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Teil 2   Das Verschwinden der Kindheit

5  Der Anfang vom Ende  

 

 

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In der Zeit zwischen 1850 und 1950 erlebte die Kindheit ihre Hochphase. In Amerika, auf das wir uns im folgenden beschränken müssen, unternahm man erfolgreiche Anstrengungen, alle Kinder aus der Fabrik heraus und in die Schule zu bringen, den Kindern ihre eigene Kleidung, ihr eigenes Mobiliar, ihre eigene Literatur, ihre eigenen Spiele, ihre eigene soziale Welt zu schaffen. In hundert Gesetzen wurden Kinder anders eingestuft und behandelt als Erwachsene; in hundert Sitten und Gepflogen­heiten wurde ihnen ein bevorzugter Status eingeräumt und Schutz vor den Unbilden des Erwachsenenlebens gewährt.

In dieser Zeit formte sich das Stereotyp der modernen Familie, und wenn wir die Chronologie von Lloyd deMause zugrunde legen, entwickelten die Eltern in dieser Zeit auch jenen psychischen Mechanismus, der es ihnen ermöglichte, gegenüber ihren Kindern ein hohes Maß an Einfühlung, Güte und Verantwortungs­gefühl zu entfalten. Aber deshalb wurde die Kindheit doch nicht zu einer Idylle. Wie jedes Lebensalter war und ist auch die Kindheit erfüllt von Leid und Verwirrung. 

Um die Jahrhundertwende jedoch galt die Kindheit allgemein als natürliches Anrecht jedes Menschen, als ein Ideal jenseits aller sozialen und ökonomischen Klassen­unter­schiede. Deshalb war es wohl unvermeidlich, daß man die Kindheit damals biologisch bestimmte und nicht als Produkt der Kultur erkannte. So liegt eine merkwürdige Paradoxie in der Tatsache, daß sich in eben dieser Zeit die symbolische Umwelt, die die Kindheit hervorgebracht hatte, langsam und unmerklich aufzulösen begann.

Wollte man eine einzelne Gestalt als Urheber des anbrechenden »kinderlosen« Zeitalters namhaft machen, dann wohl Professor Samuel Finley Breese Morse von der New York University. Denn Morse war für die Übermittlung der ersten elektronischen Botschaft verantwortlich, die auf diesem Planeten gesendet worden ist. Wie Gutenberg ahnte er kaum, welche Auswirkungen seine Erfindung noch haben sollte, aber es gereicht ihm zur Ehre, daß er seine Ahnungslosigkeit ausdrücklich eingestand, als er seine berühmte erste Kode-Botschaft sendete: »Was hat Gott geschaffen?«1

Historisch interessant ist die Tatsache, daß Morses Begeisterung für die Kommunikations­möglichkeiten der Elektrizität im Jahre 1832 während einer Schiffsreise an Bord der Sully geweckt wurde. Dort hörte er zum erstenmal, daß man Elektrizität innerhalb eines Augenblicks durch einen beliebig langen Draht schicken kann, und die Legende berichtet, als er von Bord gegangen sei, habe Morse dem Kapitän gesagt: »Sollten Sie eines Tages etwas über den Telegraphen als neues Weltwunder hören, dann denken Sie daran, daß diese Entdeckung auf dem guten Schiff Sully gemacht wurde.«

Während Morse auf der Sully unterwegs war, machte Charles Darwin an Bord des Schiffes Beagle jene Beobachtungen, die dann zu seinem Werk <Über den Ursprung der Arten> führten. Es ist fast eine Binsen­weisheit, daß Darwins Reise, die im Dezember 1831 begann, ein welterschütterndes Ereignis darstellt, insofern sie die Entkräftung theologischer Phantasie­vorstellungen und ihre Ersetzung durch natur­wissen­schaftliche Hypothesen zur Folge hatte.

Ich will diese Einschätzung zwar nicht bestreiten, möchte aber doch behaupten, daß Morses Reise sehr viel ernstere Folgen für die Kultur hatte als die von Darwin. 

Darwin entwickelte Ideen, die einen großen Einfluß auf Gelehrte und Theologen ausübten. Es darf aber bezweifelt werden, daß sich seine Theorie nachhaltig auf das Leben der Menschen auswirkte oder daß sie ihre Institutionen und Denk­gewohn­heiten stark veränderte. Während ich dies schreibe, haben sich Millionen von Amerikanern zu einem Kampf gegen die dem Denken Darwins zugrunde liegenden Annahmen verbündet. Es geht mir hier nicht darum, daß ihr Kampf jämmerlich und vergeblich ist, sondern darum, daß man offensichtlich leben kann, ohne an die Evolution zu glauben.

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Aber an der elektromagnetischen Kommunikation und den von ihr geschaffenen Verhältnissen kommt niemand vorbei. Gleichgültig, wo und wie man lebt und was man glaubt — es ist Morse, und nicht Darwin, der uns diktiert, wie wir unseren Alltag zu bewältigen und unser Bewußtsein einzurichten haben. Wir verdanken dies allerdings nicht eigentlich Morse selbst, sondern dem, was Christine Nystrom die »unsichtbare Metaphysik« der Technik genannt hat. Denn zwischen Darwin und Morse gibt es einen wesentlichen Unterschied: Darwin gab uns in Sprache verkörperte Gedanken. Seine Gedanken sind explizit, sie lassen sich diskutieren und bestreiten, und sie sind auch seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts immer wieder öffentlich diskutiert worden, in Hörsälen, Klassenzimmern und sogar vor Gericht.

Morse dagegen gab uns in Technik verkörperte Gedanken, d.h. sie waren dem Blick entzogen und wurden deshalb niemals diskutiert. Morses Gedanken waren in gewissem Sinne unbestreitbar, weil niemand wußte, daß der elektromagnetischen Kommunikation irgendwelche Gedanken innewohnen. Wie bei Kommunikations­techniken so häufig, sahen die Menschen im Telegraphenapparat nur ein neutrales Vermittlungs­instrument, das von sich aus keiner bestimmten Weltdeutung Vorschub leistete. Man stellte Morse nur die Frage, ob sein Apparat funktionieren würde, wie groß seine Reichweite und wie teuer seine Entwicklung seien.

Wenn ich sage, niemand habe von den Ideen gewußt, die dem Telegraphen innewohnen, dann stimmt das nicht ganz. Henry David Thoreau wußte etwas davon. Jedenfalls darf man es vermuten. Als man ihm nämlich erzählte, mit Hilfe des Telegraphen könne ein Mann im Bundesstaat Maine innerhalb eines Augenblicks eine Botschaft an einen Mann in Texas schicken, soll Thoreau gefragt haben: »Aber was haben die beiden einander zu sagen?« Mit dieser Frage, der niemand ernsthafte Beachtung schenkte, lenkte Thoreau die Aufmerksamkeit auf die psychologische und gesellschaftliche Bedeutung des Telegraphen, insbesondere auf seine Fähigkeit, den Charakter der Mitteilung zu verändern — sie aus einer persönlichen und regionalen in eine unpersönliche globale Nachricht zu verwandeln. 

Hundertzwanzig Jahre später wendete sich Marshall McLuhan dem von Thoreau aufgeworfenen Problem zu:

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»Wenn der Mensch in einer elektronischen Umwelt lebt, wird sein Wesen umgeformt, und seine Identität verschmilzt mit dem kollektiven Ganzen. Er wird zum <Massenmenschen>. Der Massenmensch ist ein Phänomen der Geschwindigkeit von Elektrizität und nicht eines der physischen Quantität. Als Phänomen nahm man den Massen­menschen zum erstenmal im Radiozeitalter wahr, aber er war - unbemerkt - schon vorher ins Dasein getreten, nämlich mit dem elektromagnetischen Telegraphen.«2

 

Meiner Ansicht nach hat McLuhan, dieser Meister der Zu- und Überspitzung, in diesem Falle durchaus nicht übertrieben. Der elektromagnetische Telegraph ist das erste Kommunikationsmedium, mit dessen Hilfe eine Botschaft eine höhere Geschwindigkeit erreichen konnte als der menschliche Körper. Er zerbrach die historische Verbindung zwischen Transport und Kommunikation. In der Zeit vor dem Telegraphen konnten alle Botschaften, auch die in schriftlicher Form, nur so schnell übermittelt werden, wie sich der Mensch fortzubewegen vermochte. Der Telegraph nun beseitigte mit einem Schlag Zeit und Raum als Dimensionen menschlicher Kommunikation und entkörperlichte damit die Mitteilung in einem Maße, das weit über die Körperlosigkeit des geschriebenen und des gedruckten Wortes hinausging. Er versetzte uns in eine Welt der Gleichzeitigkeit und Augenblicklichkeit, die den menschlichen Erfahrungsraum sprengte. Damit schaffte er auch Stil und Individualität als Bestandteile von Kommunikation ab. 

Von Anfang an wurden telegraphische Botschaften in einer rituellen Sprache, einem Niemandsjargon über­mittelt, der kaum Platz ließ für individuellen Ausdruck. Ich meine hier gar nicht so sehr die Verwendung des Telegraphen als einer Art Direktbrief, mit dem man Geburtstags- oder Jubiläums­glück­wünsche übermitteln kann, obwohl auch diese Verwendungsform des Telegraphen zu einer Erosion der Sprache beitrug. Ich meine vielmehr den vorrangigen Gebrauch des Telegraphen zur Übermittlung und Verteilung von Nachrichten. 

Der Telegraph brachte die »Nachrichten­industrie« hervor, indem er die Information aus einem persönlichen Besitz in eine Ware von weltweitem Wert verwandelte. In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelten William Swain und Amos Kendall innerhalb der Vereinigten Staaten einen ersten telegraphischen Nachrichten­dienst, und in das Jahr 1848 fällt die Gründung von Associated Press.

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Indem man das Land mit Telegraphenleitungen überzog, wurde die Information selbst unweigerlich wichtiger als ihre Quelle. Man vergleiche hiermit die alte Tradition, den Boten, der schlechte Nachrichten bringt, zu töten. Sie entspringt der Vorstellung, daß der Sprecher für das, was er sagt, verantwortlich ist, und bezeugt im Grunde eine hohe Achtung vor persönlicher Identität. Infolge des elektromagnetischen Telegraphen jedoch wurden die Nachrichten verdinglicht, ihr Urheber ist ein »es« oder ein »man«: »In den Nachrichten heißt es ...« oder »Man teilt uns mit ...« 

Nach dem Aufkommen des Telegraphen war niemand mehr für die Nachrichten verantwortlich. So wie die Zeitung richtete sich auch der Telegraph an die Welt, nicht an die einzelnen. Aber anders als die Zeitung hatte die telegraphische Information keine identifizierbare Quelle. Die Nachrichten kamen — nach einer Formulierung von Edward Epstein — aus dem Nirgendwo. Tatsächlich lautete eine von Morses frühen Demonstrations­botschaften: »Achtung Universum.« Der Telegraph richtete sich hier gleichsam an den Kosmos. Vielleicht wußte Morse ja doch Bescheid.

 

Jedenfalls ist die Antwort auf Thoreaus Frage letztlich, daß es gar nicht darauf ankommt, was der Mann in Maine dem Mann in Texas zu sagen hat. Über den Telegraphen »sagen« die Menschen einander nichts, zumindest nicht in dem Sinne, wie Thoreau dieses Wort gebrauchte. Der Telegraph brachte vielmehr eine Welt der anonymen, ihres Kontexts beraubten Information hervor, in der die Unterschiede zwischen Maine und Texas zusehends belangloser wurden. Der Telegraph drängte auch die Geschichte in den Hintergrund und weitete die unmittelbare, simultane Gegenwart aus.

Aber vor allem kam mit dem Telegraphen eine Entwicklung in Gang, in deren Verlauf die Informationen außer Kontrolle gerieten. Der Telegraph, der uns Nachrichten aus dem Nirgendwo übermittelte, lieferte uns diese Nachrichten in einem bisher ungekannten Umfang, denn die Quantität der Informationen ist eine Funktion der Geschwindigkeit, mit der sie erzeugt und bewegt werden können. Nachrichten aus dem Nirgendwo — das bedeutet, Nachrichten von überall und über alles und ohne bestimmte Ordnung. Der Telegraph erzeugte ein Publikum und einen Markt nicht einfach für Nachrichten, sondern für aufgesplitterte, zusammenhanglose und im großen und ganzen belanglose Nachrichten, die bis auf den heutigen Tag das wichtigste Produkt der Nachrichtenindustrie darstellen.

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Wegen der Schwierigkeiten der Informationsübermittlung wurden die Nachrichten vor dem Aufkommen des Telegraphen einer Auslese unterworfen und im Hinblick auf ihre Bedeutung für das Leben der Menschen ausgewählt — hier setzte ja Thoreaus Frage an. Nach der Erfindung des Telegraphen wurden die Nachrichten wahllos übermittelt, und sie verloren — zumindest nach den Maßstäben eines Thoreau — ihre Brauchbarkeit. Es ist tatsächlich kaum übertrieben, wenn man behauptet, daß der Telegraph zur Entstehung einer neuen Definition von Intelligenz beigetragen hat, denn im Zuge der Überflutung der Welt mit Informationen gewann die Frage, wieviel man weiß, immer mehr Gewicht gegenüber der anderen Frage, welchen Nutzen man aus seinem Wissen zieht.

All dies war von denkbar größter Bedeutung für die Kindheit. 

Die Kindheit war. wie ich zu zeigen versucht habe, aus einer Umgebung hervorgegangen, in der unter ausschließlicher Kontrolle der Erwachsenen den Kindern nach und nach eine bestimmte Art von Informationen zugänglich gemacht wurde, und zwar in einer Weise, die sie, wie man annahm, psychisch verarbeiten konnten. Die Aufrechterhaltung der Kindheit war abhängig von den Prinzipien der kontrollierten Wissensvermittlung und des folgerichtigen Lernens. Mit dem Telegraphen setzte nun eine Entwicklung ein, in deren Verlauf dem Elternhaus und der Schule die Kontrolle über die Information entrissen wurde. Damit veränderte sich auch die Art von Informationen, die Kindern zugänglich waren, es veränderten sich ihre Qualität und ihre Quantität, ihre Abfolge und die Bedingungen, unter denen sie wahrgenommen wurden.

Wären die Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation mit dem Telegraphen erschöpft gewesen, dann wäre vielleicht die gesellschaftliche und intellektuelle Struktur der Schriftkultur weitgehend intakt geblieben, und zumal die Kindheit wäre kaum berührt worden. Aber der Telegraph bildete ja nur das Vorspiel zu dem, was noch kommen sollte. 

Zwischen 1850 und 1950 wurde die Kommunikationsstruktur Amerikas durch einen nicht abreißenden Strom neuer Erfindungen — Rotationsdruckpresse, Photokamera, Telephon, Grammophon, Kino, Radio, Fernsehen — aufgelöst und dann auf einer neuen Ebene wiederhergestellt. Ich nenne hier auch die Rotationspresse und die Photokamera, um anzudeuten, daß die elektronischen Medien nicht die einzigen Faktoren waren, die eine neue Symbolwelt hervorbrachten. 

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Parallel zum Aufbau der elektronischen Kommunikation vollzog sich jener Prozeß, den Daniel Boorstin als die »optische Revolution« bezeichnet hat, die Entstehung einer Symbolwelt aus Bildern, Karikaturen, Plakaten und Reklame.3

Zusammengenommen stellten die elektronische und die optische Revolution eine zwar unkoordinierte, aber mächtige Bedrohung von Sprache und Literalität dar, eine Umschmelzung der Welt der Ideen in eine Welt »lichtgeschwinder« Symbole und Bilder.

Die Reichweite dieser Entwicklung läßt sich kaum überschätzen. Denn während die Übermittlungs­geschwindig­keit die kontrollierte Handhabung von Informationen unmöglich machte, veränderte das in Massenproduktion gefertigte Bild die Form dieser Informationen selbst — vom Diskursiven zum Nicht-Diskursiven, von der Satzform zur Bildform, vom Intellektuellen zum Emotionalen. Sprache ist eine Abstraktion aus der Erfahrung, während Bilder konkrete Darstellungen von Erfahrung sind.

Ein Bild mag soviel wert sein wie tausend Worte, aber es ist auf keinen Fall ein Äquivalent für tausend oder hundert oder auch nur zwei Worte. Wörter und Bilder gehören unterschiedlichen Diskurssphären an, denn ein Wort ist stets und vor allem eine Idee, sozusagen ein Produkt der Vorstellungskraft. So etwas wie »Katze«, »Arbeit« oder »Wein« existiert nicht in der Natur. Solche Wörter sind Begriffe für Regelmäßigkeiten, die wir in der Natur wahrnehmen. Bilder zeigen keine Begriffe, sie zeigen Dinge. 

Man kann es nicht oft genug wiederholen: anders als der gesprochene oder geschriebene Satz ist das Bild unwiderlegbar. Es stellt keine Behauptung auf, es verweist nicht auf ein Gegenteil oder die Negation seiner selbst, es muß keinerlei Plausibilitätsregeln und keiner Logik genügen.4)  

In einem gewissen Sinne kann man daher Bilder und andere visuelle Darstellungen (mit einer Formulierung von Reginald Damerall) als »in kognitiver Hinsicht regressiv« bezeichnen, zumindest wenn man sie mit dem gedruckten Wort vergleicht. Dieses fordert vom Leser eine aggressive Reaktion auf seinen »Wahrheits­gehalt«. Vielleicht ist man nicht immer in der Lage, eine solche Prüfung vorzunehmen — aber theoretisch ist sie möglich, sofern man nur über das nötige Wissen oder die nötige Erfahrung verfügt.

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Bilder hingegen fordern vom Betrachter eine ästhetische Reaktion. Sie sprechen unsere Gefühle, nicht unseren Verstand an. Sie fordern uns auf, zu empfinden, nicht zu denken. Bei seinen Überlegungen zur optischen Revolution hat Rudolf Arnheim deshalb mit prophetischem Blick auf die Bedeutung, die dem Fernsehen im Laufe dieser Umwälzung zukommen würde, davor gewarnt, daß es unser Denken einzuschläfern vermag. 

»... vergessen wir nicht«, so schreibt er,

»daß der Förderung der Anschauung eine Zurückdrängung des Gesprochenen und Geschriebenen und damit des Denkens entspricht ... War nicht in vergangenen Zeiten die Unmöglichkeit, die Anschauung , zu transportieren und so dem Nebenmenschen direkt zu vermitteln, und der daraus entstandene Zwang zur Mitteilung, zur Sprachbildung, das Haupterziehungsmittel des menschlichen Geistes? Wer beschreiben will, muß aus dem Besonderen das Allgemeine ziehen, Begriffe bilden, vergleichen und denken. Wo aber bloß mit dem Finger gezeigt zu werden braucht, da verstummt der Mund, da hält die schreibende, zeichnende Hand ein, da verkümmert der Geist.«5

Diese Beobachtung stammt aus dem Jahre 1935, aus einer Zeit, da sich die durch Bildinformationen bestimmte Umwelt noch gar nicht voll herausgebildet hatte. Fünfundvierzig Jahre später stellt Robert Heilbronner wehmütig fest, daß sich Arnheims Prophezeiung erfüllt hat, wenn er sagt, die Bildreklame sei der destruktivste Einzelfaktor bei der Aushöhlung der Schriftkultur und ihrer Grundlagen.6 Ähnlich wie Roland Barthes weist er darauf hin, daß das in Massenproduktion gefertigte Bild ein ständiges, alles durchdringendes Moment von Irrationalität in die Welt der Politik und der Wissenschaft eingeführt hat.7 

Im Gefolge der Photographie, dann des Films und schließlich des Fernsehens ist das »Image« eines Politikers wichtiger geworden als seine Pläne und das »Image« eines Produkts wichtiger als seine Brauchbarkeit. Mit diesen Feststellungen geben Arnheim, Heilbronner und Barthes implizit einen Hinweis darauf, wie die optische Revolution auch zu einer radikalen Veränderung des Status der Kindheit beigetragen hat. Denn sie sprechen vom Entstehen einer Symbolwelt, die den sozialen und intellektuellen Hierarchien, die Kindheit erst möglich machen, keine Stütze mehr bieten kann.

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Bevor ich den Wandel, der sich hier vollzieht, im einzelnen erörtere, möchte ich noch einmal auf die Paradoxie der Situation aufmerksam machen: In der Zeit zwischen 1850 und 1950 wurden immense Anstrengungen unternommen, um in Amerika eine literale Kultur zu schaffen und die Werte einer an der Schrift und am Buch orientierten Mentalität zu propagieren. Aber genau zur gleichen Zeit bildeten die Elektrizitätsgeschwindigkeit und das massenhaft produzierte Bild eine Allianz, um diese Anstrengungen und die aus ihnen resultierende Mentalität zu untergraben.

Etwa um das Jahr 1950 wurde die Konkurrenz zwischen diesen beiden Symbolwelten sichtbar, und die Paradoxie trat deutlich zutage. Wie viele andere gesellschaftliche Kunstprodukte wurde die Kindheit genau in dem Augenblick obsolet, in dem sie als fester Bestandteil der Wirklichkeit wahrgenommen wurde. Ich wähle das Jahr 1950, weil sich um diese Zeit das Fernsehen einen festen Platz in den amerikanischen Haushalten erobert hatte, und das Fernsehen ist dasjenige Medium, in dem die elektronische und die optische Revolution aufeinanderstoßen. Daher läßt sich am Fernsehen besonders deutlich erkennen, wie und warum die historische Grundlage, auf der die Trennung zwischen Kindheit und Erwachsenenalter beruht, nach und nach verfällt.

Die Zeit, in der wir leben, ist erst die Wiegenzeit des Fernsehens. Nach der Erfindung der Druckerpresse dauerte es noch sechzig Jahre, bis die Drucker auf die Idee kamen, die Seiten der Bücher zu numerieren. Wer weiß, was die Zukunft noch alles für das Fernsehen bereithält? Vielleicht werden Menschen, die heute noch gar nicht geboren sind, neuartige, weitreichende Anwendungen für das Fernsehen ersinnen. Aber selbst wenn wir das kommerzielle Fernsehen betrachten, so wie es sich uns heute darstellt, können wir in ihm einigermaßen deutlich das Modell einer im Entstehen begriffenen Sozialstruktur erkennen, die die Kindheit zum Verschwinden bringen muß. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einen möchte ich an dieser Stelle erläutern, die anderen sollen in den beiden folgenden Kapiteln bedacht werden.

Der erste Grund betrifft die Zugänglichkeit von Information, die wiederum davon abhängt, in welcher Form Informationen kodiert oder verschlüsselt werden. Der Übergang von der Bilderschrift zum Alphabet vor 3500 Jahren liefert ein gutes Beispiel für das, was ich hier zeigen möchte.8) 

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Vor der Erfindung des Alphabets mußte ein »Leser«, um eine geschriebene Botschaft deuten zu können, eine riesige Anzahl von Zeichen erlernen. Diese Aufgabe war so mühsam, daß sie nur von wenigen bewältigt werden konnte, und die, denen es gelang, mußten ihr ganzes Leben darauf verwenden. Aber es lohnte sich. Denn dank ihrer exklusiven Fähigkeiten häuften sie eine gewaltige politische und religiöse Macht an, wie es stets der Fall ist, wenn eine bestimmte Gruppe über ein Geheimwissen verfügt, das sie der Masse der Bevölkerung vorenthält

Mit anderen Worten, die Bilderschrift brachte eine ganz bestimmte soziale, politische und religiöse Struktur hervor. Mit dem Aufkommen des Alphabets nun wurde, wie Isaac Taylor in seinem Buch The History of the Alphabet feststellt, diese Struktur zerstört.9 Das »Wissensmonopol« der Priester und Schreiber zerbrach an einem relativ einfachen und findigen Schriftsystem, das die Geheimnisse des geschriebenen Wortes einer großen Zahl von Menschen offenlegte.

Ganz ähnlich begründete die Buchkultur zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert ein anderes Wissensmonopol — diesmal eines, das Kinder und Erwachsene voneinander trennte. Ein des Lesens gänzlich kundiger Erwachsener hatte Zugang zu dem gesamten heiligen und profanen Wissen, das in Büchern aufgezeichnet war, zu den vielfältigen Formen der Literatur und zu allen überlieferten Schätzen der menschlichen Erfahrung. Kindern hingegen war dieser Zugang meistenteils versperrt. Gerade deshalb waren sie ja Kinder. Und deshalb auch mußten sie zur Schule gehen.

Unser Alphabet ist gewiß leichter zu erlernen als die Bilderschrift der Sumerer, und deshalb konnten ja auch die meisten Kinder die Erwachsenheit erlangen. Aber auch das phonetische Schreiben und Lesen birgt für den Lernenden Schwierigkeiten in sich, und zwar aus zwei Gründen. Erstens: weil das entwickelte Lesen ein Akt der unmittelbaren Wiedererkennung, d.h. ein unbewußter Reflex ist, muß die Lesefähigkeit in einer Phase erlernt werden, in der der Erwerb der mündlichen Sprache noch in Fluß ist. Menschen, die lesen zu lernen versuchen, nachdem ihre mündliche Sprachentwicklung abgeschlossen ist, werden, wenn überhaupt, nur selten gewandte Leser.10 Der Leseunterricht muß also in frühen Jahren beginnen, wenn sich die Kinder biologisch noch nicht auf den Zwang zur Reglosigkeit eingestellt haben. Das ist einer der Gründe, warum vielen Kindern das Lesenlernen schwerfällt.

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Ein zweiter und weitaus gewichtigerer Grund besteht darin, daß es beim Lesenlernen nicht damit getan ist, zu begreifen, wie man einen bestimmten Kode »knackt«. Mit dem Lesen erlernt man zugleich ein eigentümliches Verhalten, das sich in der Fähigkeit, still zu sitzen, nicht erschöpft. Die Selbstbeherrschung ist eine Herausforderung nicht nur an den Körper, sondern auch an den Verstand. Sätze, Abschnitte und Seiten entbergen sich langsam, in einer bestimmten Abfolge und gemäß einer Logik, die sich durchaus nicht von selbst versteht. Beim Lesen muß man warten, bis man eine Antwort erhält, man muß warten, bis man zu einer Schlußfolgerung gelangt. Und während man wartet, ist man verpflichtet. die Gültigkeit der Sätze zu prüfen — zumindest muß man wissen, wann und unter welchen Bedingungen man das eigene Urteil einmal außer Kraft setzen darf.

 

Wer lesen lernt, der lernt auch, sich auf die Regeln einer komplexen logischen und rhetorischen Tradition einzulassen, die einen dazu nötigt, die einzelnen Sätze behutsam und gründlich abzuwägen und Bedeutungen ständig zu modifizieren, wenn sich im weiteren Fortgang neue Gesichtspunkte ergeben. Der Leser muß lernen, reflektiert und analytisch vorzugehen, er muß Geduld und Aufnahmebereitschaft entwickeln und sich in einem ständigen Schwebezustand halten, aus dem heraus er nach reiflicher Überlegung auch einmal nein zu einem Text zu sagen vermag. 

Für das Kind ist es schwierig, sich diese Verhaltensweise anzueignen. Sie muß schrittweise erlernt werden, und deshalb erwartet man von jungen Lesern auch zunächst, daß sie einen Text nacherzählen, nicht daß sie ihn kritisieren. Deshalb erwartet man nicht, daß ein Kind mit acht Jahren die New York Times liest, geschweige denn Platons Staat. Und deshalb neigen die Erwachsenen seit dem 16. Jahrhundert sehr stark dazu, den Lesestoff der Kinder zu zensieren, wobei sie davon ausgehen, daß die Kinder die »Leserhaltung« noch nicht ausreichend beherrschen, um ihre Gutgläubigkeit gegenüber dem Text, wenn nötig, außer Kraft setzen zu können. (Kindern fällt es anscheinend sehr viel leichter, ihre Zweifelsfähigkeit außer Kraft zu setzen.) 

Von einigen Ausnahmen abgesehen, wird ein erwachsenes Leseverhalten kaum vor dem vierzehnten oder fünfzehnten Lebensjahr erreicht (und in einigen Fällen natürlich überhaupt nicht). Dabei muß man beachten, daß der schulische Lehrplan selbst immer der strengste und hartnäckigste Ausdruck der von den Erwachsenen ausgeübten Zensur gewesen ist.

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Man betrachtet die Bücher, die im vierten, siebten oder neunten Schuljahr gelesen werden, nicht allein wegen ihres Wortschatzes und ihrer Syntax als für das jeweilige Alter geeignet, sondern auch deshalb, weil man davon ausgeht, daß sie Informationen, Ideen und Erfahrungen für Schüler des vierten, siebten oder neunten Schuljahrs enthalten. In einer auf dem Buchdruck fußenden Kultur besaß eine solche Annahme eine vernünftige Grundlage, denn trotz ihrer scheinbar leichten Zugänglichkeit waren bis in die heutige Zeit die Beherrschung des gedruckten Wortes und die Ausbildung eines ausgereiften Leseverhaltens so schwierig, daß beides als wirksame Barriere zwischen dem Kind und dem Erwachsenen und sogar zwischen dem Kind und dem Heranwachsenden funktionierte.

Vom Fernsehen jedoch wird dieser Informationshierarchie die Grundlage entzogen. Das Fernsehen ist in erster Linie ein visuelles Medium, was Arnheim schon im Jahre 1935 erfaßte, was aber die Liebhaber von Sesamstraße bis heute nicht begriffen haben. 

Obwohl man im Fernsehen auch Sprache hört und diese mitunter sogar Wichtigkeit erlangt, ist es gleichwohl das Bild, welches das Bewußtsein des Zuschauers beherrscht und die entscheidenden Bedeutungen vermittelt. Um es so einfach wie möglich zu sagen: Die Menschen sitzen als Zuschauer vor dem Fernseher, nicht als Leser und auch nicht so sehr als Hörer. Sie sehen fern. Und dies gilt für Erwachsene und Kinder, Intellektuelle und Arbeiter, dumme und kluge Leute gleichermaßen. Und was sie sehen, sind bewegte, ständig wechselnde Bilder — bis zu 1200 verschiedene in einer Stunde. 

Zu den eher naiven Illusionen über das Fernsehen gehört auch die Auffassung, das begriffliche Niveau von Fernsehsendungen könne stark variieren. Eine solche Variationsbreite ist tatsächlich möglich, wenn man im Fernsehen einen Hörsaal kopiert, wie bei der Sendung Sunrise Semester, in der man auf dem Bildschirm nichts weiter sieht als einen »sprechenden Kopf«, der Sätze von sich gibt. Weil es zum Wesen von Sätzen gehört, daß sie wahr oder falsch, kompliziert oder einfach, intelligent oder dumm sein können, kann das begriffliche Niveau von Sunrise Semester tatsächlich stark variieren.

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Aber das Fernsehen wird nur selten in dieser Weise eingesetzt, und zwar aus dem gleichen Grund, aus dem man keinen Jumbo Jet nimmt, wenn man Post von New York nach Newark (oder von Frankfurt nach Wiesbaden) schaffen will: er ist für diese Aufgabe nicht sonderlich geeignet. Bezogen auf unseren Fall: das Fernsehen ist eben kein Hörsaal. Es ist eine Bilderschau, ein bildliches, kein sprachliches Medium. Aus diesem Grund müssen selbst so »intellektuelle« Programme wie The Ascent of Man und Cosmos, soweit sie bestrebt sind. gute Fernsehsendungen zu sein, ins Zentrum der Aufmerksamkeit das ständig wechselnde Bild stellen. (Deshalb auch — und nicht zufällig — steht in der Sendung Cosmos immer wieder die Person von Carl Sagan im Vordergrund.) Man bedenke auch, daß die durchschnittliche Dauer einer Einstellung in einer Fernsehsendung zwischen drei und vier Sekunden und in einem Werbespot zwischen zwei und drei Sekunden beträgt. Fernsehen verlangt also ein direktes Bildererkennen, kein verzögertes, analytisches Entziffern. Es verlangt Zugreifen, nicht Begreifen.

Das Fernsehen bietet eine ziemlich primitive, freilich unwiderstehliche Alternative zur linearen, sequentiellen Logik des gedruckten Wortes und tendiert dazu, die Härten einer an der Schrift orientierten Erziehung irrelevant zu machen. Für Bilder gibt es kein ABC. Um die Bedeutung von Bildern verstehen zu lernen, benötigen wir keinen Unterricht in Grammatik, Recht­schreibung, Logik oder Wortkunde. Wir benötigen nichts, was einer Schulfibel entspräche, keine Hausaufgaben und keine Voraussetzungen schaffende Ausbildung. Das Fernsehen verlangt keine besonderen Fähigkeiten und entwickelt auch keine Fähigkeiten. Damerall schreibt: »Kein Kind und kein Erwachsener wird durch mehr Fernsehen zu einem besseren Fernseh­zuschauer. Die erforderlichen Fähigkeiten sind so elementar, daß uns von einem Fall von Fernsehschwäche bisher noch nichts zu Ohren gekommen ist.«11

Anders als Bücher, die in ihrer lexikalischen und syntaktischen Komplexität deutlich variieren und sich entsprechend den Fähigkeiten des Lesers einstufen lassen, ist das TV-Bild jedem, ungeachtet seines Alters, zugänglich. Untersuchungen von Daniel Anderson und anderen haben ergeben, daß Kinder mit 36 Monaten anfangen, das Geschehen auf dem Bildschirm mit systematischer Aufmerksamkeit zu verfolgen.

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In diesem Alter haben sie ihre Lieblingssendungen, können Reklamemelodien singen und verlangen nach den Produkten, für die im Fernsehen geworben wird.12 Aber die Sendungen, die Werbespots und die Produkte sind nicht bloß für Dreijährige da. Dafür gäbe es keinen Grund. Was die symbolische Form angeht, ist Laverne & Shirley genauso leicht zu begreifen wie Sesamstraße, eine McDonald-Werbung genauso leicht wie ein Werbespot von Xerox. Und deshalb gibt es so etwas wie Kindersendungen im Fernsehen in Wahrheit gar nicht. Alles ist für alle da.

Entscheidend ist, daß das Fernsehen Informationen in einer Form präsentiert, die unterschiedlos jedem zugänglich ist, und das bedeutet, das Fernsehen braucht nicht zwischen den Kategorien »Kind« und »Erwachsener« zu unterscheiden. Ich möchte — falls man mich der Übertreibung verdächtigt — darauf hinweisen, daß an jedem Abend des Jahres annähernd 3 Millionen Kinder (im Alter von zwei bis elf Jahren) zwischen 23 Uhr und 23 Uhr 30 vor dem Fernseher sitzen; zwischen 23 Uhr 30 und Mitternacht sind es 2,1 Millionen, zwischen 0 Uhr 30 und 1 Uhr 1,1 Millionen und zwischen 1 Uhr und 1 Uhr 30 immer noch knapp unter 750.000.13) 

Dazu kommt es nicht nur, weil die symbolische Form des Fernsehens keine kognitiven Rätsel aufgibt, sondern auch deshalb, weil man einen Fernsehapparat nicht in einer Schublade verstecken oder auf ein hohes Regal stellen kann, so daß ihn die Kinder nicht erreichen können: seine äußere Gestalt ist nicht zur Exklusivität geschaffen, ebensowenig wie der von ihm veröffentlichte Symbolismus.

Zusammenfassend können wir feststellen, daß das Fernsehen die Trennungslinie zwischen Kindheit und Erwachsenen­alter aus drei Gründen verwischt, die alle mit seiner undifferenzierten Zugänglichkeit zusammen­hängen: erstens, weil es keiner Unterweisung bedarf, um seine Form zu begreifen; zweitens, weil es weder an das Denken noch an das Verhalten komplexe Anforderungen Stellt; drittens, weil es sein Publikum nicht gliedert. Unterstützt von anderen elektronischen, nicht auf dem gedruckten Wort beruhenden Medien, bringt das Fernsehen erneut Kommunikationsverhältnisse hervor, wie sie im 14. und 15. Jahrhundert bestanden haben. Biologisch sind wir alle so ausgestattet, daß wir Bilder sehen und deuten und so viel Sprache hören können, wie erforderlich ist, um diese Bilder in einen Zusammenhang zu stellen.

Die neue, im Entstehen begriffene Medienumwelt beliefert jeden gleichzeitig mit derselben Information. Unter den von mir beschriebenen Bedingungen ist es für die elektronischen Medien unmöglich, irgendwelche Geheimnisse zu bewahren. Ohne Geheimnisse aber kann es so etwas wie Kindheit nicht geben.

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