiert arbeiteten und über einen längeren Zeitraum versuchten, eine Veränderung der gesellschaftlichen Zustände zu erwirken. Gemeint sind etwa diejenigen, die sich in den Friedens-, Menschenrechts-, Umwelt- und Frauengruppen engagierten. Alle anderen Personen und Gruppen, die das MfS in den achtziger Jahren mit OV verfolgte und mit Zersetzungsmaßnahmen konfrontierte, wie die Ausreiseantragsteller oder opponierende Künstlerkreise in der DDR, werden in dieser Untersuchung ausgeklammert. Außerhalb der Betrachtung liegen gleichfalls die Zersetzungsaktivitäten des MfS im Westen.
Berücksichtigung fanden dagegen einige OV, die bereits in den siebziger Jahren eingeleitet worden waren und sich vor allem gegen opponierende Pfarrer gerichtet hatten. Im Rahmen ihrer "Offenen Jugendarbeit" stellten sie die Politik der SED in wichtigen Teilbereichen, wie der Wehr- und Friedenspolitik, in Frage. Ihre Einbeziehung in diese Arbeit scheint sinnvoll, weil die "Offene Jugendarbeit" eine wichtige Wurzel für die politische Opposition der achtziger Jahre war.
Die Analyse der OV läßt sich von folgenden Fragen leiten: Was zeichnete die Zersetzung als spezifische Repressionsmethode des MfS aus, wie grenzte sie sich von anderen Formen politischer Verfolgung ab? Wer konzipierte die Zersetzungsmaßnahmen, und von welchen Faktoren war die Dimension der Zersetzungsaktivitäten abhängig?
3) Vgl. Eisenfeld 1995b, S. 160.
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Gab es Unterschiede bei der Verfolgung von Einzelpersonen und Gruppen? Wie und von wem wurden die Zersetzungsmaßnahmen praktisch umgesetzt? Welche Motive hatten die Täter und welche Auswirkung hatte die Zersetzung auf die Opfer? Welche Rolle spielte die "operative Psychologie" und warum kam es noch in den achtziger Jahren zu einer Mischung von "offenen" und "verdeckten" Methoden, obwohl die Zersetzung den absoluten Vorrang vor strafrechtlichen Sanktionen gegen Oppositionelle hatte?
Um die Spezifik, den Zweck und das Ausmaß der Zersetzung angemessen beurteilen zu können, kann diese Repressionsmethode nicht isoliert betrachtet werden, sondern muß in den historischen, politischen und ideologischen Kontext der SED-Herrschaft eingebettet werden. Dieser soll daher in drei Kapiteln dargestellt werden, bevor im Hauptteil dieser Untersuchung die detaillierte Analyse der Zersetzungsmaßnahmen und -Strategien erfolgt.
Zunächst wird der ideologische Rahmen der SED-Herrschaft thematisiert, die spezifischen Herrschaftslegitimationen und die Rolle, die Partei und MfS dabei spielen. Dabei wird zu klären sein, inwiefern man in bezug auf die DDR von einer "subtilen" totalitären Diktatur sprechen kann. Da Zersetzung ein spezifisches Phänomen der Honecker-Ära ist, wird im zweiten Kapitel nach den Ursachen gefragt, die zum Wandel der Repressionspraxis in der DDR geführt haben. Kapitel drei schließlich beleuchtet unter dem Gesichtspunkt der Verfolgung politischer Opposition die spezifische Situation in den achtziger Jahren. Gegen wen richteten sich die Zersetzungsmaßnahmen des MfS, welche organisatorischen und personellen Mittel wurden dazu eingesetzt?
Vor diesem Hintergrund kann dann die Rekonstruktion des Zersetzens auf Basis der Analyse der OV erfolgen. Sie bildet das eigentliche Kernstück dieser Arbeit. Nach einigen grundlegenden Bestimmungen zur Methode der Zersetzung werden die verschiedenen Zersetzungsmaßnahmen und -Strategien des MfS, die es gegen Individuen und Gruppen zum Einsatz brachte, im einzelnen beschrieben, analysiert und systematisch gegliedert. Die Ausführlichkeit dieser Darstellung, der stete Bezug auf die konkreten Fälle, ist notwendig, weil erst so deutlich wird, was Zersetzen in seiner Umfänglichkeit für die Betroffenen praktisch bedeutete. Und sie ist der Versuch, die bewußte Anonymisierung der Gewalt durch das MfS zu durchbrechen und die für die Opfer einst unsichtbaren Strategien wenigstens nachträglich sichtbar zu machen.
Forschungsstand
Das Thema "Zersetzen" wird mehr als zehn Jahre nach der deutschen Einheit immer noch stiefmütterlich behandelt. Es liegen zwar zahlreiche Arbeiten zum MfS vor,4) aber es gibt nur wenige Untersuchungen, die die wichtigste Repressionsmethode des Staatssicherheitsdienstes in den achtziger Jahren analysieren. Sie sollen im folgenden kurz vorgestellt und kritisch gewürdigt werden.
4) So galt das Interesse der wissenschaftlichen Schriftenreihe des BStU bisher den IM, der Kirchenpolitik von SED und MfS, der Struktur des MfS, der Arbeit des Staatssicherheitsdienstes im Westen, dem Zusammenwirken von MfS und Justiz sowie MfS und SED und dem Ende des Staatssicherheitsdienstes; vgl. u. a. Knabe 1999b; Müller-Enbergs 1996a; Vollnhals 1997b; Fricke/Engelmann 1998; Suckut/Süß 1997; Schumann 1997a; Süß W. 1999. Vgl. auch Gieseke 1998a; Wunschik 1995. Mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der SED-Diktatur beschäftigen sich auch alle Landesbeauftragten für die MfS-Unterlagen (LStU); vgl. u. a. Koch 1997; Zahn 1997; Herbstritt 1998. Neben den Publikaüonen, die der BStU und die LStU herausgaben, gibt es eine Vielzahl weiterer Arbeiten, die sich mit der Tätigkeit des MfS auseinandersetzen. Zu verweisen ist u. a. auf die Schriften des Hannah-Arendt-Instituts (HAIT) in Dresden und des Forschungsverbundes SED-Staat in Berlin; vgl. u. a. Fritze 1998; Barkleit/Dunsch 1998; Schroeder K. 1993. Darüber hinaus sind die Publikationen von Karl Wilhelm Fricke zu nennen. Nach dem Ende der Diktatur ergänzte und korrigierte er seine früheren Arbeiten zum MfS; vgl. u. a. Fricke 1982; Fricke 1986; Fricke 1991. Frickes Darstellungen bieten einen ebenso validen Einblick in die innere Struktur, die Methoden und Arbeitsfelder des MfS und die Kategorien der hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter wie die Werke von Manfred Schell und Werner Kaiinka sowie David Gill und Ulrich Schröter; vgl. Schell/Kalinka 1991; Gill/Schröter 1991.
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Anfang der neunziger Jahre war es der Schriftsteller und Psychologe Jürgen Fuchs, der in zwei Aufsätzen anhand seines eigenen Schicksals einen ersten Einblick in die Methode der Zersetzung gewährte, sie definierte und ihre Ziele benannte.5 Die Analyse der Zersetzungsmaßnahmen wurde auch in den folgenden Jahren zu einem seiner wichtigsten Arbeitsfelder. In seinem 1998 erschienenen Buch Magdalena faßte Fuchs seine Forschungsergebnisse zur Zersetzung ausführlich zusammen.6 Das Verdienst von Fuchs ist es, daß er engagiert versuchte, der Öffentlichkeit vor Augen zu führen, wie das MfS Oppositionelle demoralisierte, gegeneinander ausspielte und existentiell zerstören wollte. Fuchs hatte viele Kritiker. Sie warfen ihm Realitätsferne vor und taten seine Darstellungen als bloße Übertreibungen ab.7 Neben Fuchs gab es noch eine Reihe weiterer Betroffener, die Maßnahmen der Zersetzung am Beispiel ihrer MfS-Akten publik machten.8
Aus wissenschaftlicher Perspektive veröffentlichte im Jahr 1997 Hubertus Knabe im Deutschland Archiv (DA) einen Aufsatz zu den "weichen" Formen der Verfolgung.9 Auf der Grundlage der bis dahin vorliegenden Erkenntnisse durch die Betroffenen und eigener Quellenarbeiten analysierte Knabe die Zersetzung als spezielle Repressionsmethode des MfS. Er grenzte sie von den "harten" Formen der Verfolgung ab und machte darauf aufmerksam, daß die Zersetzung erst angesichts neuer außenpolitischer Herausforderungen unter Honecker das Primat vor der strafrechtlichen Verfolgung bekam. Der Wert dieses Aufsatzes liegt aber vor allem darin, daß Knabe typische Zersetzungsstrategien des MfS aufzeigte. Im Jahr 1998 veröffentlichte er eine erweiterte Fassung dieses Aufsatzes und setzte sich mit einigen Diplomarbeiten und Dissertationen der Juristischen Hochschule des MfS intensiver auseinander.10)
5) Vgl. Fuchs 1994; Fuchs 1993; Behnke/Fuchs 1995.
6) Fuchs 1998.
7) Siehe auch: Knabe 1999c.
8) U. a. Kunze 1990; Schädlich 1992; Eppelmann 1993; Wollenberger 1992; Aretz/Stock 1997; Beleites M. 1992; Reiprich 1996; Morgner 1995; Bastian 1993.
9) Knabe 1997a.
10) Knabe 1998.
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Die bislang fundierteste Abhandlung zum Thema "Zersetzen" stammt von Sonja Süß. Im Auftrag der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages legte sie im Jahr 1999 einen 58seitigen Aufsatz zu Strategien der Zersetzung gegenüber Bürgern der DDR vor.11 Sie definierte darin den Begriff der Zersetzung, benannte die Zielgruppen, die Urheber und Mitwirkenden an Zersetzungsmaßnahmen. Darüber hinaus ordnete sie die Methode zeitgeschichtlich ein, zeigte Strategien der Zersetzung gegenüber Personen und Gruppen auf, verwies auf die Folgen von Zersetzungsmaßnahmen und entwickelte Handlungsempfehlungen zur Rehabilitierung Betroffener.
Des weiteren sind einige Arbeiten aus den letzten Jahren zu nennen, die sich zwar nicht ausschließlich mit der Zersetzung beschäftigen, diese aber als Repressionsmethode in ihrem Gesamtwerk analysieren.12 So untersuchte zum Beispiel Joachim Walther die umfassende Observierung und Verfolgung der im Kulturbereich tätigen Schriftsteller und Künstler durch die Linie XX/7 des MfS. Unter den von ihm genannten Repressionsinstrumentarien tauchte die Zersetzung als besonders "perfide Methode der Staatssicherheit" auf.13 Walther beschrieb an konkreten OV, wie das MfS Maßnahmen der Zersetzung in die Praxis umsetzte, was bis dahin nur aus den Publikationen der Betroffenen deutlich geworden war.
Die Arbeiten von Knabe und Süß sind wichtig, hilfreich und anregend, aber sie weisen eine große Schwäche auf: Ihre Forschungsergebnisse basieren lediglich auf Arbeiten der Juristischen Hochschule des MfS und den Publikationen von Betroffenen, nicht jedoch auf den OV. Die Befunde von Süß wie von Knabe bleiben weitgehend abstrakt und leiden daher auch an mangelnder Überzeugungskraft. Wenn die Zersetzung adäquat rekonstruiert werden soll, ist es unumgänglich, die OV zur Grundlage der Analyse zu machen. Denn die personenbezogenen Vorgänge belegen erst das Ausmaß und die vielfältigen Formen der in der DDR praktizierten Zersetzung.
Im Gegensatz zu bisherigen Untersuchungen, die sich dem Thema "Zersetzen" gewidmet haben, wird daher in dieser Arbeit primär auf die OV des MfS zurückgegriffen. Durch die Auswertung dieser MfS-Quellen soll die Methode der Zersetzung ausführlicher dargestellt, definiert und anhand von Beispielen verglichen und analysiert werden. Damit hofft die Autorin der vorliegenden Studie, das bestehende Forschungsdesiderat zu verringern.
Die Quellen
Als Quellen für diese Untersuchung wurden zunächst die Richtlinien und Dienstanweisungen der Führungsspitze des MfS herangezogen, die die Zersetzungsmaßnahmen für die Linie XX normierten. Hinzu kommen die Abschlußarbeiten und Dissertationen an der Juristischen Hochschule, die hauptamtliche Mitarbeiter des Apparates verfaßten, sowie die dort erarbeiteten Schulungsmaterialien, da sie sich mit den Zielen der Zersetzung, einzelnen Zersetzungsmaßnahmen und deren Wirkung beschäftigten. Die wichtigsten MfS-Quellen in dieser Arbeit sind jedoch die personenbezogenen Akten14); sie sind häufig die einzigen Dokumente, die die subtilen und anonymen Zersetzungsaktivitäten des Staatssicherheitsdienstes belegen.
11) Süß W. 1999a.
12) So Raschka 1998; vgl. auch Raschka 2001.
13) Walther 1996, S. 321.
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Bei den im Zusammenhang dieser Untersuchung in Frage kommenden personenbezogenen Akten ist zu unterscheiden zwischen den "Operativen Vorgängen" (OV), den "Zentralen Operativen Vorgängen" (ZOV), den "Operativen Personenkontrollen" (OPK) sowie den "Untersuchungsvorgängen" (UV).
Bei den "Operativen Vorgängen" handelt es sich um personenbezogene Akten, die alle Maßnahmen des MfS gegen diejenigen aufzeigen, die seiner Meinung nach ein hohes Gefahrenpotential für die Aufrechterhaltung der SED-Diktatur darstellten. Aus Sicht des MfS waren das Personen, "die in Gruppen oder individuell dem Sozialismus wesensfremde politische-ideologische Haltungen und Anschauungen absichtsvoll entwickeln und in ihrem praktischen Handeln durch gezieltes Hervorrufen von Ereignissen oder Bedingungen, die die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung generell oder in einzelnen Seiten gefährden oder schädigen, eine Verwirklichung dieser Haltungen und Anschauungen anstreben."15)
OV wurden daher gegen Menschen eröffnet, wenn der Verdacht bestand, daß sie Handlungen begehen würden oder bereits begangen hatten, die eine Anwendung der politischen Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch zuließen, wie "staatsfeindliche Hetze" (§106), "landesverräterische Nachrichtenübermittlung" (§99), "ungesetzliche Verbindungsaufnahme" (§219), "verfassungsfeindlicher Zusammenschluß" (§107), "Widerstand gegen staatliche Maßnahmen" (§212) und "Mißachtung staatlicher und gesellschaftlicher Symbole" (§222).
OV konnten auch als Teilvorgänge in "Zentrale Operative Vorgänge" übergehen. In einem ZOV "erfolgte die zentralisierte, tatbestandsbezogene operative Bearbeitung feindlicher Stellen und Kräfte [...]. Gegenstand der Bearbeitung des ZOV sind die gegen die DDR und andere sozialistische Staaten gerichteten Straftaten, Angriffe oder Auswirkungen der Tätigkeit feindlicher Stellen und Kräfte, wenn sie eine hohe Gesellschaftsgefährlichkeit aufweisen bzw. erwarten lassen und sich auf die Verantwortungsbereiche mehrerer operativer Diensteinheiten beziehen."16)
Die "Operativen Personenkontrollen" dienten dem Ziel, "feindlich-negative Handlungen auch unterhalb der Schwelle strafrechtlicher Relevanz rechtzeitig zu erkennen und wirksam zu unterbinden".17) Sofern im Rahmen einer OPK gegen eine oder mehrere Personen Beweise für Handlungen erarbeitet werden konnten, die nach dem Strafgesetzbuch der DDR strafbar waren, wurde die OPK in einen OV umgewandelt.
14) Zum Quellenmaterial siehe die Aufsätze in: Konrad-Adenauer-Stiftung 1997; Henke 1993b; Gauck 1993; Potthoff 1994.
15) Stichwort "Feind", in: Suckut 1996, S. 121.
16) Stichwort "Zentraler Operativer Vorgang (ZOV)", in: Suckut 1996, S. 421. So wurde z. B. die Gruppe "Frauen für den Frieden", die sich in den achtziger Jahren in verschiedenen Bezirken der DDR etablierte, im Rahmen des ZOV "Wespen" verfolgt.
17) MfS GVS 0008-10/81, abgedruckt in: Gill/Schröter 1991, S. 322-345, hier S. 325.
Seite 19 bis 23: Original-Stasiakten
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Die OPK war die Erfassungs- und Bearbeitungsform unterhalb des OV. In ihr war die Zersetzung in der Regel nicht Teil eines Maßnahmeplans. Im Gegensatz zum OV wurden in der OPK auch keine politischen Paragraphen im Eröffnungsbericht genannt, nach denen ermittelt werden sollte.
Der "Untersuchungsvorgang" schließlich war die Erfassungsform über dem OV. Das MfS legte ihn mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens an. Er konnte mit oder ohne Haft abgeschlossen werden. Die Grundlage des UV bildeten die "Arbeitsergebnisse, die bei der Bearbeitung von Operativen Personenkontrollen und Operativen Vorgängen erzielt wurden, Ergebnisse der Untersuchungsarbeit des MfS, Arbeitsergebnisse anderer Sich'er-heits- und Justizorgane, einschließlich die der Bruderorgane der sozialistischen Länder."18
Da die Methode der Zersetzung fast ausschließlich im Rahmen "Operativer Vorgänge" zur Anwendung kam, bilden die OV die wichtigste Quelle für die vorliegende Arbeit. Die OPK wurden in weit geringerem Maße eingesehen, da in ihnen die Zersetzung in der Regel keine Rolle spielte.
Ein OV besteht aus einem Eröffnungsbericht, Maßnahmeplänen, Sachstandsberichten, Mitteilungen von anderen Abteilungen oder Linien, IM-Berichten, Beobachtungsberichten und einem Abschlußbericht. Außerdem finden sich in einem OV unterschlagene oder kopierte Briefe sowie Abhörprotokolle. Jeder vorgangsführende Offizier gab dem OV einen eigenen Namen, der oftmals die feindselige Verachtung gegenüber dem Oppositionellen zum Ausdruck brachte. So gab es Decknamen für OV wie Tyrann", "Satan", "Blauvogel", "Spinne" oder "Qualle". Diese Entpersönlichung und Abwertung von Menschen zog sich auch durch alle anderen MfS-Materialien.
Der Umfang der von der Autorin eingesehenen Vorgänge war unterschiedlich. Die niedrigste Seitenzahl hatte ein OV mit 376 Blatt. Er bestand aus einem Band. Die höchste Seitenzahl hatte ein OV mit ca. 6450 Blatt. Er umfaßte 17 Bände. In der Regel hatten die OV, die durchgearbeitet wurden, einen Umfang von 3 bis 7 Bänden. Es muß in diesem Kontext aber erwähnt werden, daß eine Reihe dieser OV nicht vollständig war, da zum einen im Herbst 1989 Aktenteile vom MfS vernichtet worden sind, vor allem, wenn es sich um laufende Vorgänge gehandelt hat. Zum anderen haben im Matthias-Domaschk-Archiv in Berlin19), in dem die meisten OV gelesen wurden, die Betroffenen nicht immer ihren ganzen Vorgang zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellt. Die Lücken wurden jedoch durch Interviews mit den Betroffenen aufgearbeitet. Insgesamt wurden 63 OV ausgewertet.
Die Auswahl der OV erfolgte nach verschiedenen Kriterien, um ein möglichst umfassendes Bild von den Zersetzungsmaßnahmen des MfS zu erhalten. So wurde darauf Wert gelegt, ein recht breites Spektrum von Oppositionsgruppen und deren Vertretern zu erfassen. Deshalb bezieht die Untersuchung Vorgänge ein, die sich gegen die Friedens-, Umwelt-, Menschenrechts- und Frauengruppen gerichtet hatten.
18) Stichwort "Untersuchungsvorgang", in: Suckut 1996, S. 383.
19) Das Matthias-Domaschk-Archiv befindet sich in der Schliemannstr. 23, 10437 Berlin www. havemann-gesellschaft.de.
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Darüber hinaus waren die OV eine bevorzugte Quelle, die sowohl Einzelpersonen (meist gehörten sie zum aktivsten Kern) als auch Gruppen betrafen, um daraus individuelle und gruppenspezifische Zersetzungsmaßnahmen ableiten zu können. Es wurden OV aus Berlin, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern durchgearbeitet, um mögliche Unterschiede im Rahmen der Verfolgung zu erkennen. Diesen Zweck erfüllte auch die Analyse von OV, die von verschiedenen Organisationseinheiten des MfS geführt worden sind, also von der Hauptabteilung XX (HA XX), den Bezirksverwaltungen (BV) und den Kreisdienststellen (KD).
Bei der Durchsicht der personenbezogenen Vorgänge fielen eine Reihe von IM auf, die sich aktiv an Maßnahmen der Zersetzung gegenüber Einzelpersonen und Gruppen beteiligt hatten. Um weitergehende Informationen über den IM-Einsatz zu erlangen, die sich nicht allein aus den OV erschlossen, wurden die IM-Akten dieser Personen eingesehen, soweit sie noch vorhanden waren. Insgesamt wurden letztlich 37 IM-Akten durchgearbeitet.
Vollständige IM-Akten bestehen in der Regel aus drei Teilen. Im ersten Teil findet sich die Personalakte des IM. Dort ist auch schriftlich fixiert, wie diese Person als IM rekrutiert werden konnte und wie der Werbungsprozeß verlief. Außerdem ist die schriftliche Verpflichtungserklärung des IM abgeheftet und die Wahl seines Decknamens dokumentiert. Darüber hinaus beinhaltet der erste Teil regelmäßige Einschätzungen über die Zusammenarbeit, Vorschläge zur Höherqualifizierung und alle Maßnahmen, die das MfS zur Überprüfung der Ehrlichkeit des IM eingeleitet hatte. Der zweite Teil umfaßt alle Berichte des IM an seinen Führungsoffizier20, die sich als Zweitschrift jeweils auch in den OV finden, in denen der IM eingesetzt war. Außerdem sind im zweiten Teil alle Berichte über Treffen mit dem Führungsoffizier abgeheftet. Die Treffen, die meist in konspirativen Wohnungen abgehalten wurden, dienten dazu, die Ergebnisse der Aufträge auszuwerten und persönliche Probleme des IM zu besprechen. Im dritten Teil der IM-Akte sind die Kopien aller Auszeichnungen, Quittungen über Geldbeträge und Sachleistungen aufbewahrt, die der IM im Verlauf seiner Tätigkeit vom MfS erhalten hatte.
Die genannten MfS-Quellen wurden beim "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR" (BStU) und im Matthias-Domaschk-Archiv (MDA) in Berlin eingesehen. Das MDA bietet außerhalb des Archivs des BStU den größten Fundus an Opppositionsmaterialien (Selbstzeugnisse der Oppositionellen, Fotos, Flugblätter, Samisdat etc.), an Grundlagenquellen zur Tätigkeit des MfS und an die 250 OV, die von verschiedenen Linien geführt worden sind. Die personenbezogenen Vorgänge aus Mecklenburg-Vorpommern stammen alle aus Privatarchiven.
Die Quellen werden in dieser Arbeit wie folgt wiedergegeben: BStU, ZA, JHS WS 001-200/79 bedeutet: Diese Quelle wurde beim BStU in Berlin eingesehen. Sie stammt aus dem Zentralarchiv. Es handelt sich um eine JHS-Arbeit, die vom MfS die Signatur WS (Vertrauliche Verschlußsache) 001-200/79 erhielt. Die 79 verweist darauf, daß die Arbeit im Jahr 1979 erstellt worden ist.
20) Ein IM wurde normalerweise von einem MfS-Mitarbeiter betreut und angeleitet. Er wird in der heutigen Fachliteratur als Führungsoffizier bezeichnet. Im MfS hieß er "IM-führender Mitarbeiter".
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Wenn die Seiten der Quellen von Mitarbeitern des BStU durchnumeriert wurden, wird Bl. angegeben. Das heißt dann, daß sich die Wiedergabe auf die BStU-Zählung beruft. Die auch verwendete Abkürzung GVS bedeutet, daß es sich um eine Geheime Verschlußsache gehandelt hat.
MDA, XX/1448/84 drückt aus: Diese Quelle wurde als Kopie — es handelt sich um einen OV — im MDA eingesehen. Da unabhängig von der Vorgangsart (zum Beispiel IM-, OV- oder OPK-Akten) die Numerierungen im MfS fortlaufend vergeben wurden, wird allein anhand der Registriernummer nicht erkennbar, um welche Vorgangsart es sich gehandelt hat. Im Text wird dies aber deutlich herausgestellt. Die Akte hat vom MfS die Signatur XX/1448/84 erhalten, wobei XX für den Bezirk steht, in dem der OV angelegt wurde. Das konnte durch eine BV erfolgt sein als auch durch eine ihrer Kreisdienststellen. In diesem Fall handelt es sich um einen OV aus der BV Berlin. 1448 war die laufende Nummer des Vorgangs, die 84 charakterisiert das Jahr der Registrierung (1984).
Die Abkürzungen AIM und AOP stehen für eine archivierte IM-Akte bzw. einen archivierten OV. Zum Beispiel bedeutet AOP 1057/91: Archivierter Operativer Vorgang (AOP), laufende Archivierungsnummer des Jahres (1057), Jahr der Archivierung (1991). Alle Akten, die nach 1989 archiviert wurden, bekamen von Mitarbeitern des BStU die Archivnummer. Bei der Quellenwiedergabe der OV aus dem Matthias-Domaschk-Archiv werden die Titel der Dokumente genau benannt, vor allem wenn nicht klar ist, aus welchem Band diese stammen. Die Seitenzahl bezieht sich dann jeweils nur auf das zitierte Dokument.
Mit den meisten Betroffenen, deren OV als Grundlage für die Analyse der Zersetzung dienten, wurden Interviews geführt. Da in den OV die Umsetzung der Sanktionen manchmal ungenau beschrieben worden ist, zielten die Interviews zum einen auf eine Rekonstruktion einzelner Maßnahmen. Zum anderen sollte in den Gesprächen herausgefunden werden, wie die Betroffenen die gegen sie umgesetzten Zersetzungsmaßnahmen erlebten und was sie bei ihnen bewirkten. Die Interviewfragen orientierten sich an den jeweils in den OV geplanten und verwirklichten Maßnahmen der Zersetzung sowie den eingesetzten IM. Die Interviews dauerten in der Regel zwei Stunden, wurden auf Tonband aufgezeichnet und anschließend transkribiert.
Alle Namen der Betroffenen wurden in dieser Arbeit anonymisiert, da die Eingriffe des MfS in ihre privaten Bereiche zu tief und zu persönlich waren. Auch die IM werden in dieser Arbeit nicht mit ihren richtigen Namen genannt, da jeder IM-Fall genau beschrieben werden müßte, um die Tätigkeit des einzelnen adäquat vermitteln zu können. Dies kann in dieser Arbeit jedoch nicht geleistet werden.
In diese Untersuchung sollten ursprünglich auch Interviews mit IM und hauptamtlichen Mitarbeitern der Linie XX einbezogen werden. Nach ersten Gesprächen wurde dieses Ansinnen aber nicht weiterverfolgt, da die Befragten unsachlich und unehrlich auf die Fragen antworteten. Außerdem entwürdigten die Täter die Opfer in den Interviews erneut, was nicht noch einmal zugelassen werden sollte. Viele ehemalige MfS-Mitarbeiter wollen sich bis heute nicht eingestehen, wie unmenschlich ihre Zersetzungsaktivitäten waren. Sie lehnen es ab, sich in die Lage der Betroffenen zu versetzen und sich das destruktive Potential der Zersetzungsmaßnahmen einzugestehen. Die Zersetzung war für sie lediglich ein "geheimpolizeiliches Intrigenspiel".21) Sie war aber weit mehr als eine "Intrige", was in dieser Arbeit durch zahlreiche Schicksale belegt werden kann.
Orthographische und grammatische Fehler werden in den zitierten MfS-Quellen stillschweigend berichtigt, weil dies der besseren Lesbarkeit dient.
Diese Arbeit beansprucht keine Vollständigkeit, auch wenn sich bei längerer Durchsicht der Akten typische Strategien der Zersetzung erschlossen haben. Es müssen weitere Untersuchungen folgen, die beispielsweise die Anwendung von Zersetzungsmaßnahmen gegenüber anderen Gruppen, etwa den Ausreiseantragstellern, betrachten. Dadurch ließen sich möglicherweise neue Erkenntnisse und vielleicht auch Unterschiede im Vorgehen gegen die Oppositionsgruppen und die Ausreiseantragsteller ableiten.
Außerdem sollte bedacht werden, daß das MfS selbst immer wieder von einer Unbegrenztheit von Zersetzungsmaßnahmen gesprochen hat, so daß es auch angesichts der Quantität der MfS-Quellen eine Reihe von anderen "zersetzenden" Eingriffen gegeben haben wird, die in dieser Arbeit unerwähnt bleiben.
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21) Interview mit Kurt Zeiseweis, ehemaliger Stellvertreter Operativ der BV Berlin, am 30.5.1999. Vgl. auch Schwante 1993 sowie die Stellungnahmen ehemaliger MfS-Mitarbeiter in der Jungen Welt im März/April 2001 zum Thema "Aufarbeitung".
Hochrangige Offiziere des MfS forderten u.a. das Ende der "umfassenden Diskriminierung und Delegitimierung der DDR als eines diktatorischen Unrechtsstaates" und die Einstellung der "makabren Hexenjagden" gegen die ehemaligen IM.