Sandra Pingel-Schliemann

Zersetzen

Strategie einer Diktatur 

Eine Studie

Im Gedenken an Jürgen Fuchs

 

2002  by Robert-Havemann-Gesellschaft, Berlin
Reihengestaltung: Petra Florath, Berlin
Layout und Satz: Bernd Neumeier 
Titelfoto: BStU   3. Auflage, Berlin 2004
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Böckler-Stiftung Düsseldorf

Sandra Pingel-Schliemann :  Zersetzen - Strategie einer Diktatur  (2002)  Eine Studie -

2002  (*1973)   416 Seiten 

DNB.Buch 

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havemann-gesellschaft.de  

detopia  Pankow 

P.htm     Kommbuch  

Fuchs Zersetzung 1995 

Böttger Martin

Stasi-Romeo Pfister

Stasi-Sprache  Bergmann

Stasi-Fotografie  Hartewig

"Zersetzung" nannte das Ministerium für Staatssicherheit in der DDR diese Form der "geräuschlosen" Ausschaltung derjenigen, die sich gegen das SED-Regime engagierten.  Audio 2003 zum Buch  3sat, 7 min

 

Inhalt

Vorwort  
von Michael Greven
(9)  

Einleitung  (13)   
Aufbau der Arbeit (15)  
Forschungsstand (16)  
Die Quellen (18)  

 

Schlußbemerkungen  (361)

Anhang: 

Abkürzungen (369) 

Quellen und Literatur (372) 

Archivalien (372)  

Gedruckte Quellen und Literatur (384)  

Dokumentennachweis (414)  

Danksagung (415) 

Die Autorin (416) 


Die durchgehende Anonymisierung - oft unnötig, da einige 'Zersetzte' ihren Klarnamen hergegeben hätten - mindern die Lese-Qualität dieses Buches.  Dennoch: Das Buch ist eine würdige und lehrreiche Fortschreibung von Fuchs 1995. 

Heute, 2013, darf man sagen (und ich würde das hinzufügen), dass "Zersetzen" auch eine "Strategie in der Demokratie" ist. Dabei denke ich zuerst einmal an die Reklameindustrie. Und was machen "halbstaatliche Aktivitäten" wie Meinungsausforschung und Staatsfernsehen mit den Menschen?  

(detopia2013) 

 

Die "subtile" totalitäre Diktatur

Politische Herrschaft in der DDR  (31)  Die marxistisch-leninistische Ideologie (31)  Die antifaschistische Ideologie (35)  Die SED  (40)  Das MfS (43)  Strukturelle Repression (48) 

Die DDR in der Totalitarismusdebatte  (52)  Klassische Totalitarismustheorien (53)  Grenzen der klassischen Totalitarismus­theorien (57)  Totalitarismus ohne geheimpolizeilichen Terror (61)  Eine neue Form totalitärer Herrschaft (65) 

 

Vom offenen Terror zur Zersetzung: Der Wandel der Repression

Offener Terror in der Ulbricht-Ära  (75)  Politische Justiz als zentrales Terrorinstrument (76)  Die Unterdrückung der politischen Opposition (78)  Körperliche Folter in Untersuchungshaft und Strafvollzug (83) 

Die Ursachen für den Wandel der Repressionspraxis  (86)  Herrschaftsstabilisierung und politische Anerkennung (87)  Der Preis der außenpolitischen Reputation (91)  Die Anfänge der Zersetzungsaktivitäten des MfS (93)  Die Biermann-Ausbürgerung: Lehrstück für SED und MfS (99)  Die Wirkung auf den Westen (103) 

"Operationsbereich" politische Opposition

Die Opposition der achtziger Jahre in der DDR und die Sicht des MfS  (109)   Opposition als systemgefährdende Kraft (110)  Opposition im Spiegel "Operativer Vorgänge (119)  Opposition als "fremdgesteuerte Kraft" (121)

Die Aufgaben der Linie XX des MfS  (126)  Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (126)  Abteilungen der Linie XX (128)

Die Kooperation der Linie XX mit anderen Abteilungen des MfS  (133)   Die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) (133)  Die Linie IX: Verhaftung, Ermittlung, Strafverfahren (137)  Die Linie VIII: Observation (141)  Die Abteilungen 26: Telefon- und Raumüberwachung (142)  Die Abteilungen M: Postkontrolle (145)  Die Abteilungen 32: Technischer Sektor (149) 

Die Rolle der IM in den "Operativen Vorgängen"  (152)  Hauptwaffe im Kampf gegen den Feind (153)  Der Mißbrauch von Vertrauen (158)  Auswahl und Rekrutierung von IM (163)  Typische Anforderungen an IM in der politischen Opposition (166) 

Die Partner des POZW  (180) 

 

Zersetzungsstrategien und -maßnahmen des MfS

Zersetzung als Unterdrückungsstrategie  (187)  Ziele und Charakteristika (188)  Die "Richtlinie 1/76" (198)  Die "operative Psychologie (201) 

Strategien der Zersetzung gegen Individuen (214)  Inszenieren beruflicher Mißerfolge (214)  Verbreiten von Gerüchten und Desinformationen (227)  Unterstellen einer Kooperation mit dem MfS (230)  Vortäuschen "unmoralischer" Lebensweisen (234)  Zerstören von Liebesbeziehungen (253)  Entfremden der Kinder von den Eltern (254)  Einschränken der Bewegungsfreiheit (257)  Kriminalisieren wegen unpolitischer Delikte (261)  Vorladen zur Polizei (264)  Demonstratives Beobachten, Telefonterror und Annoncenkampagnen (265)  Beschädigen privaten Eigentums (266)  Falsche ärztliche Gutachten (266)  Die Kombination von Zersetzung und Haft (270) 

Zersetzen bis zum Tod?  (277)  Zersetzen und liquidieren (277)  Übereifriger Erfüllungsgehilfe: Die Abteilung XX/4 der BV Berlin (281)

Die Kombination von Zersetzungsmaßnahmen  (288)  Der ZOV "Kreis" (288)  Der OV "Verräter" (294)  Der OV "Alternative" (300)

Strategien der Zersetzung gegen Gruppen  (306)  Erzeugen von Mißtrauen (306)  Forcieren von politischen Differenzen (312)  Stören von Veranstaltungen (321)  Haft als Zersetzungsstrategie (327)  Unverzügliches Abschieben in die BRD (331)  Einbinden in staatliche Strukturen (332)  Verzögern, abschwächen: Die Zersetzungsaktivitäten der IM  (336)  Die <Theologisierung> der Gruppen   (340)

Folgen von Zersetzungsmaßnahmen  (350) 

Die Rehabilitierung der Opfer  (354)  

Zersetzungsstrategien und -maßnahmen im Überblick  (358) 

 

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.05.2003 

Sandra Pingel-Schliemanns Studie über die Methoden der psychologischen "Zersetzung" führt nach Ansicht von Rezensent Jochen Staadt vor Augen, welches persönliche Risiko Regimegegner in der DDR eingingen. Staadt listet eine ganze Reihe von Pingel-Schliemann dokumentierter Maßnahmen auf, mit denen "feindlich-negative Personen" mürbe gemacht werden sollten. Das Spektrum der Verunsicherung reichte dabei von anonymen Telefonanrufen, Briefen mit Drohungen, gezielten Gerüchten, Verleitung zu Alkoholmissbrauch, sexuellen Ausschweifungen und Spielleidenschaft über falsche medizinische Betreuung bis zur "Herbeiführung nervenaufreibender kleiner Zwischenfälle".  Staadt hebt hervor, dass die Autorin in Interviews mit Betroffenen herausfand, dass manche Opfer dieses "weichen totalitären Terrors" zeitlebens geschädigt blieben. Dennoch gibt es für die Zersetzungsopfer im Unterschied zu den Haftopfern keine Entschädigung.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.04.2003 

Diese Studie, so der mit "hau" zeichnende Rezensent, offenbart mit welcher Vielfalt an Methoden die DDR-Regierung gegen Dissidenten operierte und an der "Zersetzung" des Oppositionswillens arbeitete. Sandra Pingel-Schliemann mache die Bestandsaufnahme des Repressionsinstrumentariums, das darauf abzielte "subtil" zu wirken, den Menschen "psychisch" zu "belasten", ihn "unglücklich" zu machen und von seiner Umwelt zu isolieren.  Dafür habe das Regime keinen noch so großen Personalaufwand gescheut, den die Infiltration des Privatlebens bedeutete: das Auskundschaften von "persönlichen Schwächen", das In-die-Welt-Setzen von "ehrabschneidenden und kompromittierenden Falschinformationen aus anonymer Quelle" bis zu nächtlichen Eingriffen in der Wohnung, in denen zum Beispiel alle Bilder umgehängt wurden. Die Folge dieser langsamen Verunsicherung sei oft gewesen, dass die Betroffenen sich zunehmend für "verrückt" hielten, und ihre Umwelt das Gleiche dachte. Und so lautet das Fazit des Rezensenten: "Die Lektüre dieses Buches, so unangenehm sie zuweilen ist, wirkt (…) wie eine Schutzimpfung."

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 21.01.2003 

Während die SED in den vierziger und fünfziger Jahren offen gewalttätigen Justizterror ausübte, favorisierte sie ab den siebziger Jahren - offensichtlich aus taktischer Rücksichtnahme auf die neue internationale Rolle der DDR - eher subtile Formen der Verfolgung - ein Wandel, der zwar oft behauptet, nirgendwo aber überzeugend belegt wurde, wie Rezensent Martin Jander eingangs feststellt. Dies hat Sandra Pingel-Schliemann mit ihrer Arbeit "Zersetzen. Strategie einer Diktatur" nach Janders Ansicht nun nachgeholt.  Die Zersetzungspraktiken bestanden nach Darstellung Janders in einer systematischen Art lautloser Kriegführung, deren Ziel es war, Menschen so in Angst und Schrecken zu versetzen, dass sie nicht mehr handlungsfähig waren. "Solche Lebenskrisen herbeizuführen", erklärt Janders, "konnte nur gelingen, da Nachbarn, Arbeitskollegen, Vorgesetzte, Freunde, Eltern, Polizisten, Richter etc. auf Anweisung der Stasi mitspielten." Sandra Pingel-Schliemann zeichne in Umrissen das Bild einer SED-Diktatur, bei deren Maßnahmen wesentliche Teile der Gesellschaft mitmachten; an unzähligen Beispielen schildere sie diesen lautlosen Terror, mit dem SED und Stasi in der späten DDR den wichtigsten Oppositionellen das Leben oft zur Hölle machten, hält Jander fest. Entstanden ist so nach Einschätzung Janders ein "Standardwerk" über die Verfolgung der DDR-Opposition in den siebziger und achtziger Jahren. 

 


    

Vorwort von Michael Greven

9-11

Vor zwölf Jahren brachte die ostdeutsche Protest- und Bürgerrechtsbewegung das marode System der Parteidiktatur der SED zum Einsturz und schuf damit — bei den meisten wohl unbeabsichtigt — die entscheidende Voraussetzung für die staatliche Vereinigung der beiden Teile Deutschlands, die dann schnell von anderen Akteuren vollzogen wurde. 

Heute sind im "wiedervereinigten" Deutschland die Meinungen über die moralische und politische Qualität des Herrschaftssystems der DDR tiefer denn je gespalten. Dabei gibt es nicht nur eine Spaltungslinie zwischen jenen, die von dieser verbrecherischen Diktatur bis heute als Diktatur sprechen, und jenen, die schon damals und bis heute ihre "sozialpolitischen" Vorzüge gegenüber dem westlich-kapitalistischen System rühmten. Und schon gar nicht gibt es nur die Spaltungslinie zwischen Ost- und West-Perspektive. Auch im Westen gab es genügend Sympathisanten für diese Art des "Sozialismus".

Zum zweiten Mal in der jüngeren deutschen Geschichte stellte sich also unabhängig von den gesonderten Problemen einer vergleichenden Diktaturforschung im 20. Jahrhundert die Frage, wie mit der Geschichte einer verbrecherischen Diktatur umzugehen sei, die in der Zeit ihrer Existenz bestürzend viel Unterstützung durch die Bevölkerung erfahren hat. Auch daß diese Unterstützung und Identifikation nach dem Fall des Regimes in beträchtlichem Ausmaß fortlebt, ist eine Gemeinsamkeit und schafft ähnliche praktische Probleme.

Heute ist die "Vergangenheitspolitik" oder, wie man seit den sechziger Jahren häufig unbedacht formulierte, "Vergangenheitsbewältigung" in Westdeutschland gut erforscht. Zu den ziemlich unbestrittenen Erkenntnissen gehört die Einsicht, daß das, was mit "Vergangenheitsbewältigung" im besten Sinne intendiert war, erst in den frühen sechziger Jahren richtig in Gang kam. Dabei wurde nach und nach auch das Ausmaß an Kontinuität sichtbar, das ungeachtet der totalen Niederlage des nationalsozialistischen Herrschaftssystems bis weit in die fünfziger Jahre hinein in den Einstellungen und Wertungen eines nicht geringen Teils der Bevölkerung bestanden hat. 

Und natürlich stellte sich auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Systems die Frage nach den personalen Kontinuitäten. Daß diese in einem großen Ausmaß bestanden, war für die propagandistische Systemauseinandersetzung der DDR immer eines der stärksten Argumente. Dabei schreckte die SED-Führung vor Manipulationen nicht zurück — wie etwa im Fall des ehemaligen Bundespräsidenten Lübke, der aufgrund von gefälschten Dokumenten als KZ-Baumeister denunziert wurde. Auch Gegner der DDR-Diktatur waren für solche Propaganda anfällig.


10

Für den heutigen Umgang mit dem untergegangenen System der Parteidiktatur in Ostdeutschland wirft die westdeutsche Geschichte viele Fragen auf. Müßte man nicht gerade aus dem westdeutschen Beispiel die funktionalen Vorzüge eines "kollektiven Beschweigens" (Hermann Lübbe) als Empfehlung für den heutigen Umgang mit dem Unrecht in der ehemaligen DDR und jenen, die es zu verantworten haben, ableiten? Ließe sich nicht so die gesellschaftliche Integration besser bewerkstelligen und die ostdeutsche Bevölkerung leichter für die Werte einer freiheitlichen Demokratie gewinnen?

Bei den Antworten kommt es zu eigenartigen Paradoxien: Gerade jene, zumeist eher aus dem politisch konservativen Lager, die Lübbes Kritik an einer rigiden Auseinandersetzung ehemals in Westdeutschland teilten, fordern heute die schonungslose Aufklärung des DDR-Unrechts. Und umgekehrt glauben viele derjenigen, die über ihre Forderung nach "Vergangenheitsbewältigung" in den sechziger Jahren in die linke Opposition zur westdeutschen Demokratie geraten waren, heute die für notwendig gehaltene "Integration" von Ost und West vor allem durch die gemeinsame Arbeit an den gegenwärtigen Problemen und den "Blick nach vorne" leisten zu können — "gemeinsam mit allen, die dabei guten Willens sind".

Dabei spielt im Unterschied zu den fünfziger Jahren in Westdeutschland die politische Teilung in Ost und West in diesen Kontroversen eine große und zuweilen taktisch oder polemisch ausgenutzte Rolle. Zwar hat man auch in Westdeutschland jene, die in den fünfziger und sechziger Jahren schonungslose Aufklärung forderten, immer wieder mit der DDR in Verbindung gebracht und dadurch zu diffamieren gesucht; aber ungleich stärker scheint heute in Teilen der ostdeutschen Bevölkerung die Parole zu wirken, die geforderte Auseinandersetzung und die wissenschaftliche Aufklärung über die Parteidiktatur der SED sei Teil einer "Kolonisierung Ostdeutschlands" durch Westdeutschland, also Fremdherrschaft.

Und eine der bedauerlichsten paradoxen Folgen dieser geschichtspolitischen Parole könnte sein, daß in Vergessenheit gerät, wem die ostdeutsche Bevölkerung ihre politische Freiheit im wesentlichen verdankt — dem Mut ihrer eigenen dissidenten Minderheit und nicht der westdeutschen Politik Helmut Kohls.

Diese gegensätzlichen Positionen sind politisch, wie jeder weiß, höchst aktuell und können auch nur politisch gelöst werden. Problematisch freilich wird es, wenn aus der politischen Option der "Integration", des "Beschweigens" und Koalierens auch für die Wissenschaft und die politische Bildung ein Schweigegebot abgeleitet wird. Denn zur Wahrheitsorientierung der Wissenschaft kann und darf es ebensowenig eine Alternative geben wie zur Notwendigkeit einer normativ an der freiheitlichen Demokratie orientierten politischen Bildung.

Vergleicht man noch einmal mit Blick auf die Rolle der Wissenschaft die beiden Nach-Diktaturphasen, so ist das Ausmaß der Erforschung, die die DDR-Diktatur in diesen zwölf Jahren erfahren hat, ungleich höher. Die Quellen sind viel zugänglicher und die wissenschaftlichen Ansätze und Zugangsweisen vielfältiger. Letzteres ist ein Vorteil und kein Nachteil. Allerdings entspricht dem Ausmaß an Forschungsliteratur keineswegs die Intensität und Qualität der gesellschaftlichen und politischen Debatte. Fast scheint es so, daß Teile der Gesellschaft nicht zur Kenntnis nehmen, nicht wissen wollen, was inzwischen in der Wissenschaft bekannt und belegt ist.

So könnte es auch den bedrückenden Erkenntnissen gehen, die in diesem Buch von Sandra Pingel-Schliemann nach langjährigen quellengesättigten Forschungen vorgelegt werden. Die Eindringlichkeit, mit der sie eine vermeintlich abstrakte Strategie der "Zersetzung" aus den Akten als konkretes menschliches Leid der Opfer rekonstruiert, verrät bei aller Einhaltung wissenschaftlicher Standards ihre Anteilnahme. 

Welche überragende Rolle und Macht das Ministerium für Staatssicherheit im Herrschaftsgefüge der DDR gespielt hat, ist inzwischen auch in anderen, eher institutionell ausgerichteten Analysen klar geworden; daß die "Zersetzung" "feindlicher Kräfte und Persönlichkeiten" in der DDR auf "wissenschaftlicher" Basis trainiert und vollzogen wurde, weiß man nicht zuletzt aus den "Richtlinien" und "Handbüchern" der Stasi und den Ausbildungsplänen ihrer Hochschule; welche entscheidende Rolle das Heer der "Inoffiziellen Mitarbeiter" gerade bei der "Zersetzung" spielte, gehört schon eher zu den Zonen des Beschweigens und Beschönigens. 

Sie haben sich gerade um die früheren Opfer solcher Maßnahmen herum in einem Maße gebildet, daß diese in den Augen mancher schon in die Rolle des Querulanten geraten, wenn sie auf der Anerkennung des ihnen widerfahrenen Leids und Unrechts bestehen. Deren Schicksal, das ja kein "Schicksal", sondern das ausgeklügelte Produkt menschlicher Hinterlist war, hat aber noch in keiner wissenschaftlichen Studie so wie hier im Zentrum gestanden. Erst wer das vom MfS bewußt geplante Ergebnis dieser "Zersetzung" selbständiger Persönlichkeiten und das Ausmaß ihres Einsatzes gerade in der Honecker-Ära ganz begreift, kann sich moralisch und politisch über die DDR-Diktatur ein endgültiges Urteil bilden.

Sandra Pingel-Schliemanns Buch gelingt es in ausgezeichneter Weise, diesen perfiden Teil der Parteidiktatur kenntlich zu machen und deren Auswirkungen aus der Perspektive der Opfer mit den Mitteln wissenschaftlicher Aufklärung zu veranschaulichen. Zu wünschen wäre, daß daraus auch praktisch und politisch ein Beitrag zur Gerechtigkeit erwachsen könnte.

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Michael Greven 

 

 

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